Habecks Comeback auf X: Selbstverliebtheit pur

2019 verließ Robert Habeck Twitter, nachdem er harsche Kritik für herablassende Äußerungen hatte einstecken müssen. Nun ist er wieder da: und damit die Mischung aus Wehleidigkeit und Selbstverliebtheit, mit der er vor allem Spott generieren wird. Dass er über die Reife verfügt, ein hohes Amt zu bekleiden, darf angesichts dieses Comebacks bezweifelt werden.

Screenprint: X / Robert Habeck

Unter Musikern gibt es den Archetyp der „Diva“. Interessanterweise ist der Begriff in vielen Ländern anerkennend gemeint, im deutschsprachigen Raum aber ist er fast ausschließlich negativ konnotiert. Obwohl man damit vielen hart arbeitenden Sängern Unrecht tut, hält sich hier die Vorstellung, diese seien kompliziert im Umgang und schnell beleidigt, hartnäckig. Zum Wesen der Diva gehört dementsprechend, möglichst effektvoll abzurauschen, wenn etwas nicht so läuft, wie man das gern hätte.

Die wahren Diven finden sich allerdings kaum noch auf den Theaterbühnen. Sie bevölkern vor allem den polit-medialen Sektor; auch der ist ja kaum mehr als eine Form von Showbusiness. Besonders divenhaft haben sich hier in den letzten Jahren Vertreter jener Kreise verhalten, die man in Ermangelung einer treffenden Bezeichnung gern „links-grün“ nennt.

Denn während sich die Damen und Herren jener politischen Verortung gemeinhin als ausgesprochen tolerant und als Kämpfer für Pluralität und Freiheit betrachten, kommen sie mit Widerspruch nur genau so lange klar, bis dieser sich gegen die eigene Meinung richtet. Dann kennt man kein Pardon, gießt Hass und Hetze über den Gegner aus und macht ihn mit dem Vorwurf, „rechts“ zu sein, mundtot. Ansonsten wäre man ja heraus- und überfordert und müsste für seine eigene Position Argumente vorbringen!

Diese Taktik hat einwandfrei funktioniert, bis ein pragmatischer Visionär namens Elon Musk die Plattform Twitter kaufte und zu X umformte. Dahin war das Meinungsmonopol, das man im Zuckerbergschen Meta-Universum so ungetrübt genossen hatte, und in den althergebrachten Medien sowieso. Weg war die Zensur, die jede vom Klima-Covid-Migrationskonsens abweichende Meinung als moralisch minderwertig und indiskutabel klassifiziert und unsichtbar gemacht hatte.

Da blieb den besagten Diven nur noch der melodramatische Abgang: Reihenweise und in Wellen immer wieder vollzieht sich geräuschvoll der Abschied von X, formerly known as Twitter. Man wolle Hass und Hetze und Aggression adé sagen und stattdessen konstruktiv an der freien, demokratischen und pluralistischen Gesellschaft arbeiten.

Und regelmäßig kommen sie zurückgeschlichen, wenn sie feststellen, dass die Plattform nicht sie braucht, sondern umgekehrt: Sie müssen dort sein, wo man sich (weitgehend) unzensiert informieren kann, und sei es nur, um die eigenen Positionen publik machen zu können.

Folgerichtig hat sich nun auch Robert Habeck, Künstlerpersönlichkeit vom Typ „die bescheidene Diva“, die mit dem unschuldig-hilfesuchenden Augenaufschlag und dem sympathisch verwuschelten Haar, zurückgemeldet: Denn wer Wahlkampf betreiben und Kanzler werden will, kommt um Elon Musks Bühne nicht herum.

Nachdem er 2019 die Plattform (und auch Facebook) verlassen hatte, postete er nun ein Video, das aus einer elfsekündigen Kamerafahrt besteht, die auf ihn gerichtet ist, wie er selbstvergessen vor sich hin summend ein Manuskript bearbeitet. Sein Rückzug aus der Politik, die Konzentration auf seine Tätigkeit als Kinderbuchautor? Sollte man meinen, schließlich wäre es angemessen, dass ein Politiker, der sich in Zukunft und „von hier an anders“ für sein Land einsetzen möchte, in einer öffentlichen Verlautbarung auch über dieses Land und diese Verantwortung spräche. Stattdessen schließt Habeck eine neue Dimension der Selbstverliebtheit auf: ein klar erkenntlich gestelltes Video, in dem es um das geht, was ihm wirklich etwas bedeutet – um ihn selbst.

Und ein zweites Merkmal der Diva Habeck ist so tief verankert, dass er es nicht einmal um des sozialmedialen Erfolgs willen kaschieren kann: „Orte wie diesen den Schreihälsen und Populisten zu überlassen ist leicht. Aber es sich leicht zu machen kann nicht die Lösung sein. Nicht heute. Nicht in dieser Woche. Nicht in dieser Zeit. Deshalb bin ich wieder auf X.“, so schreibt der Grünenpolitiker. Wer sagt es ihm? Pathos ist kein Ersatz für die Übernahme von Verantwortung. Schuld sind immer die anderen. Die Schreihälse und Populisten. Er, der Mutige, stellt sich den Horden entgegen. Das ist so lächerlich, so narzisstisch, das offenbart eine derart eklatante Fehleinschätzung der Situation, dass man Habeck raten möchte, seine Präsenz in den sozialen Medien zu überdenken. Einen Gefallen tut er sich damit nicht.

Verlassen hatte Habeck die Social-Media-Plattform X, weil er in einem Video zum Thüringer Wahlkampf in atemberaubend herablassender Weise den Thüringern indirekt unterstellt hatte, undemokratisch zu sein. In Kolonialherrenmanier hatte er darin gefordert, den Wilden zwischen Eisenach und Gera dabei zu helfen, dass Thüringen „offenes, freies, liberales, demokratisches Land wird, ein ökologisches Land“.

Wer Social-Media-Videos produziert, weiß, wie das läuft: Man nimmt viele Male dasselbe auf, da man um der Illusion der Spontaneität willen auf Skript und Teleprompter verzichten muss. Und so verwirft man Version um Version. Dass die Verantwortlichen für die Publikation kein inhaltliches Problem darin sahen, dass Robert Habeck Thüringen nicht für demokratisch hält, ist daher vor allem ein Erweis der in der gesamten grünen Partei vorherrschenden Verachtung und des moralischen Überlegenheitsgefühls gegenüber allen Positionen, die nicht grüner Ideologie entsprechen. Die Letztverantwortung liegt freilich dennoch bei Habeck selbst.

Der zeigte sich nach harscher Kritik zerknirscht, aber eben nur scheinbar: Als „einfach bekloppt“ bezeichnete er die blamable Aktion, er verstehe selbst nicht, wie er „solchen Stuss laber[n]“ könne: Da sind wir doch versöhnt, wenn sich ein so hoher Politiker als so wenig abgehoben erweist, dass er sich selbst in aller Öffentlichkeit als Dummkopf bezeichnet. Keine schlechte Strategie.

Aber dann fällt ihm eben doch noch ein, wer der eigentliche Übeltäter sein könnte: Er könne sich das nur so erklären, dass er gewusst habe, dass das Video für Twitter gemacht würde, und so habe er eben schon die „Aggression und den rauen Ton auf Twitter“ im Kopf gehabt. Wie man es dreht und wendet: Verantwortungsübernahme? Fehlanzeige. Der Kanzlerkandidat in spe wäre laut eigener Aussage fremdgesteuert, sein Verhalten hinge nicht von seinem moralischen Kompass ab, sondern von der Atmosphäre – Mitläufer nennt man Menschen mit dieser charakterlichen Disposition. Geradezu ehrenrettend also, dass diese Ausführungen nicht glaubwürdig sind.

Die wahrheitsgemäße Erklärung ist allerdings kaum besser: Reflexhaft sabotiert Habeck seine eigene Krisenkommunikation, indem er Verantwortung für eigene Fehler auf andere abschiebt. Diese Infantilität zieht sich durch seine öffentliche Aussagen, insbesondere dann, wenn er sich als der Nahbare, der Verletzliche, der Nichtperfekte inszeniert. Dabei ist diese publikumswirksame Inszenierung, um statt über Inhalte über Sympathie punkten zu können, Populismus pur.

Bloß eben zur Unzeit: Mehr als Häme wird er damit kaum generieren, da seine Selbstverliebtheit zielsicher einreißt, was er aufbauen will. Die tatsächliche Stimmung im Volk oder auf X bekommt Habeck gar nicht mit, weil er sie nicht von seiner eigenen unterscheiden kann.

Bearbeitet Habeck in seinem Debüt-Video auf X das Manuskript der Rede, mit der er seine Kanzlerkandidatur verkünden will, oder das eines Kinderbuchs? Man weiß es nicht genau. Aber solange er auf Twitter wie ein Egomane agiert, kann er zumindest nicht seine ganze Kraft dafür einsetzen, in einer der beiden Professionen maximalen Schaden anzurichten.

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Kommentare ( 34 )

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Siggi
1 Stunde her

Und so einer denkt, er wird Kanzler. Scholz glaubt ja auch immer noch an das Wunder. Der kann froh sein, wenn er nach wenn Wahlen nicht gleich inhaftiert wird.

Biskaborn
1 Stunde her

Sein Parteifreund und viele andere seiner Gesinnungsgenossen wollen am liebsten X sofort verbieten, weil zuviel Meinungsfreiheit. Jetzt will er dort, wo Hass und Hetze herrschen, zumeist von Grün und Rot wie mal leicht feststellen kann, will er dahin zurückkehren. Was sind das für Leute, die jeglichen, nicht nur politischen, Kompass verloren haben. So etwas ist tatsächlich noch Wirtschaftsminister!

Der-Michel
2 Stunden her

Viel interessanter finde ich die Frage wie sich die ÖR – Propagandamedien im kommenden Wahlkampf verhalten. Wir haben dann voraussichtlich vier Kanzlerkandidate, Merz, Frau Dr. Weidel, Scholz, Habeck. In der Reihung, nach Umfrageergebnissen, bin ich mir bei Scholz und Habeck noch nicht sicher. Aber wie will man dann die Teilnahme von ein oder sogar zwei Kandidaten mit Wahlvorhersagen von kleiner 10 % rechtfertigen? Und bei Wagenknecht bin ich mir ob einer Kandidatur auch noch nicht sicher.

Kassandra
2 Stunden her

Ich stelle mir schon die ganze Zeit vor, was er alles getweetet hätte, als er damals in Schlüttsiel wieder Richtung offene See zu kreuzen beliebte.
Eigentlich schade, dass er seine twitternutzung damals schon unterbrochen hatte.

Hieronymus Bosch
2 Stunden her

Habeck ist der neue Kanzlerkandidat der Grünen! Das Entsetzen hat jetzt einen konkreten Namne!

Aliena
3 Stunden her

Er rechnet sich ja offensichtlich Chancen aus, Kanzler werden zu können. Heute Morgen erfuhr ich von einem Nachbarn, der gern LANZ schaut, dass HABECK wohl gestern Abend zur Wirtschaft einige ihn überzeugende Statements gemacht habe. Auch würde er (HABECK) meinen, dass alle nun zusammenhalten müssten, also nicht Partei-ideologisch vorgehen, sondern die Männer und Frauen aus allen Parteien in konzertierter Aktion helfen sollen, die deutsche Wirtschaft wieder auf die Füße zu stellen. Er, HABECK, habe sich riesig angestrengt, im ersten Jahr der Energieschwäche dafür zu sorgen, Energie aus anderen Ländern zu garantieren, damit kein Energieausfall passiert. Und er sei in allen… Mehr

imapact
3 Stunden her

Niemand ist wehleidiger und von krasserer Doppelmoral als die Grünen. Wenn AfD-Angehörige physich angegangen oder übelst beschimpft werden, kommt ein hämisches „Mimimi“ oder „… kann sich die AfD mal wieder als Opfer gerieren“, bei nur leichtem Gegenwind verfallen sie in lautstarke Larmoyanz. Grünenfans bejammern regelmäßig, die „Medien/Springerpresse“ sei für die schlechten Umfragewerte der Partei zuständig und ignorieren dabei völlig, daß der gesamte ÖRR sowie die sog. „Leitmedien“ sich als verlängerter Arm der Grünenpropaganda verstehen.
Wie verpeilt muß man eigentlich sein, um als Vertreter ein 10%-Partei, mit Abstand von 20 Prozentpunkten zur stärksten Partei, ernsthaft als Kanzlerkandidat aufzutreten?

Kampfkater1969
3 Stunden her

Dass die Verantwortlichen für die Publikation kein inhaltliches Problem darin sahen, dass Robert Habeck Thüringen nicht für demokratisch hält, ist daher vor allem ein Erweis der in der gesamten grünen Partei vorherrschenden Verachtung und des moralischen Überlegenheitsgefühls gegenüber allen Positionen, die nicht grüner Ideologie entsprechen. Die Letztverantwortung liegt freilich dennoch bei Habeck selbst.

Das ist im Kern die Arroganz der Pharisäer, der Erwachten.

Rainer Unsinn
3 Stunden her

Ein Detail fiel dem Team um NIUS auf- Sie entdeckten auf dem Armband bei Habeck ein Schriftzug: „Kanzler Era“ und auf dem Kalender im Hintergrund eingekreist das heutige Datum. Zufälle gibt’s….

Last edited 3 Stunden her by Rainer Unsinn
Melly
3 Stunden her

Es ist an Jämmerlichkeit von einem angeblichen Superministe kaum zu toppen. Daraus spricht nur die Machtgeilheit dieser Truppe. Der Gedanke bald nichts mehr zu bestimmen wird ihn sicher in eine Depression stürzen und alle werden weinen..vor allem meine Heizung