Krise im Chemiesektor – Wie BASF, Evonik und Lanxess um ihre Zukunft kämpfen

Die deutsche Chemieindustrie steckt in einer prekären Lage – konfrontiert mit einem alarmierenden Umsatzrückgang. Besonders BASF plant einen signifikanten Abbau der Arbeitsplätze in Deutschland. Kann staatliche Unterstützung helfen, diese Krise zu bewältigen? Von Hannes Märtin

IMAGO / Ulrich Roth
BASF, Standort Ludwigshafen, Deutschland, 29.08.2024

Die Chemiebranche sieht sich gegenwärtig mit einer Vielzahl komplexer Herausforderungen konfrontiert. Im Jahr 2022 brach die Produktion um mehr als 20 Prozent ein, bedingt durch die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs. Seither hat sich die Situation kaum verbessert. Besonders die hohen Standortkosten und explodierenden Energiepreise lasten schwer auf den deutschen Chemiekonzernen.

Die deutschen Unternehmen kämpfen insbesondere mit den Folgen des Ausfalls russischer Gaslieferungen, die infolge des Ukraine-Kriegs von der Bundesregierung gestoppt wurden. BASF, als größter industrieller Gasverbraucher des Landes, sah sich daher im Jahr 2022 mit zusätzlichen Energiekosten in Höhe von 3,2 Milliarden Euro konfrontiert – allein 2,2 Milliarden Euro entfielen dabei auf Erdgas. Am Standort Ludwigshafen stiegen die Gaskosten um 1,4 Milliarden Euro, obwohl der Verbrauch um 35 reduziert wurde. Auch Evonik und Lanxess spüren die erheblichen Belastungen durch die gekappten Gaslieferungen aus Russland deutlich.

BASF meldete im zweiten Quartal 2024 einen Umsatzrückgang von 6,9 Prozent auf 16,1 Milliarden Euro. Besorgniserregend ist zudem, dass der weltweit größte Chemiekonzern seit mehreren Jahren Verluste in Deutschland verzeichnet. Finanzvorstand Dirk Elvermann erklärte kürzlich gegenüber dem SWR: „Der Standort ist seit einigen Jahren in der Verlustzone.“ Ex-Vorstand Martin Brudermüller fügte hinzu, dass in allen bedeutenden Märkten ein positiver Ergebnisbeitrag erzielt wurde, „mit Ausnahme von Deutschland“.

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Diese alarmierenden Aussagen verdeutlichen den besorgniserregenden Zustand der deutschen Wirtschaft und sind ein weiteres Beispiel dafür, in wie vielen Aspekten die Energie- und Wirtschaftspolitik der Ampelregierung gescheitert ist.

Am 23. Februar gab BASF zudem bekannt, dass die Ammoniak-, Methanol- und Melaminanlagen im Stammwerk verkauft werden sollen. Im August folgte dann die nächste Schreckensmeldung: Zwei weitere Anlagen in Deutschland sollen schließen. In Köln und Frankfurt wird noch bis Ende des laufenden Jahres eine bestimmte Auswahl an Pflanzenschutzmitteln produziert, anschließend wird die Produktion jedoch vollständig eingestellt. In den kommenden zwei Jahren sollen dort etwa 300 Arbeitsplätze abgebaut werden.

Neueste Berichte deuten darauf hin, dass BASF plant, am Standort Ludwigshafen bis 2026, spätestens jedoch bis 2028, ein Siebtel aller Anlagen stillzulegen. Die Auswirkungen dieser Entscheidung auf die 39.000 Beschäftigten sind nur schwer abzuschätzen, doch es muss definitiv mit einem Stellenabbau im vierstelligen Bereich gerechnet werden

Die Zukunft von BASF in Deutschland scheint unsicher. Klar ist, dass Großkonzerne wie BASF nicht auf den deutschen Markt angewiesen sind. Der Markt, den sie bedienen, übersteigt sowohl den deutschen als auch den europäischen Raum bei weitem.

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In diesem Zusammenhang tätigt BASF erhebliche Investitionen in Fernost, insbesondere in China. Der Konzern plant, zehn Milliarden Euro in den Bau eines neuen Mega-Werks im Süden Chinas zu investieren. In Zhanjiang wird eine Fabrik für chemische Grundstoffe errichtet, die später in einer Vielzahl von Konsumgütern Verwendung finden wird. Die Fertigstellung dieses imposanten Werks ist für das Jahr 2030 vorgesehen.

Angesichts dieser Entwicklungen steht das Stammwerk in Ludwigshafen unter Druck. Kann oder will BASF die Kosten für den unrentablen Standort Deutschland weiterhin stemmen, oder droht in den kommenden Jahren ein vollständiger Abzug des Unternehmens? Der Aufbau eines neuen Hauptstandorts in China erscheint mittlerweile durchaus realistisch.

Neben BASF sieht sich auch Lanxess mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert. Im vergangenen Jahr erlebte das Unternehmen einen markanten Ergebniseinbruch, wobei der Umsatz um 17 Prozent auf 6,7 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr sank. Ähnlich wie der Chemiekonzern aus Ludwigshafen verzeichnete Lanxess im fortgeführten Geschäft einen erheblichen Verlust von rund 843 Millionen Euro.

Auch bei dem Kölner Chemie-Unternehmen muss nun ein heftiger Sparplan für Entlastung sorgen. Lanxess will die jährlichen Kosten ab 2025 um 150 Millionen Euro senken. Dies geht mit dem Abbau von weltweit 870 Stellen einher, wovon 460 Arbeitsplätze in Deutschland betroffen sind. Aktuell beschäftigt Lanxess rund 6.500 Mitarbeiter in Deutschland. Besonders betroffen sind vor allem die Verwaltungsbereiche an den Standorten Köln, Leverkusen, Krefeld-Uerdingen und Mannheim. Zudem wird ein europaweiter Einstellungsstopp angestrebt. Vorstandschef Matthias Zachert bestätigt die schwierige Phase und sieht keine baldige Besserung in Sicht.

Auch Evonik, Deutschlands drittgrößter Energiekonzern ist stark von der aktuellen Krise betroffen. Im Jahr 2023 sank der Umsatz bei Evonik um 17 Prozent auf 15,3 Milliarden Euro, während sich der Nettoverlust auf 465 Millionen Euro summierte. Evonik plant nun den Abbau von insgesamt 2.000 Stellen weltweit, davon entfallen 1.500 auf Deutschland.

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Ziel des Unternehmens, das einst aus der Fusion von Hüls und Degussa hervorging, ist es, bis 2026 jährliche Kosteneinsparungen von 400 Millionen Euro zu erzielen. Im Unterschied zu BASF oder Lanxess liegt der Fokus beim Stellenabbau jedoch vor allem auf Managementpositionen. 500 der abzubauenden Stellen sind in der Führungsebene angesiedelt.

Darüber hinaus beabsichtigt das Unternehmen, gewisse Geschäftszweige abzuspalten. Darunter fällt auch das „Superabsorber-Geschäft‟, welches an die deutsche Chemiegruppe ICIG abgetreten werden soll. Vorstandschef Christian Kullmann beschreibt die Situation als eine „massive, konsequente Veränderung des wirtschaftlichen Umfelds‟ und nicht als vorübergehende konjunkturelle Schwankung. Die geplanten Maßnahmen werden als „hart, aber notwendig‟ erachtet, um den Konzern effizienter und wettbewerbsfähiger zu gestalten.

Doch die Frage bleibt: Gibt es für Chemiekonzerne wie BASF, Lanxess, Evonik & Co eventuell eine Aussicht auf Entlastungen bei den Strompreisen? Bundeskanzler Olaf Scholz hat der deutschen Wirtschaft bereits eine Zusage gemacht. Auf einem Unternehmertag des Außenhandelsverbands BGA erklärte er, dass für dieses Jahr ein Bundeszuschuss zur teilweisen Finanzierung der Übertragungsnetzkosten in Höhe von bis zu 5,5 Milliarden Euro vorgesehen ist, um so Unternehmen zu entlasten.

Verdecken statt lösen

Obwohl kurzfristige staatliche Hilfen vorübergehende Erleichterungen bieten könnten, lässt sich langfristig ein Muster erkennen, das dem der E-Auto-Prämie, des Umweltbonus oder der Abwrackprämie ähnelt: Diese Maßnahmen werden höchstwahrscheinlich lediglich dazu führen, dass die zugrunde liegenden Probleme nicht gelöst, sondern verdeckt werden.

Eine nachhaltige Lösung erfordert, dass die Energiekosten für Großunternehmen dauerhaft auf ein erschwingliches Niveau gesenkt werden. Nur unter diesen Voraussetzungen können Unternehmen und Konzerne die Produktion in Deutschland wieder als attraktiv erachten. Dies ist jedoch nicht zu realisieren, wenn der Fokus allein auf erneuerbaren Energien wie Solar- oder Windkraft liegt, die den Strombedarf Deutschlands nicht in ausreichendem Maße decken und weder effizient noch zuverlässig sind.

Darüber hinaus ist es unerlässlich, sowohl die steuerlichen Belastungen als auch die bürokratischen Hürden für die Industrie deutlich zu senken. Ohne solch fundamentale Reformen ist langfristig keine spürbare Verbesserung zu erwarten – im Gegenteil, es droht ein schleichender Zerfall der deutschen Industrie, der die Wettbewerbsfähigkeit des Landes langfristig auslöschen könnte.

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Kommentare ( 20 )

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Mausi
43 Minuten her

Ich finde, Sinn macht so ein Artikel erst, wenn auch die Entwicklung ausländischer Unternehmen beleuchtet wird. Auch ein Vergleich der Entwicklung der Aktienkurse über einen längeren Zeitraum könnte helfen, das Bild zu erhellen.
Aber für wahrscheinlich halte ich, dass D keine wirkliche Unterstützung leisten wird. Dafür ist D zu sehr auf Deindustralisierung ausgerichtet. Und Chemie gehört zu den Dornen im Auge der klimaschützenden Transformatoren.

Astrid
1 Stunde her

Wer kämpft denn hier um die Zukunft? Ich sehe leider niemanden, der hier für irgendwas einsteht. Es geht doch nur noch um die Verlagerung des Standorts ins Ausland und um die Entlassung der Arbeitnehmer, die dem ebenso wenig entgegensetzen. Ob es die Großunternehmen, Teile des Mittelstandes oder kleiner Unternehmen sind, alle halten still und ertragen ruhig und gelassen, was die Hampelbude mit den zahlreichen fett gespickten NGO´s so gerade beschließt. Ach ja, ich vergaß, dass Putin oder die AfD, oder wer auch immer daran Schuld ist.

Hartwig Sendner
1 Stunde her

Das waren bis vor ca. 10 Jahren Konzerne die Steuern bezahlt haben, gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze anboten, den Mitarbeitern Betriebsrente bezahlten und dadurch so manchen anderen Arbeitsplatz im Mittelstand sicherer machten. Jetzt werden diese Unternehmen zu Subvenbtionsempfängern. Unglaublich was schlechtes Regieren bewirken kann. Und das alles wegen einer wissenschaftlichen Lüge von einer „Klimakatastrophe“. Wer bis jetzt noch nicht gemerkt hat wohin die Reise geht, dem ist nicht mehr zu helfen. Aber geliefert wie gewählt, die Suppe müssen wir wohl alle jetzt auslöffeln!

Konradin
1 Stunde her

…und die vormalige Kunststoffsparte von Bayer, Covestro, wurde soeben für ganze 16 Milliarden Euro (inkl. Verbindlichkeiten) ins Ausland verkauft. Der Ausverkauf der deutschen Industrie, darunter viele teils seit über 150 Jahren erfogreiche Industrieikonen und Traditionskonzerne gewinnt auch und gerade in den aktuellen Jahren des perma-rezessiven Habeck-Fratscher-Minus weiter an Fahrt. Die (Aus)Verkaufsintervalle vollziehen sich dabei in offenbar immer kürzeren Abständen. Mannesmann, Hoechst, Gildemeister, MTU Friedrichshafen, Kuka, Siltronic, Dialog Semiconductor, Linde, Opel, Hella, Viessmann, Leoni, usw. usf. Diese Auflistung ist beispielhaft und wei weitem nicht vollständig. Jedes dieser Unternehmen war ein technologisch führender Multimillarden-Konzern, bei dem sich ausländische Konkurrenten gut und gerne… Mehr

Wursthans
2 Stunden her

Es gibt keine staatlichen Hilfen.
Was es (leider) gibt ist staatliches Umverteilen.
Geholfen ist damit letztlich niemandem.

P.Schoeffel
2 Stunden her

Ich vermute, es ist viel zu kurz gegriffen, die Energiepreise als wichtigste Ursache für das Industriesterben zu sehen. Das war wohl nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Für wesentlich wichtiger für den Zusammenbruch halte ich die überbordende Regulierung/Bürokratie, die nicht wettbewerbsfähigen Kosten (Steuern, Abgaben, Personal) und vor allem das komplett zerstörte Vertrauen in die Politik. Wer investiert denn schon in einem Land, in dem nicht sicher ist, ob sein Geschäft nicht morgen verboten oder regulatorisch unmöglich gemacht wird. Auch wenn alle sachlichen Probleme morgen abgestellt wären – die Wiederherstellung des Vertrauens in die politische Zuverlässigkeit wird… Mehr

Paul Brusselmans
2 Stunden her

Sicherlich kann staatliche Unterstützung helfen, die aus den USA, China… zum Weggang aus Deutschland. Die beste deutsche Hilfe wäre einfach, sich möglichst weit aus der Wirtschaft herauszuhalten und der Energiewirtschaft keinerlei Bedingungen zu diktieren. Über 500 Tage ohne Regierung haben damals Belgien richtig gut getan.

Nibelung
2 Stunden her

Immer mehr Unterstützungsstaat durch eigenes Versagen und damit ist der Weg in die allumfassende Planwirtschaft vorgezeichnet, wo der Staat die Governante für alle Lebenslagen ist, obwohl er anderes zu tun hätte und freuet euch, denn bald sind wir wieder in der alten DDR angekommen, der viele mit Freude entkommen sind und das Märchen vom Hasen und Igel fröhliche Urständ feiert, weil er am Ende steht und sagt ich bin schon da. und sich der Hase dabei totläuft, was ja auch bekannt ist, wenn man die hinterlistigen Methoden kennt.

PapaAN
2 Stunden her

Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf.
Das Regime des Grünen Reichs hat die Chemieindustrie abgeschafft. Die staatlichen Unterstützungen, wie in der DDR, wirken wie eine Medizin gegen die Symptome, das Dilemma bleibt bestehen, dass es nämlich unwirtschaftlich ist in GerMoney zu produzieren. Da können Teflon Demenz CumEx Doppelwumms Olaf und Häuptling Robääärt noch soviel tun, wir haben fertig. Punkt!

bkkopp
2 Stunden her

Die Energiepolitik der Ampelregierung seit 2021 ist nur die relativ kurzfristige Fortsetzung der Energiepolitik seit 2000 – dem EEG und dem ersten Plan zum Atomausstieg. Die gesamte Industrie und deren Verbände mußten spätestens seit ca. 2006 wissen, dass die Energietransformation zu den sogenannten “ Erneuerbaren “ wirtschaftlich nicht funktionieren kann. Sie mußten auch wissen, dass sich Energie nicht erneuert, und dass der Terminus ein mit Volksverdummungsabsicht gewähltes Wort ist. Die Industrie hatte immer tausendfachen Sachverstand zur Analyse von technischen Systembedingungen und zur intelligenten Schätzung der Kosten. Dieser Sachverstand konnte immer sehen und abschätzen, daß ein Systemumbau mit gigantischen, schuldenfinanzierten Investitionen… Mehr