Starmers Regierung unter Beschuss: Neuwahl-Petition erhält massenhaften Zuspruch

Eine Petition fordert Neuwahlen im Vereinigten Königreich und erhält tausende Unterschriften in der Minute, und das nur vier Monate nach den letzten Wahlen. Keir Starmers Beliebtheit ist eingebrochen, Labour liegt wieder gleich auf mit den Tories. Reform bleibt stark. Die Briten wollen sich nicht transformieren lassen.

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Mehr als 2,5 Millionen Briten unterstützen die Petition, in der ein Privatmann mit schlichten Worten sofortige Neuwahlen für das Königreich fordert: „Ich hätte gerne noch einmal allgemeine Wahlen. Ich glaube, dass die derzeitige Labour-Regierung ihre Versprechen, die sie im Vorfeld der letzten Wahl gegeben hat, nicht eingehalten hat.“ Die Zahl der Unterzeichner steigt im Minutentakt um hunderte und tausende an.

Allgemein ist die Rede von „buyer’s remorse“, so kurz nach einer nationalen Wahl, die angeblich mit einem „Erdrutsch“ zugunsten von Labour ausging. Tatsächlich war nichts dergleichen geschehen: Labour hatte etwa so viele Stimmen (oder noch weniger) als in früheren Wahlen gewonnen, nur die Konservativen waren in der Versenkung verschwunden und mussten vielerorts die Hälfte ihrer Stimmen an die Reform-UK-Partei von Nigel Farage abgeben.

Massenproteste geplant
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Doch wenige Monate nach dem deutlichen Wahlsieg im Juli haben die Beliebtheitswerte von Premier Keir Starmer einen Einbruch erlebt: Aus dem leicht positiven Bereich der Skala, den er von Juni bis September halten konnte, stürzte er auf Minuswerte ab und leistete so den letzten Beliebtheitswerten des glücklosen Ex-Premiers Rishi Sunak Gesellschaft. Die neue Tory-Chefin Kemi Badenoch feiert ihren Einstand knapp unter der Null-Linie und ist damit derzeit um Längen besser als der Amtsinhaber.

Ebenso haben sich die Umfragewerte von Labour und Konservativen wieder angenähert. Als Sunak regierte, schienen 15 bis 20 Prozentpunkte beide Parteien unabänderlich zu trennen, nun treffen sie sich wieder in der Mitte bei etwa 28 Prozent. Gleichzeitig legt aber Reform UK noch etwas zu und kann national bis zu 20 Prozent erzielen. Damit hätte sich die Farage-Partei als dritte Kraft vor Lib Dems und Grünen (rund zwölf und acht Prozent) etabliert.

Bauern fürchten die Transformation ihres Ackerlands

In dieser Stimmung erregt die besagte Petition Aufsehen – so sehr, dass auch eigentlich Ablehnende dazu Stellung nehmen und etwa schreiben, dass die Briten ja auch nicht per Petition über die Thronnachfolge entscheiden könnten. Das sehe die Monarchie nicht vor. Aber natürlich kann ein Parlament darüber diskutieren, dass eine unpopuläre Regierung abtreten und Neuwahlen ermöglichen sollte. Das gehört dann doch zu den bekannten Abläufen des demokratischen Rituals. Nigel Farage und andere Parlamentarier sind natürlich dafür, dass die Petition im Parlament besprochen wird, und das ist auch ab 100.000 Unterschriften möglich. Ab 10.000 Unterschriften muss die Regierung reagieren.

Messermorde versus Protest dagegen
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Insofern glauben die Anhänger der Petition, dass dieselbe durchaus Gewicht hat. Kaum je habe sich eine Regierung in so kurzer Zeit von ihren Wählern abgewandt wie diese. Labour strich die Winter-Heizungszulage für Rentner – nachdem Starmer noch im letzten Winter vom „starken Versagen der Regierung“ in dieser Sache gesprochen hatte. Rentner treffen sich in Kirchen und anderen „Wärmebanken“, um die Kälte der eigenen Wohnung zu meiden. 300 Pfund hat die Regierung an jedem der alten Leute gespart, obwohl es natürlich Parlamentsberichte gibt, die feststellen, dass ohne die Zulage bis zu 4.000 Rentner pro Winter sterben dürften. Die „graue Stimme“ könnte Labour damit zu großen Teilen verloren haben.

Ein weiteres Versprechen, das Labour sehr rasch brach: Im Wahlkampfprogramm hatte es geheißen, man wolle Migranten nicht mehr in Hotels unterbringen. Heute gibt es mehr Migranten in Hotels als am Wahltag, in Zahlen 30.000 bei Kosten von 4,2 Millionen Pfund (etwa fünf Millionen Euro) am Tag. Die Labour-Regierung hat in vier Monaten doppelt so viele Migrantenhotels angemietet, wie es schloss.

Dann ist da natürlich die Erbschaftssteuer für (oder besser: gegen) Bauern, die künftig ihr Land beim Vererben versteuern sollen. In vielen Fällen wird das, wie durchaus eingeräumt wird, dazu führen, dass die Erben einen Teil des Landes verkaufen müssen. Und, so wird auch angehängt, es gebe ja genügend Interessenten für das Land der Bauern. Die befürchten, dass bald Solarkollektoren und Windmühlen auf ihrem Land stehen und eine Wiederurbarmachung verhindern. Das ist Transformation live, wie man sie an Ort und Stelle erleben kann. Auch den Bauern hatte Labour anderes als diese Erbschaftssteuer versprochen. Die Bauern fürchten die Transformation ihres Ackerlands, aber ein solcher Vorgang sollte noch mehr und anderen Briten Sorgenfalten auf die Stirn treiben.

Labour-Obmann: Briten werden ihr Leben ändern müssen

Schaut man sich die Herkunft der Petitions-Unterzeichner auf einer Karte an, dann fällen die dunkelroten Gebiete im Norden Englands und allgemein abseits der Metropole London auf. Und es ist wohlgemerkt nicht nur eine Unzufriedenheit mit der neuen Labour-Regierung. Auch die vorangegangene Regierung der Konservativen hatte sich zuletzt als nicht geeignet erwiesen, die Probleme des Landes zu lösen, wie etwa das Ruanda-Desaster – neben vielem anderen – zeigte. Die Netto-Null-Ambitionen der Regierung Johnson sind noch in Erinnerung. Wie inzwischen klar ist und auch halbwegs offen zugegeben wird, bedeutet „Netto Null“ letztlich eine Verarmung breiter Schichten.

Bill Esterson, der Labour-Obmann im Energie-Ausschuss, meinte dazu, die Bürger müssten ihr Leben auf jeden Fall („absolutely“) ändern, um die Emissionsziele der Regierung für 2030 zu erreichen. Gegenüber dem Telegraph bestätigte Esterson: „Wir alle werden unser Leben ändern müssen, weil die Welt sich verändert, so wie wir es immer getan haben.“ Dieses Mal gehe es dabei eben um den Klimawandel und den „Übergang zu Netto Null“. Dabei hat Keir Starmer gerade bei der Klimakonferenz in Baku gesagt, er wollte den Briten nicht sagen, „wie sie ihr Leben zu leben haben“. Starmer beharrte in Baku darauf, dass das „sein Ziel“ und „dieser Plan sein Plan“ sei – nicht der von jemand anderem. Es ist sein Ziel, aber Ahnung vom Thema haben andere.

Genau genommen gibt es da noch eine feine Linie zwischen beiden Aussagen: Man könnte die Bürger auch durch sanftes Nudging – also Anreize und mediale Propaganda, aber nicht direkten Zwang – zum ‚richtigen‘ Handeln bringen. Aber so weit dürfte die Technik der unterschwelligen Beeinflussung noch nicht reichen. Eher schon wird man auch in Britannien den fruchtlosen Weg der vorgeschriebenen Wärmepumpe gehen und natürlich der E-Mobilität um angeblich jeden Preis. Auch das Stromnetz will Starmer gemäß den in Baku gemachten Zusagen „dekarbonisieren“. Bis 2035 will Starmer die britischen CO2-Emissionen um 81 Prozent verringern. Das könnte die nächste Rosskur für die britische Wirtschaft werden – vergleichbar mit dem, was in Deutschland schon passiert: Industrieabbau durch Stromteuerung. Das scheint für Britannien eine geringere Rolle zu spielen, aber ein Energiesystem, das nicht funktioniert, ist nirgendwo hilfreich.

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Kommentare ( 24 )

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Wilhelm Rommel
2 Stunden her

Danke für Ihren Beitrag, verehrter Herr Nikolaidis! Darf man das Ganze nun so verstehen, dass die Petition gute Chancen hat, im Parlament debattiert zu werden? Und wenn ja: Wird eine solche Debatte irgendwelche Folgen haben? „Wir stehen ratlos da und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen“ (frei nach Brecht).

imapact
1 Stunde her
Antworten an  Wilhelm Rommel

Das ist eben die Frage. Die Parlamentarier werden den Teufel tun und ihre gerade angewärmten Sitze durch Neuwahlen auf’s Spiel setzen; insbesondere die Vertreter von Labour, deren Risiko besonders hoch ist.

dr.unwillig
2 Stunden her

Die Urbanitären in Groß-und Mittelstädten, die mit ihrem Lastenfahrad und zwei tegut-Tüten (noch) bequem von Mitte nach Prenzl/Cricklewood kommen; die Verwaltung, die einen Teufel will, daß sich etwas ändert und die grauhaarigen Wählerstimmen mit der MORGENPOST im Einkaufskorb und auf Jahre begeistert vorausbezahltem Rundfunkbeitrag sind hier ( wie dort) das Übel. Der Fuchsbandwurm, der erst bemerkt wird, wenn die graue Grütze unheilbar verrottet.

Last edited 2 Stunden her by dr.unwillig
imapact
3 Stunden her

2, 5 Millionen, stets weiter steigend, ist schon eine Ansage. Leider sagt der Artikel nicht, wer über diese Petition entscheidet. Wird wohl darauf hinauslaufen, daß am Ende die Frösche darüber entscheiden, ob der Sumpf trockengelegt werden soll. Damit dürfte der Ausgang dann feststehen.

Harry Hirsch
3 Stunden her

Die Briten machen genau das gleiche, was die Deutschen tun. Sie entscheiden sich von Wahl zu Wahl jeweils zwischen Pest und Cholera (Labour und Konservative bzw. SPD und CDU, anstatt für Parteien zu stimmen, die sich für das Wohl des eigenen Landes und Volkes einsetzen (Reform UK bzw. AfD). Warum geht das in die Köpfe der Menschen nicht hinein? Nein, da wählen sie lieber Parteien, die die eigenen Rentner erfrieren lassen aber sämtlichen Kostgängern der Welt ein Hotelzimmer finanzieren. Wie masochistisch kann ein Volk veranlagt sein, sich sowas freiwillig zu wählen?

thinkSelf
3 Stunden her

Also 28% für die Tories und 28% für Labour plus 12% für Grün sprechen jetzt aber auch nicht gerade dafür das die Briten in der Breite ihren Verstand wiedergefunden haben.

Juergen P. Schneider
3 Stunden her

Warum sollte es den Briten besser gehen als uns? Die grenzdebile Mehrheit wählt sich ihre Abzocker und hinterher geht der große Katzenjammer los, wie bei uns. Schwarmdummheit ist halt weiter verbreitet als Schwarmintelligenz.

BK
3 Stunden her

Netto Null und unkontrollierte Einwanderung passt auch bei den Briten nicht zusammen. Immer mehr Leute ins Land holen und die Alten frieren lassen, ist absolut asozial. Auf der anderen Seite spinnt man uns die Ohren voll, dass KI eine so starke Entwicklung vor sich hat, dass bald alle Industriearbeiter ihr Jobs verlieren. Wozu also diese Masseneinwanderung oder ist sie vielleicht doch nur ein Geschäft für liebe Parteigenossen, die die Leute in ihren Unterkünften beherbergen?

Resultant
3 Stunden her

Die Transformation kommt ohnehin auf der gesamten Welt zum Ende, wenn Trump sein Amt angetreten hat.

DeppvomDienst
3 Stunden her

Anscheinend ist Wähler- Demenz nicht nur in Deutschland ein Problem. Wer Labour wählt, bekommt halt eine zu erwartende maximale linke Politik, die sich in den Institutionen des Königreichs ohnehin schon festgefressen hat.

Elmar
3 Stunden her

Eine Wahl, bei der es nicht darum geht, welcher Politiker am beliebtesten ist, sondern wer am wenigsten unbeliebt ist, ist der Traum eines jeden Demokraten.