Kleingeist ganz groß: Junge Union darf Grönemeyer-Song nicht verwenden

Die Junge Union verwendet einen Grönemeyer-Song, um Friedrich Merz zu begrüßen. Der Künstler ist alles andere als erfreut und verbietet fortan die Verwendung: Lächerlich, kleingeistig und borniert – so sieht echte "Toleranz" aus.

picture alliance / dts-Agentur | -

Dass Punk tot ist, wissen wir: Wir haben den qualvollen Sterbeprozess peinlich berührt beobachtet, als wir zusahen, wie sich die Toten Hosen in bürgerlich-spießige Piefkes verwandelten, die sich mit Politikern ablichten lassen, statt sie zu kritisieren. Während sie jede Originalität unter einer dicken Schicht politischer Korrektheit ersticken ließen, entdeckte stattdessen Heino die Lust an der Provokation. „Punk ist nicht tot, er findet halt jetzt im Bierzelt statt“, könnte man frei nach Robert Habeck sagen.

Auch in anderen Genres ist Kleingeistigkeit eingekehrt: Nun zeigt sich Herbert Grönemeyer ungehalten darüber, dass die Junge Union Friedrich Merz zu einem seiner Songs, „Zeit, dass sich was dreht“, einlaufen ließ, während sie ihn als künftigen Kanzler begrüßten.

Einerseits kann man die Frage stellen, wie es um den Geschmack der für die Musikauswahl Verantwortlichen bestellt ist, wenn sie Grönemeyers raues Bellen als emotionalen roten Teppich für Merz auswählen.

Die entscheidendere Frage ist allerdings, was in Grönemeyer gefahren ist. Immer wieder geriert sich der Sänger als Kämpfer für Weltoffenheit und Toleranz, für „Freiheit“ und so weiter. Toleranz, die offensichtlich nicht einmal die CDU und ihre politischen Positionen zu umfassen vermag. Ein peinlicheres Eingeständnis der eigenen Phrasendrescherei und Heuchelei kann es kaum geben.

Wertschätzung für die demokratische Vielfalt unserer pluralen Gesellschaft – das gibt es nur auf dem Papier und vielleicht in Liedtexten. Wenn es an die praktische Umsetzung geht, regiert eine Mentalität, die die geistige Weite eines Nachbarn ausstrahlt, der einen erbarmungslosen Kleinkrieg inklusive Klagewelle vom Zaun bricht, weil vom Baum auf dem Nachbargrundstück Laub in seinem eigenen Garten landet.

Warum freut sich der Künstler nicht darüber, dass Junge Unionler die Musik nicht danach auswählen, dass der Künstler ihre Meinung vertritt, sondern offensichtlich zu Musik greifen, die ihnen gefällt? Wäre es nicht im Sinne einer lebendigen Demokratie, dass man dem politischen Gegner gerade auf solch einer banalen Ebene zuerst als Mensch begegnet, anstatt sich feindselig abzugrenzen?

Und mehr noch: Grönemeyer könnte dankbar und froh erkennen, dass auch eine jüngere Generation noch eine Botschaft in seinem künstlerischen Wirken entdeckt, seine Musik für relevant hält, statt die Verwendung seines Liedes durch die unverschämterweise politisch nicht linken jungen Leute zu verbieten. Schließlich ist für einen Künstler gewöhnlich mit das Allerwichtigste, dass sein Schaffen gewürdigt und wertgeschätzt wird.

Hier offenbart Grönemeyer denn auch eine überraschende Selbstlosigkeit: Dass einer letztlich auf ein Podium, eine Bühne verzichtet, und sogar das eigene Ego dem ideologischen Tunnelblick unterordnet. Sapperlot, das kommt im Showbusiness wahrlich nicht alle Tage vor.

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Kommentare ( 58 )

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Brotfresser
10 Stunden her

Neill Young, Michelle und Herbie Grönemeyer sind die Sänger, von denen ich sagen würde, dass sie nicht WEGEN, sondern TROTZ ihrer Stimmen erfolgreich waren (meinethalben auch noch sind…). Aber Herbie ist natürlich der Unsympath schlechthin, seit er aus steuerlichen Gründen im Ausland weilt und uns bei seinen Besuchen hier unsere Gesellschaftsform diktieren will. Führend unter den überschätzten Künstlern der Weltgeschichte, würde ich sagen! Ach, und noch etwas: Wenn die CDU ihre GEMA bezahlt hat für diese Aufführung, kann Herbie Grönemeyer dann überhaupt was dagegen machen??? Wenn ich öffentlich Musik spiele, die der GEMA unterliegt, muss ich GEMA zahlen, klar! Aber:… Mehr

Last edited 10 Stunden her by Brotfresser
Werner Geiselhart
10 Stunden her

Zeigt natürlich auch, milde ausgedrückt, die Unbedarftheit der Jungunionisten, dieser grünen, grölenden Haltungsmaschine die Referenz zu erweisen.
Normalerweise kann ich eine gute Musik von den politischen Ansichten ihres Schöpfers trennen, bei Grölemeyer wars bei mir mit seinem Wiener Auftritt gegen Räächts in Reichsparteitagsmanier endgültig Schluß.
Und vermutlich wird die CDU diesem arroganten Typen noch um Verzeihung bittend hinterherhecheln, Stichwort fehlendes Rückgrat.

Or
10 Stunden her

Mal ehrlich. Wer wählt denn Musik von‘nem Künstler aus, der steht’s singt und klingt, als weilte er auf den stillen Örtchen, schwer unter Obstipation leidend.

Will Hunting
10 Stunden her

TicTacToe hätte auch gut gepasst. „Ich find dich scheisse“. :)))

GP
11 Stunden her

Nichts für Grönemeyer-Fans oder zarte Gemüter….
Hagen Rether parodiert Grönemeyer
https://youtu.be/borexskr_E8

Tueftele
11 Stunden her

Na dann! Der Herbert hat bei mir ab sofort ein akustisches Hausverbot!

flo
10 Stunden her
Antworten an  Tueftele

Bei mir schon lange. Wobei mir das Herz blutet. „Bochum“ war einfach zu schön. Na ja, das war in den 1980ern.

Endlich Frei
11 Stunden her

So einen Tag vor der Trump-Wiederwahl war der Herbert vermutlich schlecht gelaunt.
Was mich viel mehr interessiert ist die Frage, wieviele Klagen von H. Grölemeyer schon bei Ingo Appelt, der sich auf die Kunstfreiheit beziehen kann, eingetroffen sind. Der Komiker benutzt ja nicht nur ein Lied, sondern doublet ihn ja regelrecht. Wenn auch oft nur ganz kurz, so doch sehr erschöpfend 😉

Last edited 11 Stunden her by Endlich Frei
Mankovsky
11 Stunden her

,,Kinder an die Macht“ ist bereits in Form der Ampel auf Wunsch des stramm auf Linie befindlichen Grölemayers realisiert, also hat er naturgemäß kein Interesse an der ,,Zeit, dass sich was dreht „.

taliscas
11 Stunden her

Ich weiß ja nicht, ob der große Rio Reiser heute auch im Pinguinkostüm beim Präsidentendarsteller auftreten würde, aber eingedenk seines großartigen „Alles Lüge“ kann ich es dann aber doch nicht recht.

Leroy
11 Stunden her
Antworten an  taliscas

Rio Reiser??!!! Der hat sich sogar Claudia Roth als „Managerin“ geholt, so blöd war der. Das ist nun wirklich kein gutes Beispiel.

Raul Gutmann
11 Stunden her

Herr Grönemeyer offenbarte am 12. September 2019 seine totalitäre Geisteshaltung laut und überdeutlich:
„… dann liegt es an uns, zu diktieren, wie eine Gesellschaft auszusehen hat …“ .
Ein solches Zeugnis der Intoleranz in der ehemaligen Hauptstadt der Habsburger Monarchie, des bislang einzigen funktionierenden Vielvölkerstaats unter der wohlwollenden Gnade Seiner Majestät Franz Joseph, mit gegenteiliger moralischer Großmannssucht in den Äther zu brüllen, dürfte unter den Göttern der Zeit wahlweise nachhaltiges Amüssement oder Verdammnis hervorrufen.

Last edited 11 Stunden her by Raul Gutmann