Alles Kürbis oder was?

Jeden Herbst erfasst der Kürbishype das Land - das einstige Allerweltsgemüse ist zum Küchenstar avanciert. Nicht immer zu Recht. Von Georg Etscheit

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Was der Bärlauch im Frühling, ist der Kürbis im Herbst. Gerade sieht man sie wieder an den Straßenrändern, große Haufen von Kürbissen aller Formen, Farben und Schattierungen, die geschäftstüchtige Landwirte oder Händler abwerfen oder auf hölzerne Stellagen schichten, wo man sich gegen einen kleinen Obolus selbst bedienen kann.

Der Kürbis-Hype hat das Land seit einigen Jahren fest im Griff. Kaum ein Restaurant, das im Herbst und Winter nicht wenigstens ein Kürbisgericht auf der Speisekarte führt, meist die beliebte Kürbissuppe. Natürlich gibt es Kürbiskochbücher zuhauf und im Fernsehen erklären Experten, Köche und Hobbyzüchter, was man mit den gelben, roten oder grünen Kugeln alles anstellen kann.

Kürbis wurde vom spießigen Allerweltsgemüse, das ehrgeizige Kleingärtner züchteten, um es mit einem Monsterexemplar ins Guinness-Buch der Rekorde zu schaffen, zum trendigen Symbol neuer Einfachheit in der Küche und Wiederentdeckung der Wintergemüse, die auch ohne Kühlung längere Zeit haltbar und damit – klimafreundlich – sind. Selbst bei Zimmertemperatur kann man Butternut- oder Hokkaido-Kürbisse locker mehrere Monate aufbewahren, ohne dass sie Schaden leiden. Angeschnitten sollte man sie allerdings im Kühlschrank aufbewahren und innerhalb weniger Tage verarbeiten, weil sie sonst wahlweise matschig oder trocken werden.

Ursprünglich stammt der Kürbis aus Mittel- und Südamerika und wurde von den spanischen und portugiesischen Entdeckern nach Europa gebracht, wo die genügsame Pflanze schnell eine neue Heimat fand, oft auf einem Misthaufen, was seinem Ruf nicht gerade zuträglich war. Es gibt hunderte von Sorten, von denen aber hierzulande eigentlich nur drei in der Kulinarik eine wahrnehmbare Rolle spielen: Butternut-, Hokkaido und Muscatkürbis.

Der größte dieses Trios ist der Muscatkürbis. Er wiegt zwischen fünf und dreißig Kilogramm, wird in dicken Scheiben verkauft und gilt als der aromatischste. Seine harte Schale ist tief eingekerbt und, je nach Reifegrad, dunkelgrün bis orange. Wie der Muscatkürbis gehört auch der Butternut zu den Moschuskürbissen. Er hat jedoch eine ganze andere, längliche Form, wiegt maximal zwei Kilogramm und verfügt über eine glatte, hellorange Schale. Ebenso „handlich“ wie der Butternut ist der Hokkaido mit seiner intensiven, orangeroten Schale. Er wiegt zwischen 0,5 und 1,5 Kilogramm.

Die besonders hübsch anzusehenden, oft bizarr geformten Minikürbisse sind meist ungenießbar und können sogar giftig sein. Sie dienen vor allem als Dekoware. Viele Menschen drappieren sie sorgfältig mit in China zusammen gestoppelten Strohgebinden und anderen Baumarkt-Mitbringseln im Garten oder am Eingang ihres Eigenheims, so wie es in Wohlfühlmagazinen wie „Landlust“ vorgeführt wird. Für Halloween gibt es speziell gezüchtete Halloween-Kürbisse, die aber noch fader schmecken als ihre auch nicht gerade zu den Aromabomben zählenden genießbaren Verwandten.

Ernährungspsysiologisch, also den Nährwert betreffend, sind Kürbisse Nullnummern. Sie bestehen zu durchschnittlich 90 Prozent aus Wasser, dazu kommen ein paar Fasern und Vitamine, darunter etliche Carotinoide, sogenannte sekundäre Pflanzenstoffe, die antioxidativ und damit Krebs verhütend wirken sollen. Trotzdem wird aus Kürbis kein Wellnessgemüse. Streng genommen rauscht er durch die Eingeweide hindurch ohne größere Spuren zu hinterlassen. Körper bewusste Menschen wird freuen, dass er kalorienarm ist.

Der bescheidene Nutzen von Kürbissen in Bezug auf ihre oft imposante Größe und die Tatsache, dass Kürbisse einjährige, also schnell vergängliche Pflanzen sind, hat dazu geführt, dass dem Gemüse in der Kunstgeschichte eher negative Bedeutungen zugemessen wurden. So diente der Kürbis als Allegorie des „kurzen Glücks“ und wird als reich mit Schmuck verzierte Frau beschrieben, die ein Szepter in der Hand hält, während sich um ihren Arm die Blätter einer Kürbispflanze emporwinden.

Andererseits gilt er aber auch als Symbol der Auferstehung und des Heils. Dies wird auf die biblische Geschichte zurückgeführt, in der es heißt, dass Gott über Jonas eine Kürbispflanze wachsen ließ, die ihm Schatten spenden sollte. Pilgern und Wanderern dienten ausgehöhlte und getrocknete Kürbisse lange Zeit als Gefäße für Wasser, Wein oder Salz.

In der Küche hat der Kürbis dagegen seit geraumer Zeit einen Ruf wie Donnerhall, wobei sein zurückhaltender Geschmack in vielen Gerichten kaum wahrnehmbar ist, vor alle, wenn sie pikant gewürzt sind. Für mich macht Kürbis allgemein mit Pasta die beste Figur, etwa als süß-salzige Kürbislassagne mit Ricotta-Frischkäse zwischen den verschiedenen Schichtungen. Absolute Krönung sind mit Kürbis gefüllte Tortelli, Tortelli di zucca, gefüllt mit Kürbis, Senffrüchten, Amaretti-Keksen und Parmesankäse.

Ganz klassisch-minimalistisch mit Buttersauce und frisch geriebenem Parmigiano Reggiano wird diese Delikatesse bei den Sorelle Picchi in Parma kredenzt. Nach vorne zur Straße gibt es ein historisches Delikatessengeschäft, wo man neben Parmaschinken und vielen Käsesorten auch frisch bereitete Pasta in allen Variationen kaufen kann, hinten befindet sich die Trattoria. Hierzulande sind Tortelli di zucca fast unbekannt, warum weiß ich nicht. Wenn es einen Kürbishimmel gibt, dann bei den Sorelle Picchi in Parma.


Dieser Artikel wurde Tichys Einblick von Aufgegessen.info bereitgestelt, dem Blog für freien Genuss.

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