Wie die Politik mit schärferen Maßnahmen gegen Bürger aufrüsten will

Niedersachsens Justizministerin will die Strafverfolgung bei Politikerbeleidigung vereinfachen und auf der Herbstkonferenz einen Vorschlag vorlegen. Die baden-württembergische Justizministerin will vorschlagen, dass Autohersteller verpflichtet werden, Schließcodes bzw. Zweitschlüssel herauszurücken. Kaum vorstellbar, dass diese Vorstöße ohne Wissen der jeweiligen Ministerpräsidenten Weil und Kretschmann erfolgen.

© Sharosh Rajasekher

Bürger sollen leichter verfolgt werden können, wenn sie eine sogenannte „Politikerbeleidigung“ begehen. Dies will die derzeitige Justizministerin von Niedersachsen Kathrin Wahlmann von der SPD. Sie will die Voraussetzungen der „Politikerbeleidigung“ absenken, um die Strafverfolgung zu vereinfachen. Wahlmann will einen entsprechenden Beschlussvorschlag auf der Herbstkonferenz der Justizminister der Länder vorlegen, die am Donnerstag in Berlin beginnt. Dort hat Niedersachsen gerade den Vorsitz.

So soll die Einschränkung aus dem Weg geräumt werden, nach der eine Beleidigung nur dann geahndet werden kann, wenn die Tat geeignet ist, das „öffentliche Wirken“ des Politikers „erheblich zu erschweren“. Behörden könnten dann leichter wegen Beleidigungen von Politikern ermitteln und Bürger müssten mit höheren Strafen rechnen. Die niedersächsische SPD-Justizministerin will übrigens auch „über die Pflicht zur Meldung strafbarer Inhalte effektiv durchsetzen“ reden.

Wahlmann ist von der SPD. Es ist kaum zu vermuten, dass sie diesen massiven Schritt zur Einschränkung ohne gründliche Abstimmung mit dem Chef der niedersächsischen Staatskanzlei getan hat. Der heißt Stephan Weil und ist von der SPD.

Auf eben jener Justizministerkonferenz will weiterhin Baden-Württembergs Justizministerin Marion Gentges (CDU) vorschlagen, nicht nur Wohnungen, Handys und Rechner besser durchschnüffeln zu können, sondern auch Autos. Sie legt in Berlin einen Beschlussvorschlag vor, nach dem Autohersteller künftig verpflichtet werden sollen, auf Anforderung von Behörden Schlüsselcodes beziehungsweise Zweitschlüssel herauszurücken. Wie das Fachmagazin Legal Tribune online LTO berichtet, soll die Strafprozessordnung (StPO) entsprechend geändert werden.

Mitwirkung von Autoherstellern „unabdingbar“

Die Diebstahlsicherung von Autos ist mittlerweile recht wirkungsvoll, so wirkungsvoll, dass immer mehr Autodiebe daran scheitern – aber auch immer mehr die Polizei, wenn die heimlich in das Innere des Autos will, um etwa eine Wanze zu installieren. Denn die aktuellen Standards der Hersteller bei der technischen Diebstahlprävention würden für das zwingend erforderliche Öffnen der Fahrzeuge durch die Ermittlungsbehörden vermehrt eine unüberwindbare Hürde darstellen, so stellte Gentges fest. Ein Drittel aller Fahrzeuge sei mit Alarm- oder Warnfunktionen ausgestattet, mit steigender Tendenz.

Die Mitwirkung der Hersteller bei der Überwindung von Diebstahlalarmanlagen oder anderweitiger Warnfunktionen durch Herausgabe der Schließcodes beziehungsweise von Zweitschlüsseln sei daher unabdingbar, so Gentges in ihrer Vorlage. Denn auf freiwillige Mithilfe können die Ermittler offenbar nicht zählen. Eine Herausgabe der erforderlichen Informationen werde in immer mehr Fällen von den Fahrzeugherstellern verweigert, heißt es in der Gentges-Vorlage. Gentges ist von der CDU. Hier heißt der Regierungschef Winfried Kretschmann und ist von den Grünen.

Ein hemmungsloser Anti-AfD-Aufruf des früheren Präsidenten von Eintracht Frankfurt, Fischer, wird trotz zahlreicher Strafanzeigen dagegen nicht juristisch verfolgt. Die Staatsanwaltschaft Köln hat jetzt erklärt, dass Fischers Appell von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.

Fischer hatte im Februar dieses Jahres im Fernsehsender RTL AfD-Wähler als Nationalsozialisten bezeichnet und wörtlich gesagt: „Gebt ihnen Ohrfeigen, kotzt ihnen ins Gesicht. Die müssen sich bewusst werden – das ist nicht nur ein Kreuz. Damit bist du Nationalsozialist, nix anderes.“

Gegen Fischer erstatteten viele Anzeige. Die Staatsanwaltschaft Köln sieht darin keinen ernstgemeinten Aufruf zu einer Straftat. Fischer habe offenkundig übertrieben und sich bildhaft ausgedrückt, so die Kölner Staatsanwaltschaft. Im Sinne einer emotionalen Fundamentalkritik an der AfD sei das erlaubt.

Sie ermittelt nicht gegen den sogenannten Ehrenpräsidenten der Eintracht Frankfurt und Nachtclubbesitzer Peter Fischer, gegen den die Staatsanwaltschaft auch wegen des Verdachts auf Erwerb und Besitz von Kokain ermittelte. Der Vorsitzende der AfD-Fraktion im hessischen Landtag, Robert Lambrou, bezeichnete das Urteil als „erschreckend“. „Gewaltaufrufe gegen Wähler der Opposition sollen durch die Meinungsfreiheit gedeckt sein, aber wenn jemand einen Tweet weiterleitet, in dem Robert Habeck ‚Schwachkopf‘ genannt wird, kommt die Polizei zur Hausdurchsuchung wegen Volksverhetzung?“, fragte er. Damit werde das Vertrauen in den Rechtsstaat weiter zerstört.

EU will Bürger in Echtzeit überwachen

Die EU-Kommission soll im kommenden Jahr eine Empfehlung zum Echtzeit-Datenzugriff für Strafverfolgungsbehörden herausgeben. Darin soll den Strafverfolgungsbehörden ein Zugang zu Daten mit robusten Datenschutz- und Cybersicherheitsgarantien gewährt werden. Handys und Rechner sollen darunter in Echtzeit überwacht werden, Behörden sollen Nachrichten mitlesen können, die Nutzer auf ihren Geräten schreiben. Alles unter dem Deckmantel des Kampfes gegen Kriminalität.

Ein Jahr lang haben sogenannte Experten der „High-Level Group (HLG) on access to data for effective law enforcement“ über Vorschläge sinniert, wie Behörden schneller und einfacher „Zugriff auf ruhende Daten auf dem Gerät eines Nutzers“ bekommen können. Diese Gruppe wurde von der EU-Kommission im Juni 2023 ins Leben gerufen und stellte jetzt das Ergebnis ihres Sinnierens vor.

„Eine zukunftssichere Lösung erfordert auch“, so heißt es in dem Bericht, „dass die Verpflichtungen der Diensteanbieter zur Zusammenarbeit durch Rechtsvorschriften durchgesetzt werden, ohne die Verschlüsselung für die Nutzer eines Dienstes allgemein oder systematisch zu schwächen.“

Die EU-Kommission wird schließlich aufgefordert, einen Technologiefahrplan für den Zugang zu Daten vorzulegen und umzusetzen. Der sollte 2025 vorliegen. Dies alles natürlich nur zum Zwecke einer wirksamen Strafverfolgung. Doch, so stellen es die Experten der Gruppe fest: „Kriminelle passen ihr Verhalten ständig an, um sich der Entdeckung zu entziehen.“

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