An einem Tag mit hundert Männern zu schlafen – das war das Ziel des OnlyFans-Models Lily Phillips. Die sexuelle Selbsterniedrigung wird möglich durch ein gesellschaftliches Klima, das außer "Freiwilligkeit" keinen moralischen Maßstab kennt, und Frauen Selbstausbeutung als Ausdruck der Selbstverwirklichung verkauft.
Als IS-Schergen 2014 mit der Einnahme jesidischer Gebiete im Irak begannen, jesidische Frauen zu versklaven und zu missbrauchen, löste das in der westlichen Welt Entsetzen aus. Ebenso wie durch die sexuelle Gewalt der Hamasterroristen gegen israelische Geiseln oder die Zwangskonversion und -verheiratung christlicher Mädchen in Pakistan demonstrierten die Täter vor der Weltöffentlichkeit eine Frauenverachtung, die ihresgleichen sucht:
Wenn auf die Inkompatibilität des Islam mit Werten der westlichen Welt hingewiesen wird, dann ist der Umgang mit Frauen im Allgemeinen ein wichtiger Gesichtspunkt, im Besonderen die Unterdrückung im Bereich der Sexualität.
In Europa wird dieser Sachverhalt häufig mit schaurigem Grauen aufgenommen – die Islamisten knüpfen nahtlos an eine Praxis der Sklaverei und sexuellen Ausbeutung an, unter der auch Europäer jahrhundertelang litten, und die im historischen und kulturellen Gedächtnis Europas festgeschrieben ist. Die exotische Andersartigkeit des Orients wird nicht zuletzt am Phänomen des Harem und an der Verfügbarkeit von Frauen festgemacht. Das ist durchaus stichhaltig, degradiert die muslimische Überlieferung doch selbst das Jenseits zu einer pornografischen Männerfantasie.
Die Beobachtung, dass sich die dem Islam innewohnende Frauenfeindlichkeit in besonders widerlicher Art und Weise in der Sexualität äußert, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch im globalen Westen seit Jahrzehnten eine Normalisierung von sexueller Gewalt gegen Frauen vorangetrieben wird – ein Sachverhalt, den man bequem von sich weist, denn wie üblich gibt sich die Verdorbenheit des Westens den Anstrich der Wohlanständigkeit: Es handelt sich vorrangig, aber nicht ausschließlich, um eine „gewaltlose“ Gewalt, die hier gegen Frauen angewandt wird, und eine, die die Komplizenschaft der Frauen einfordert. Unter dem Deckmantel der Liberalität, Freiwilligkeit und der sexuellen „Selbstbestimmung“ wird genau das Gegenteil verwirklicht.
Wie brutal diese Form der Selbstversklavung und des Ausverkaufs der Frau ist, zeigt sich derzeit konzentriert in der Person Lily Phillips‘. Das 23-jährige Onlyfans-Model hatte sich zum Ziel gesetzt, in Form einer Art „Sexmarathon“ an einem Tag mit 100 Männern zu schlafen; am Ende wurden es 101. Ein Vorhaben, dessen Umsetzung nachvollziehbar zu einigem Aufruhr in den Sozialen Medien geführt hat, zumal sie verlauten ließ, diesen zweifelhaften „Rekord“ an Silvester brechen, und in 24h mit 1000 Männern schlafen zu wollen.
Abgesehen von dem Ekel, den eine solche Grenzüberschreitung hervorruft, dreht sich die Diskussion vor allem um die Frage, ob Lily Phillips Täterin oder Opfer ist, und damit letztlich darum, ob Pornografie ein Geschäft wie jedes andere ist, oder Ausbeutung, die der Menschenwürde zuwiderläuft.
Demütigung und Erniedrigung nehmen in ihrer westlichen Spielart eine besonders perverse Form an: Schließlich tut Phillips das, was sie tut, nicht nur freiwillig, sie verdient damit Geld. Damit trägt sie die Verantwortung für ihr Tun, das von Männern weidlich ausgenutzt wird, ohne dass diese sich als Täter fühlen müssen.
Obwohl Phillips behauptet, einfach nur Spaß an Sex zu haben, bricht sie zusammen, als sie kurz nach der Tortur vor der Kamera darüber befragt wird: Sie gibt an, sich als Objekt und von sich selbst entfremdet gefühlt zu haben, und dass sie auch den Großteil der Männer nicht als Personen habe wahrnehmen können. Sie spricht davon, unter Druck gestanden zu haben – freilich unter einem Druck, den sie sich selbst auferlegt hat: Sie habe den Männern schließlich versprochen, die Aktion durchzuführen.
Die Selbstversklavung geht so weit, dass Phillips an ihrer Silvesteraktion festhält, obwohl sie selbst deutlich macht, dass sie weder Genuss noch Freude noch Erfüllung verspürt hat, und obwohl völlig ersichtlich ist, dass sie unter ihrem Tun leidet. Was von Islamisten gefangengenommene Frauen erdulden müssen, tut sie sich selbst an; in ihrer Gier nach Geld und Publicity nimmt sie weder auf Körper noch Seele Rücksicht. Und mehr noch:
Tatsächlich sind hier alle Beteiligten Opfer und Täter zugleich. Die Männer, mit denen Phillips geschlafen hat, haben sich selbst erniedrigt, und zugleich eine Frau zum Objekt herabgewürdigt. Sie hat sich und die Männer auf eine reine Körperfunktion reduziert. Das allerdings sind Maßstäbe, die unsere Gesellschaft weithin nicht mehr kennt. Im Zusammenspiel grenzenloser Liberalität mit „Emanzipation“ und „sexueller Befreiung“ hat sich weithin die Überzeugung durchgesetzt, dass Freiwilligkeit der einzige Parameter sei, der den moralischen Wert einer Handlung bestimme: Solange es freiwillig sei, könne man tun, was man wolle.
Mit dieser Maßgabe wenden sich unsere Gesellschaften von ihrem Erbe und ihren Werten endgültig ab. Denn es gehört integral zum Wertefundament des Westens, dass nicht Freiwilligkeit der höchste Wert ist, sondern dass man gegenüber einer höheren Instanz als sich selbst verantwortlich ist, und dass die Würde, über die ein Mensch verfügt, unantastbar ist. Das bedeutet, dass sie auch von ihm selbst nicht angetastet werden darf. Dieser Konsens bröckelt nicht nur im Bereich der Sexualität. Hier ist er aber besonders offensichtlich, haben sich doch an dieser Stelle die ethischen Grenzen innerhalb der letzten Jahrzehnte massiv verschoben.
Die Folge ist selbstschädigendes Verhalten, dem niemand etwas entgegensetzen kann. Schließlich gilt es als übergriffig, in die „freiwillige“ Entscheidung eines Menschen einzugreifen. So kann unsere Gesellschaft diese Form von Gewalt nicht einmal mehr benennen: Wenn junge Mädchen (und Jungen) unter dem Druck der allgegenwärtigen Früh- und Übersexualisierung zu früh und unüberlegt sexuelle Beziehungen eingehen, und dadurch das Lebensglück einer stabilen, langfristigen Beziehung und einer erfolgreichen Familiengründung torpedieren; wenn sie einander unter dem Eindruck von Pornografie bleibende seelische Verletzungen zufügen, so haben wir es mit Opfern zu tun, ohne dass ein Täter auszumachen wäre. Und auch hier ist der zynische Kommentar der Allgemeinheit: Es war doch freiwillig. Und das, obwohl ein Überhandnehmen psychischer Zerrüttung mittel- und langfristig auch die Stabilität der Gesellschaft bedroht.
Diese seelische Zerrüttung ist in Lily Phillips eigenem Auftreten erschreckend offensichtlich. Ihr Verhalten zeigt, wie verheerend die Kombination von libertinistischer Haltung und Emanzipation ist: Die Frau wird ermächtigt, ihr eigener Sklavenhalter zu sein, sich selbst hemmungslos auszubeuten und irreparabel zu zerstören.
Die beteiligten Männer können dadurch die moralische Verantwortung für ihr Handeln ebenfalls auf die Frau abschieben, und sich, ohne Gewalt im eigentlichen Sinne anwenden zu müssen, bereichern.
Nun könnte man, ganz im Sinne der Freiwilligkeitsrhetorik, behaupten, dass Phillips und ihre Freier tun und lassen könnten, was sie wollen. Allerdings ist dieser Vorgang Symptom und Katalysator für eine Pornografisierung unserer Gesellschaft, die gravierende Folgen hat: In Deutschland wird der negative Einfluss von Pornografie auf Psyche und Sozialverhalten, und hier insbesondere auf die Beziehungsfähigkeit, dramatisch unterschätzt.
Abgesehen von minimalem Schutz Minderjähriger vor Pornografie und von Warnungen vor Suchtverhalten, wird Pornografie als unproblematisch eingestuft, und das, obwohl dahinter unbestritten eine menschenverachtende Industrie steht.
Das verfälschte Bild von Sexualität und die Verfügbarkeitsillusion, die hier aufgebaut wird, sorgt für eine Verrohung, die das Verhältnis der Geschlechter untereinander nachhaltig beschädigt, und Männer wie Frauen letztlich in die Einsamkeit treibt: Einerseits, weil sie durch den Konsum von Pornografie unrealistische Erwartungen an Sexualität richten, zum Aufbau echter Beziehungen unfähig werden und sich in die immer verfügbare Fantasiewelt der Pornografie flüchten, andererseits, weil Angst und Ekel vor Objektivierung und Erniedrigung zu Misstrauen gegenüber Bindung als solcher führen.
Nicht zuletzt sinkt die Hemmschwelle auch für sexuelle Gewalt im eigentlichen Sinne: Letztlich ist auch ein Fall wie der Gisèle Pelicots Ausdruck einer im Hinblick auf Sexualität verrohten Gesellschaft: Die Frau, die mutig und in bewundernswerter Offenheit vor Gericht für ihre Würde kämpft, wurde von ihrem eigenen Ehemann unter Einsatz von Medikamenten bewusstlos gemacht und an Männer verkauft; ihr Mann filmte die Vergewaltigungen. Sicher ein besonders schockierender Fall, der jedoch eingebunden ist in ein gesellschaftliches Klima. Ein Klima, das auch dadurch entsteht, dass Frauen wie Lily Phillips den Eindruck ständiger Bereitschaft und sexueller Dienstbarkeit erwecken, und daran mitwirken, dass die Herabwürdigung des Menschen zum Objekt nicht mehr in sich als verwerflich gilt.
Der Vergleich der beiden Fälle macht den Unterschied deutlich zwischen wahrer und falscher Emanzipation: Gisèle Pelicot begehrt dagegen auf, nur als Missbrauchsopfer wahrgenommen zu werden. Phillips hingegen macht sich selbst zur Missbrauchstäterin. Mit der Umdefinierung sexueller Gewalt zur geschäftstüchtigen Selbstverwirklichung gelingt Lily Phillips ein Sieg über die Frau, den kein Mann mit noch so roher Gewalt je erringen könnte. Ein Sieg, der nicht nur sie als gebrochene Frau zurücklässt.
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