Chaotische Regierungsbildung in Rumänien

Nach der annullierten Präsidentschaftswahl und dem Erfolg rechter Parteien bei der Parlamentswahl wollen die etablierten Parteien eine „proeuropäische” Koalition bilden. Aber es will nicht gelingen.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Andreea Alexandru

In der rumänischen Politik gibt es nur eine wirkliche Konstante: Das ewige Chaos. Aber selbst für rumänische Verhältnisse geht es in der Innenpolitik derzeit wild zu. Konservative (PNL), Linke (PSD) und Liberale (USR) wollten mit der Partei der ungarischen Minderheit (UDMR/RMDSZ) eigentlich eine mächtige, „proeuropäische” Koalitionsregierung bilden. Diese Parteien verfügen über mehr als 60 Prozent der Parlamentssitze. Die Teilnahme der Liberalen erwies sich aber im Verlauf der Koalitionsverhandlungen als so unwahrscheinlich, dass alle Medien noch am Mittwoch davon schrieben, die USR sei außen vor. Dann verkündete plötzlich die PSD, sie wolle doch nicht Teil der Koalition sein, wolle aber im Parlament für eine Minderheitsregierung aus PNL und UDMR stimmen.

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Die PSD ist die größte Parlamentspartei in Rumänien, aber auch der größte Verlierer der Parlamentswahl vom 1. Dezember. Parteichef Ciolacu sagte zu Begründung, er habe den Willen der Wähler verstanden, die von den alten Strukturen genug hätten. Es könne kein „weiter so” geben.

Eine Regierung ohne die stärkste Parlamentspartei, gar eine Minderheitsregierung, das wäre dann wohl keine Brandmauer mehr, sondern eine Zielscheibe für alle anderen, die Regierung zu schnell wie möglich zu stürzen. Staatspräsident Klaus Johannis sagte denn auch schnell, in Krisenzeiten sei eine Minderheitsregierung „keine Lösung”. Das letzte, was das Land nach der annullierten Präsidentschaftswahl brauche, sei „eine umfassende Parlaments- und Regierungskrise”. Er werde deshalb noch vor dem 25. Dezember alle Parteien zu Konsultationen rufen, um einen Kanditaten für das Amt des Ministerpräsidenten zu bestimmen.

Die Ungarnpartei UDMR forderte die PSD auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Es ist unklar, was die PSD zu ihrem Sachzug bewegte – es gab in den Verhandlungen heftige Differenzen über Posten und Ministerien. Vielleicht also nur ein Erpressungsversuch. Aber vielleicht sieht Ciolacu die Gefahr einer weiteren rapiden Schrumpfung der etablierten Parteien (also auch seiner PSD), wenn sie nicht das Steuer radikal umwerfen und ein neues Image als „Erneuerer” suchen.

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Grund für die ursprüngliche breite Front war schiere Panik, nachdem rechte Parteien (vor allem die Allianz für die Union der Rumänen (AUR)) bei der Parlamentswahl gut abgeschnitten hatten, vor allem aber weil der von ihnen unterstützte Präsidentschaftskandidat Calin Georgescu wohl die Präsidentschaftswahl gewonnen hätte, wenn nicht das Verfassungsgericht die komplette Wahl in formaljuristisch höchst fragwürdiger Weise annulliert hätte.

Die neun Verfassungsrichter hatten am 6. Dezember neun Millionen Wählerstimmen für ungültig erklärt. So viele hatten zu der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am 24. November teilgenommen. Das Gericht befand, dass diese Stimmen nicht Ausdruck des „wahren Wählerwillens” waren, sondern beeinflusst durch bezahlte TikTok-Influencer im Auftrag Russlands. Bewiesen wurde das nicht. Dasselbe Gericht hatte drei Tage zuvor die Stimmen neu auszählen lassen und das Ergebnis für gültig erklärt.

Nun wollten die etablierten Parteien eine Brandmauer-Koalition bilden, um ihre traditionellen Machtpositionen nicht zu verlieren. Es gibt nur ein Problem: Die liberale USR ist genauso eine Anti-Establishment-Partei wie die rechte AUR, nur eben mit teilweise liberalen (und teilweise anti-ungarischen) Positionen.

Sie entstand vor einem Jahrzehnt aus einer Antikorruptionsbewegung heraus – viele Rumänen hatten genug von ihren chronisch korrupten Politikern. Insofern ist die USR, wie auch die AUR, der Todfeind von PNL und PSD, und umgekehrt.
Zudem war USR-Chefin Elena Lasconi zusammen mit dem von der AUR unterstützten Calin Ceorgescu in die Stichwahl gelangt (die aber dann, oder vielmehr deswegen, vom Verfassungsgericht storniert wurde). Und genau wie Georgescu hatte auch sie die Entscheidung des Verfassungsgerichts einen Anschlag gegen die Demokratie genannt.

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Kein Wunder also, dass sich diese Koalitionsverhandlungen zwischen Todfeinden, die nur deswegen überhaupt mit einander sprechen, weil es draußen vor der Tür einen noch schlimmeren, gemeinsamen Todfeind gibt, recht schwierig gestalteten.

Zunächst blieb die USR einer Verhandlungsrunde fern, weil die anderen zuerst über Posten und Pfründe schachern wollten, nicht über Inhalte. Dann, als es um das Regierungsprogramm ging, setzten die anderen sich ohne die USR zusammen, taten aber so (zumindest ist das die Darstellung der USR), als ob die Liberalen wieder von sich aus ferngeblieben wären.

Die USR stellte derweil inhaltliche Bedingungen, die den anderen Parteien nicht gefallen konnten. Unter anderem betonte die URS, dass der Haushaltsentwurf, der urspünglich am 15. Oktober vor das Parlament hätte gelangen sollen, nocht immer nicht vorgelegt wurde. Frau Lasconi forderte ultimativ, den Haushaltsplan bis Montag, 23. Dezember, im Parlament einzureichen.

Lasconi forderte ferner die Ablösung des Chefs der Wahlkommission und eine Untersuchung der Frage, warum die Behörde die später vom Verfassungsgericht behaupteten Unregelmäßigkeiten nicht im Vorfeld erkannt und beseitigt habe. Sie forderte die Ablösung aller Geheimdienstchefs (es gibt derer ein halbes Dutzend). Sie forderte weiter eine Gesetzesnovelle, um die Dienste unter effektive parlamentarische Aufsicht zu stellen, sowie eine Reform und „Entpolitisierung” des Verfassungsgerichtes und den Rücktritt von Staatspräsident Klaus Johannis, wenn dessen Mandat am 21. Dezember abläuft. Wegen der annullierten Präsidentschaftswahl hat das Verfassungsgericht seine Amtszeit jedoch verlängert.

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All das kommt schon deswegen nicht in Frage, weil eine Akzeptanz dieser Bedingungen bedeuten würde, dass die anderen Parteien eine Vorreiterrolle der USR bestätigen. Das will niemand. Derweil brechen neue Futtertrog-Kämpfe aus zwischen den potentiellen Koalitionspartnern: Ob nun sowohl USR als auch PSD oder nur eine der beiden nicht an der Koalition teilnimmt, es bedeutet in jedem Fall, dass es für die anderen mehr Ministerien und andere kulkative Posten zu verteilen gibt. Wer bekommt was?

Nun sieht es also bestenfalls nach einer Wackel-Regierung mit winziger Mehrheit aus, oder gar nach einer Minderheitsregierung. Und bei den neuen Präsidentschaftswahlen, falls und wann sie stattfinden (angeblich im März oder April), wird es wie zuvor zu einem Kampf der Erneuerung versprechenden Rebellen (AUR und USR) gegen die historisch korrupten Altparteien kommen.

Das mag ein Grund sein, warum die (exkommunistische) PSD aus den Koalitionsverhandlungen ausschied: Sie will bei den Präsidentschaftswahlen nicht zum Lager des „alten Regimes” gehören, sondern sich als Systemerneuerer darstellen.

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