Wir machen uns die Welt, wie es Gutdeutschland gefällt

Wer sich auf die offiziöse deutsche Auslandsberichterstattung verlässt, bekommt Phantasiebilder statt Realität. In dieser Lage wird das Netz immer mehr zum Korrektiv. Gerade deshalb wollen Freiheitsfeinde jetzt digitale Meinungen filtern. Sie meinen es ernst.

picture alliance / Geisler-Fotopress | Christopher Tamcke/Geisler-Fotop

In einer Runde des Spartensenders Phoenix erklärte vor kurzem ein Maik Fielitz, Leiter der Abteilung Rechtsextremismus- und Demokratieforschung am „Institut für Demokratieforschung und Zivilgesellschaft“ (IDZ), worin er die größte Gefahr für die Demokratie sieht und deutete auch an, wie er sich die Abwehr der Bedrohung vorstellt. Bevor es um seine Institution, ihre Struktur und ihren Zweck geht, soll Fielitz selbst zu Wort kommen. Denn er spricht aus, was nicht nur ein paar subalterne Personen im IDZ denken.

In der Sendung beklagte er, dass auf X „bestimmte Menschen halt über Formate einfach auch größere Reichweiten als Qualitätsmedien erreichen und somit auch jenseits von editorischen Standards da kommunizieren können. Ich glaube, das ist halt auch alles, was eben Regulation angeht, da kann es einfach nicht auf Strafen und so weiter stehenbleiben, sondern da muss sich eigentlich eine EU überlegen, okay, wie wird einfach das digitale Mediensystem gestaltet? Kann jeder einfach mit einem Massenpublikum halt kommunizieren? Ist wirklich jeder sich der Verantwortung bewusst, und ist es einer Demokratie zuträglich?“

Man lasse sich durch die konfuse Diktion nicht ablenken. Viele jüngere Akademiker sprechen heute so. Vor allem denken sie so. Fielitz sieht es also als Problem oder vielmehr als Skandal an, dass über soziale Medien jeder prinzipiell jeden erreichen kann, weil dort keine Torwächter filtern, was in die Öffentlichkeit gelangen darf. Manche Leute erreichen auf diesem nicht mehr ganz neuen digitalen Weg tatsächlich ein größeres Publikum als alteingesessene Medien, und das umso mehr, als diesen Medien immer mehr Leser und Zuschauer abhandenkommen. Auf X reicht deshalb schon eine mittlere Größe, um mit einem guten Post einen größeren Kreis anzusprechen als Tageszeitungen oder öffentlich-rechtliche Nischenformate. Und das alles ganz ohne die editorischen Standards, wie sie bei der Qualitätsplattform ARD existieren, die ihre verbliebenen Zuschauer beispielsweise über stromerzeugende Fernsehgeräte und ihren afrikanischen Erfinder unterrichtet, über pflanzenförmigen Sprengstoff oder über 16000 Kernkrafttote in Japan.

Um diese demokratieunzuträgliche Situation zu beenden, dass neuerdings jeder nicht nur empfangen, sondern auch unbetreut senden darf, muss nicht nur nach Ansicht des IDZ-Vertreters dringend die EU tätig werden. Auch viele andere Größen des politisch-medial-institutionellen Komplexes denken so. Aus Sicht dieses Komplexes beschreibt Fielitz ein durchaus real existierendes und für diese Entität sogar existenzbedrohendes Problem.

Wenn Meinungsfreiheit Unsererdemokratie nicht zuträglich ist

Um hier ganz kurz auf das angeschnittene Thema der Demokratiezuträglichkeit zu kommen; das Grundgesetz erwähnt im Artikel 5 naturgemäß keine sozialen Medien, aber auch nicht die herkömmlichen Medien und Journalisten, obwohl beide 1949 schon existierten. Es definiert die Meinungsfreiheit nicht als Privileg für bestimmte Gruppen, sondern als Grundrecht aller Bürger.

„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt“, heißt es dort unter der Ziffer 1. Also fast so, als hätten die Grundgesetzautoren die Möglichkeiten dezentraler Kommunikation schon geahnt. Genau diese Zustände in der digitalen Öffentlichkeit, die der Stichwortgeber des Jenaer Instituts beklagt – jeder kann senden, solange er nicht gegen Strafrecht verstößt, jeder empfangen – entsprechen dem Geist des Grundgesetzes sogar besser und vollständiger als die frühere Einwegkommunikation unter der Kontrolle medialer Torwächter.

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Um den Vorstoß des IDZ-Vertreters richtig zu würdigen, muss man von seiner Person ab- und auf die Institution selbst sehen, die zu einem mittlerweile sehr weit ausgedehnten Schattenreich jenseits des sichtbaren Staates gehört. Das „Institut für Demokratieforschung und Zivilgesellschaft“ firmiert als „außeruniversitäres Institut“ der Universität Jena; hier senden also Personen ihre Meinungen jenseits von editorischen Standards, wie sie zumindest früher im Wissenschaftsbetrieb herrschten.

Nach eigenen Angaben untersucht das IDZ „Ursachen, Formen und Auswirkungen von Ideologien der Ungleichwertigkeit“, außerdem noch „die demokratische Zivilgesellschaft“. Für die Finanzierung sorgt das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit, in dessen Logo sich die Aufforderung „denk bunt“ findet. Außerdem gehört das IDZ zum Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ), gegründet und durchfinanziert von der damaligen Bundesforschungsministerin noch unter Angela Merkel, die seinerzeit auch die klare Erwartung äußerte, das Forschungsinstitut möge „praxisrelevanten Vorschläge“ zu den Themen „Konfliktkultur, Populismus und Diskriminierung“ liefern.

Als Träger des IDZ tritt allerdings weder eine universitäre noch überhaupt eine im formalen Sinn staatliche Institution auf, sondern eine weitere Schattenreichorganisation – die Amadeu-Antonio-Stiftung. Im Beirat der 1998 von der früheren inoffiziellen MfS-Mitarbeiterin Anetta Kahane gegründeten Stiftung sitzen unter anderen der Chef des Thüringer Verfassungsschutzes Stephan J. Kramer, außerdem der grüne Europaabgeordnete Sergej Lagodinsky. Das Lobbyregister weist für 2023 insgesamt 19 staatliche Geldgeber der Amadeu-Antonio-Stiftung auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene aus, angefangen mit dem Bundesfamilienministerium und dessen Zuwendung von gut 1,3 Millionen Euro. Zu den weiteren Finanziers 2023 gehörte die EU-Kommission, außerdem das Außenministerium der Biden-Administration mit einem kleineren Betrag im Zusammenhang mit dem Programm „Get The Trolls Out“. Im gleichen Jahr verzeichnet das Lobbyregister lediglich eine einzige kleinere private Spende an die Amadeu-Antonio-Stiftung.

Eine fast vollständig staatlich durchfinanzierte, aber jeder öffentlichen Kontrolle entzogene Agendaorganisation, in der ein Geheimdienstchef, ein Politiker der Regierungspartei und etliche andere Multiplikatoren beraten und mitmischen, und die wiederum ein Institut mit Wissenschaftsanstrich trägt, dessen Vertreter im Fernsehen Vorschläge zum Aushebeln eines der zentralen Grundrechte der Verfassung unterbreitet – exakt so muss man sich die Zivilgesellschaft vorstellen, zu der das IDZ forscht. „Zivilgesellschaft“ verhält sich zur Zivilgesellschaft ungefähr so wie Unseredemokratie zur Demokratie.

Maik Fielitz reiht sich als eher kleiner Mitforderer in die breite Front der Kräfte ein, die meinen, dass es mit der Rede- und Informationsfreiheit im Netz so nicht weitergeht. Er sprich das Ziel nur noch etwas deutlich aus als beispielsweise Zeit-Redakteure, Grünenpolitiker und EU-Vertreter. Die Leute wissen, dass sich mittlerweile ein wirklicher Strukturwandel der Öffentlichkeit vollzieht. Und der ist, um mit Fielitz zu sprechen, der Definitionsmacht der bisherigen Definitionshoheitsträger nicht zuträglich.

In keinem Bereich lässt sich das so gut studieren wie in der Auslandsberichterstattung der älteren deutschen Medien. Wer sich auf sie verlässt, erfährt wenig über die Welt, aber alles über die Weltanschauung der Narrativerstatter. Bei Berichten aus dem Inland verfügen die Konsumenten – nicht nur die direkten, die Tagesschau sehen, sondern auch diejenigen, zu denen der Inhalt via X oder Facebook durchsickert – über gewisse Einschätzungsmöglichkeiten aus eigener Kraft. Sie wissen, dass ein halbes Dutzend Jugendlicher, die auf Sylt döp singen, nicht die Republik erschüttern, auch wenn Tagesschau und Stern ihnen das Gegenteil einreden wollen.

Wenn Katrin Göring-Eckardt im Gleichklang mit wohlmeinenden Medienschaffenden erklären, Migration habe „mit dem Alltag der Menschen verdammt wenig zu tun“, dann wissen es die meisten Menschen aufgrund eigener Anschauung besser. Sie müssen dafür nicht unbedingt Statistiken lesen. Wenn die ARD eine Nothilfeaktion zugunsten Robert Habecks und der Grünen startet, indem sie deren Schutzbehauptung einfach nachspricht, Habecks Idee von Sozialabgaben auf Sparerträge beträfe „nur Millionäre“, dann verstehen vielleicht nicht alle, aber doch auch nicht ganz wenige Deutsche, dass der Staat von wirklich Reichen mit ihren Firmen zur Vermögensverwaltung keine Sozialabgaben holen kann, und sich deshalb bei Normalexistenzen bedienen muss, wenn Geld bei der Aktion herumkommen soll (wobei andererseits in staatlichen Kassen gar keine Knappheit zu herrschen scheint).

Man erinnert sich noch ganz gut an den Ampelschlager: „Die CO2-Abgabe wird mit dem Bürgergeld vollständig zurückgegeben“, außerdem an den beliebten Hit von 2021: „Nach der Grundsteuerreform muss niemand mehr zahlen als vorher.“ Mit anderen Worten, sie kennen ihr Land, die herrschenden Verhältnisse und handelnden Personen. Nicht unbedingt im Detail, aber summarisch. Wer außerhalb bestimmter Innenstadtmilieus lebt, verfügt in der Regel über ein alltagsrobustes Erfahrungswissen, das ihm auch noch so bemühte Narrativbastler nicht so ohne weiteres ausreden können. Auch hier wirkt das, was die Nutzer auf X tauschen, schon als Verstärkung dieser Alltagserfahrung und damit als Antidot zu der Gaslighting-Formel: ‚Das siehst aber nur du so‘.

Wenn es um das Verständnis der restlichen Welt geht, verhält es sich ein wenig anders. Nur wenige kennen die Verhältnisse in anderen Ländern wirklich gut. Bestenfalls eine kleine Minderheit der Deutschen liest regelmäßig fremdsprachige Medien (von denen sich, das kommt als Schwierigkeit dazu, auch einige vorwiegend im Narrativsektor betätigen). Die Korrektur durch Alltagserfahrung fällt also weitgehend aus, wenn jemand sein Wissen über den Rest der Erde aus den traditionellen Medien bezieht. Wenn es überhaupt ein Korrektiv gibt, dann Plattformen wie X, die mittlerweile auch ganz brauchbare AI-gestützte Übersetzungen bieten.

Ein paar Beispiele sollen illustrieren, wie ein Konsument von ARD, ZDF, Spiegel, Zeit, Süddeutscher Zeitung und ähnlicher Vermittler die außerdeutsche Sphäre sieht, beziehungsweise, wie er sie sehen soll. Das beginnt mit der sogenannten Einordnung der handelnden Personen: Für die Zeit beispielsweise ist Argentiniens Präsident Javier Milei, der den sozialistisch ausgebauten Staat zurückschneidet und erste Erfolge bei der Stabilisierung von Haushalt und Währung verbucht, ein „Faschist“. Damit es wenigstens in dieser argumentativen Welt passt, erfindet das Blatt dazu den passenden Begriff „Marktfaschismus“.

Screenprint: Zeit Online

Geht es um Österreich und die sich dort anbahnende Koalition aus FPÖ und ÖVP, erklärt die Tagesschau die FPÖ als „extrem rechts“, die ÖVP aber auch schon als Partei „rechts der Mitte”. Die Mitte markiert in dem Tagesschau-Österreich nach dieser Logik die linke SPÖ, deren Chef Andreas Babler man durchaus einen Sozialisten nennen kann, ohne ihm zu nah zu treten. Den gescheiterten kanadischen Premier Justin Trudeau wiederum beschreibt der gleiche Sender als „Ikone der Liberalen“, offenbar in der Erwartung, dass ihr Publikum weder die Bedeutung des Begriffs ‚Ikone‘ kennt noch Englisch spricht. Der Young Global Leader und Regierungschef verhängte 2022 das Notstandsrecht gegen protestierende Trucker und ließ deren Spendenkonten ohne richterliche Genehmigung beschlagnahmen (was der Oberste Gerichtshof später als verfassungswidrig einstufte); sein Kabinett führte eine neue Strafgesetzgebung für Meinungsdelikte ein, die Strafen bis lebenslänglich vorsieht, und das der Polizei erlaubt, schon bei der bloßen Möglichkeit eines Verstoßes gegen Bürger tätig zu werden.

Trudeau verwandelte Kanada in das freiheitsfeindlichste Land der westlichen Welt, er exekutierte eine lupenrein linksautoritäre Politik, für die er schon 2024 den Rückhalt in der Bevölkerung verlor. Das liberal im Namen seiner Partei bedeutet eben etwas grundsätzlich anderes als das deutsche ‚liberal‘, so, wie die englische „billion“ auch keine Billion ist, und „plant shaped C4 charges“ eben, siehe oben, kein „Sprengstoff in Form von Pflanzen“. Aber selbst, wenn in dem Parteinamen ‚freedom‘ vorkommen würde, wäre dadurch noch nicht der Widerspruch zwischen Bezeichnung und Bezeichnetem aufgehoben. Notorische Falschübersetzungen, ob nun aus Inkompetenz, Absicht oder einer Mischung aus beidem, machen in der deutschen Auslandsberichterstattung einen erheblichen Teil der Verzerrung aus.

Das ZDF etwa zeigt auch sehr schön, dass Auslandsberichterstattung in den älteren Medien fast ausschließlich zu dem Zweck stattfindet, die dort fest betonierten innenpolitischen Überzeugungen zu bestätigen und zu ergänzen. Der Moderator des „Morgenmagazins“ beispielsweise übersetzt den Post, den Elon Musk nach dem zweiten Attentatsversuch auf Donald Trump absetzte („and no one is even trying to assassinate Biden/Kamala“) nicht, wie es korrekt (und korrekte Realitätsbeschreibung) wäre, mit: „Und niemand unternimmt auch nur den Versuch, Biden/Kamala zu ermorden“, sondern manipuliert den Satz zu einer einem angeblichen Mordaufruf durch Musk um. Um dann die AfD-Politikerin im Studio zu fragen, was sich ihre Partei dabei denke, sich von diesem Mann unterstützen zu lassen.

Das etabliert-deutsche Medienbild anderer Staaten zeichnet sein Bild, das sich hauptsächlich aus Weglassungen und Umformungen zusammensetzt. Zu der durch Musk und X befeuerten Debatte über die lange von den Behörden ignorierten Grooming-Gangs in Großbritannien – Gruppen meist pakistanischstämmiger Männer, die Mädchen, manche noch minderjährig, mit Versprechungen, Drogen und Gewalt von sich abhängig machten – erfahren deutsche Verbraucher des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, dass Musk erstens im Vergleich dazu das wirkliche Problem darstellt, und zweitens, dass es überhaupt keinen Skandal aufzuklären gibt. Denn das sei schon vor Jahren geschehen: „Wie Musk einen alten Skandal für sich nutzt“, erläutert die ARD: „Nun wärmt er einen Missbrauchsskandal auf, der längst aufgearbeitet ist.“

Screenprint: Tagesschau

Jeder, der die Debatte in britischen Medien verfolgt, weiß, dass die Tagesschau hier die Sachlage brutal verformt.

In Wirklichkeit gab es eben nie eine systematische Untersuchung, wer genau damals bei Polizei und Justiz so lange wegschaute und die Gangs gewähren ließ. In diesem Zusammenhang stellen sich auch Fragen nach der Rolle des damaligen leitenden Staatsanwalts Keir Starmer, heute Premierminister des Vereinigten Königreichs. Die Times schreibt: „Nur eine nationale Untersuchung kann die Wahrheit über diesen Skandal vollständig aufdecken.“ Im Spectator fragt ein Autor, wie sich der verharmlosende Begriff „grooming gangs“ so lange festsetzen konnte – es müsste eigentlich „rape gangs“ heißen. Von alldem erfährt der ARD-Konsument nichts. Man könnte auch sagen: „Die Tagesschau lügt.“

Nach dem gleichen Strickmuster berichten deutsche Medien über die Großfeuer in und um Los Angeles. „Ist der Klimawandel hauptursächlich?“, fragt der Tagesschau-Mitarbeiter im Studio den zugeschalteten ARD-Wetterexperten pro forma, der sofort sekundiert: „Ja, definitiv.“ Denn dort in Südkalifornien herrsche gerade ein beständiges Hoch „mit viel Sonnenschein“ – völlig ungewöhnlich für die Gegend mit ihren Strandvillen. In Kalifornien und national diskutieren Bürger auf X (und klassische Medien) ganz andere Ursachen dafür, dass die Feuerwehr es seit über einer Woche nicht schafft, die Brandkatastrophe mit bisher 16 Toten einzudämmen: schlechte Busch- und Waldpflege, da die geltenden Umweltschutzvorstellungen die Beseitigung von Totholz und damit die Reduktion der Brandlast behindern, trockengefallene Hydranten in Palisades, unzureichende Löschwasservorräte.

In der Debatte geht es auch darum, dass die Feuerwehr von L.A. jahrelang ihr Hauptaugenmerk auf Diversität richtete, was bemerkenswerterweise drei sehr ähnliche Frauen an die Spitze der Organisation brachte, alle übrigens mit dem Vornamen Kristine. Eine davon, die für diversity, equity and inclusion (DEI) zuständige Chefin Kristine Larsen, erklärte schon in einem Video von 2019 Diversität für sehr viel wichtiger als Kompetenz. Und schließlich gibt es auch noch die Bürgermeisterin Karen Bass, die trotz der Warnung vor Großbränden lieber zur Amtseinführung des Präsidenten von Ghana flog, und sich nach ihrer Rückkehr ungefähr so auskunftsfreudig zeigte wie Robert Habeck bei Fragen zu den Einzelheiten seiner geplanten Sparerbelastung. Nichts davon steht in irgendeinem Zusammenhang mit der Klimaerwärmung – einmal ganz abgesehen von der Tatsache, dass die konkrete Brandursache in bisher allen Fällen Brandstiftung lautete.

Ja, hört man in Peking nicht auf die Grünen?

Eine Abrundung erfährt das gutdeutsche Bild von der Welt auf dem Gebiet der Energiewirtschaft. Vor allem, wenn es um Kernkraft geht, erfährt sie eine sehr viel kritischere Betrachtung als der stromerzeugende Fernsehapparat aus Afrika. China, unterrichtete die Süddeutsche ihre Leser, baue die Kernkraft aus – und mahnte streng: „Dabei handelt es sich eigentlich um eine Technologie der Vergangenheit.“ Ja, liest man in Peking das Weltblatt aus München nicht?

Screenshot via Facebook

Das ZDF servierte seinen Zuschauern die Mär vom teuren französischen Atomstrom für 70 Cent pro Kilowattstunde, wobei man sich auf dem Lerchenberg seinerzeit nur um das Zehnfache verrechnete, also immer noch weniger als die Zeit, die Frankreichs Atomstromsubventionen auf 400 bis 600 Milliarden Euro jährlich schätzte. Die zutreffende Zahl, zwei Milliarden und damit genau ein Zehntel der Kosten für Deutschlands Wind- und Solarstromproduktion, fand sich bei der Zeit immerhin später und klein in einem Korrekturkasten wieder.

Alles in allem entsteht speziell für Nutzer dieser Medien mit den notorisch hohen „editorischen Standards“ (Fielitz) das Bild einer wahnsinnigen, aus den Fugen geratenen Welt, in der Kanadas Bürger unbegreiflicherweise Trudeau nicht mehr mögen, während Argentinier, Amerikaner, Italiener und neuerdings auch Österreicher die Wiedergänger von Hitler und Mussolini wählen, in der die Briten sich von Musk über längst geklärte Fälle irre machen lassen und überhaupt fast alle Länder der Wahnvorstellung folgen, Kernkraft sei eine nützliche Sache. Vor diesem Kontrast hebt sich Deutschland als Insel der Vernunft ab, über der noch die Fahne der Vielfalt, der Klimabesorgnis und der richtigen Migrationspolitik weht. Wenn man das Weltrund nicht real beherrschen kann, dann wenigstens das, was die betreuten Bürger darüber erfahren.

Wann gab es das eigentlich historisch zuletzt, dass obrigkeitsfreundliche deutsche Medien vom Ausland einen Eindruck lieferten, der sich noch nicht einmal als Zerrbild bezeichnen lässt? Denn das Zerrbild verzerrt zwar die Proportionen, beseitigt sie aber nicht. Wer dieser offiziösen Auslandsberichterstattung so folgt, wie es Leute mit Tageschau-, SZ– und Spiegel-Exklusivität tun, bewegen sich buchstäblich in einer Märchenwelt. Claas Relotius erkannte und belieferte diese Struktur beizeiten, indem er bei seinen Reportagen aus den USA nur auf die korrekte Ortsbezeichnung achtete und ansonsten kurzerhand alles erfand. Er kam einfach nur ein paar Jahre zu früh.

"Boden des Grundgesetzes verlassen"
CDU Hessen: Mit Verfassungsschutz-Einheit sollen „ungefilterte Meinungen“ zensiert werden
Dass dieses Märchenbild trotz fehlender Überprüfungsmöglichkeiten für den Einzelnen zwar Abnehmer findet, aber bei vielen auch nicht oder nicht mehr durchdringt, liegt an einigen Medien, die anderen Prinzipen folgen, aber auch an der Existenz des Internets und darin wiederum vor allem an X. Der Satz von Niklas Luhmann: „Was wir von der Welt wissen, wissen wir durch die Massenmedien“, stammt aus einer Zeit, in der es nur diese klassischen Massenmedien gab – und das als Organisationen, die ihre namensgebende Aufgabe als Realitätsmittler im Großen und Ganzen noch erfüllten. Man kann sich die hypothetische Frage stellen: Was wüssten wir über die Welt, wenn wir uns das Internet und die wenigen neu entstandenen Medien kurz wegdenken?

In genau diesem Wegdenken üben sich Leute wie Fielitz vom IDZ, wie Thierry Breton, wie Robert Habeck, der gerade bei dem Streamer „HandOfBlood“ auf Twitch über Elon Musks „vulgäres Freiheitsverständnis“ sinnierte und bei der Gelegenheit erklärte: „Ich kenne Leute, die ich anrufen kann, die Dinge in Bewegung setzen können.“ Diese und andere Personen sehen, dass sich die Dinge weltweit nicht in ihrem Sinn entwickeln.

Die Trudeaus und Arderns gehen, die Trumps kommen, ein Milei ist schon da, und mittlerweile wankt selbst die progressive Begeisterung in Kalifornien, bis eben noch das Wokistan der Vereinigten Staaten. Soll sich Deutschland als ziemlich einsames Bollwerk einer Moralelite in dieser Umgebung bewähren, dann geht das, so die Vorstellung der Verantwortlichen, nur hinter einem soliden antirealistischen Schutzwall. Was es erst einmal nötig macht, dessen Lücken zu schließen, was in der Praxis heißt, X und neuerdings auch Facebook zu beschränken oder bei Gegenwehr eben ganz abzuklemmen. In dieser Feststellung liegt kein Alarmismus. Dieses Gericht wird so heiß gegessen, wie seine Köche es gerade zubereiten. Während es Fielitz im Chor mit den anderen zum Skandal erklärt, dass auf X ganz unkontrolliert jeder sein Publikum erreichen kann, setzen sich die Dinge, um mit Habeck zu sprechen, anderswo schon in Bewegung. Hessens Innenminister Roman Poseck, wohlgemerkt, ein CDU-Mann, erklärt wortwörtlich „ungefilterte Meinungen“ zur neuen Gesellschaftsbedrohung.

 

In Hessen geht jetzt, wie der Hessische Rundfunk rapportiert, „eine Sondereinheit des Verfassungsschutzes“ gegen dieses unfiltrierte und unbewachte Herummeinen im Netz vor, also genau diesen Zustand, der unter dem Stichwort ‚Meinungsfreiheit‘ nach wie vor im Grundgesetz steht.

— Liberty Hannes (@LibertyHannes) January 15, 2025

 

Im Nachhinein betrachtet erweist sich der Weg von Artikel 5 Grundgesetz aus dem Jahr 1949 zu dem Knüppelwort ‚Desinformation‘ als relativ lang, die Strecke von Desinformation zu ‚ungefilterte Meinung‘ dagegen als sehr kurz. ‚Ungefilterte Meinung‘ stellt gewissermaßen die Entsprechung zu ‚ungeimpfter Person‘ dar: Um die Gefahr für andere abzuwehren, darf der Staat zusammen mit seinen Schattenhilfstruppen schon mal robust über Grundrechte hinwegbrettern.

Das Gericht wird genauso heiß gegessen, wie es gekocht wird

Putsch gegen die Verfassung: Das klingt vielleicht dramatisch. Allerdings angemessen dramatisch. In einer wirklich liberalen und nicht Tagesschau-Trudeau-liberalen Gesellschaft müssten der verfassungsfeindlichen Plattform IDZ sämtliche Steuergelder entzogen und dazu ein Innenminister gefeuert werden, der öffentlich für das Meinungsfiltern durch Geheimdienstler wirbt. In einer freiheitlichen Gesellschaft dürfte ein Vizekanzler politisch keinen Fuß mehr auf dem Boden bekommen, der einer medialen Plattform in der Sprache eines Kleinganoven droht. Sender, die den „Lügenäther“ (Peter Sloterdijk) füllen, müssten umgehend das Recht verlieren, Gebühren zwangsweise einzutreiben. Bei Erscheinen dieses Textes ist das alles noch nicht der Fall. Das zeigt, wie ernst es um die Verteidigung der Meinungsfreiheit steht.

Die Frage, ob sich Deutschland tatsächlich als Festung gegen die weltweite Rückkehr zum Realitätsprinzip behaupten kann, dürfte sich in den kommenden zwei bis drei Jahren so oder so klären. Entweder verschwinden die illiberalen Staatsvertreter und ihre Schattenorganisationen in der Bedeutungslosigkeit – oder das Bürgertum, wie wir es noch kennen.

Einen Kompromiss gibt es leider nicht.

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