Carlos Tavares, als Stellantis-Chef einer der mächtigsten Männer der Auto-Welt, zieht sich noch vor Vertragsende zurück. Am Ende wurde der Druck auf den E-Auto-Verteidiger, der sich noch über die VW-Krise lustiggemacht hatte, zu groß. Im Hintergrund hat offenbar der Agnelli-Clan den Daumen gesenkt.
Es war nicht anders zu erwarten gewesen. Dass Carlos Tavares gehen würde, war schon seit Monaten klar. Dass er nun schon vor dem eigentlich anberaumten Wechsel Anfang 2026 geht, erschien zwingend angesichts der Krise, die derzeit dem Stellantis-Konzern mit seinen 14 Automarken droht.
Bereits vor Wochen hatte Stellantis angekündigt, dass einflussreiche Entscheidungsträger ihren Posten räumen mussten. Da stand für den Chef des Autokonzerns, zu dem auch Opel gehört, zwar schon fest, dass er bald gehen musste, aber angesichts der anderen Besetzungen hatten Experten schon zu dem Zeitpunkt (richtig) spekuliert, dass der Hauptverantwortliche angezählt war.
Nun ist Tavares aus freien Stücken gegangen. Der Verwaltungsrat teilte am Sonntagabend mit, dass er den sofortigen Rücktritt akzeptiert hatte. Aufsichtsratschef John Elkann leitet das Unternehmen jetzt kommissarisch bis zur Benennung eines neuen Vorstandsvorsitzenden.
Der schockartige Abzug widerspricht auch den Prognosen, dass Tavares Einfluss auf seinen Nachfolger nehmen und damit seine Autopolitik über ihren designierten Erben weiterführen könnte. Stellantis kommuniziert damit, dass man keine Kontinuität mit anderen Köpfen, sondern einen Neustart will. Bis zur Berufung eines neuen Managers vergeht ein Jahr, und Tavares wird nicht daran teilnehmen.
Das steht im Kontrast zum Frühjahr. Tavares hatte sich über die Krise von Volkswagen mokiert. Stellantis mit seinem E-Auto-Kurs sollte Paradebeispiel sein. Nur wenige Monate nach dem Hochmut folgte der Fall. Streit mit den Händlern, einbrechender E-Auto-Markt, Ärger mit den Gewerkschaften und natürlich: die berüchtigte Gewinnwarnung.
Dass sein Vertrag ab 2026 nicht verlängert würde, stellte er als eigenen Wunsch dar. Die Idee, den Konzern in den letzten Monaten auf Kurs zu bringen, entpuppte sich aber wie dieser eigene Wunsch als Fata Morgana: sonst hätte er die Reißleine nicht früher gezogen. Tavares hatte sich isoliert.
Das Handelsblatt zitiert eine Mitteilung des Konzerns, demnach der Erfolg von Stellantis „auf dem perfekten Einvernehmen zwischen den bedeutenden Aktionären, dem Aufsichtsrat und dem CEO“ fuße. Doch: „„In den vergangenen Wochen aber sind unterschiedliche Sichtweisen zutage getreten, die in der heutigen Entscheidung von Aufsichtsrat und CEO resultieren.“
Heißt: Von den Entscheidungsträgern und Investoren traut keiner mehr Tavares zu, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Aus Nordamerika heißt es gar: Keiner wird ihn vermissen.
TE hatte dazu schon vor Wochen berichtet: Die mächtige Agnelli-Dynastie, die Fiat führt, ist seit einiger Zeit unzufrieden mit der Konzernentwicklung, und auch die italienische Regierung unter Giorgia Meloni steckt seit einigen Jahren im Clinch. Und natürlich spielen dabei Elektro-Autos eine Rolle. Man kann einen E-Auto-Konzern wie Tesla bauen, der eine bestimmte Klientel anvisiert. Man kann aber nicht einen Konzern mit dem Profil von Fiat zu einem E-Autohersteller machen, weil er damit seine Klientel verprellt. TE dazu am 9. Oktober:
„Denn Aufsichtsratschef Elkann, der offenbar ausschlaggebend bei der Nicht-Verlängerung von Taveres’ Vertrag war, ist Angehöriger des Agnelli-Clans. Als CEO der Investmentgesellschaft Exor verwaltet er die Beteiligungen der mächtigen italienischen Familie, deren Vorfahr Giovanni Agnelli im Jahr 1899 den Fiat-Konzern gründete. Elkann ist der Sohn von Margherita Agnelli, einer Tochter von Gianni Agnelli, der als einer der reichsten und einflussreichsten Männer der italienischen Geschichte gilt.
Das Verhältnis des Agnelli-Clans zum Italienischen Königreich bzw. zur Italienischen Republik ist ein höchst kompliziertes und nicht immer spannungsfreies. Auch die Fusion Fiat-Chryslers zum 14-Marken-Konzern Stellantis hat daran wenig geändert. Die Agnelli-Familie hält über Exor 14 Prozent der Anteile an Stellantis und ist damit größter Einzelanteilseigner. Die globale Ausrichtung eines der größten Unternehmen der italienischen Industrie hat man in Rom schon länger skeptisch beäugt. Dass Stellantis nach seiner Gründung maßgeblich Arbeitsplätze in Italien, nicht aber in Frankreich abgebaut hat, ist insbesondere der Regierung von Giorgia Meloni ein Dorn im Auge. (…)
Als demütigend empfindet es Rom, dass mittlerweile nicht mehr die ‚Nationalmarke‘ Fiat, sondern Volkswagen die meistverkaufte Marke Italiens ist. Seit der Fusion hat Stellantis 10.000 Stellen in Italien abgebaut, während in Frankreich keine ähnlichen Einsparmaßnahmen stattgefunden hätten. In Stellantis-Werken werden in Italien weniger Autos gebaut als in Frankreich.“
Dass jetzt Elkann als Agnelli-Vertreter die Interimsleitung übernimmt, spricht deswegen Bände. Es geht bei Tavares’ Abgang nicht nur um Zahlen. Sondern um eine grundlegende Ausrichtung – dazu zählen Unstimmigkeiten im italienisch-französischen Verhältnis wie auch die Elektromobilität.
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Wenn Ideologie auf Realität trifft, scheint besonders seit 1990 irritierend erstere lange zu dominieren, doch letztlich, spätestens wenn die Bedeutung der Liebe und einer .45 ähnlich einem Vulkanausbruch offenkundig werden, siegt die Wirklichkeit.
Genau so scheint es im aktuellen Fall zu sein.
Die letzte verbliebene „echte“ Limousine, die zumindest noch vom europ. Teil dieses Autokonglomerats angeboten wurde, war die Guglia von Alfa Romeo. Und deren Produktion wurde jetzt eingestellt.
Es sind 2 Komponenten die seinen Abgang gestimmt haben.
Einmal die Reibereien zwischen Frankreich und Italien.
Und dann die physikalischen Gesetze, die das E-Auto derzeit sinnfrei machen. Diese Unsinnigkeiten nannte ich bereits 2018 ( https://polpro.de/mm18.php#emob )
Langsam werden die Eigenschaften der E-mobilität erkannt: Anschaffungs- und Betriebskosten hoch, Recycling sehr problematisch. Sinnvoll nur in Nischen wie Elektrorollstühle.
Was Stellantis fehlt ist ein zweiter Sergio Marchionne. Mal schauen. Vielleicht gibt es bei Ferrari noch einmal einen.
Der nächste E-Auto-Kasper verlässt die Bühne.
Das Tavares zurücktritt war wirklich nicht so überraschend. Hat er doch die Französischen Marken auf Kosten der Italienischen Marken saniert. Und das da der FIAT Gründer und noch Eigner nicht tatenlos zusieht, war nur eine Frage der Zeit.
Ich dachte immer Stellantis wäre eine der generischen Neo-Brands auch China. Naja, so gesichtslos wie die Karren (außer vielleicht die großen Jeep) sind.
Es rumort doch an allen Ecken und Enden – erst heute der Bericht hier auf TE über BMW. Mein noch vor einem halben Jahr belächeltes Statement, nachdem die E-Mobilität nach dem kommenden Winter Geschichte ist, scheint zur Gewißheit zu werden. Bei Fiat ist man ja bereits zurückgerudert, indem man den Fiat 500 wieder mit Verbrenner anbietet; je kleiner ein Auto ist, desto billiger sollte es sein. Das ist beim Elektroantrieb nicht realisierbar. Weiterhin wohnen Leute, die ein kleines, billiges Auto kaufen wollen, meist nicht im Einfamilienhaus im Speckgürtel der Großstädte, entsprechend WÄREN sie auf eine dichte Ladeinfrastruktur am Straßenrand angewiesen.… Mehr
Das produzieren was Kunden wollen, den Regulierungswahn der EU beenden und schon ist die europäische Autoindustrie gerettet.
Herr Tavaras hatte andere Pläne.