Plötzlich Massenbewegung: Die globalen Libertär-Konservativen sammeln sich

Die zweite ARC-Konferenz an der Themse ist sehr viel größer und mächtiger als die Gründungsveranstaltung vor zwei Jahren. Das Netzwerk hat sein Momentum. Die Krise des Westens schildern die meisten Teilnehmer 2025 trotzdem schärfer als vor zwei Jahren.

picture alliance / empics | Ben Whitley
Jordan Peterson mit Nigel Farage, Reform UK, ARC-Konferenz, London, 18. February 2025

Der Unterschied der ARC-Konferenz 2025 in London, der „Alliance for Responsible Citizenship“, im Vergleich zu der Gründungsveranstaltung vor zwei Jahren fällt schon auf den ersten Blick auf: Damals, als konservative und libertäre Denker, Unternehmer, Wissenschaftler und Autoren zusammenkamen, um ein internationales Netzwerk zu gründen, versammelten sich gut 1.500 Personen im Arsenal London in Greenwich, weitgehend ignoriert selbst von vielen britischen Medien. Diesmal zogen die Veranstalter in den riesigen ExCel-Komplex der Docklands, um die 4.000 Gäste aus 96 Ländern unterzubringen. Es gibt auch eine deutlich größere deutschsprachige Gruppe als 2023, zu der neben anderen Thorsten Alsleben von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft gehört.

Der Andrang liegt vor allem daran, dass viele der Redner auf der ARC 2025 sich in einer sehr viel mächtigeren Position befinden als vor zwei Jahren. Seinerzeit wurde der frisch als Speaker des US-Kongresses gewählte Mike Johnson noch als Oppositionspolitiker aus Washington zugeschaltet. Heute gehört er zur Kernmannschaft, die unter Trumps Präsidentschaft das Land verändert. Der Unternehmer Chris Wright, ebenfalls schon 2023 dabei, amtiert seit einigen Wochen als neuer Energieminister der Trump-Administration. Kemi Badenoch kam 2023 als Ministerin der Regierung von Liz Truss zur ARC.

Ihre Rede zum Beginn der Konferenz 2025 hielt sie als neue Tory-Chefin mit besten Aussichten, nach der nächsten Wahl die britische Regierung zu führen. Was fast intim und verschwörerisch begann, vorangetrieben von dem kanadischen Autor Jordan Peterson, der konservativen britischen Politikerin und Think-Tank-Gründerin Philippa Strout, dem Unternehmer Paul Marshall und anderen, entwickelte sich also innerhalb von 24 Monaten zu einer weltweiten Bewegung von bemerkenswerter Breite und Größe.

Und anders als damals, als die Teilnehmer sich fragten, ob und wie sich die damals noch ziemlich siegesgewisse antiwestliche Ideologie innerhalb des Westens selbst stoppen ließe, herrscht im Februar 2025 an der Themse keine Defensivstimmung mehr. Sondern das Gefühl, neuerdings im Zentrum einer neuen weltweiten Entwicklung zu stehen, vielleicht sogar dieses Zentrum zu bilden. Eine wiederkehrende Botschaft vieler Redner lautet: Wir repräsentieren den eigentlichen Westen, also einen von Gewaltenteilung, freier Rede und weiteren Bürgerrechten geprägten Raum, und wir kehren damit in eine Position zurück, aus der uns der Wokismus vorübergehend verdrängen konnte. „Jetzt ist Zeit, uns wiederzuholen, was uns gestohlen wurde“, meinte Philippa Strout in ihrer Eröffnungsrede.

‚Das‘ meint vor allem: den Stolz auf das westliche Erbe. „Großbritannien ist kein rassistisches Land“, erklärte auch Badenoch: „Wir müssen uns nicht entschuldigen.“ Und: Natürlich sei das Land offen für Migranten, die mit seiner Kultur etwas anfangen können. Aber mit ihr als Premierministerin werde die Politik enden, jeden aufzunehmen, der Einlass begehrt. „Dazu“, so die Tory-Vorsitzende, „sind wir nicht verpflichtet. Britische Bürger müssen an erster Stelle kommen.“ Solche Worte würden, ausgesprochen in Deutschland, einen ähnlichen Schock in der politisch-medialen Klasse auslösen wie die Rede des US-Vizepräsidenten J.D. Vance auf der Sicherheitskonferenz in München.

Überhaupt zeichnen sich die Referenten aller angelsächsischen Formalität zum Trotz durch eine sehr direkte Sprache aus. Trumps neuer Energieminister Wright etwa spottete über den deutschen und britischen Weg zur „Klimaneutralität“ (der auf der Insel für einen Strompreis noch über dem deutschen sorgt): „Das ist keine Energiewende. Das ist lächerlich.“ Paul Marshall machte das Publikum mit dem deutschen Begriff „Dunkelflaute“ bekannt; und spottete über die Idee von Energie- und „Net Zero“-Minister Edward Milliband, das Inselreich mit Solarpanels zuzupflastern: „Ich bin kein Experte, aber das leuchtet mir nicht recht ein. Das einzige Land in der Nähe mit noch weniger Sonnenschein, als wir ihn haben, ist Irland.“

Seiner Ansicht nach stehen sowohl Deutschland als auch das Königreich vor der Entscheidung, entweder ihren Kurs der Wirtschafts- und Energiepolitik radikal zu ändern – oder die gesamte energieintensive Industrie aus dem Land zu treiben. „Die Frage ist“, so Marshall: „wie viele Leute ihren Job noch haben, wenn Milliband seinen verliert?“ Damit setzt er wie viele andere in der ExCel-Halle einen Schwerpunkt der Konferenz: die Rückkehr zur Rationalität. Und das nicht nur auf wirtschaftlichem Gebiet. Andere gleichrangige Themenblöcke beschäftigten sich mit der Bedeutung von Familie und Bildung, genauer gesagt mit der Frage, wie sich der Niedergang von beidem aufhalten und umkehren lässt.

Und natürlich mit der Migration, die gerade den Charakter der westlichen Staaten tiefgreifend verändert. Das ARC-Spektrum reicht von klassisch liberalen Denkern bis zu den demokratischen Rechten wie Nigel Farage, Vorsitzender von Reform UK, der Partei, die bei der letzten Parlamentswahl in Großbritannien am stärksten zulegte. „Die Konservativen sind nicht gespalten“, so Farage im Gespräch mit Jordan Peterson, denn: „Die Tories sind keine ausschließlich konservative Partei mehr.“ Die vierzehn Jahre der zurückliegenden Tory-Regierungen, so lautet sein Verdikt, seien eben auch geprägt gewesen von ungeregelter Masseneinwanderung, hohen Steuern und dem ‚Net Zero‘-Projekt, dem Ziel der Klimaneutralität, das er für einen völligen Irrweg hält. Auf diese Weise befeuert die Konferenz auch den Ideenwettbewerb innerhalb des nichtlinken Lagers.

Während es 2023 darum ging, das libertär-konservative länderübergreifende Netzwerk erst einmal zu gründen, steht jetzt bei der ARC die Frage nach dem Gegenprogramm zu Postnationalismus und großer Transformation im Zentrum. In seiner Rede am zweiten Konferenztag kreiste der britische Journalist Douglas Murray um die Frage: Was macht die westliche Tradition eigentlich aus? Im Kern der woken, postkolonialen Ideologie, so Murray, stehe nach wie vor das Dogma, „dass wir im Westen selbst keine eigene Farbe haben, sondern dass Farben das sind, was uns andere bringen.“ Diese Frage überwölbt alle anderen: Worin liegt die kulturelle Besonderheit des Westens? Von dieser Antwort, meint er, hängt ab, ob der Westen als eigener kultureller Raum überlebt.

Obwohl sich das ARC-Netzwerk in einer sehr viel stärkeren Position sieht als 2023, und obwohl sich der Wokismus zumindest in den USA im Niedergang befindet, verschärfen sich die ökonomischen und kulturellen Krisen in fast allen westlichen Ländern. Daraus ergibt sich das nächste Leitmotiv der Konferenz: die drängende Zeit. „Diese ganze Diskussion, was ein Mann und was eine Frau ist“, so Murray, „wer hat eigentlich Zeit für so etwas?“ Das Gefährliche an diesen Debatten, so lautet seine nicht ausgesprochene Antwort, liegt darin, dass sie nur Energie für die wirklich wichtigen Gesellschaftsthemen rauben.

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Kommentare ( 30 )

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Sting
1 Monat her

Anstatt die Russen in eine gemeinsame Friedensordnung einzubinden. 

Nach dem Ende des kalten Krieges, hat Putin 1992 eine Rede im deutschen Bundestag halten dürfen, „wir müssen zu einer friedlichen Zusammenarbeit finden “ . 

Und dann haben die damaligen Parteien weiter gemacht wie vorher

WIR müssen jetzt bei den Wahlen in Deutschland FLAGGE zeigen und KEINEN VON DIESEN PERVERSEN ALTPARTEIEN wählen !!

Sting
1 Monat her

Vor der Wahl aufgeflogen: 700 Milliarden für Ukrainekrieg nach Bundestagswahl – https://philosophia-perennis.com/2025/02/18/vor-der-wahl-aufgeflogen-700-milliarden-fuer-ukrainekrieg-nach-bundestagswahl/ – Nach der Deutschland-Wahl plant man in der EU ein Kriegs- und Ukraine-Paket von historischem Ausmaß.  Dank Annalena Baerbock wurde diese Information nun doch noch vor der Wahl öffentlich. Es ist wieder einmal Annalena Baerbock und ihrem lockeren Mundwerk zu verdanken, dass die Öffentlichkeit umfassender informiert wird.  In einem Interview mit Bloomberg enthüllt sie die nächsten Schritte der EU in der Ukraine-Frage. Und diese werden teuer, allerdings wird noch die Deutschland-Wahl abgewartet. Die EU wird nun das Ukraine-Desaster alleine zahlen müssen. …ALLES LESEN !! Wir, die Bürger, sind… Mehr

Sting
1 Monat her

Die transatlantische EU ist, nachdem sie von Trump ausgebootet wurde, panisch und ratlos – https://overton-magazin.de/top-story/die-transatlantische-eu-ist-nachdem-sie-von-trump-ausgebootet-wurde-panisch-und-ratlos/ – Die EU hat keine einheitliche Stimme, sie hat sich auch deswegen hinter der Biden-Regierung eingeordnet, um darüber Einheit gegen Russland zu erlangen.  Fällt der Feind weg, was die Trump-Regierung gerade vorführt, zerfällt die Einheit, da in der Nachfolge von Washington nie ein eigenständiger Weg verfolgt und eine Alternative bedacht wurde, von der Aufrüstung gegen Russland auf eine Verständigung und ein Ende des Krieges umschalten zu können. Das wurde verpönt.  Wer nicht für die militärische Unterstützung der Ukraine mit allen Mitteln war, war Kollaborateur oder… Mehr

Igel
1 Monat her

Murray kann man nur zustimmen. Seit der Aufklärung fand keine weitere konstruktive Auseinandersetzung mit den christlichen Werten statt. Wo die eigentliche Religion nicht stattfindet, ergreifen Ersatzreligionen den Raum. Ob das der Kommunismus ist, der Islam oder die Klimasekte. Vor allem junge Leute brauchen, suchen und finden eine Orientierung. Und sei es die Abwegigste. Der permanente Nihilismus und Dekonstruktivismus des Westens führt dahin, wo der Westen dann auch hingehört: ins Nichts. Viele junge Leute – vor allem Frauen – konvertieren zum Islam, weil er ihnen klare Vorgaben gibt. Selbst wenn sie zur Selbstverleugnung führen. Die (Amts)Kirchen haben ihre eigentliche Daseinsberechtigung, die… Mehr

bfwied
1 Monat her

Alles formt sich zu Gruppen, alle Tierarten, alle Menschen mit ihren Kulturen – bis auf einige westliche Völker, eigentlich nur 2: D. und UK. Und diese zwei glauben derzeit, der Nabel der Welt zu sein, der davon überzeugt ist, die Speerspitze des grandiosen Fortschritts zu sein, indem er zurückschreitet, sich selbst zerstört, die Wirtschaft, die Kultur, sogar die Bildung, einfach alles, wobei besonders pittoresk ist, dass beide Länder sich ausgerechnet einer Kultur ergeben, die mit Bildung, Wissen, Freiheit, Indivudualität gar nichts am Hut hat! Aber eigentlich passt das ja. Eine Zeitenwende ist bitter nötig, in den USA hat sie begonnen,… Mehr

MarcoM
1 Monat her

Hmm… ich bin kein Transatlantiker, aber ein „Westler“. Ich bin eigentlich konservativ, aber in vielen Bereicher recht liberal/libertär. Seit fast 10 Jahren lebe ich auf den Philippinen (meine Partnerin ist katholisch, ich Agnostiker aber katholisch aufgewachsen, unser Sohn ist auch Katholik). Ich mag Trump und seinen „style“, aber ich kann (als Österreicher) auch Putin und die russische Seele verstehen. Eine schwierige Sache das Ganze. Was oft missverstanden wird – man kann pro-westlich sein, aber auch Probleme mit den Amerikanern und deren Kultur haben, gleichzeitig aber auch gut mit den Russen auskommen. Diese „Ost-West-Denke“ ist überholt. Ich bin weder Anti-Amerikaner noch… Mehr

JuergenR
1 Monat her

Und vor allem preßt man uns für so etwas noch Zwangsgeld ab.

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  JuergenR

Das ist aber etwas, wo Sie selbst Rückgrat zeigen können – und auf Beiträge verzichten bzw. diese wenigstens so weit verzögert zahlen, wie Ihr Mut reicht.
Widerspruch wegen nicht Einhaltens von Rundfunkstaatsvertrag § 11 einzulegen geht über die „Beitragsservice-www“. Da gibt es Formulare – und nach dem Absenden die Bestätigung des Eingangs gleich mit dazu.

H. Priess
1 Monat her

Das Gefährliche an diesen Debatten, so lautet seine nicht ausgesprochene Antwort, liegt darin, dass sie nur Energie für die wirklich wichtigen Gesellschaftsthemen rauben. Das genau ist ja der Sinn oder Unsinn dieser nutzlosen Debatten! Wer den ganzen Tag für den Genderismus kämpft hat keine Zeit sich um essentielle Probleme zu kümmern, ja er/sie nimmt sie gar nicht wahr, weil außerhalb seines politischen Ereignishorizonts. Der Konsevatismus ist nicht tod, wenn man ihn aber noch mit dem Liberalismus verquickt, der eindeutig von den Linksgrünrotwoken in Grund und Boden gequatscht wurde Beispiel Lindner, wird er es schwer haben. Ohne einen gesunden Nationalismus und,… Mehr

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  H. Priess

Das war ja der Clou von Trump: seit er inauguriert ist, setzt er die Themen – und zwar von Stunde zu Stunde neu. Und für welche, die seine Denke nicht verstehen, wirkt das unberechenbar.
Die anderen haben gar keinen Raum mehr, ihren Tinnef weiter zu propagieren – immer, wenn sie mit Gegenworten laut werden, gibts auf dem twitter account der Administration, hier mit verfolgbar, sofort die passende Antwort: https://x.com/RapidResponse47

Biskaborn
1 Monat her

Hochinteressant! Nur müssen diese Kräfte jetzt schneller und mächtiger wachsen und an Einfluss gewinnen, ansonsten ist der Westen verloren. Wer war denn noch außer dem genannten Herrn Alsleben aus Deutschland anwesend, das fehlt leider im Artikel?

Marcel Seiler
1 Monat her

Ich unterstütze ARC. Alle Vorträge der ersten Konferenz von 2023 sind, soweit ich weiß, online zu sehen. Das wird wohl auch mit denen der diesjährigen ARC-Konferenz der Fall sein. Ich habe sie gerade gefunden unter Youtube-Punkt-com, Schrägstrich, @arc_conference.

Das Angenehme an ARC ist, dass es wirklich intelligenter, reflektierter Konservatismus ist. Ich halte es für intelligenter und reflektierter als alles, was im Moment von Links, Grün oder Woke kommt. Aber das ist nur meine Meinung.

Viel Vergnügen.