Urteil: EU-Kommission hat gegen die DSGVO verstoßen

Für Ursula von der Leyen ist es mehr als nur etwas peinlich: Ihre EU-Kommission muss Schadensersatz zahlen, weil sie rechtswidrig Daten eines Deutschen an Mark Zuckerbergs Meta-Konzern in den USA weitergegeben hat. Auch sonst hat sie Stress mit dem Datenschutz.

IMAGO / NurPhoto

Es sieht ja nie gut aus, wenn man gegen Regeln verstößt, die man selbst aufgestellt hat. Wenn man dann noch gegen Regeln verstößt, die von Anfang an nicht gut ankamen, macht das die Sache natürlich kein bisschen besser.

Eben gerade hat der Europäische Gerichtshof EuGH in Luxemburg die EU-Kommission zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Der Betrag ist mit 400 Euro eher symbolisch. Der Vorgang selbst dagegen ist weit mehr als das.

Hintergrund ist die „Datenschutz-Grundverordnung“ DSGVO: Das ist das zentrale Regelwerk, mit dem die EU nach eigenen Angaben personenbezogene Daten schützen will. „Verordnung (EU) 2016/679“ heißt die enorm umfangreiche Vorschriftensammlung im offiziellen Brüsseler Eurokraten-Sprech.

In der Fachwelt war die DSGVO immer höchst umstritten. „Eines der schlechtesten Gesetze des 21. Jahrhunderts“: So nannte Thomas Hoeren die Verordnung, und der Mann ist immerhin Leiter des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht an der Universität Münster. Er stand nicht allein: Auch Datenschützer, Unternehmer und ganz normale Bürger ließen kein gutes Haar an dem Rechtstext.

Doch wie das so ist mit Plänen der EU: Begründeter Widerstand spornt Brüssel eher dazu an, die Vorhaben nun erst recht durchzuziehen.

Ein zentraler Kritikpunkt war immer, dass die DSGVO viel zu kompliziert sei und im täglichen Gebrauch Anwendungsfehler geradezu provoziere. Dass an diesen Einwänden durchaus etwas dran ist, hat nun ausgerechnet die EU-Kommission selbst vorgeführt: Sie hat sich im Irrgarten ihrer eigenen Vorschriften verlaufen – und gegen die DSGVO verstoßen.

Das kam so:

In den Jahren 2021 und 2022 besuchte Thomas Bindl aus München die inzwischen nicht mehr erreichbare Website der „Konferenz zur Zukunft Europas“: futureu.europa.eu. Dort wollte der Deutsche sich zu einer Veranstaltung anmelden, und zwar mittels „EU Login“: Das ist der sogenannte Authentifizierungsdienst der Kommission. Dabei benutzte Bindl die angebotene Option „Mit Facebook anmelden“.

Unser Mann meldete sich nun via Facebook für die Veranstaltung an, zu der er wollte. Was er zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste: Mit dieser Anmeldung löste er die Übermittlung seiner personenbezogenen Daten an den Facebook-Mutterkonzern Meta in den USA aus.

Dagegen klagte er – und bekam jetzt Recht: Seine IP-Adresse sei ohne angemessene Schutzmaßnahmen und damit rechtswidrig an Mark Zuckerbergs Konzern weitergeleitet worden. Dadurch habe der Betroffene einen immateriellen Schaden erlitten, weil er nicht sicher sein könne, wie seine Daten dort verarbeitet werden (Az. T-354/22).

Die Begründung des EuGH ist politischer Sprengstoff:

  • In den USA gebe es für Daten aus Europa kein angemessenes Schutzniveau.
  • Es bestehe die Gefahr, dass personenbezogene Daten von den US-Geheimdiensten abgegriffen werden.
  • Die EU-Kommission weise keine geeigneten Schutzmaßnahmen nach, welche die Übermittlung solcher Daten rechtfertigen könnten.

Alles O-Ton EuGH.

Zum Zeitpunkt des strittigen Vorfalls im März 2022 habe es auch weder einen Beschluss gegeben, der ein angemessenes Schutzniveau in den USA bestätigt hätte, noch andere geeignete Garantien wie Standarddatenschutzklauseln. Stattdessen hätten allein die Nutzungsbedingungen von Facebook gegolten.

Somit habe die EU-Kommission die in der DSGVO festgeschriebenen Voraussetzungen für die Übermittlung personenbezogener Daten an ein Drittland nicht ausreichend beachtet. Das sei ein Verstoß gegen geltendes Recht.

EU-Kommission hat noch andere Probleme

Es ist nicht der einzige Datenschutz-Stress, den die Truppe von Ursula von der Leyen derzeit hat:

Drei Jahre lang untersuchte die Behörde des EU-Datenschutzbeauftragten (EDSB), wie die EU-Kommission die Software „Microsoft 365“ nutzt. Ergebnis: So, wie die Kommission die Programme anwendet, verstößt sie gleich mehrfach gegen geltendes Recht. Beim Einsatz von Microsofts Cloud-Office-Paket sei der Schutz von Daten, die in Drittstaaten gehen, nicht gewährleistet.

Die sogenannten Standardvertragsklauseln für Transfers an Microsoft hatte der Konzern nach anhaltender Kritik zwar mehrfach überarbeitet, doch nach Ansicht der EDSB sind sie immer noch nicht annähernd klar genug. Außerdem habe die EU-Kommission es generell versäumt, in ihrem Vertrag mit Microsoft ausreichend zu spezifizieren, welche Arten personenbezogener Daten zu welchen Zwecken bei der Nutzung von Microsoft 365 überhaupt erhoben werden.

Viele der Rechtsverstöße betreffen offenbar eine große Zahl von Einzelpersonen. „Angesichts der Schwere und Dauer der festgestellten Verstöße“ ist der EU-Datenschutzbeauftragte jetzt, man kann es nicht anders sagen, amtlich sauer.

Das lässt er die EU-Kommission auch deutlich spüren: Er hat von der Leyen & Co. angewiesen, alle Datenübermittlungen an Microsoft und dessen Tochter- bzw. Partnerunternehmen außerhalb der EU zu stoppen, sofern sie durch die Nutzung von Microsoft 365 anfallen. Ausnahmen gelten nur für Drittstaaten, die ein vergleichbares Datenschutzniveau wie die EU haben.

Rumms.

Es ist eine schallende Ohrfeige für Ursula von der Leyen. Doch die deutsche Christdemokratin hat keineswegs vor, auch die andere Wange hinzuhalten. Im Gegenteil: Sie hat den eigenen Datenschutzbeauftragten verklagen lassen.

Das passierte schon im vergangenen Juli (Rechtssache T-262/24, nachzulesen im Amtsblatt der EU). Die Kommission will erreichen, dass der EuGH den Bericht des EDSB zur Nutzung von Microsoft 365 für nichtig erklärt. Offenbar will die EU-Kommission weiterhin wie bisher diese Software nutzen.

Auch Microsoft selbst klagt gegen den EU-Datenschutzbeauftragten. Zusammen mit der EU-Kommission wirft der Konzern dem EDSB „Rechts- und Tatsachenfehler bei der Feststellung von Verstößen“ sowie „fehlerhafte Auslegung und Anwendung“ von EU-Bestimmungen vor.

Das Ziel am Ende des ganzen Streits ist auch klar: Die EU-Kommission will Microsoft 365 weiter genau so nutzen dürfen wie bisher. Der Hinweis des eigenen Datenschutzbeauftragten auf die Regeln, die sich die EU selbst gegeben hat, scheint da enorm zu stören.

Brüssel eben.

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Kommentare ( 19 )

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Juergen Schmidt
10 Stunden her

Meiner Meinung nach ist diese Affäre zwar peinlich, aber nicht wirklich wichtig. Der ganze Datenschutz-Komplex ist sowieso nichts weiter als ein bürokratisches Soufflet.
ABER wir kennen die Verträge, die die EU-Kommission damals heimlich mit Pfizer über die »Corona-Impfstoffe« abgeschlossen hatte. Darin wurde explizit festgehalten, dass nichts über die Wirkung, über Nebenwirkungen und die Langzeitwirkungen bekannt war. Dennoch wurde für astronomische Summen eingekauft, und die EU-Bürger wurden mit viel Lügen und Täuschung dazu genötigt, sich diese experimentellen Präparate injezieren zu lassen.
Allein dafür gehört Frau von der Leyen lebenslang hinter Gitter, mit anschließender Sicherungsverwahrung, und sonst nirgendwohin.

Michael W.
12 Stunden her

Das ist in totalitären und absolutistischen Staaten nun mal so.
Auch in Unternehmen gilt, dass der Chef die Regeln macht, sich selbst aber immer davon ausnimmt. Das macht die Arbeitnehmer genau so sauer wie die Bürger.

Cimice
12 Stunden her

Wer weiß, in wie vielen Ämtern und Behörden Microsoft 365 noch zum Einsatz kommt? Ich behaupte, so ziemlich jedes Amt, auch die Finanzämter, und Behörde arbeitet damit. Das gleiche gilt für praktisch alle Unternehmen, bis auf die wenigen, die mit anderen Systemen, z.B Linux arbeiten. Somit wissen Microsoft, bzw CIA usw. so gut wie alles von uns.

alter weisser Mann
13 Stunden her

Im Ringelrein des Wahnsinns fehlt nur noch eine Klage der EU gegen irgendein Unternehmen, das z.B. mit den Daten zum Login via facebook das Gleiche tat …. wegen Verletzung der DSGVO.

siebenlauter
13 Stunden her

Der EuGH steht unter Legitimationsdruck. Deswegen wird nun eben mal alibimäßig so etwas wie Gewaltenteilung simuliert. Es geht ja gegen das neue Amerika, da kann man das schon mal machen.

Nibelung
15 Stunden her

Europa aus der Sicht eines Konservativen, dem gewisse Tugenden noch heilig sind und auch ein innere Zufriedenheit ausstrahlen, auch mit Fleiß und Ausdauer mit Erfolg gekrönt durch eigene Leistung, wenn man sich generell an die Regeln des Zusammenlebens hält und dann das Gegensätzliche in Brüssel und anderswo, wo Abgehalfterte zur weiteren Verwendung eigener Interessen in höchste Ämter gehievt werden und diese noch nicht einmal die Bewährungsprobe bei vorausgegangenen Tätigkeiten bestanden haben um anschließend in den Olymp getragen werden, was völlig abnormal erscheint, wenn man es im allgemeinen mit anderen Vorgängen vergleicht, was eher den Niedergrang bedeuten könnte und da ist… Mehr

Werner hold
23 Stunden her

Die EU , verstößt gegen den gesunden Menschenverstand , das ist das Grundübel dieser „Volksvertretter“.

joly
6 Stunden her
Antworten an  Werner hold

Wer gegen den gesunden Menschenverstand verstößt, muss ihn erst mal haben/gehabt haben. Was verursachte nun diesen Verstoß? Die Gesundheit, das Mensch sein oder eine Ideologie? Oder unterliegen diese Brüsseler Eliten einer permanenten Sozialisierung, die sie zu asozialen Menschen macht, denen es an der entsprechenden sozialen Ausrichtung fehlt?

murphy
23 Stunden her

Wieso ist das kostenfreie LibreOffice für Brüssel ungeeignet?
Weil Microsoft daran nichts verdient?
Welche Optionen sind da entscheidend ?

Michael W.
12 Stunden her
Antworten an  murphy

Nein, weil dann keine Schmiergelder (Cash Back) mehr fließen!

NochNicht2022
1 Tag her

Wohl einer von 100.000 Gründen und „Problem-Komplexen“. Raus aus der EU, raus aus der EUdSSR. Das heute Abend rund um das gehypte X-Gespräch Musk-Weidel schon bisher Geschehene/Geäußerte und das manniugfaltig absehbar Folgende sind die Gründe Nr. 100.001 – wohl etwa 100.069.

Michael W.
12 Stunden her
Antworten an  NochNicht2022

Der ganze Quatsch kommt nicht von der EU, der kommt aus Deutschland. Die EU setzt das nur um und Deutschland macht passende Gesetze, die es ohne EU nie machen gedurft hätte. Tritt D aus der EU aus, machen die es einfach so. Das BVerfG ist schon derart auf Linie, dass sie alles durchwinken, was die links-grüne Regierung will. Es wird durch den Austritt auf keinen Fall aufhören!

hoho
9 Stunden her
Antworten an  Michael W.

Ja – das ist war von Anfang an ein Spiel gegen die Bande – man konnte der eigener Bevölkerung immer sagen: EU wollte das. Das kenne ich aus meiner alten Heimat auch. Das bedeutet aber nicht, dass sich das Monster nicht verselbstständigt hat. Ich denke nämlich, es ist jetzt wie Skynet wach geworden. Ob das die Absicht der Bauer war, bin ich nicht sicher. So wie sich die deutschen Politeliten benehmen, deutete darauf, dass sie überglücklich wären, hätte EU die Macht komplett übernommen. Wenn sie eigene Diäten weiter bekommen hätten natürlich…

joly
5 Stunden her
Antworten an  NochNicht2022

Die Tatsache, dass 150 hochbezahlte „Brüssler“ Beamte das Gespräch belauschen mussten, deutet doch darauf hin, dass es dort mindestens 150 hochbezahlte Beamte zu viel gibt. Noch dazu zur Überstundenzeit. Warum geht da mal MacDoof von der Kinsey nicht rein und macht ne 2500 seitige Überbelegungsstudie. Dann noch ne To-Do – Liste und anschließend aber nicht abschließend ein Projekt zur anderweitigen Verwendung der überflüssigen 149 Beamten und deren upgrading-possibilities.

Gottfried
1 Tag her

Wenn ich das schreiben würde, was ich über diese Frau denke, würden mir morgen Polizisten einen Besuch abstatten und meine Wohnung durchsuchen.

Thors Hammer
13 Stunden her
Antworten an  Gottfried

Damit wäre zu rechnen. Das ändert allerdings nichts daran, daß das die reine Wahrheit ist.
Die vdL hat schon in ihren deutschen Jobs nichts getaugt.