Börsenwoche: Rekorde, Bankenkonsolidierung, Selbstfahrende Taxis

Mit einem Paukenschlag endete im September die Ruhe im europäischen Bankenmarkt. Die italienische Unicredit startete mit dem Teil-Verkauf der Bundesbeteiligung an der Commerzbank einen Übernahmeversuch. Jetzt wird es ernst mit der europäischen Bankenkonsolidierung, obwohl sie sich nach wie vor als schwierig darstellt.

imago Images

Tesla-Chef Elon Musk ließ sich und seine Gäste in Los Angeles auf dem Studiogelände von Warner Brothers in Hollywood in Cybercabs ohne Steuerrad und Pedale herumchauffieren und von humanoiden Robotern bespaßen, meldeten am Donnerstagabend die Agenturen. Aber bei den 20 Fahrzeugen handelte es sich lediglich um Prototypen ohne Straßenzulassung. Wann sie diese erhalten, steht in den Sternen; entsprechende Fragen wurden im Livestream, der auf Musks Plattform X ausgestrahlt wurde, nicht beantwortet. „Der Abend war für Fans gedacht, nicht für die Medien“, spottete die „Neue Zürcher Zeitung“. Aber an der Börse tummeln sich nicht nur Musk-Fans, die Anleger reagierten jedenfalls enttäuscht: Tesla-Aktien fielen um rund acht Prozent.

In der Tat scheint die Zukunft des autonomen Fahrens ungewisser denn je. Die zuständigen Behörden müssen noch überzeugt werden. Der Autokonzern General Motors ist mit einer solchen Anfrage für sein eigenes Robotaxi-Projekt vor kurzem erst gescheitert. Auch der Taxi-Dienst Uber hat sein Programm für selbstfahrende Autos nach einem tödlichen Unfall komplett eingestellt. Die Google-Tochter Waymo und die chinesische Baidu packen ihre selbstfahrenden Autos mit allen erdenklichen Systemen und Sensoren voll, um sich nie dem Vorwurf auszusetzen, bei der Sicherheit gespart zu haben. Tesla tut das nicht. Anleger sind aber auch deshalb skeptisch, weil Musk mit dem Robotaxi eine finanzielle Wette eingeht, die den gesamten Tesla-Konzern gefährden kann. Musk will der Börse weismachen, dass Tesla ein Technologieunternehmen ist, das die Welt verändern wird. Falls das autonome Fahren floppt, könnten die Aktionäre ihre rosa Brille abstreifen und die aktuellen Probleme des Autobauers in den Blick nehmen: Tesla hat schon länger kein neues Modell mehr präsentiert und muss auf der ganzen Welt Preisnachlässe gewähren, weil der Konkurrenzkampf derart hart ist. Für einen klassischen Autobauer wäre Tesla an der Börse aber drei-, fünf- oder zehnfach überbewertet. Nur zum Vergleich: Der deutlich größere Volkswagen-Konzern hat eine Marktkapitalisierung von etwas mehr als 50 Milliarden Dollar, bei Tesla sind es über 700 Milliarden.

Im Moment ist die Mehrheit der Anleger jedoch grundsätzlich optimistisch. Dank eines vielversprechenden Auftakts in die Berichtssaison nahmen die US-Börsen am Freitag ihren Rekordlauf wieder auf. Sowohl der Dow Jones Industrial als auch der marktbreite S&P 500 erreichten Bestmarken; der überwiegend mit Technologiewerten bestückte Nasdaq 100 kam dagegen kaum vom Fleck. Ihn belastete vor allem die bereits erwähnte, den hohen Erwartungen nicht gerecht gewordene Robotaxi-Vorstellung von Tesla.

Der Dow, dem angesichts teils kräftiger Gewinne im Wochenverlauf nicht mehr viel zu einem Rekordhoch gefehlt hatte, ging knapp unter Tageshoch mit plus ein Prozent auf 42.864 Punkte aus dem Handel. Sein Wochenplus beläuft sich damit auf 1,2 Prozent.
Der S&P 500 baute sein Hoch vom Mittwoch aus und gewann 0,6 Prozent auf 5.815 Punkte. Für den Nasdaq 100 ging es um gut 0,1 Prozent auf 20.272 Punkte nach oben, womit sich im Wochenverlauf ebenfalls ein Plus von 1,2 Prozent angesammelt hat.
Die Erzeugerpreise boten Licht und Schatten, denn sie waren im September im Vergleich zum August zwar stabil geblieben. Erwartet worden war ein leichter Anstieg. Im Jahresvergleich dagegen legten sie etwas stärker als erwartet zu.
„Neben den unerwartet starken Arbeitsmarktdaten deuten die Daten darauf hin, dass nicht wenige Fed-Vertreter es bereuen könnten, ihren Lockerungszyklus mit einer größeren Zinssenkung um 0,5 Prozentpunkte begonnen zu haben“, kommentierte Paul Ashworth, Chefvolkswirt Nordamerika bei Capital Econocmics. Er rechnet im November nun mit einer Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte. Das von der Universität Michigan für Oktober ermittelte Konsumklima blieb hinter den Erwartungen zurück.

Positive Nachrichten kamen aus dem Finanzsektor: Besser als erwartet ausgefallene Quartalszahlen bescherten der größten US-Bank JPMorgan im Dow ein Kursplus von mehr als vier Prozent. Vor allem das Investmentbanking sorgte für eine positive Gewinnüberraschung. Ein unerwartet starker Anstieg der Erträge machte die deutlich erhöhten Rückstellungen für mögliche Kreditausfälle mehr als wett. Davon profitierten auch Goldman Sachs und Morgan Stanley mit jeweils etwas mehr als zwei Prozent. Citigroup stiegen 3,6 Prozent und Bank of America sogar um fünf Prozent.

Auch die Zwischenberichte der Branchenkollegen Wells Fargo und Bank of New York Mellon stießen auf ein positives Echo. Für Wells Fargo ging es daraufhin um 5,6 Prozent nach oben. Bank of New York Mellon drehten hingegen nach einem Rekordhoch im frühen Handel ins Minus und gaben um 0,4 Prozent nach.
Die Papiere von Blackrock legten dank ebenfalls erfreulicher Geschäftszahlen um 3,6 Prozent zu. Die jüngste Kursrally wurde so mit einem Rekordhoch gekrönt. Das letzte liegt nun drei Jahre zurück. Der weltgrößte Vermögensverwalter erzielte im vergangenen Jahr einen rekordhohen Mittelzufluss von 221 Milliarden Dollar – das verwaltete Vermögen kletterte damit auf 11,5 Billionen Dollar.
Der Euro wurde zum Börsenschluss an der Wall Street mit 1,0935 US-Dollar gehandelt. Am US-Rentenmarkt sank die Rendite der zehnjährigen Staatspapiere auf 4,09 Prozent.

Der ermutigende Start in die US-Berichtssaison hatte zuvor schon den Dax wieder näher an sein Rekordhoch gebracht. Zum Handelsende stieg der deutsche Leitindex um gut 0,8 Prozent auf 19.374 Punkte. Auf Wochensicht bedeutet dies ein Plus von 1,3 Prozent. Die Ende September erreichte Bestmarke steht bei 19.491 Punkten. Der MDax der mittelgroßen Unternehmen legte am Freitag um knapp 0,4 Prozent auf 26.838,50 Zähler zu. Die Erleichterung der Marktteilnehmer über den überraschend positiven Beginn der US-Bilanzsaison sei deutlich gewesen, kommentierte Finanzmarktexperte Andreas Lipkow. Etwas stärker als erwartet gestiegene Erzeugerpreise und eine unerwartet gesunkene Verbraucherstimmung in den USA hätten die Marktstimmung kaum eintrüben können, sagte Lipkow mit Bezug auf die veröffentlichten Konjunkturdaten.
Hinter den um 3,9 Prozent höheren Papieren des Flugzeugbauers Airbus gewannen auf Platz zwei im Dax die Titel von Siemens Energy 3,3 Prozent. Zeitweise hatten sie mehr als 36 Euro gekostet, womit sich der Kurs seit Jahresbeginn verdreifacht hatte. Die US-Bank JPMorgan hatte Siemens Energy von „Underweight“ auf „Neutral“ hochgestuft und das Kursziel von 13,00 auf 32,80 Euro angehoben. Eine robuste Nachfrage und eine gute operative Umsetzung ebneten dem Energietechnikkonzern den Weg aus der Krise, hieß es.

Bei Bayer setzte sich hingegen der negative Trend fort. Der Pharma- und Agrarchemiekonzern verlor in den Auseinandersetzungen um den Unkrautvernichter Glyphosat einen weiteren Fall vor Gericht. Die Aktien verloren als Schlusslicht im Dax 1,9 Prozent.
Im MDax erklommen die Aktien des Konzertveranstalters und Tickethändlers CTS Eventim nach einer Kaufempfehlung der Deutschen Bank ein Rekordhoch. Aus dem Handel gingen sie mit plus 1,1 Prozent. Lanxess sanken um 1,4 Prozent, nachdem JPMorgan sie von „Neutral“ auf „Underweight“ abgestuft hatte. Die kurzfristigen Aussichten für die europäische Chemiebranche seien schwierig, konstatierte Analyst Chetan Udeshi.
Der Beratungs- und IT-Dienstleister Adesso will eigene Aktien für bis zu 10 Millionen Euro zurückkaufen. Die Nachrichten schob die im Kleinwerteindex SDax notierten Papiere an, sie gewannen 4,4 Prozent. Für die Aktionäre von Jost Werke war hingegen der Freitag kein guter Tag. Wegen gesenkter Jahresziele sackte die Titel des Nutzfahrzeugzulieferers um 5,4 Prozent ab.
Am deutschen Anleihenmarkt stieg die Umlaufrendite von 2,25 Prozent am Vortag auf 2,26 Prozent.

Mit einem Paukenschlag endete im September die Ruhe im europäischen Bankenmarkt. Die italienische Unicredit startete mit dem Teil-Verkauf der Bundesbeteiligung an der Commerzbank einen Übernahmeversuch. Jetzt wird es ernst mit der europäischen Bankenkonsolidierung, obwohl sie sich nach wie vor als schwierig herausstellt. Nach wie vor pflegt jedes Land trotz „EU-Directives“ seine Sonderlocken. Diese Praxis hat dazu geführt, dass jedes Land eigene Vorgaben beispielsweise für Kapital und Liquidität erlassen. Ein europäischer Bankenkonzern darf somit nicht völlig frei über das Kapital und die Liquidität seiner ausländischen Tochtergesellschaften verfügen. Auch andere Rechtsgebiete, die Bankenfusionen tangieren, wurden nie völlig harmonisiert. Dazu gehören das Insolvenz- und Zivilrecht sowie der Verbraucherschutz. Bei Übernahmen kommen zu den betriebswirtschaftlichen und regulatorischen Fragen auch noch operationelle Probleme hinzu wie beispielsweise die Vereinheitlichung von Organisationsstrukturen und IT. Unicredit-Konzernchef Andrea Orcel hat deshalb noch eine Menge Arbeit vor sich.

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