Meldestellen im Netz: Grüne Zensur, gelbe Heuchelei

Kubicki warnt vor einer „grünen Zensuranstalt“ im Netz. Eine grüne Politikerin versteigt sich deswegen zu einer Tirade auf X, die viel über das Selbstverständnis der Partei aussagt. Aber auch die FDP spielt ein doppeltes Spiel. Denn der Digitalminister heißt: Volker Wissing. Und der bandelt mit dem neuesten Agora-Projekt an.

IMAGO - Collage: TE

Immer, wenn es bei der Ampel brennt, und die FDP ihre eigenen Werte verrät, tritt Wolfgang Kubicki auf den Plan. Bürgerrechte waren einmal ein Hauptfundament der „Freiheitlichen“, und da die Diskussion über „Trusted Flaggers“ und die Umsetzung des DAS auf nationaler Ebene immer höhere Wellen schlägt, meldet sich der Bundestagsvizepräsident bei der Bild-Zeitung zu Wort. Er warnt vor einer „grünen Zensuranstalt“, die den „Meinungskorridor einseitig einschränkt“.

Kubicki bezieht sich darauf, dass die neue Meldestelle „REspect!“ von der Bundesnetzagentur zum „Trusted Flagger“ geadelt wurde, der wiederum Klaus Müller (Grüne) vorsteht. Vorgesetzter der Bundesnetzagentur ist wiederum Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

„Ich halte die Beauftragung eines privaten Dritten, der über ein zentrales Element unserer freiheitlichen Demokratie richten soll, für unerträglich. Robert Habeck, der ja auch schon wegen Nichtigkeiten nach staatlicher Verfolgung von Meinungsäußerungen rief, sollte dringend der deutschen Öffentlichkeit erklären, dass er seine nachgeordnete Behörde an die Kette legt und hier kein eigener grüner Rechtskreis geschaffen wird“, sagt Kubicki gegenüber der Bild-Zeitung.

Das Statement des FDP-Mannes sorgte für grüne Empörung. Namentlich Alexandra Geese, Abgeordnete des EU-Parlamentes für die Grünen, wirft Kubicki de facto Verfassungsfeindlichkeit vor: „Wer die Durchsetzung deutschen Rechts im Internet als „grüne Zensuranstalt“ bezeichnet, stellt Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Frage.“ Denn „Hassrede“ sei im Strafgesetzbuch „klar definiert und illegal“. Sie bezieht sich dann auf üble Nachrede und Drohung.

Wohl nicht ohne Grund: denn im Strafgesetzbuch gibt es eben keinen expliziten Eintrag für „Hassrede“. Das Merkmal der „Hate Speech“ ist ja, dass sie so schön schwammig ist und von jedem auf alles bezogen werden kann: Von der Morddrohung bis hin zur unangenehmen politischen Meinung. Hassrede kann Verleumdung und Beleidigung, aber auch etwa Kritik an der Migrationspolitik der Bundesregierung sein, wie sich in der Vergangenheit immer wieder herausgestellt hat. Wer impliziert, dass Hass keine Meinung sei, geht nicht nur weit über das Strafrecht hinaus – er hat auch die Meinungsfreiheit nicht verstanden.

Aus diesem Grund rügt Glen O’Brien von der Kanzlei Höcker die Grünen-Abgeordnete. „Das ist natürlich rechtlich absolut falsch. Es ist vor allem auch ein billiger populistischer Taschenspielertrick, dass jegliche Kritik an oder andere Ansicht zu (politischen) Maßnahmen inzw. stets Demokratie und Rechtsstaat in Frage stelle. Make Meinungsfreiheit great again!“

Es wäre allerdings an dieser Stelle zu kurz gesprungen, nur die grüne Verfehlung zu nennen. Denn beim Thema Meinungsfreiheit im Netz, „Hate Speech“ und Meldestellen haben auch die Liberalen ihre Hände im Spiel. Denn der Minister für Digitales heißt nicht Robert Habeck, sondern Volker Wissing. Die FDP hat großen Wert darauf gelegt, dass sie das Verkehrs- und Digitalministerium bekommt. Um damit die weltweit gefährdete Meinungsfreiheit im Netz zu verteidigen, hat sie jedoch bisher wenig unternommen. Ähnlich, wie sie in Oppositionszeiten gegen das NetzDG wetterte, aber seit der Übernahme der Regierungsverantwortung diesen edlen Kampf für die Freiheit ähnlich verdrängt hat wie der Kanzler seine Erinnerungen an mögliche Gespräche mit Vertretern der Warburg-Bank.

Ganz im Gegenteil reiht sich die FDP nun in die Reihen ein. Erst vor kurzem hat TE darüber berichtet, dass die Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis) ein „Start up“ gegründet hat, dass per KI Hasskommentare im Netz bekämpft. Franziska Brandmann und ihr Team erhalten dabei prominente Werbung von Politikern wie Robert Habeck, Ralf Stegner oder Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die von „SO DONE“ vertreten wurden.

Leider ist das kein Ausreißer. Im März 2024 organisierte die FDP eine Veranstaltung „Desinformation als hybride Bedrohung – wie können wir unsere Demokratie schützen?“, die maßgeblich von Konstantin Kuhle mitgetragen wurde, der sich bei dem Thema schon längere Zeit engagiert und das Wording des grünen Kollegen Konstantin Notz übernommen hat (gemeinsame Sitzungen im Innenausschuss färben ab). Eingeladen waren zu dieser Veranstaltung nicht nur Bundesverfassungsschutzchef Thomas Haldenwang, sondern auch Felix Kartte – der vor kurzem mit einem Tagesschau-Auftritt als Fellow der Mercator-Stiftung auftrat und Elon Musk russische Narrative unterstellte.

Mercator-Stiftung – da klingelt etwas. Die NGO, die schon die Agora Energiewende aus der Taufe hob, legt bereits seit einiger Zeit ihren Focus auf „Unsere Demokratie“ und die Digitalisierung. Mit Verkehrsminister Volker Wissing hat derzeit die FDP auch die Hand auf diesem Bereich – und erhält nächstes Jahr mit rund 35 Milliarden Euro einen dicken Batzen im deutschen Bundeshaushalt.

Dass man bei den „Liberalen“ jedoch weniger auf digitale Freiheit, denn auf digitales Gatekeepeing setzt, zeigt sich eben in dem merkwürdigen Zusammengehen der oben genannten Protagonisten. Denn ein neues Agora-Kind ist kürzlich aus der Mercator-Taufe gehoben worden: Agora Digitale Transformation. Im Rat sitzt für die FDP überraschenderweise Konstantin Kuhle.

Noch deutlich spannender ist jedoch die Ratsvorsitzende. Es handelt sich um das FDP-Urgestein und ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Das sollte einen vielleicht verwundern – und tut es doch nicht, wenn man sich auf ihrer Homepage umschaut. Auf ihrer Webseite schreibt das neue Agora-Aushängeschild:

„Das Ausmaß [von Hass und Hetze] hat mit der Verbreitung sozialer Medien, mit der gezielten Nutzung digitaler Instrumente zur Verbreitung von Falschnachrichten und Verschwörungserzählungen, mit der allgemeinen Polarisierung und radikalen Zuspitzung politischer Auseinandersetzungen zugenommen. Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Islamophobie und Extremismus gibt es seit längerem unabhängig von der Art analoger und digitaler Kommunikation, aber Treiber sind besonders die sich ständig weiter entwickelnden sozialen Medien und KI gestützte Systeme. Über deren Wirkungsweisen muss viel stärker aufgeklärt werden.“

Das sind Worthülsen, die sich nicht nur mit dem Anspruch des obigen Start-ups überschneiden, sondern auch eine gewisse Ähnlichkeit mit der Ansprache beim Deutschen Fernsehpreis aufweisen: Meinungsfreiheit ist gefährlich, wenn sie nicht redaktionell eingeordnet wird. Meinungsvielfalt bedroht in letzter Instanz das demokratische Gemeinwesen, wenn sie nicht von der Presse als Gatekeeper eingeordnet wird. Ohne Einheitsmeinung sind Meinungsfreiheit und Pressefreiheit bedroht.

Aus Wissings Ministerium erhält die „Agora Digitale Transformation“ außerdem 1,2 Millionen Euro. Womöglich ist das die letzte Rettung der FDP, wenn sich die politische Abendsonne über sie senkt: was als Partei nicht mehr klappt, funktioniert ja vielleicht noch als digitale Bevormundungs-NGO.

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Kommentare ( 23 )

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Axel Fachtan
4 Minuten her

Die FDP ist keine liberale Partei, sondern wie andere ein Karrierenetzwerk der Beliebigen. Der Etikettenschwindel „die Liberalen“ sollte sich spätestens 2009 mit dem Eintritt in die Merkelregierung erledigt haben. 1982 zu Beginn der Kohlzeit war die FDP mit Graf Lambsdorff noch wirtschaftsliberal und mit den Juristen Baum und Hirsch überzeugend im Bereich der Bürgerrechte aufgestellt. Heute Planwirtschaft pur und Bevormundung und systematische Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten. Das ändert sich nicht dadurch, dass Kubicki gelegentlich schwatzt. An der falschen illiberalen Geisteshaltung und der falschen illiberalen Praxis ändert das nichts. Wer Scholz und Faeser an die Macht bringt und Haldenwang an der… Mehr

bfwied
1 Stunde her

Da Fr. Leuthäuser-S. auch mit der modernen Zensur zu tun hat, sie nicht nur verteidigt, sondern auch forciert und offensichtlich auch überall den undefinierten und undefinierbaren „Hass“ sieht, der bekämpft werden müsse, sehe ich nicht nur für die FDP kein Land mehr in Sicht, sondern ich frage mich, was dahinter steckt! Wer/was lässt die FDP, die sicher schon immer weitgehend eine Wetterhahn-Partei war – ist das noch zulässig oder auch bestrafbar? -, aber immerhin den Liberalismus, die Freiheit im Denken, Sprechen, Handeln (Letzteres im Rahmen der noch eingängig gewesenen Gesetze) hochgehalten und verteidigt hat, so rotgrünkonform, also sozialismuskonform und ebenso… Mehr

PaulKehl
1 Stunde her

Und wieder die Mercator Stiftung, welche auch den Verfassungsblog unterstützt. Der Verfassungsblog hat das Thüringen-Projekt ins Leben gerufen. Immer vorneweg im Kampf gegen die Feinde der Demokratie.

abel
1 Stunde her

Meine Meinung: 1) Das wird den Absturz der Grünen nicht aufhalten. 2) Die FDP verschwindet aus allen Parlamenten was ich persönlich für gut halte. Die AfD kann besser die FDP Themen vertreten und umsetzen. 3) Kubicki bleibt uns dann zukünftig auch als rechtblinker/linksabbieger erspart.

pcn
2 Stunden her

Wenn Frau Dr. Weidel tatsächlich mal Bundeskanzlerin werden wird, dann können sich die Herrschaften der Grünen und auch der gesamten aktuell Deutschland zerstörenden Clique warm anziehen. Da wird Rechtsbeugung, Rechtsuntreue und vorsätzliche Rechtsverdrehung vor Gerichten zur Sprache kommen, die nicht mit links-rot-grünen Systemrichtern besetzt sind. Noch gibt es sie, eine Judikative expressis verbis, die nicht solchen faschistoiden Systemlinken aus Opportunität und Eigennutz hinterherlaufen und sich damit die nächste Beförderung vom Justizministerium versprechen. Wir hatten nach dem Krieg die Entnazifizierung, auf Druck der alliierten Besatzungsmächte. Hatte nicht ganz geklappt, mit der totalen Säuberung von Nazigrößen. Mit diesen verheerenden Links-Rot-Grünen wird es… Mehr

Last edited 1 Stunde her by pcn
Felix Dingo
2 Stunden her

Ich habe diese unrasierten Typen einfach nur noch satt.

Ihr Anblick verursacht bei mir tiefe Abscheu.

Last edited 2 Stunden her by Felix Dingo
H.D.
2 Stunden her

Kubicki ist die menschliche Sprechblase der FDP. Wenn die FDP wirklich für das Grundgesetz eintritt, muss sie die Ampel sofort verlassen und Neuwahlen ermöglichen. Alles andere ist blablabla des Herrn Kubicki.

Last edited 2 Stunden her by H.D.
2 Stunden her

Die „Warnereien“ von Herrn Kubicki gehen nur noch auf die Nerven! Reines Maulheldentum und Selbstdarstellung. Wenn es zum Schwur kommt, macht er immer mit. Als 3% Politrentner bekommt er dann bestimmt irgendwo eine Talkshow.

Der Person
3 Stunden her

„Empörkommling, der“: eine niedere Kreatur käuflichen Charakters, die sich in aller Öffentlichkeit moralisch empört, um so die sinistren Ziele des Geldgebers zu unterstützen bzw. zu vertuschen. Ähnlich den professionellen Klageweibern werden Gefühle nur vorgetäuscht, der Empörkommling ist i.d.R. völlig empathielos und kann deswegen anhand seiner Taten bzw. Entscheidungen schnell enttarnt werden. Im politischen Bereich soll der Empörkommling Stimmen generieren, dies gelingt allerdings weniger bei jungen Wählen; Ziel- bzw. Opfergruppe stellen eher ältere Demente oder demente Ältere dar (siehe auch: „bosbachen“).

Logiker
3 Stunden her

schon interessant, was so eine Netzagentur alles unter ihrer Fuchtel hat. So ziemlich alles außer Volleyball- und Einkaufsnetzen, wie es scheint. Da haben die Grünen wohl einen ihrer erfolgreichsten „Instanzen“-Coups gelandet und sich außerordentlich gut vernetzt. Dazu H-becks Superministerium – wer hat da gepennt bzw. nachgeholfen? Frage 1: bezieht sich die Zuständigkeit dieser Behörde nur auf den Gegenstand „Netze“ als solchen, oder umfasst sie auch all das, was sich vor, hinter und in den Netzen abspielt? Frage 2: gehört die DUH auch zum Netzwerk der Netzagentur, oder z.B. auch soziale Hängematten? Zählt Vetternwirtschaft auch als Vernetzung und ist damit ein… Mehr

Last edited 2 Stunden her by Logiker