In Deutschland herrscht ein Mangel an Spenderorganen. Aber der Mensch ist nun einmal kein Materiallager. Den Tod einfach so zu definieren, dass man leichter an Spender kommt, ist ethisch nicht vertretbar und ein weiterer Schritt in Richtung Dystopie.
Der Mensch als Material, als Produkt – eine dystopische Vorstellung, die so surreal gar nicht mehr ist. Ob Embryonenforschung oder In-Vitro-Fertilisation, die Nutzung des Menschen nach opportunistischen Gesichtspunkten ist gerade am Lebensanfang bereits erschreckend weit fortgeschritten. Doch auch im Angesicht des Todes scheint die Achtung vor dem Leben des Menschen immer weiter abzunehmen, werden ethische Schranken zunehmend ignoriert. Anders als haarsträubend kann man denn auch den jüngsten Vorstoß der FDP nicht bezeichnen: In einem Positionspapier wird nahegelegt, in Zukunft nicht mehr nur den Hirntod, sondern bereits den Herztod als Indikator gelten zu lassen, der den „Tod“ einer Person definieren und damit Organentnahme ermöglichen soll.
Die Folge dieser Verdrängung von Sterben und Tod ist allerdings, dass sich eben auch wenige Menschen mit dem Thema Organspende auseinandersetzen. Dies zu befördern, sollte das erste Ziel der Politik sein, um mehr Menschen überhaupt sprach- und entscheidungsfähig zu machen. Nur: Dies würde ja keinesfalls sicherstellen, dass sich diese dann auch vermehrt im Sinne größerer Spendenbereitschaft entscheiden. Am Ende einer solchen breiten Diskussion könnte ebensogut die Entscheidung für einen möglichst ungestörten Sterbeprozess stehen.
Das Vertrauen in Gesetzgebung und Gesundheitssystem wird nicht gestärkt, wenn man nun die Hürden, einen Menschen als tot betrachten zu dürfen, derart senken möchte, dass ein relativ häufig auftretendes Phänomen wie der Herz-Kreislauf-Stillstand bereits ausreichen könnte. Dies soll zwar der Spender selbst entscheiden und als zusätzliche Option in seinen Organspendeausweis eintragen lassen können. Dennoch lässt sich der Eindruck, dass man hier einfach nur schnell an Organe kommen möchte, kaum vermeiden. Und dies führt wiederum zum Verdacht, dass im Extremfall die Versorgung des Gesundheitssystems mit frischen Organen priorisiert werden könnte gegenüber dem Versuch, das Leben des Spenders zu retten. Eine Horrorvorstellung, die die Bereitschaft zur Organspende nicht erhöhen dürfte.
Allerdings legt das Vorhaben den Finger in eine offene Wunde: Bereits die Hirntod-Definition ist ein Behelf, der hart an der Grenze des ethisch Vertretbaren segelt. Während der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Andrew Ullmann, gegenüber der WELT argumentiert, dass es „keinen Goldstandard“ in dieser Frage gäbe, dass der Tod also gleichsam Definitionssache sei, wird dies beim Normalbürger intuitiv wohl eher andersherum bewertet: Definitionssache ist anscheinend, „tot genug zu sein“, um als Organquelle dienen zu können, ohne dass sich die beteiligten Mediziner der Tötung strafbar machen. Eine unangenehme Tatsache, der sich die Gesellschaft allerdings stellen muss – sonst werden Vorstöße wie jener der FDP zunehmen, und Hemmschwellen, das menschliche Leben zu instrumentalisieren, in kürzester Zeit abgebaut.
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
Ich freue mich jedes Mal und bin dankbar dafür, wenn eine Sache so von der menschlichen Seite gesehen wird wie in obigem Artikel, wo Menschlichkleit nicht vorgeschoben und instrumentalisiert wird. Nur ein Punkt lässt doch noch Fragen offen. Wenn der Hirntod nur ein Behelf sein soll, der „hart an der Grenze des ethisch Vertretbaren segelt“, dann kann dieser Zweifel an der Stichhaltigkeit des Hirntods nur angemeldet werden, wenn folgende Frage beantwortet werden kann: Woran kann man bei einem Hirntoten erkennen, dass er nicht tot ist? Ausklingende Stoffwechselvorgänge incl. Zellstoffwechsel wären dabei nicht relevant. Dieselbe Chemie würde auch unabhängig von einem… Mehr
Die Hirnforschung ist längst kein sicheres Kriterium um den Tod festzustellen wie mann an dieser Studie sehen kann https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC6844189/
Ich habe meinen Organspendeausweis heute zerrissen.
Ich möchte dann in Zukunft nicht in der Haut von Notfallmedizinern und Ärzten stecken. Herz, Krauslauf Stillstand ist in ganz vielen Fällen kein Todesurteil und wer möchte ernsthaft Ärzte in diesen Gewissenskonflikt der unterlassenen Hilfeleistung bringen.
Da könnte ich mir vorstellen, mir doch noch mal ein Tattoo mit folgendem Text auf die Brust stechen zu lassen: KEIN Organspender!
Gemäß den Angaben des Aktionsbündnisses „Deutschland erkennt Sepsis“ erkranken in Deutschland mindestens 230.000 Menschen an einer Blutvergiftung (Sepsis), mindestens 85.000 sterben an den Folgen einer Sepsis,sie ist damit hierzulande eine der häufigsten Todesursachen.Eine Sepsis wird oft nicht oder zu spät erkannt.
Wäre es daher nicht sinnvoller, Ärzte und Pflegepersonal in der Erkennung und Behandlung einer Sepsies regelmäßig zu schulen, anstatt Organe zu transplantieren?
Eine „Spende“ ist freiwillig, alles andere ist indirekter/direkter Zwang.
Man trägt also nicht nur keinen „Organspende-Ausweis“ mit sich sondern widerspricht ausdrücklich jeglicher „Verwertung“ des eignen Körpers unter Androhung von Strafanzeigen gegen jeden, der meint, sich darüber hinwegsetzen zu können.
Und natürlich muss man argumentativ dafür sorgen, dass die FDP aus noch mehr Landtagen und schliesslich aus dem Bundestag fliegt.
Wehret den Anfängen!!!! FDP Verbotsverfahren einleiten!!!! Die ist ethisch und moralisch im Endstadium angekommen. Politisch gesehen zum Ausweiden freigeben.
Die Bereitschaft zur Organspende lebt von Vertrauen. Die Politik ist schon seit Merkel nicht mehr in der Lage, Vertrauen zu schaffen, weil die Bürger – gerade auch bei wichtigen Themen (Covid, Migration, Energieverknappung) – getäuscht wurden und werden. Dazu tragen auch Medien bei, die nicht für die Bürger, sondern für Parteien und Funktionäre arbeiten: Eine Kontrolle der Politik findet nicht statt, und das erhöht das Misstrauen beim Bürger, weil zu viele Dinge zu lange unter der Decke aus Halbwahrheiten, Lügen, Fakeoptimismus und Verharmlosung bleiben. Kein politisches Verfahren ist ergebnisoffen, sondern immer wird der Bürger in eine Richtung gedrängt und damit… Mehr
Die Transplantationen von Organen sind in erster Linie ein Riesengeschäft. Selbst die islamischen Scheichs vom Golf nehmen gern Organe von Ungläubigen aus dem Westen, wenn nichts anderes zu bekommen ist. Meine Organe sind keine Ware. Und darum „Nein“ zur Organspende, solange der Tod nicht klar medizinisch, ethisch und moralisch definiert ist und auch der Ärmste auf dieser Welt in ihren Genuss kommen würde. Mein Körper ist alles, was mir am Ende noch gehört. Aber selbst den wollen sie mir noch wegnehmen. Und das Argument: Ja aber, dann müssen Menschen sterben. Ja, das stimmt. Aber sie sterben nicht, weil kein neues… Mehr
Gerne würde ich Ihrem Kommentar mehr als einen Daumen hoch geben. Da gibt es einen schönen von Satz von Hans Scheibner: „Der Mensch ist Mittel. Punkt“.
Wenn das kommen sollte, dann wird der Passus Organspende aus meiner Patientenverfügung gestrichen und mein Spenderausweis wandert in den Schredder.