Autozölle: Olaf Scholz, der Simulant

Die EU verhängt Strafzölle gegen Chinas staatlich geförderte E-Autos. Berlin stimmt mit großem Getöse dagegen, hält den Beschluss aber letztlich nicht auf. Es ist ein Musterbeispiel für den Politikansatz des Bundeskanzlers – der stets nur so tut, als würde er regieren.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Markus Schreiber

Am Anfang muss diesmal das Ergebnis stehen: Die EU hat den Weg frei gemacht für Strafzölle auf chinesische Elektrofahrzeuge in Höhe von bis zu 35,3 Prozent. E-Autos aus China könnten damit in der EU also um mehr als ein Drittel teurer werden.

Seit längerem überschwemmt Peking den Markt mit eigenen E-Autos, die besonders billig sind, weil China sie hoch subventioniert. Die europäischen Hersteller ächzen unter der staatlich massiv geförderten Konkurrenz, mit deren Preisen sie nicht mithalten können. Auf den ersten Blick wirkt die Maßnahme also plausibel: Die EU, so scheint es, schützt ihre eigenen Hersteller von Elektrofahrzeugen vor der unfairen chinesischen Konkurrenz, die sich dank staatlicher Unterstützung einen unfairen Wettbewerbsvorteil verschafft.

Doch wie so oft, sieht die Sache auf den zweiten Blick etwas anders aus.

In der EU herrscht nämlich diesmal nicht die sonst übliche „German Angst“ vor einer chinesischen E-Auto-Invasion, sondern vor allem eine „French Angst“. Chinesische Elektrofahrzeuge fahren vor allem in der Unter- und der Mittelklasse. Dort machen sie vor allem französischen und italienischen Marken Konkurrenz – und nur einigen wenigen Tochterfirmen von Volkswagen. Dagegen sind BMW, Mercedes sowie Audi und Porsche mit ihren E-Autos fast ausschließlich in der Oberklasse unterwegs.

Diese deutschen Autobauer sind umgekehrt sehr erfolgreich in (und sehr abhängig von) China, dem größten Automarkt der Welt. Sie verkaufen dort gut jedes dritte Fahrzeug und sichern damit viele Arbeitsplätze in Deutschland. Französische und italienische Marken sucht man auf den Straßen des asiatischen Riesenreichs dagegen nahezu vergeblich.

Wenn die EU mit ihren Strafzöllen jetzt einen kleinen Handelskrieg lostritt, wird Peking schon zur Wahrung des Gesichts gar nicht anders können, als mit Gegenzöllen zu reagieren. Franzosen und Italiener würde das kaum treffen: Ihr winziger Marktanteil in China würde eben einfach nur noch etwas winziger. Richtig wehtun würde das hingegen den deutschen Herstellern. Seitdem die Pläne der EU-Kommission ruchbar wurden, hat die deutsche Automobilindustrie deshalb auch kaum etwas unversucht gelassen, um die Strafzoll-Entscheidung abzuwenden.

Doch im Berliner Regierungsviertel fand die nach wie vor mit Abstand wichtigste deutsche Wirtschaftsbranche kaum Verbündete.

Außenministerin Annalena Baerbock setzte sich im Gegenteil vehement für die EU-Lösung ein. Europa müsse sich gegen China wehren, war das Credo der Grünen. Dass selbst der chronisch übervorsichtige Verband der Automobilindustrie (VDA) unter seiner zauderhaften Präsidentin (und Ex-Merkel-Vertrauten) Hildegard Müller zum Wohle deutscher Arbeitsplätze gegen die Pläne aus Brüssel Sturm lief, war Baerbock egal.

Baerbocks ewiger innerparteilicher Widerpart Robert Habeck wählte die Wachsweich-Variante: Der Wirtschaftsminister schlug vor, dass Deutschland sich in Brüssel ja enthalten könne. Damit hätte man zwar keinen einzigen deutschen Arbeitsplatz beschützt, aber man hätte zumindest auch nicht ganz so offen gegen die Interessen der deutschen Automobilbranche gehandelt. (Und auch nicht so schlimm gegen die Wünsche von Baerbock, die Habeck für seine Mission „Grüner Kanzlerkandidat“ noch dringend braucht.)

Einzig die FDP schlug sich auf die Seite der Autohersteller. Aber wer interessiert sich dieser Tage noch für die FDP?

Diese Ausgangslage bot dem sozialdemokratischen Bundeskanzler Olaf Scholz urplötzlich und ohne eigenes Zutun eine Möglichkeit zur Profilierung. Der SPD-Mann wirkt zwar öfter wie ein Schlumpf auf Valium, hier aber schlug er zu: Er machte von seiner sogenannten „Richtlinienkompetenz“ Gebrauch und ordnete mit viel Medien-Tamtam an, dass Deutschland sich in Brüssel nicht nur nicht enthält, sondern gegen die Strafzölle stimmt.

Vermutlich sah er schon die Schlagzeilen: „Scholz sagt nein“, „Scholz kämpft für Deutschlands Auto-Branche“. Schön wär’s gewesen. Doch dieses „Nein“ aus Berlin ist bei näherem Hinsehen nur ein weiteres, allerdings besonders dreistes, Beispiel für die wichtigste Grundlinie der Ampel: den Gratismut.

Denn in der Frage der Strafzölle hat Deutschland kein formales Veto-Recht. Berlin konnte also völlig gefahrlos gegen den Beschluss stimmen – denn es war von Anfang an klar, dass es trotzdem eine Mehrheit dafür geben würde. Kein Ärger mit der EU also.

In Berlin kann Scholz jetzt so tun, als habe er mal ordentlich auf den Tisch gehauen. „Von der Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht“, das klingt doch nach was. Allerdings wissen natürlich auch die Grünen, dass das deutsche „Nein“ in Brüssel die Strafzölle nicht hätte verhindern können. In der Substanz hat sich Baerbock durchgesetzt. Sie gibt sich also ein bisschen angepiekst, mehr aber auch nicht. Für Habeck gilt dasselbe. Bezeichnenderweise gibt es von den Grünen denn auch nur einen dürren Kommentar: Man habe die Entscheidung von Scholz „akzeptiert“.

In der Auto-Branche wird Scholz jetzt nach Kräften so tun, als habe er wie ein Löwe um jeden einzelnen gefährdeten Job in jeder einzelnen Montagehalle gekämpft: Olaf, der Arbeiterführer. Doch das Gegenteil ist richtig. Denn in Wahrheit hätte die Bundesregierung die Strafzoll-Entscheidung in Brüssel natürlich verhindern können – wenn sie es denn nur ernsthaft gewollt hätte.

Deutschland ist immer noch das mit Abstand größte Land in der EU: Das Land mit den meisten Einwohnern, das Land mit der größten Volkswirtschaft – und das Land, das so viel in die Brüsseler Kasse zahlt wie kein anderes. Wenn Berlin sich bei irgendetwas wirklich querstellt, dann geht in der EU nichts gegen Deutschland. Kohl hat es getan, Schröder hat es getan, Merkel hat es getan.

Scholz hat es noch nicht einmal versucht. Er hat immer nur so getan, als ob.

Das ist sein Politikansatz. An die Amtszeit von Olaf Scholz wird man sich später einmal als die Potemkin’sche Kanzlerschaft erinnern. Eine Fassade von Worthülsen und Sprechstanzen und symbolischen Nein-Stimmen in Brüssel – und dahinter: die große Leere.

Der SPD-Mann hat in seiner ganzen politischen Karriere noch nie ein anderes Ziel verfolgt als das Erringen, den Ausbau und die Verteidigung der eigenen Position. Politiker sollen, ja müssen machtbewusst sein – aber die Macht ausschließlich als Selbstzweck: Das ist neu im Kanzleramt.

Alle Vorgänger von Scholz – alle – haben politisch in Deutschland etwas bewirkt. Das war nicht immer vorteilhaft, wie in der Ära Merkel. Aber selbst Angela Merkel hat ihre persönliche Macht für politische Veränderungen genutzt (wenn auch für die falschen).

Olaf Scholz nutzt seine persönliche Macht politisch für – nichts.

Alles, was er tut, dient allein dazu, sich an der Macht zu halten. Dafür hält er seine Koalition mehr schlecht als recht zusammen. Dafür spielt er den deutschen Autoarbeitern Interesse an ihrem Schicksal vor. Dafür lässt er in der EU ein publikumswirksames, aber politisch völlig bedeutungsloses „Nein“ hinterlegen. Scholz riskiert keinen inhaltlichen Konflikt mit irgendwem: Die Richtlinienkompetenz würde er nie in einer wirklich umstrittenen Frage einsetzen. Für die Interessen der deutschen Autobranche in Brüssel in den Kampf zu ziehen, hat er nie auch nur eine Sekunde ernsthaft erwogen.

Alles, was er tut, ist: Er balanciert die Gewichte in seiner Koalition aus – so gut es eben geht und fernab von jedwedem gesellschaftlichen Anspruch, fernab von jedwedem politischen Inhalt, fernab von jedweder Substanz.

Scholz tut so, als würde er regieren. Tatsächlich simuliert er das Regieren nur.

Der Kanzler hat so ein politisches Vakuum erzeugt, das die Grünen vehement auszufüllen versuchen (die FDP spielt, wir haben es schon angemerkt, keine Rolle mehr). Scholz wird sie gewähren lassen, solange sie ihm für seinen persönlichen Machterhalt noch nützen können. Der Schaden, der derweil für Deutschland entsteht, ist ihm ersichtlich schnuppe.

Am Ende sind unsere hausgemachten Probleme womöglich noch schlimmer als Strafzölle für chinesische E-Autos.

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Kommentare ( 31 )

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Irdifu
2 Stunden her

Es geht darum Deutschland maximal zu schädigen und dafür tut die korrupte Kommissionspräsidentin wirklich ihr bestes . Auch sie wird von Frank Walter dem Sp…… noch den 2 Euro Chinaorden umgehängt bekommen .

Paul Brusselmans
2 Stunden her

zudem hat er es sich mit den Partener und der EU-Kommission völlig verdorben. Man legt seine Position früh fest und zieht nicht die angebliche Notbremse im letzten Monat. Kein Einzelfall deutschen Fehlverhaltens

ceterum censeo
2 Stunden her

Da hatte man gedacht, dass Merkel die politische Niveau-Senke wäre. Aber dann kommt da so ein roter Schlumpf daher…

hansgunther
2 Stunden her

Heute irgendwo gesehen:
Künftig sollen Stütze-Empfänger 1000 Euro Prämie vom Staat erhalten, wenn sie in einen regulären Job wechseln („sozialversicherungspflichtig“). Voraussetzung: Sie halten mindestens ein Jahr lang durch.
Die Prämie erwirtschaftet der deutsche Steuerzahler ohne jede Vergünstigung, wenn er Leistung bringt, im Gegenteil, dann sitzt ihm der Staat im Nacken mit vielfältigen Folterwerkzeugen.

jwe
2 Stunden her

Hätte die Bundesregierung die Zölle gegen China verhindern wollen, wäre es ein leichtes gewesen. Deutschland hätte nur androhen müssen, den EU-Beitrag auf das Maß der anderen Länder kürzen zu wollen. Deutschland hat nämlich mit dem EU-Austritt der Engländer deren Beitrag mit übernommen (lt. Scholz: „Weil wirs können!“). Aber unserer Regierung kommen Zölle recht, will man doch die Mobilität der Bevölkerung eh einengen. Und Strom für deren Ladung ist auch nicht da.

Tizian
2 Stunden her

Zumindest Brandenburg will definitiv ein „Weiter So“ von Olaf & Co. Und im Rest vom „Best Germany Ever“ finden sich bekanntlich auch noch genügend. Klingt komisch, aber isso. 😉

Last edited 2 Stunden her by Tizian
old man from black forrest
2 Stunden her

Dem Ziel, mehr E-Autos auf die Straße zu bekommen, sind die Zölle natürlich nicht förderlich. Brauchen die Kleinwagenhersteller keine lästige Konkurrenz mehr zu fürchten und können die Preise evtl sogar anheben. Wenn man Frau vdL vor Ort offensichtlich ungestört antideutsch und pro französisch/italienisch agieren läßt, dann hat das andere Gründe. Da unterschätzt man Scholz. Scholz will beenden, was Merkel mit Hilfe von vdL begonnen hat. Scholz ist in meinen Augen ein Marxist genauso wie Merkel. Der Haß auf Deutschland, wie wir es vor einem viertel Jahrhundert noch kannten, ist ihnen gemein.

Johann P.
2 Stunden her

Der beste Bundeskanzler im besten Deutschland, das wir je hatten: So sieht sich Scholz selber, während in der Realität das genaue Gegenteil der Fall ist. Er tut nix, lässt seine Kabinettskollegen machen, was sie wollen und träumt von seinen vermeintlichen Macher- und Führungs-Qualitäten. Daß er dabei den GAU für Deutschland mit verantwortet, ist wohl jenseits seiner Vorstellungskraft. Und dieses fatale Trauerspiel geht voraussichtlich noch ein Jahr weiter, na dann Prosit…

Last edited 2 Stunden her by Johann P.
Diogenes
2 Stunden her

Kein Mensch kauft in D E-Autos. Was soll also diese komische Oper aus Brüssel, Chinas Autos, die die zum Selbstkostenpreis verkaufen mit „Sanktions-Steuern“ zu belegen? Die praktisch sinnlosen Werke, die in D nur auf Halde produzieren und bald oder bereits geschlossen sind haben sich eben als Pleite erwiesen. Die Brüsseler EU-Schmarotzer verhalten sich wie Kinder: „Was, ihr wollt die E-EU-Autos nicht kaufen, – dann wollen wir wenigstens an den paar handvoll importierten Gefährten verdienen, die bei ausgebauter Infrastruktur in China (aber nur da) gerne genommen werden. Sollen sich die EU- Zwangsbeglückten in D doch die Karren in den Garten stellen,… Mehr

89-erlebt
2 Stunden her

Für die Mehrheit der Wahl Schafe reicht es alle mal … zumal die hiesige Autoindustrie bereits zweigleisig unterwegs ist:
Die einen gehen .. die anderen gehen auch und zwar insolvent oder ins AUS.