Geert Wilders und Viktor Orbán auf dem Parteitag der „Patrioten für Europa“: Führungsstärke im Kulturkampf

Der Rechtskonservatismus in der EU wird selbstbewusster: Parteien, die in Deutschland gern mit negativ konnotierten Etiketten wie „rechtspopulistisch“ belegt werden, fordern eine politische Kehrtwende. Da kommt ihnen der Wahlsieg Donald Trumps gerade recht. Aufhorchen lassen die Worte Geert Wilders’. Er verwies auf die kulturelle Komponente der politischen Auseinandersetzung.

Screenprint via Twitter / @PatriotsEU

Am 16. November hielt die 2024 neu gegründete drittstärkste Fraktion des EU-Parlaments „Patrioten für Europa“ ihre erste Generalversammlung in Paris ab. Mit der aus Parteien des rechten Spektrums zusammengesetzten Fraktion stellt sich der Rechtskonservatismus in der EU mit gehörigem Selbstbewusstsein neu auf: Parteien, die in Deutschland in Ermangelung präziser Begriffe gern mit wenig objektiven und klar negativ konnotierten Etiketten wie „rechtspopulistisch“, wenn nicht gar „rechtsextrem“ belegt werden, fordern, getragen von der Unzufriedenheit vieler europäischer Wähler, eine politische Kehrtwende.

Da kommt ihnen der Wahlsieg Donald Trumps gerade recht, stellt dieser doch ein derart gewichtiges Momentum dar, dass es geradezu sträflich von Parteien im konservativen Spektrum wäre, dies ungenutzt verstreichen zu lassen. Wenig überraschend wies dementsprechend der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán in seiner Rede auf diesen Wahlsieg hin, und forderte Führungsstärke angesichts des Versagens der politischen Linken.

— Orbán Viktor (@PM_ViktorOrban) November 16, 2024

Hier eröffnet sich die Gelegenheit, das Stigma des „Populismus“ abzuschütteln: Trump hat bewiesen, dass „populistische“ Positionen – wie der Begriff an sich bereits signalisieren sollte – mehrheitsfähig sind. Die kategorische Brandmauerpolitik, Cancel Culture und eine anders geprägte politische Kultur mögen diese (noch) schweigende Mehrheit in Europa daran hindern, sich ähnlich effektiv durchzusetzen wie Trump∞ es ist allerdings fraglich, ob dieser Druck auf Dauer aufrechterhalten werden kann.

Parteien, deren Forderungen in Sachen Migration, Wirtschaft oder Souveränität der Mitgliedsstaaten gegenüber Brüssel also lediglich dem Wunsch vieler, wenn nicht der meisten EU-Bürger entsprechen, könnten den Vorwurf des Populismus nun positiv ummünzen: statt abgehobener Politik gegen das Volk Politik, die die Bürger ernst nimmt. Eine einmalige Gelegenheit, präsentieren sich die linken Machteliten in ihrer Realitätsverweigerung doch immer noch ungeniert in abgehobener Manier, und erweisen sich als zum Teil völlig losgelöst von den Anliegen und Sorgen der Bevölkerung.

Aufhorchen lassen auch die Worte Geert Wilders’. Er verwies auf die kulturelle Komponente der politischen Auseinandersetzung: „Wir müssen unsere Völker retten, unsere kulturelle Identität, die auf jüdisch-christlichen Werten beruht. Wir müssen uns gegen die linksliberale Politik der offenen Grenzen und gegen den woken Wahnsinn zur Wehr setzen. Und wir sind dabei, zu gewinnen. Das Volk will, dass wir gewinnen, und das werden wir. (…)“, so ein Ausschnitt aus seiner Rede, den der niederländische Politiker auf X veröffentlichte.

Wilders, der mit einer Ungarin jüdischer Herkunft verheiratet ist, und selbst mütterlicherseits indonesische Wurzeln hat, schlägt damit bemerkenswerte Töne an: Nicht nur belegen Biografien wie die seine, dass die pauschale Dämonisierung der Rechten als rassistisch, engstirnig und rückwärtsgewandt schlicht nicht haltbar ist; und der politische wie der mediale linksliberale Mainstream wäre gut beraten, auf diese Form der Vereinfachung zu verzichten, auch, um nicht jede argumentative Handhabe gegenüber tatsächlich ausländerfeindlichen und extremistischen Positionen zu verlieren.

Wilders zeigt auch, dass dieser Populismus so „volkstümlich“ gar nicht ist: Denn anders als für viele konkrete politische Forderungen kann Wilders, der selbst aus der katholischen Kirche ausgetreten ist, nicht voraussetzen, dass die Berufung auf ein jüdisch-christliches Wertefundament im weithin säkularisierten Europa ebenfalls mehrheitlich Zustimmung findet.

Offenbar haben einige Strömungen des Rechtskonservatismus erkannt, dass weder klassischer Liberalismus noch Wertekonservatismus ohne philosophisch-weltanschauliche Grundlage tragfähig sind. Sollte es sich hier also um mehr als nur eine praktische Floskel handeln, bleibt also abzuwarten, ob der Rekurs auf ein christliches Weltbild Wirkung entfaltet, und das auch in Gesellschaften hinein, die dieses bereits aufgegeben haben.

Dass im Rahmen der Neuaufstellung des europäischen Rechtskonservatismus an dieser Stelle ausgerechnet die Alternative für Deutschland außen vor bleibt, ist wenig überraschend: Nicht nur Auseinandersetzungen mit anderen europäischen Akteuren und zahlreiche Skandale mögen hier eine Rolle spielen, sondern durchaus auch ein mangelndes Bekenntnis zum von Wilders bemühten jüdisch-christlichen Weltbild: Immerhin spielen in der AfD auch rechtsextrem-völkische, und damit dem Christentum kritisch gegenüberstehende Kräfte durchaus eine Rolle.

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