Nachdem Gazprom den Gashahn für Österreich zugedreht hat, wird Erdgas aus Norwegen importiert – über Deutschland. Durch die Gasspeicherumlage kassiert Berlin dabei ordentlich ab. Von Richard Schmitt
Kein Erdgas mehr aus Russland für Österreichs Industrie, für Gas-Kraftwerke und für die zehntausenden Privathaushalte: Nach einem monatelangen Rechtsstreit drehte die russische Gazprom den Gashahn zu. Österreichs Bundesregierung will nicht von einer Krise sprechen, da noch für etwa drei Monate Erdgasvorräte in den Speichern vorhanden wären und weil nun auch aus Norwegen Erdgas in die Alpenrepublik gepumpt wird. Doch das ist viel teurer, und das Transitland Deutschland verdient per Gasspeicherumlage kräftig mit: eine Million Euro sind fällig – pro Tag.
Ab der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1957 sollte eigentlich klar sein, dass keine Nation in der EU Zölle vom Nachbarland abkassieren darf. Die Gasspeicherumlage ist da eine jetzt für Österreich sehr unangenehme und teure Ausnahme: Sie ist eine Abgabe, die von allen Verbrauchern bezahlt wird, um die Kosten für das Befüllen und den Betrieb von Gasspeichern in einem Land, wie etwa in Deutschland oder Österreich, zu finanzieren.
Bisher mussten die österreichischen Betriebe, Industrieunternehmen und die Energieversorger der Privathaushalte nichts an die deutsche Bundesregierung abliefern: Das in Österreich benötigte Erdgas kam bis Freitag der Vorwoche noch immer per Pipeline aus Russland. Durch den aktuellen Lieferstopp von russischem Erdgas entsteht nun jedoch ein Ausfall von 300.000 Megawattstunden (MWh) Gas pro Tag.
Ohne Gas-Lieferungen aus anderen Nationen hat Österreich noch etwa drei Monate lang Erdgas in den Vorratsspeichern, dann drohen dem Land wirtschaftliche und soziale Mega-Krisen: Die Stahlindustrie müsste den Betrieb zurückfahren oder sogar einstellen, die Massenkündigung von bis zu 30.000 Arbeitnehmern wäre die Folge. Die 17 großen Gas-Kraftwerke in Österreich müssten ihren Betrieb einstellen – damit fallen dann 30 Prozent der heimischen Stromproduktion sofort weg. Und zehntausende Privathaushalte, die noch mit Gas-Thermen heizen, hätten nur noch eiskalte Wohnungen. Die Teuerung aufgrund des dramatischen Anstiegs der Energiekosten würde dazu alle Österreicher hart treffen.
Zur Vermeidung oder zumindest Verzögerung des Eintreffens dieser Krisensituation importieren jetzt Österreichs Energieunternehmen Erdgas aus Norwegen, das durch die Pipeline über Deutschland in die österreichischen Gasspeicher fließt.
„Aber die deutschen Ampelparteien halten bisher an den Grenzübergabepunkten nach Österreich an der Gasspeicherumlage fest – ein klar europarechtswidriger De-Facto-Ausfuhrzoll, der die Diversifizierung von Gasimporten für Mitteleuropa künstlich um 2,5 Euro je Megawattstunde verteuert. Zwar wurde uns Österreichern ein Ende der deutschen Gasspeicherumlage an den Grenzübergabepunkten für den Jahreswechsel versprochen, was dieses vor Monaten abgegebene Versprechen angesichts des deutschen Ampelschiffbruchs jedoch noch wert ist, weiß derzeit niemand“, kritisiert der oberösterreichische FPÖ-Parteiobmann und stellvertretende Landeshauptmann Dr. Manfred Haimbuchner. Immerhin geht es um hohe Summen: So sind aktuell täglich eine Million Euro fällig, die im Endeffekt von Österreichs Verbrauchern bezahlt werden müssen.
Das heißt: Falls die Regierung in Berlin weiterhin diese Gasspeicherumlage abkassiert, werden die Österreicher in einem Jahr mehr als 365 Millionen Euro überweisen müssen – allein dafür, dass norwegisches Gas über Deutschland nach Österreich kommt.
Die Oppositionspartei FPÖ fordert deshalb vom Kanzler: „Karl Nehammer muss jetzt unverzüglich bei den Resten der deutschen Ampelregierung vorstellig werden und auf die Verabschiedung des angekündigten Aus für die Gasspeicherumlage pochen. Seine inhaltsleeren Durchhalteparolen im Zuge der Pressekonferenz am Freitagabend sind jedenfalls viel zu wenig.“
Richard Schmitt, Journalist, Wien
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„Auf der anderen Seite fließt auch immer noch russisches Gas – quer durch die Ukraine – durch Pipelines bis nach Österreich, die Slowakei, Ungarn und in benachbarte Länder. Österreich hatte noch 2018 einen Vertrag mit dem russischen Unternehmen Gazprom geschlossen, der bis 2040 läuft. Der teilstaatliche österreichische Energiekonzern OMV müsste das Gas auch dann bezahlen, wenn er es nicht mehr abnehmen würde. Die durch die Ukraine führenden Leitungen sind bislang von militärischen Schäden verschont geblieben, die Ukraine erfüllt ihren Vertrag mit Gazprom. Möglicherweise auch auf Wunsch der EU. Doch dieser Vertrag endet mit dem nächsten Jahreswechsel, und Präsident Selenskyj hat bereits… Mehr
„…und das Transitland Deutschland verdient per Gasspeicherumlage kräftig mit: eine Million Euro sind fällig – pro Tag.“
Hurra, seit wann verdient Deutschland denn zur Abwechslung mal am Elend anderer, normal ist das doch umgekehrt hahaha… zum Glück wird am Sonnteag in Österreich wieder gewählt 😉
Frage an die Ösis, wer hat die Pipelines durch Deutschland bezahlt. Wenn D jetzt was für die Durchleitung verlangt, ist das analog dem Pickerl, den der Deutsche für’s Befahren der österreichischen Autobahnen bezahlen muss.
Weiterhin ist zu bedenken, dass wir den Ösis Strom schenken, den sie uns für teures Geld wieder zurückverkaufen nach der Einlagerung in einen Pumpspeicher.
So kann’s gehen.
Eine Pipeline ist eine kommerzielle Einrichtung. Egal ob man Gas oder Öl durch die Röhre / die Pumpstationen befördert, es kostet. Wenn jetzt Österreich Gas aus Norwegen über deutsche Pipelines bezieht, dann kann das nicht gratis sein. Die Durchleitung von Gas wird wahrscheinlich in Kubikmetern berechnet.
Wer sich von „billigem“ russischem Gas vom „verläßlichen Lieferanten“ Gazprom abhängig macht ist selber schuld, auch wenn einige dabei persönlich kräftig abgesahnt haben (unter anderem auch bei der OMV).
Lektüre-Tipp: „Die Moskau-Connection“.
Die bösen Russen wieder, aber die Durchleitung durch die Ukraine (ja, die kassierten die ganze Zeit) stand wohl eh vorm Ende. Und wenn man seinen Lieferanten möglichst hart angeht (egal, ob nach gewonnenem Prozeß), dann wird der schon mal sauer und reagiert. Der „gute“ Kunde kann ja dann nochmal klagen.
Die Östreicher (OMV) haben von Gazprom 230 Mio. € erstritten (die sie erstmal bekommen müssen) und hat nun Mehrkosten von 350 Mio. € p.a. zu erwarten. Elegante und intelligente Lösung? Nun ja.
Hat Österreich nicht auch gut daran verdient, dass einer unserer Speicher in Östereich ist?
Verdient Österreich nicht auch gut daran, dass wir für unseren Stromüberschuss im Sonner an Österreich Geld zahlen, damit sie den Strom verbrauchen?
Ich denke, gerade in diesem Fall sollte man beide Seiten sehen. Und die Gasspeicherumlage ist kein Zoll, denn die Gasbezieher in Deutschland müssen sie auch bezahlen!
Natürlich muss man beide Seiten sehen. Man kann aber die Ösis nicht verantwortlich dafür machen, dass sie unseren überschüssigen Strom im Sommer überhaupt abnehmen. Sie müssten das nicht. Da muss man schon unsere durchgeknallten Politiker in Deutschland verantwortlich machen. Auch das gehört zur Wahrheit. Aber ja, nichts ist umsonst, bei der Maut kassieren die Ösis auch gut ab.
Keiner muss, aber wenn er tut, dann darf er auch nicht weinen.
stimmt, aber sie nehmen letzendlich den Strom auch nicht so ungern, können sie damit doch ihre Wasserkraftwerke füllen und nachts dann im Grunde Strom umsonst liefern.
Warum sollte es den Össis besser gehen als den Deutschen, die den Polen Transitgebühren zu entrichten gehabt hätten, wenn Russland weiter geliefert hätte und Nordstream 1+2 politisch nicht mehr genutzt worden wäre? NS deaktivieren und über Polen leiten war doch der Plan von Polen vor dem Krieg. Da waren sicher nur „Sicherheitsaspekte und die Besorgnis über die mögliche Schwächung der deutschen Wirtschaft“ die Basis der polnischen Forderung nach „kein Gas über die Ostsee“. Wer es glaubt…
https://www.welt.de/politik/deutschland/article253392152/Nord-Stream-Anschlag-Deutsche-Behoerden-werfen-Polen-Sabotage-bei-Ermittlungen-vor.html#Comments
Es gibt einen alten Spruch: „Wer mit dem Feuer spielt, kann leicht darin umkommen.“ Die Österreicher (über den halbstaatlichen Konzern OMV) haben fahrlässig versucht, die Russen zu provizieren, indem auf Basis eines nicht existierenden, sondern fiktiven Schadens von angeblich 230 Mio € die Russischen Rechnungen nicht mehr bezahlt wurden. Man wollte das Gas mit dem fiktiven Schaden verrechnen. Natürlich haben die Russen da den Gashahn zugedreht. Und nun jammern die Österreicher, dass Sie den doppelten Preis für’s norwegische Gas zahlen müssen (immerhin, wir Deutschen zahlen sogar den 4-Preis für LNG aus den USA!!) plus Durchleitungsgebühren (auch wenn Sie anders heißen)… Mehr
Also wären ohne diese Einnahmen unsere Energiepreise noch höher?
Aber Hauptsache Haltung zeigen und den EU-Faschismus vorantreiben, indem man die letzten vernünftigen Staaten verklagt und unschädlich machen will…
Nicht vergessen ab dem 1. Januar enden sowieso alle Lieferungen über die Ukraine, da diese den Transitvertrag nicht verlängert hat.
Offensichtlich agiert man in Österreich, Ungarn und der Slowakei (die hängen an diesen Lieferungen) nach dem Motto: „Ist ja noch Zeit“. Und bald ist Weihnachten.
Speziell bei Herrn Orban kann man nur sagen: ganz mieses Kharma.