Der Bundestag kann arbeiten – wenn es denn Union, SPD, Grünen, Linken und FDP genehm ist

Frank-Walter Steinmeier löst am Freitag den Bundestag auf. Auch wenn der Bundespräsident anders spricht, handelt es sich dabei nur um eine Formalie. Der Bundestag kann indes weiter arbeiten, wenn es denn die Parteien wollen, die sich gegen die AfD verbündet haben.

IMAGO / dts Nachrichtenagentur
Abstimmung im Deutschen Bundestag zum Energiewirtschaftsrecht am 20. Dezember 2024

Die Form muss gewahrt bleiben. In einer Erklärung an die Presse lässt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) schreiben: „Ich habe in den vergangenen Tagen Gespräche mit den Vorsitzenden der Fraktionen und Gruppen im Deutschen Bundestag geführt, um mich zu vergewissern, dass es keine Aussichten auf eine stabile parlamentarische Mehrheit für eine Bundesregierung mehr gibt.“ An diesem Freitag, 27. Dezember, werde er die Entscheidung treffen.

Als ob irgendjemand den geringsten Zweifel daran hätte, wie sich der Sozialdemokrat entscheiden wird. Als ob es überhaupt möglich wäre, einen solchen Zweifel zu haben. Noch bevor der Sozialdemokrat Olaf Scholz am 16. Dezember überhaupt die Vertrauensfrage in den Bundestag eingebracht hat, hat Steinmeier schon den Wahltermin 23. Februar benannt. Formal hält der ehemalige Vizekanzler vielleicht das Verfahren nach Artikel 68 des Grundgesetzes ein, praktisch hat er sich längst entschlossen, den Wünschen seiner Parteifreunde zu folgen.

Interview mit Arnold Vaatz
Brandmauer eingerissen – nach links
Zwar hebt Steinmeier den Bundestag am Freitag auf. Doch diese Wortwahl bedeutet nicht, dass das Parlament einfach auseinandergeht. Es bleibt bis zur konstituierenden Sitzung des nächsten, des 21., Bundestages voll arbeitsfähig. Zumindest in der Theorie. In der Praxis ist das nur bedingt der Fall. Das ist eine der vielen Folgen der „Brandmauer“ für die demokratische Kultur in Deutschland.

Nachdem die Ampel am 6. November erloschen war, haben die Parteien erst einmal die Tagesordnung des Bundestages leergeräumt. Die Parteien, die sich zum Machterhalt gegen die AfD verbündet haben: Linke, SPD, Grüne, FDP, CDU und CSU. So wollten sie verhindern, dass es im Parlament Mehrheiten gibt, die gesellschaftliche Mehrheiten widerspiegeln, aber mit den Stimmen der AfD zustande kämen. Etwa zum Stopp der illegalen Migration oder der Zukunft des Verbrennungsmotors.

Wenn diese Parteien, die ein Kartell gegen die AfD bilden, aber eine Mehrheit finden wollen, dann schaffen sie das auch. Das hat diese Woche im Bundestag gezeigt. Sie halten zusammen, wenn es darum geht „unsere Demokratie“ zu verteidigen. Wobei „unsere Demokratie“ zu einem Chiffre geworden ist, für das Verteilen von Jobs und Steuergeld in den eigenen Reihen.

So haben diese Parteien das Neun-Euro-Ticket verlängert, das mittlerweile 49 Euro kostet – und bald 58 Euro. An der Stelle musste das Kartell halten, weil Bund und Länder sonst Haushaltsreste nicht hätten abrufen können. Um 300 Millionen Euro in den eigenen Reihen zu halten, können von der SPD, der Union und den Grünen geführte Regierungen durchaus zusammenarbeiten – zumal sie an der Stelle keine Zustimmung der AfD fürchten müssen.

Auch beim „Schutz des Bundesverfassungsgerichts“ haben die Parteien zusammengearbeitet. Sie haben dafür gesorgt, dass Parteien nicht einfach Zugriff auf die Richter-Besetzung haben. Etwa indem die Länderkammer Bundesrat statt dem Bundestag Richter bestimmen kann, oder amtierende Richter so lange im Amt bleiben, bis genehme Mehrheiten gefunden sind.

Wobei das mit dem Zugriff der Parteien unpräzise war. Bisher haben ja schon ausschließlich Parteien Zugriff auf die Besetzung der Richter: CDU, CSU, SPD, Grüne, FDP und Linke. Sie wollen nur sicherstellen, dass da weiterhin ausschließlich ihre Leute reinkommen. Was also „unsere Demokratie“ vor der AfD schützt, schützt auch den Zugriff dieser Parteien auf Ämter. Dann haben die Besagten noch das Kindergeld um 5 Euro erhöht sowie diverse Freibeträge, weil es im Wahlkampf chic ist, soziale Wohltaten zu verteilen – zumal wenn die weniger kosten, als die Bürger nächstes Jahr allein für Krankenkasse und Pflegeversicherung mehr zahlen müssen.

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Kommentare ( 13 )

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Or
1 Stunde her

Es ist eben kein Zufall, wenn die Kartellparteien von „ihrer“ Demokratie reden. Die meinen das auch so. Exakt so.

Klaus D
2 Stunden her

Der Bundestag kann arbeiten…..könnte man den laden nicht dicht machen bis ein neuer kanzler vereidigt ist. Es geht doch eh kaum einer von den MdB´s dort arbeiten. Würde eine menge kosten einsparen und die könnten auch keinen blödsinn mehr machen.

Mausi
3 Stunden her

Im Grunde sind die Brandmauer-Parteien Flügel einer Partei. Sie alle könnten sich zusammenschließen und sich Brandmauer für D nennen. Aber dann wäre das Spiel natürlich vorbei und selbst für den letzten Wähler klar, wie es in unserer Parteienlandschaft aussieht. Muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen: Echte politische Ziele sind nur noch Beiprodukt und im Grund RRG: Energiewende, Fachkräftemangel durch abwandernde Wirtschaft begegnen, Überlastung unseres Sozialsystems durch grenzenlose Zuwanderung, tägliches Aushandeln innerhalb bunter Vielfalt, Bildungsarmut. Und die Ziele sind umgesetzt. Jetzt muss nur noch Kurs gehalten werden. Das wählerbewegende Ziel ist: Verhindern NeuNazi in Form der AfD. Und… Mehr

BK
3 Stunden her

Der Bundestag hat gestern gearbeitet, die Tagesschau hat berichtet. Eine Steuersenkung wurde beschlossen. Wenn ich mich recht erinnere, dann zahlt ein Single, mit 44.000 Euro Einkommen, im nächsten Jahr 180 Euro weniger Steuer. Das sind dann 0,4 % weniger, mit denen sämtliche Inflations- und Gebührenteuerung ausgeglichen werden soll. Meine Autoversicherung hat bereits im Dezember 100 Euro mehr angekündigt. Für die Müllentsorgung werden 550,-Euro mehr verlangt und da gibt es noch ein paar Dienstleister, die bestimmt auch nicht ihren besten Tag haben werden und mir noch die Preise erhöhen. Die 180 Euro sind also jetzt schon 3 Mal ausgegeben. Außerdem bleiben… Mehr

Abraxas1609
3 Stunden her

Es ist einfach widerlich, wie dieses Parteienkartell die freiheitlich-demokratische Ordnung in Deutschland zerstört und sich den Staat und seine Institutionen zur Beute gemacht hat. Wir brauchen ein neues Nürnberger Gericht!

Fieselschweif
3 Stunden her

Sie haben doch Recht, wenn sie sagen es sei „unsere“ Demokratie. Stimmt, es ist IHRE Demokratie. Die hat leider nichts mehr mit der eigentlichen Definition des Begriffes „Demokratie“ zu tun – wie so vieles andere auch.
Und was die Auswahl der obersten Richter angeht: Wenn die von der Legislative bestimmt werden und dabei noch „Parteifreunde“ und Genossen zu obersten Richtern ernannt werden, dann hat das mit „unabhängiger“ Justiz genau so viel zu tun, wie Schweinfleischverzehr mit Saudiarabien.
Wer ein Parteibuch hat, gehört von hohen und höchsten Ämtern im Justizapparat ausgeschlossen.

chaosgegner
3 Stunden her

Die „Brandmauer“ wird als der Schandfleck in die Geschichte der Demokratie Bundesrepublik Deutschland eingehen!
Eine absolute politische Verfehlung der schlimmsten Art. Das Ende dieser demokratischen Republik.

H.H.
4 Stunden her

Und wie kann der Bundestag nach dem 23.Februar 25 arbeiten?
Angenommen, die einzig mögliche Koalition ohne AfD würde eine CDUCSU-SPD-Grüne Regierung sein (oder, falls alle die 5 % Hürde schaffen, eine CDUCSU-SPD-Grüne-Linke-FDP Regierung). Angenommen, die AfD bringt reihenweise Gesetzesvorschläge ein, die sinnvoll/elementar/nüchtern.. sind.
Sie müssen aber – wegen Brandmauereinsturzgefahr – allesamt abgelehnt werden. Was wäre das für eine Zukunft?

Werner Holt
4 Stunden her

„Wenn diese Parteien, die ein Kartell gegen die AfD bilden, aber eine Mehrheit finden wollen, dann schaffen sie das auch.“
Also sollte man sein Wahlverhalten entsprechend anpassen und diesem Kartell damit diese Mehrheit nehmen.

Or
1 Stunde her
Antworten an  Werner Holt

Sehr richtig. Ich für mich arbeite daran und lass es auch meinen Freundes- u. Bekanntenkreis wissen.

rainer erich
59 Minuten her
Antworten an  Werner Holt

Das sollte man nun Herrn Herles erklären. Mit viel Optimismus versehen.

Peisistratos
5 Stunden her

„Der Bundestag kann arbeiten – wenn es denn Union, SPD, Grünen, Linken und FDP genehm ist.“

Ja mei, Herr Thurnes, man braucht halt eine Mehrheit im Parlament, und nirgendwo steht, auch im GG nicht, dass irgendwer verpflichtet ist, eine solche mit der AfD zu bilden. Das gehört übrigens auch zur Demokratie, und mag es Ihnen nicht passen.
Tausendmal gesagt, und immer noch richtig: die AfD hat auch eine Bringschuld, aber sie findet es hinter der Brandmauer eigentlich ganz bequem. Das Verhältnis der Partei zum Rechtsextremismus und zum ehemaligen Flügel ist nach wie vor ungeklärt.

Last edited 5 Stunden her by Peisistratos
Or
1 Stunde her
Antworten an  Peisistratos

Es gibt auch keine Regel bei einem Fußballturnier, daß der, der alle besiegt hat, der Sieger ist. Wenn der 2te, der 3te und der 4te der Auslosung ihre Punkte zusammenlegen, sind die halb alle zusammen der Gesamtsieger. Das ist halb Demokratie. Dann hat halb der 1te erst mal eine Bringschuld zu liefern. Und wie das mit seinem Jugendkater und dessen Leistungsbereitschaft ist, muss auch noch geklärt werden.