Stell dir vor, es ist Wahlkampf, und keiner geht hin. Keine 100 Tage vor dem Urnengang tun die beiden wichtigsten Anwärter auf das Kanzleramt: nichts. Olaf Scholz und Friedrich Merz bleiben unter dem Radar – aus ganz ähnlichen Gründen.
„Wieder nach vorne“. Das ist er nun also: der offizielle Werbeslogan, mit dem die CDU in den Bundestagswahlkampf zieht.
Ein bisschen klingt das wie die schwindsüchtige Schwester von „Make America Great Again“. Die Abkürzung daraus, MAGA, lässt sich prima aussprechen und als eingängiges Akronym auf Mützen und Kaffeetassen drucken.
Versuchen Sie mal, WNV auszusprechen.
Das Merchandising-Potenzial dürfte also eher überschaubar sein. Unabhängig davon bleibt unklar, wann Deutschland in den Augen der CDU das letzte Mal „vorne“ war. Bei nüchterner Analyse wäre die richtige Antwort wohl: zu Beginn der Amtszeit von Angela Merkel. Zuvor hatte Gerhard Schröder – gegen seine eigene Partei und auf Kosten seiner persönlichen Karriere, aber zum Wohl des Landes – die Reformen der „Agenda 2010“ durchgesetzt, die eine Voraussetzung für die ökonomische Gesundung der Bundesrepublik bildete.
Danach ging es 19 Jahre lang nur bergab.
Volle 16 Jahre davon hatte Merkel direkt zu verantworten. Aber das kann die Union natürlich nicht sagen. Schon gar nicht im Wahlkampf. Und erst recht nicht, während die schuldige Dame zur Vermarktung ihrer Autobiografie gerade von einem TV-Studio ins nächste zieht und die Unterwürfigkeit der ihr immer noch ergebenen „Journalisten“ dazu nutzt, ihrer Partei mit erhobenem Zeigefinger ungebetene Ratschläge zu geben: Verprellt mir ja meine Grünen nicht.
Also legt die Union über die Ära Merkel den Mantel des Schweigens. Überhaupt ist der Wahlkampfansatz der CDU eine einzige große kognitive Dissonanz. Die Union verschweigt beinahe schon aggressiv, wie sie ihre schönen Inhalte denn ausgerechnet mit jenen Partnern umsetzen will, die in drei Jahren Ampel exakt das Gegenteil dessen gemacht haben, was die CDU jetzt fordert.
Denn wegen der selbstgebauten „Brandmauer“ zur AfD bleibt der Union absehbar ja nur ein Bündnis mit der SPD, vielleicht zusätzlich sogar noch mit den Grünen. Aber diese beiden Parteien haben (zusammen mit der FDP) die letzten Kernkraftwerke abgeschaltet, die Energieversorgung in den Fluss gefahren, eine veritable Wirtschaftskrise ausgelöst, die Bespitzelung kritischer Bürger auf die Spitze getrieben – und nebenbei noch das sogenannte „Selbstbestimmungsgesetz“ verabschiedet, welches das Aussprechen biologischer Tatsachen unter Strafe stellt.
Und ausgerechnet mit diesen Partnern will die CDU nun Kernkraftwerke wieder anschalten, Energie wieder günstig machen, die abgewanderte Industrie zurückholen, die Meinungsfreiheit wieder herstellen und das „Selbstbestimmungsgesetz“ wieder in die Tonne treten?
In meiner Stammkneipe würden sie da sagen: Träum’ weiter.
Ihre Wunsch-Inhalte kann die Union also nicht wirklich glaubwürdig ins Zentrum ihrer Kampagne stellen – weil sie sonst immer sofort die Frage beantworten muss: Mit wem wollt ihr das denn machen? Eine gängige Alternative wäre, im Wahlkampf voll auf den eigenen Frontmann zu setzen.
Doch da fangen die Probleme für die CDU erst richtig an.
Denn Friedrich Merz ist alles andere als ein Zugpferd. Seine Zustimmungswerte sind relativ besser als die seiner Konkurrenten, aber insgesamt trotzdem mäßig – und regelmäßig schlechter als die seiner Partei. Zudem scheint er sich selbst nicht so recht zu trauen: Offenbar fürchtet er einen Laschet-Moment, der ihm noch alles verderben könnte. (Wir erinnern uns: Armin Laschet, 2017 Spitzenkandidat der Union, lachte in einem denkbar unpassenden Moment, stürzte danach in den Umfragen ab und verlor noch die Wahlen und die schon sicher geglaubte Kanzlerschaft an Olaf Scholz).
Und Merz bietet persönlich gleich mehrere offene Flanken als Angriffsfläche:
Er will mehr und andere deutsche Waffen an die Ukraine liefern – aber ein wachsender Teil der Bevölkerung sieht das immer skeptischer.
Er schließt Rentenkürzungen nicht aus – aber die betroffenen Älteren sind eine entscheidende Wählergruppe.
Er kommt vom Investment-Riesen Blackrock, einem der anerkannt größten, mächtigsten und skrupellosesten Institute der internationalen Finanzindustrie – aber im kapitalismuskritischen Teil der Wählerschaft sind diese Monster-Heuschrecken geradezu verhasst.
Von links (SPD, BSW) und von rechts (AfD) gerät „Blackrock-Merz“ mit seiner beruflichen Biografie damit unter erheblichen Druck. Sowohl der Union wie auch ihm selbst dürfte klar sein: Wenn CDU und CSU das Kanzleramt erobern, dann nicht wegen Merz, sondern trotz Merz.
Kein starker Kandidat an der Spitze und eine unschöne Machtperspektive mit ungeliebten Partnern: Das ist kein leichtes Argumentieren. Aber die Union führt (noch) in allen Umfragen mit großem Vorsprung. Deshalb hat sich die Partei ganz offenkundig dazu entschlossen, sozusagen im Schlafwagen an die Macht zu rollen:
Man macht nur so einen Pro-forma-Wahlkampf für die eigenen Aktivisten. Ansonsten versteckt man den eigenen Spitzenkandidaten, so gut es geht – und hofft darauf, dass der Wahltag schnell kommen möge und die Werte bis dahin nicht allzu sehr fallen.
Das wäre normalerweise eine Steilvorlage für die SPD. Doch die hat ihre ganz eigenen Probleme.
Das größte hört auf den Namen: Olaf Scholz. Der amtierende Bundeskanzler hat geradezu sensationell schlechte Beliebtheits- und Zustimmungswerte. Die Kombination aus seinem eigenen Starrsinn und aus parteiinternen Intrigen hat ihn trotzdem wieder Spitzenkandidat der Sozialdemokraten werden lassen. Also tun die roten Wahlkampfmanager das Beste, was man mit so einem ganz oben machen kann: Sie verstecken ihn.
Anders als Merz der Union, so kann Scholz den Sozialdemokraten aber zumindest mit seinen Positionen helfen:
Erstens – er lehnt die Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine kategorisch ab. Diese Position hat er in der Ampel gegen den heftigen Widerstand beider Koalitionspartner (Baerbock! Strack-Zimmermann!!) durchgehalten. Das hat ihm zumindest in diesem Punkt bei den Leuten durchaus eine gewisse Glaubwürdigkeit eingebracht. Ob die berechtigt ist, soll hier nicht erörtert werden – jedenfalls ist sie da.
Zweitens – Scholz lehnt jede Form von Rentenkürzung kategorisch ab. Auch diese Position hat er in der Ampel gegen den heftigen Widerstand der FDP durchgehalten. Auch hier hat er sich bei den Betroffenen einen gewissen (positiven) Ruf erarbeitet.
Trotz all der desaströsen Umfragewerte im Moment kann das für die SPD noch umso wichtiger werden, je näher der Wahltag heranrückt. Schon 2021 waren die älteren Menschen sowie die im Osten für die Sozialdemokraten die wichtigsten Wählergruppen. Und die Umfragen zeigen auch, dass sowohl die Kriegsangst als auch die Sorge um die eigene wirtschaftliche Existenz in diesen beiden Gruppen besonders ausgeprägt sind – Tendenz steigend.
Ob berechtigt oder nicht: Der SPD wird am ehesten abgenommen, dass sie Russland nicht völlig verprellt und die Rentner nicht komplett im Stich lässt. Die AfD und das BSW haben auf diesen Feldern zwar ähnliche Positionen – aber beide werden der nächsten Bundesregierung absehbar nicht angehören. Bei Wagenknecht ist sogar immer unsicherer, ob sie es mit ihrem Klub überhaupt in den Reichstag schafft.
Wenn es für die Russland-affinen und Renten-besorgten Bürger also darum geht, in der nächsten Bundesregierung – absehbar unter einem Kanzler Friedrich Merz – zumindest das Schlimmste zu verhindern: Wen werden die dann wohl wählen? Das ist erkennbar das Kalkül der SPD: die Person Scholz verschweigen – aber diese beiden Inhalte von ihm in den Mittelpunkt rücken.
Und so erleben wir wohl noch bis Februar eine CDU, die möglichst wenig Wahlkampf macht und ihren Spitzenkandidaten weitgehend versteckt. Und wir erleben eine SPD, die nur auf zwei Politikfeldern Wahlkampf macht und ansonsten ihren Spitzenkandidaten ebenfalls weitgehend versteckt.
Erinnern wir uns kurz an das epische Rennen ums Weiße Haus zwischen Donald Trump und Kamala Harris: Dagegen ist der Bundestagswahlkampf hier tatsächlich nur ein erbärmlicher Abklatsch.
Schade eigentlich. In einer Demokratie hätten die Bürger was Besseres verdient.
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„Zuvor hatte Gerhard Schröder – gegen seine eigene Partei und auf Kosten seiner persönlichen Karriere, aber zum Wohl des Landes – die Reformen der „Agenda 2010“ durchgesetzt, die eine Voraussetzung für die ökonomische Gesundung der Bundesrepublik bildete.“
…und damit den Grundstein für Kliniksterben, Bahnchaos, Postversagen, Pflegenotstand und andere Miseren gelegt.
Eine Gesundung a la Lauterbach, bestenfalls.
Deutschland wurde von der Industrienation zur Dienstleistungsgesellschaft degradiert: DAS ist Schröders Verdienst.
Haben wir überhaupt noch Politiker, die Probleme lösen können, eine politische Kehrtwende vollziehen können? Ich denke, die haben wie derzeit bei den etablierten Parteien nicht. Eher Politiker, die Probleme und Schaden verursachen… Wir haben Verwaltungspolitiker, Opportunisten, ideologische Fanatiker, Karriere- und Berufspoliitiker … Als Deutschland um 2000 in einer Wirtschaftskrise war, hat Schröder konsequent als Staatsmann gehandelt. Politisch gegen die eigene Partei und gegen sich selbst, aber für das Land. Merkel hat vom wirklichen Boom dieser Arbeitsmarktreform jahrelang profitiert, ohne selbst eine Entscheidung zum Vorteil unseres Landes auf den Weg zu bringen. Dass Scholz nicht annähernd das politische Format von Schröder… Mehr
Ganz offensichtlich geht es in diesem Parteienstaat in erster Linie um den Erhalt bzw. die Eroberung von Macht, Posten und Pfründen. Dazu werden Koalitionen gebildet, die genau das ermöglichen, aber die Lösung der großen, drängenden Probleme dieses Landes erschweren oder sogar ausschließen. Absehbar wird es zu faulen Kompromissen kommen: Merz gibt bei der Rente nach und Scholz bei der Ablehnung von Taurus. Wenn beide Glück haben, ist der Ukrainekrieg bis zur BT-Wahl von Trump schon beendet, aber darauf sollte sich niemand verlassen. Merz ist jedenfalls bereit, die Rolle des bedingungslosen US-Vasallen zu spielen und dieses Land einer direkten Kriegsgefahr und… Mehr
Wenn 2/3 der antretenden Parteien sich schlichtweg weigern die Themen (Massenmigration+Energiewende), die dieses Land langsam aber sicher zerstören und den Bürgern auf den Nägeln brennen überhaupt nennenswert anzusprechen geschweige denn Lösungen dafür anzubieten, kann man dann noch von einer funktionierenden Demokratie sprechen????
Im Grunde geht es nur darum, daß ein linkes Machtkartell die eigenen Pfründe bis aufs Messer gegen Leute verteidigen will, die eventuell in der Lage wären echte Lösungen anzubieten.
Das Land und seine Bürger bleiben dabei auf der Strecke…
2/3? 5/6 bis 7/8 kommt eher hin.
Die Union verschweigt beinahe schon aggressiv, wie sie ihre schönen Inhalte denn ausgerechnet mit jenen Partnern umsetzen will, die in drei Jahren #Ampel exakt das Gegenteil dessen gemacht haben, was die CDU jetzt fordert!
Das wird von der @CDU deshalb verschwiegen, weil es darauf nur eine Antwort gibt und die heißt:
Das ist nur mit der @AFD umzusetzen!
Ich wüsste gerne, was eine skrupellose, aber erfolgreiche Firma wie Blackrock mit diesem mäßig begabtem Merz anfangen konnte. Es können höchstens die geschäftlich gut nutzbaren politischen Kontakte gewesen sein,
Die Zustimmungswerte von Merz sind etwas besser, als die seiner Konkurrenten, mag sein, aber nicht, weil er so gut ist, sondern die anderen (abgesehen von Weidel) grottenschlecht sind. Wäre die AfD durch den linken Mainstream nicht stigmatisiert und deswegen sich viele vor allem im Westteil Deutschlands nicht rauen, AfD zu wählen und Weidel ihre Stimme zu geben, wäre sie wahrscheinlich vorne. Sicher punktet Scholz mit seiner Renten- 8und Taurus-Politik, das ist ihm auch anzurechnen. das wars dann aber auch schon. Eine kleine Kritik möchte ich aber loswerden. Man ist noch lange nicht Russland-affin, wenn man gegen den Ukrainekrieg eintritt und… Mehr
Will Merz wirklich den Ukrainern den Taunus überlassen ? Ich finde das empörend , dieses beliebte deutsche Mittelgebige einfach zu verscherbeln. Warum nicht einfach die Restbestände des Ford – Taunus abgeben, die Fordwerke in Koln werden mit sich reden lassen…
Der Wähler hat die Wahl zwischen
Will-nicht (Merz)
Kann-nicht (Scholz)
Kann-und-will-absolut-nicht (Habeck)
Kann-aber-darf-nicht (Weidel)
Zur Wahl stehen also
3x Merkel oder Protest.
„Merz gegen Scholz: Will-nicht gegen Kann-nicht“
Da muss ich siekorrigieren
Einer der nicht will, weil er es nicht kann.
und
Einer der es nicht kann, weil er es nicht will.
Beide, nichts können, nichts wollen. Für das Volk.
Für die eigene Korruption da geht immer noch was.
Ämterpatronage, Subventionen, Förderungen, Steuererleichterungen, usw.