Der Staat in der Weihnachtsgeschichte

Staat und Regierung kommen in der Weihnachtsgeschichte erschreckend schlecht davon. Diesem staatskritischen Nebenaspket der Weihnachtsgeschichte geht Pfarrer Achijah Zorn nach.

Weihnachten feiern Christen ein zentrales Fest ihres Glaubens: Wir brauchen in Bezug auf Gott nicht länger im Dunkeln zu tappen. Gott wird Mensch, um uns Menschen auf Augenhöhe sein innerstes Wesen menschlich mitzuteilen. In diesem Vorwort möchte ich einem Nebenaspekt nachgehen. Wie werden in der Weihnachtsgeschichte der Staat und die damalige Regierung beschrieben?

Erstens: Die Regierung braucht Geld von den Bürgern.

„Und es begab sich zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde“ (Lukas 2,1). Ein banaler und dröger Steuerzensus steht am Anfang der christlichen Heilsgeschichte. Der Staat braucht Geld. Immer und überall. Und wenn’s ums Geld geht, versteht der Staat keinen Spaß. Da müssen die Bürger springen. Die hochschwangere Maria muss 130 Kilometer von Nazareth nach Bethlehem gehen. Es ist nicht gerade sehr bürgerfreundlich, die zuständigen Finanzämter in weite Ferne zu verlegen. Natürlich behauptet jeder Staat dreist, dass alle Steuergesetzgebungen nur den Menschen zugutekämen. Aber Maria und Josef werden das anders gesehen haben. Eine Geburt in dunkler und kalter Nacht in einem Stall in einer fremden Stadt ist eine Qual. Der Staat kommt an dieser Stelle in der Weihnachtsgeschichte nicht gut davon, auch wenn Gott diese staatlichen Schikanen nutzt, um das „Brot der Welt“ symbolträchtig in „Brothausen“ (= hebr. „Bethlehem“) zur Welt zu bringen. Dadurch, dass Gott auf krummen Wegen gerade schreiben kann, sind die Krummheiten der Regierung noch lange nicht gerechtfertigt.

Zweitens: Die Regierung sieht sich vorschnell gefährdet und versucht brutal, die eigene Macht zu sichern.

König Herodes, Statthalter der Römer in Israel, bekommt über die Weisen aus dem Morgenland mit, dass ein neuer König in Bethlehem geboren werden soll. „Da ließ Herodes alle Kinder in Bethlehem töten (…), die zweijährig und darunter waren“ (Matthäus 2,16). Regierungen haben eine Tendenz, ihre Gewalt schamlos einzusetzen, um an der Macht zu bleiben. Herodes ging über Leichen. Heute ist man zivilisierter. „Man wird die Störer auch nicht unbedingt verhaften. Es gibt feinere Möglichkeiten, jemanden unschädlich zu machen. Aber die geheimen Verbote, das Beobachten, der Argwohn, die Angst, das Isolieren und Ausgrenzen, das Brandmarken und Mundtotmachen derer, die sich nicht anpassen – das wird wiederkommen, glaubt mir“ (Bärbel Bohley, Bürgerrechtlerin der DDR, nach 1989 über die BRD).

Drittens: Regierungen verschleiern ihre wahren Absichten durch verlogene Narrative.

Herodes erzählt den Weisen aus dem Morgenland folgendes Narrativ, mit denen er sie zum Narren halten wollte: „Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr es findet, so sagt mir es, dass auch ich komme und es anbete“ (Lukas 2,8). Der skrupellose Machtpolitiker erzählt den Weisen eine fromme Lügengeschichte, damit er seine mörderischen Absichten gezielt verwirklichen kann. Politiker sind Meister darin, „Mist für Gold“ zu verkaufen, wie es Ricarda Lang diese Woche offen zugegeben hat. Die gutgläubigen Weisen aus dem Morgenland wären diesem Narrativ auf den Leim gegangen, wenn Gott nicht die Weisen durch einen Traum davon abgehalten hätte. Am Anfang der christlichen Heilsgeschichte steht die Demaskierung des staatlichen Narrativs und der zivile Ungehorsam gegen die Regierung.

In der Weihnachtsgeschichte kommen Staat und Regierung nicht gut weg. Sie kreisen um Geld und Macht, manchmal sogar mit einer teuflisch-mörderischen Eigendynamik. Politiker lassen sich völlig selbstüberschätzend zu dem Satz „der Staat macht keine Fehler“ (Robert Habeck) hinreißen; ein Aufschrei gegen solche kindlichen Allmachtsphantasien bleibt in großen Teilen der Medien und der Gesellschaft aus.

Es muss in den Menschen eine tiefe Sehnsucht nach Sicherheit, Klarheit, Geborgenheit und Wahrheit stecken, die viele Bürger ausgerechnet auf den Staat und seine Politiker projizieren. Doch die Weihnachtsgeschichte bringt uns auf den Boden der Realität zurück. Staatliche Steuerorgien, mundtötende Zensurgelüste und alternativlose Narrative dürfen nicht nur, sondern müssen von der Weihnachtsgeschichte her hinterfragt werden. Eine Desillusionierung des Staates ist notwendig, damit Politik vernünftiger und bürgerfreundlicher wird und damit sich Menschen der transzendenten Wahrhaftigkeit und Geborgenheit in dem Jesuskind zuwenden können.

„Das Volk, das im Finsteren wandelt, sieht ein großes Licht,
und über denen, die da wohnen im finsteren Lande, scheint es hell.“ (Jesaja 9,1)

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 7 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

7 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Nibelung
3 Stunden her

Der Staat hat im alten Judäa schon eine Rolle gespielt, wo man den Erlöser als Gefahr betrachtete um damit alle Erstgeborenen männlichen Bewohner zu exekutieren, was sich bis heute in der christlichen Heilslehre wiederspiegelt und jedes Jahr am Weihnachtsfest erneut zelebriert wird und damals noch keiner wußte wie sich Geschichte wiederholen kann. Darum sind solche Ereignisse nicht unbedingt neu und nur ist es heute andersrum, wo der Zufluchtssuchende das Vertrauen des blinden Aufnehmenden mißbaucht und umgekeht handelt um ihm nach dem Leben zu trachten und das alles hat man vor wenigen Tagen erneut gesehen und damit kann einem Weihnachten langsam… Mehr

h.milde
5 Stunden her

Wohl wahr, sehr geehrter Herr Pfarrer Zorn. „Nimm das Rechht weg, was ist ein Staat anderes als eine große Räuberbande“ -Zitat Hl.Augustinus, von Benedikt XVI 2012 im Bundestag auch den heutigen Verabtwortlichen zu Gehör gebracht- Das mit dem Staat, der das Recht weggnimmt & dabei über Leichen geht, hat sich am Freitag den 20.12 2024 in allerhärtester Art & Weise mal wieder(!) gezeigt. Die heutigen Herodesse in PARTEIstaatsämtern, Amts- Geschäftskirchen & NearGOs gehen aber noch weiter, sie täuschen ihre Bürger über ihre eigene Schuld & Versagen, beschuldigen mit Krokodilstränen jene, die vor genau vor diesem Elend & Not, ja sogar… Mehr

1989
5 Stunden her

Friedrich Schiller ist nicht ganz so alt wie unsere biblische Weihnachtsgeschichte, aber nicht minder tiefgründig.Er lässt uns wissen, was wir vom “ verborgenen Staat“ zuvor noch nicht einmal ahnten. Der Staat repräsentiert laut Schillers „ästhetischer Briefe“ den höheren Menschen! (Siehe unten) Was aber, wenn diejenigen, die die Staatsgeschäfte in Händen halten, Gauner sind? Dann hätte der einzelne, der individuelle Mensch, ein höheres Ideal, den Staat, dem er „zustrebt“, obwohl dieses höhere Ideal moralisch tief steht! Der moralisch tief gesunkene Staat würde vom Individuum so lange als höhere Instanz geachtet und geduldet, bis der Einzelne die moralische Dekadenz erkennt! Dann erst… Mehr

Johann P.
14 Stunden her

Herzlichen Dank, lieber Achijah Zorn, für diese ebenso aktuelle wie christlich überlieferte Interpretation der Weihnachtsgeschichte! Gerade an so einem Tag wie heute, wo Schock und gleichermaßen ohnmächtige Wut über den Terroranschlag noch ganz frisch sind, tut es gut, die einzig wirklich wichtige Geschichte, die aber auch garnichts mit einem „Narrativ“ zu tun hat, auf sich wirken zu lassen!

Rosalinde
15 Stunden her

Der Staat setzt immer einen Nationalstaat voraus und dieser ist undenkbar ohne nationales Bewusstsein.
Somit hat die Bundesrepublik Deutschland spätestens 1990 aufgehört ein Nationalstaat zu sein.

Deutscher
15 Stunden her

Ok, ein gieriger Staat, ein machtvesessener König, ein armes Paar und ein Wunder. Aus solchen Zutaten setzt sich fast jedes Märchen zusammen. Ich halte mich da lieber gleich an die Grimms, denn bei deren Geschichten handelt es sich um originär europäische Erzählungen mit zahlreichen Verbingungen in die angestammten europäischen Mythen. Und wie Sie ja wissen, ist Weihnachten ohnehin das alte, vorchristliche Fest der Wintersonnenwende. Das erklärt auch die besondere Innigkeit, die wir heutigen Nachfahren der Germanen und Kelten zu Weihnachten immer noch verspüren. Unsere Seelen sind und bleiben „heidnisch“, unsere Herzen schlagen nicht im fremden Takt orientalischer Lehren – diese… Mehr

Last edited 15 Stunden her by Deutscher
Gustav
16 Stunden her

Wahre Worte. Ob sie in der staatsgläubigen, staatshörigen EKD die nötige Resonanz finden? Sicherlich nicht. Leider.