Politik als Theater: Robert Habeck spielt sich selbst

Einstudierte Sätze, einstudierte Gesten, einstudiertes Lächeln: In den Interviews und Videos des grünen Kanzlerkandidaten ist jede Spontaneität weginszeniert. Für den Wahlkampf hat Habecks PR-Team eine Kunstfigur geschaffen, die mit dem echten Menschen nichts zu tun hat.

IMAGO

Manchmal nehmen wir Begriffe zu wörtlich. Dann entgeht uns der übertragene Sinn und damit die Pointe. Manchmal nehmen wir Begriffe aber auch nicht wörtlich genug. Dann entgeht uns der eigentliche Kern des Gedankens. So steckt im Wort Künstler nicht nur „Kunst“, sondern auch „künstlich“ – als konzeptioneller Gegensatz zu „natürlich“. Die Aufgabe des Künstlers, zum Beispiel des Schauspielers, ist es ja gerade, künstliche – also im Kern unechte – Emotionen vorzuführen. Der Schauspieler spielt uns etwas vor, er macht nur eine Schau.

Damit sind wir bei Robert Habeck.

Der grüne Spitzenkandidat mit derzeit zehn Prozent Wählerzuspruch ist momentan der interessanteste Künstler im Berliner Polit-Theater. Denn erkennbar hat sich der 55-Jährige dazu entschlossen, seinem berüchtigten Ehrgeiz und seinen Kanzler-Ambitionen konsequent alles unterzuordnen – auch die eigene Persönlichkeit.

Und so hat die Agentur Jung von Matt für den Wahlkampf eine Kunstfigur geschaffen. Die heißt zwar noch „Robert Habeck“, hat mit dem gleichnamigen echten Menschen aber nichts mehr zu tun.

Zur besseren Unterscheidbarkeit nennen wir die Kunstfigur hier schlicht „Robert“. Das passt gut, denn unser Kandidat bietet einer jungen Frau – die er zwar nicht kennt, bei der er aber trotzdem irgendwie gerade am Küchentisch sitzt – sowieso die intime Anrede an: „Hi, ich bin Robert. Passt das so für dich?“

Isabell, die junge Frau, habe ihn an ihren Küchentisch eingeladen, lässt der Vizekanzler sein Team auf X-früher-Twitter schreiben. Das kann stimmen oder auch nicht. So oder so spielt es keine Rollte, denn jedem politischen Profi ist natürlich klar, dass Isabells Rolle nur die der Stichwortgeberin für Robert ist und dass sie dafür ausführlich gecastet wurde.

Es ist das erste von mehreren geplanten „Küchengesprächen“. Man kann Gift darauf nehmen, dass Robert da bis zum Wahltag im kommenden Februar nie bei einem erklärten AfD-Anhänger neben dem Herd sitzen wird – und überhaupt nie bei jemandem, der ihm intellektuell ebenbürtig wäre und deshalb dazu in der Lage, womöglich mehr als nur die von der Agentur gewünschten Stichworte zu dem „Gespräch“ beizusteuern.

Ebenso kann man absolut sicher sein, dass es in jeder Küche, in die uns die Videos noch schleppen, immer absolut filmgerecht aussehen wird: alles immer top ausgeleuchtet, sodass Roberts graumelierter Pullover, seine leicht verwuschelte Frisur und die nachdenklich schräge Kopfhaltung immer bestens zur Geltung kommen.

Es ist halt Showbusiness.

Ein Uhrenlaufwerk kann man bekanntlich überdrehen: Wenn man die Uhr zu stark aufzieht, geht der Mechanismus kaputt. Dasselbe Phänomen gibt es auch auf der Bühne: Wird da zu deutlich gespielt, dreht sich der Effekt ins Gegenteil. Statt natürlich und ungezwungen, wirkt dann plötzlich alles ganz besonders künstlich und aufgesetzt.

So ist es mit Robert. Dessen Korsett, in das der Kandidat sich zwängen lässt, ist viel zu starr. Am Ende steht der zum Scheitern verurteilte Versuch, Authentizität zu inszenieren. Das geht gründlich schief, und übrig bleibt statt der Authentizität nur eine für alle sichtbare Inszenierung.

Robert Habeck ist nicht mehr Robert Habeck – er spielt ihn nur noch.

Dem echten Wirtschaftsminister wird nicht ganz zu Unrecht ein gerüttelt Maß an Charme nachgesagt. Er hat auch unbestreitbar Schlag bei Frauen. Zur Ehrenrettung des Geschlechts: nicht bei allen. Aber bei fast allen Mitarbeiterinnen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Bei denen nimmt das Habeck-Anschmachten manchmal geradezu komische Züge an:

Doch beim inszenierten Robert ist alles nur noch überzeichnet. Bei Caren Miosga blitzt sein schelmisches Lächeln nicht zwischendurch mal nett auf, sondern es steht ihm geschlagene 45 Minuten lang ins Gesicht gemeißelt. Das wirkt nicht mehr sympathisch, sondern eher gruselig – etwa so wie ein misslungenes Gesichts-Lifting.

Das Internet macht sich schon lustig über die allzu offensichtlich einstudierte Mimik. Dieses sogenannte „Blue-Steel-Lächeln“ hat Robert obendrein wohl auch noch beim US-Schauspieler Ben Stiller geklaut:

— ανώνυμος (@earthsoulrocknr) November 22, 2024

Und nicht nur optisch ist die Diskrepanz zwischen der Kunstfigur Robert und dem echten Habeck augenfällig. Auch inhaltlich und politisch wird immer deutlicher sichtbar, dass da nichts zusammenpasst.

Während der freundliche Erklär-Bär Robert seine auswendig gelernten Sätze über Meinungsfreiheit, Demokratie und Zusammenhalt der Gesellschaft absondert, schickt der autoritär veranlagte Vizekanzler Habeck mithilfe willfähriger Richter morgens um sechs Uhr die Polizei für Hausdurchsuchungen zu Menschen, deren einziges Vergehen darin besteht, ihn im Internet als „Schwachkopf“ bezeichnet zu haben.

Die von den Grünen engagierte Agentur Jung von Matt hat vor einiger Zeit einen neuen Mitarbeiter engagiert. Sein Name: Claas Relotius. Das ist der Mann, der als Autor beim vermeintlichen Nachrichtenmagazin „Spiegel“ mehrere Jahre lang unbehelligt Geschichten schlicht erfinden durfte. Weil er für seine als Journalismus getarnten Fiction-Werke mehrere Journalistenpreise einheimste, schauten seine vorgesetzten Redakteure lange Zeit angestrengt weg.

Jetzt Jung von Matt. Die tarnen den echten Habeck als „Robert“. Eine Kunstfigur wird dem Volk als Kanzlerkandidat präsentiert. Der Schein besiegt das Sein.

Kommt daher der Begriff Schein-Demokratie?

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