Das größte Problem der Ampel ist der Kanzler

Die Ministerriege der Ampel kennt viele Problemfälle. Trotzdem ist Kanzler Olaf Scholz das größte Problem - angesichts der wirtschaftlichen Lage Deutschlands wird seine Überforderung gefährlich.

picture alliance/dpa | Christoph Soeder

Politische Schlagworte haben eine höchst unterschiedliche Haltwertzeit. Unter dem Begriff „Soziale Marktwirtschaft“ versammelte Wirtschaftsminister Ludwig Erhard (CDU) in den 50er Jahren die Deutschen hinter dem neuen System. Gut 70er Jahre später klingt „Soziale Marktwirtschaft immer noch gut und ist vielen noch ein Begriff. Nur sieben Tage danach haben selbst politische Beobachter vergessen, was „Wirtschaftsminister“ Robert Habeck (Grüne) mit dem Deutschlandfonds oder der Investitionsprämie gemeint hat.

Wie würde sich die Investitionsprämie auf die deutsche Wirtschaft auswirken, will etwa ein Journalist von Martin Wansleben wissen. Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer schaut irritiert. Na Habecks Idee, der Staat gebe zehn Prozent auf alles außer auf Tiernahrung, hilft ihm der Journalist auf die Sprünge. Das sei nur ein Adler am Horizont, antwortet Wansleben. Lass mich mit dem Mist in Ruhe, hätte er wohl abends beim Bierchen gesagt. Doch der Adler am Horizont ist zitierfähig.

Bis zu 500 Milliarden Euro an staatlichen Zuschüssen hat der zuständige Minister in einer Pressekonferenz versprochen. Eigentlich eine Mega-Schlagzeile. Doch schon am gleichen Tag wanderte diese Geschichte im Nachrichten-Angebot der staatlichen und staatsnahen Medien rasch nach unten oder hinten. Nie würden deren Journalisten die Politik eines Grünen in Frage stellen – damit würden sie schließlich sich selbst in Frage stellen. Wenn staatliche und staatsnahe Journalisten gar nichts mehr Gutes über die Politik von SPD und Grünen sagen können, dann nuscheln sie die Themen halt weg. In diesen Tagen müssen sie viel nuscheln. Über Iran, Israel, USA oder Georgien erfährt zum Beispiel der Hörer des Deutschlandfunks derzeit mehr als über Deutschland.

Die beiden „Wirtschaftsgipfel“ von Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Kanzler Olaf Scholz (SPD) brachten anfangs noch große Schlagzeilen. Doch schon im Laufe des Dienstags wanderten sie rasch nach unten oder hinten. Lindners Gipfel war so belanglos und enttäuschend, dass manche Vertreter der Wirtschaft nicht mal bis zur anschließenden Pressekonferenz geblieben sind. Olaf Scholz‘ Ergebnis war noch belangloser.

Der „Industriegipfel“ des Kanzlers beschloss einen „Pakt für die Industrie“. Ein Arbeitskreis hat also einen Arbeitskreis beschlossen. Das ist das Simulieren von Politik. Im Staatsfernsehen gibt es zwar keine regierungskritische Satire mehr zu sehen – doch Olaf Scholz füllt diese Lücke mehr als ausreichend. Noch eine Kostprobe vom humoristischen Talent des Sozialdemokraten? Der Pakt für die Industrie werde „sehr konkrete Maßnahmen“ bringen. Eine Idee ist abstrakt, ein Stück Holz ist konkret. Wann ein Stück Holz „sehr konkret“ wird, kann nur beurteilen, wer die Welt aus den Augen des Kanzlers sieht.

Mit den Wirtschaftsgipfeln zeigt sich, dass der Kanzler das größte Problem dieser Regierung ist. Das bedeutet nicht wenig angesichts einer Konkurrenz von Nancy Faeser, Marco Buschmann, Robert Habeck, Annalena Baerbock, Karl Lauterbach… Doch die Wirtschaft ist das größte Problem Deutschlands. Schwindet der Wohlstand im Land, wird es auch in allen anderen Bereichen des Zusammenlebens hässlich. Und mit Scholz als Kanzler ist keine Besserung in Sicht. Aus mehreren Gründen.

Zum einen wegen seiner Führungsschwäche. Habeck geht ohne jede Absprache an die Presse und verspricht ohne jede Absprache Staatsausgaben von bis zu 500 Milliarden Euro. Scholz lässt sich das gefallen. Der Kanzler lädt zu einem Spitzentreffen mit der Wirtschaft, sein Finanzminister veranstaltet einen Parallel-Gipfel. Und Scholz lässt sich das gefallen. Vor der Sommerpause 2023 hat der Kanzler der Bundespressekonferenz offen gesagt, dass es nicht sein Stil sei, seine Minister einzuschränken. In der Wirtschaftskrise wirkt sich dieser Stil fatal aus.
Doch sind zwar Lindner und Habeck ausgeschert. Aber ihnen ist zugute zu halten, dass ihnen bei diesem uneinsichtigen Kanzler nichts anderes übrigbleibt. Bereits im Frühjahr haben die beiden Minister auf die Gefahren hingewiesen, denen die deutsche Wirtschaft ausgesetzt ist. Ihr Regierungschef wollte davon nichts wissen, meinte, der Wirtschaft gehe es gut und alles andere sei Miesmacherei. Olaf Scholz ist in Sachen politischer Verantwortung so kurzsichtig, dass er den Bus erst sieht, wenn der ihn zum dritten Mal überfahren hat.

Zum anderen spricht gegen den Kanzler das Wirtschaftsverständnis des Sozialdemokraten. Scholz ist der Anti-Erhard. Soziale Marktwirtschaft führt er als Wort nur im Mund, weil es nach Erfolg klingt. Doch in Wirklichkeit steuert Deutschland unter Scholz auf Planwirtschaft zu. Wenn es unter ihm tatsächlich „sehr konkrete“ Maßnahmen geben wird, dann werden das staatliche Subventionen sein, die daran gekoppelt sein werden, dass die Staatsvertreter mit den daraus folgenden Investitionen einverstanden sind.

Außerdem hat Scholz nur – wie einst die Führung der DDR – die Hochindustrie im Blick. Den Mittelstand hat der Kanzler zu seinem Gipfel nicht eingeladen. Deutlicher könnte er seine Ignoranz gegenüber dem Teil der Wirtschaft nicht ausdrücken, der den deutschen Wohlstand im Wesentlichen erwirtschaftet. Die ganze Politik der Ampel war von dieser Ignoranz geprägt: Die vielen Auflagen und Berichtspflichten in ihren Gesetzen hat die Bürokratie aufgebläht, das trifft kleinere Unternehmen härter als größere, die dafür eigens Personal abstellen können. Die Investitionen des Bundes gingen in einzelne Großprojekte. Dass die berühmtesten in Magdeburg und bei Saarlouis bereits im Vorfeld gescheitert sind, zeigt nur, wie kurzsichtig Scholz in seiner politischen Verantwortung ist.

Den Mittelstand hat Scholz bei seinem Gipfel ausgespart. Die Gewerkschaften waren da. Warum? Was sollen sie fordern? Mehr Geld. Das ist auch ok. Aus Sicht der Gewerkschaften. Mehr Geld zu fordern ist ihr Job. Doch geht es um höhere Löhne, ist das ein Fall für die Tarifverhandlungen und nicht für irgendeinen Arbeitskreis, welchen Namen der auch immer vom PR-Team Scholz‘ erhält. Also bleibt den Gewerkschaften die Aufgabe, einen höheren Mindestlohn zu fordern. Eine Forderung, mit der Scholz und sein Arbeitsminister Hubertus Heil bereits Wahlkampf für die SPD machen. Also sind weder der „Industriegipfel“ noch der „Pakt für die Industrie“ die Suche nach politischen Inhalten. Sie sind das Simulieren von Politik. PR.

Scholz und sein Team versuchen ebenfalls politische Begriffe zu prägen. Doch wie im Fall von Robert Habeck ist auch hier die Haltwertzeit kurz. Ganz am Anfang wollte der Kanzler für „Respekt“ stehen, dann rief er die „Zeitenwende“ aus oder sprach vom „Unterhaken“ und versucht es sogar mit englische Fußballlyrik: „You‘ ll never walk alone“. Doch Scholz‘ Regierung steht für eine Innenpolitik, die ihre bürgerliche Mitte als anschlussfähig für Rechtsextremismus diskreditiert. Mit deren Verantwortlichen wollen sich die Bürger nicht unterhaken und dann doch lieber allein gehen.

Wenn die Ampel aber nur Pech mit ihren Schlagwörtern hätte, wäre die Welt in Ordnung. Staatliche oder staatsnahe Journalisten würden es schon schönreden. Doch die inhaltliche Bilanz der Bundesregierung ist so verheerend, dass nicht mal mehr wohlgeneigte Medien darüber reden wollen – und sie letztlich wegmuss. Allein schon, weil bereits ihr Haupt das eigentliche Problem ist: Olaf Scholz.

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Kommentare ( 33 )

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Haba Orwell
2 Stunden her

> Aus Sicht der Gewerkschaften. Mehr Geld zu fordern ist ihr Job.

In Buntschland haben die bisher mehr Klimagemurkse-Kosten gefordert, was für Gehälter weniger Kohle übrig lässt. Dennoch könnte Merz noch übler werden, mit BlackRock-Kriegen gegen jedes Land, welches die Investments des Ladens gefährdet. Nicht, dass Merz beim Klima-Suizid besser wäre – gleich hat er einen von der „Klima-Union“ in den engsten Beraterkreis geholt.

Freigeistiger
3 Stunden her

Scholz überfordert? Dieser Kanzler ist keineswegs dumm und unfähig, daher stellt sich die Frage, warum er eine solch destruktive, unverantwortliche Politik betreibt. Egal ob Klima-, Energie-, Wirtschafts- oder Migrationspolitik, alles zielt jenseits der Propaganda objektiv auf sozio-ökonomische Zerstörung.

Er hat wohl kaum Schumpeters „schöpferische Zerstörung“ falsch verstanden, man könnte eher meinen, daß er einen (Transformations-) Auftrag hat und diesen erfüllt. Wer davon profitiert, wenn die Wirtschaftsnation Deutschland niedergeht, ist bekannt.

Last edited 3 Stunden her by Freigeistiger
abel
3 Stunden her

Meiner Meinung nach wollte Scholz nie Kanzler werden. Er kennt seine Defizite ganz genau. Leider hat Er nicht auf sein Inneres gehört. Scholz funktioniert nur wenn Er loyale Mitstreiter hat denen Er blind vertrauen kann. Mit den Grünen und der Wendehals-FDP bestand da nie eine echte Chance. Hinzu kommt noch das in den Altparteien nur noch Berufspolitiker mit zweifelhaften schulischem Werdegang vorzufinden sind, von beruflichem Werdegang außer vielleicht in einer Behörde gearbeitet zu haben ist da nichts aufzuweisen.

AnSi
3 Stunden her

Wer ist denn Olaf Scholz? Habe ich gerade vergessen 😉 Der Zwerg kann nichts und damit steht er in einer Reihe mit allen seinen Koalitions- und Parteigenossen.

Peter Steinbacher
3 Stunden her

Was ich nicht verstehe: wie kann man von diesem Mann, „von Hause aus Jurist“, aber in allererster Linie EsPeDe-Apparatschik, irgendetwas (anderes) erwarten? Dem Scholzomaten geht es ausschließlich darum, „besonnen“ zu erscheinen, und ansonsten sein großes Vorbild, die große Madame Mim, äh, Merkel, abzukupfern (natürlich nur den Habitus, nicht den Hosenanzug). So weit, so vorhersehbar, die übergroße Zahl der Wahlberechtigten findet das knorke, so einen ruhigen, sachlichen Sachwalter und Lenker. Spannend wird es erst, wenn die Mehrheit (auch die fidelen Omas gegen Rächz) merkt, dass Meister Olaf das Land schön ruhig in den Niedergang lenkt und sachwaltet. Ob das aber passiert,… Mehr

Reinhard Schroeter
3 Stunden her

Ein Mann mit allerschwersten charakterlichen Defiziten.
Seine Rolle im größten Finanzskandal der Bundesrepublik seit ihrem Bestehen, an die er sich nicht erinnern mag, machen ihn zum Spielball anderer, nämlich derer, die sich daran ganz genau erinnern können.
In seiner Verderbtheit scheut er nicht einmal vor offensichtlichen Lügen zurück und ist ganz in seinem Element, wenn er andere öffentlich bloßstellen und vorführen kann.

Leroy
3 Stunden her

Inzwischen weiß ich warum sich die Parteifreunde bei der Wahl zum Parteivorsitz für die sympathische Saskia Esken und gegen Scholz entschieden haben.

Raul Gutmann
3 Stunden her

Gegen den Titel, in oppositionellen Kreisen verbreiteten Glauben…

Das größte Problem der Ampel ist der Kanzler

… sei Einspruch erhoben.
Zu Recht wurde Altbundespräs. Gauck für sein Diktum gescholten,

Die Eliten seinen nicht das Problem, die Bevölkerungen seinen … das Problem…

Dies trifft dies leider zu, wenn auch reziprok in dem von ihm angedachten Sinn.
Wenn statt der jüngsten politischer Umfrage die Mehrheit der Wähler sich für DIE Partei entscheiden würden, die ihnen den persönlich wie gesellschaftlich größten Nutzen brächten, wäre der gegenwärtige Weg in den Untergang schnell zu Ende.
Demokratie ist, den Menschen ihren Untergang als erstrebenswert zu verkaufen.

Last edited 3 Stunden her by Raul Gutmann
Europafriend
3 Stunden her

„Das sei nur ein Adler am Horizont“ … Hä ? Doch wohl eher ein Pleitegeier am Horizont: Das ist „sehr konkret“ und natürlich auch „alternativlos“. Die Raute konnte allerdings Frau Dr. M. besser als Herr S..

BellaCiao
3 Stunden her

Lindners Gipfel war so belanglos und enttäuschend, dass manche Vertreter der Wirtschaft nicht mal bis zur anschließenden Pressekonferenz geblieben sind. Olaf Scholz‘ Ergebnis war noch belangloser. Scholz ist als Kanzler insgesamt völlig belanglos, er fühlt sich aber auch noch wohl dabei. Das heißt, er bemerkt gar nicht, was von ihm eigentlich erwartet wird.  Die Ampel ist ein schlimmes Kabinett, mit vielen fürchterlich schlechten Ministern. Aber Scholz lässt alle diese Minister nach Belieben schalten und walten. Darum ist er wirklich das allergrößte Problem der Ampel. Und von Amts wegen trägt er eben die Verantwortung für die ganze Regierung. Wenn ich in… Mehr

Last edited 3 Stunden her by BellaCiao