Wagenknecht pfeift, die CDU spurt

Ein FAZ-Gastbeitrag, der sich liest wie ein bereits mit dem BSW ausgehandeltes Positionspapier: Woidke, Kretschmer und Voigt sind abhängig von Sahra Wagenknecht und ihrer neuen Partei – und geben sich für erstaunliche Zugeständnisse her.

picture alliance / Metodi Popow | M. Popow

Normalerweise würde es ein solcher Text nicht in eine Zeitung schaffen: Was die Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen, Dietmar Woidke (SPD) und Michael Kretschmer (CDU), sowie der Möchtegern-Ministerpräsident von Thüringen, Mario Voigt (CDU), da gerade als FAZ-Gastbeitrag zusammengeschustert haben, ist nämlich beim besten Willen kein schneidig formulierter Essay. Der Titel des Machwerks: „Wir wollen eine aktivere diplomatische Rolle Deutschlands“.

Vielmehr trieft aus jeder Zeile dieses am Donnerstag erschienenen Textes der stilistische Charme eines schlecht ausgehandelten Koalitionsvertrags. Da werden Positionen markiert, dem Gegenüber Zugeständnisse gemacht, dann wieder eigene Standpunkte hervorgehoben, um die Zugeständnisse zu begrenzen. Das alles wird mehr oder weniger sinnfrei aneinandergereiht und am Ende kann jeder aus dem Text das herauslesen, was ihm politisch in den Kram passt. Politik eben, faule Kompromisse eben, Koalitionsabsprachen eben.

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Denn genau darum handelt es sich: Warum nur greifen Woidke, Kretschmer und Voigt (beziehungsweise wohl eher deren Mitarbeiter) nun gemeinsam zur Feder, um sich mit der Ukraine-Frage zu befassen – einmal SPD, zweimal CDU? Zufälligerweise drei Politiker, die gerade Wahlen im Osten geschlagen haben und Ministerpräsidenten bleiben oder es werden wollen. Und die dabei – der Zufall wird immer größer – vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) abhängig sind. Welches wiederum eine klare Positionierung für eine Verhandlungslösung in der Ukraine fordert. Welche sich die drei genannten in dem Gastbeitrag nun zu eigen machen. Zufälle gibt’s!

Einerseits betonen die Autoren im Text den Wert der Freiheit, indem sie gleich zu Beginn den anti-sowjetischen, ergo: anti-russischen Aufstand in der DDR am 17. Juni 1953 ins Feld führen. Sie stellen eine Verbindung zur Gegenwart her, indem sie im Kontext des Angriffs Russlands auf die Ukraine von der „Verteidigung der Freiheit“ sprechen, die „eine neue Aktualität bekommen“ habe. Soweit der CDU-Teil.

Andererseits geben sie dann dem BSW, was es verlangt: Woidke, Kretschmer und Voigt setzen sich im Text „für einen Waffenstillstand und Verhandlungen unter Wahrung der Charta der Vereinten Nationen und im Geist des Budapester Memorandums“ ein. Und betonen: „Die Bundesregierung muss ihre außenpolitische Verantwortung durch mehr erkennbare Diplomatie aktiver wahrnehmen.“ Deutschland solle „stärker als Vermittler auftreten“.

Dann folgt erneut eine Grenzziehung über einen Satz, der zusammenhanglos in den Text gedrückt wird: „Deutschland ist unverbrüchlich Teil der Europäischen Union, der Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, Mitglied der NATO und der OSZE.“ Um dann wieder ein Signal an Wagenknecht zu senden: „Die Pläne für eine Stationierung von Mittelstreckenraketen in den westlichen Bundesländern hätte man besser erklären und breiter diskutieren müssen.“

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Stellenweise liest sich der Beitrag wie ein bereits mit dem BSW ausgehandeltes Positionspapier – als könnte man ihn direkt in die Präambel oder ein entsprechendes Kapitel der Koalitionsverträge in den drei Ländern integrieren. Die im Text nicht explizit Erwähnte, aber offensichtlich Anvisierte zeigt sich denn auch befriedigt: Es sei „ein kluger und differenzierter Beitrag“, sagte Wagenknecht der FAZ. Und gegenüber der dpa lobte sie, der „wichtige“ Text zeige „endlich eine andere Perspektive“ auf.

Die Chefin ist also zufrieden – Wagenknecht pfeift, die CDU spurt. So wie bereits kürzlich geschehen, als Kretschmer und Voigt eine weitere Bedingung Wagenknechts erfüllten, indem sie sie zum persönlichen Gespräch trafen. Auch Woidke hat das bereits getan. Völlig unabhängig davon, wie man zu dem jetzt erschienenen Text inhaltlich steht: Es ist schon bemerkenswert, wie klein sich die Christdemokraten plötzlich gegenüber einer gänzlich neuen Partei machen.

Zumal diese ihre Wurzeln historisch am linken Rand hat. Das ist umso erstaunlicher, wenn man es mit dem Umgang der CDU mit der AfD vergleicht, einer Partei, die Fleisch vom Fleische der Christdemokraten war, als sie gegründet wurde. Statt ihr offen gegenüberzutreten, setzte die CDU in diesem Fall von Anfang an auf Ausgrenzung; an Koalitionen war und ist nicht zu denken. Das Ergebnis ist, dass die Christdemokraten nun umso mehr gegenüber dem BSW buckeln – alles nur, um sich an der Macht zu halten.

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Kommentare ( 13 )

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Parsifal
4 Stunden her

AfD wählen wirkt. Sollen Union und SPD ruhig Männchen machen fürs BSW. Langfristig nützt das nur der Afd, das BSW wird sich schnell entzaubern!

Zefixunsglands
4 Stunden her

Ich habe den Eindruck, daß das alles abgekartetes Spiel ist. Die Altparteien sind alle, ohne Ausnahme auf links gebügelt und unterwerfen sich gerne den marxistischen Richtlinien des BSW. Das Ganze ist n.m.M. ein riesiges Betrugsscenario, da schon lange abgesprochen, am deutschen Volk. Macron und Habeck hocken mit dem Black Rock Chef Larry Fink zusammen. Es fehlen nur noch Merz, Scholz u. Wagenknecht ( Söder und Andere sind zu unbedeutend ), dann kann Deutschland ganz abgewickelt werden.

imapact
4 Stunden her

Die Brandmauer zur AfD scheint mittlerweile so eine Art Obsession der CDU geworden zu sein. Brandmauer und Rückeroberung der Fleischtöpfe das vorrangige Ziel. Die Ukrainefrage wäre auch mit der AfD ein strittiger Punkt. Am liebsten würde die CDU wohl mit den Grünen regieren, was auf eine Fortsetzung der Merkel- und Ampelpolitik mit geringfügigen Änderungen hinauslaufen würde. Der beste Bundesgenosse der CDU sind deren Wähler, die offenbar einfach nicht begreifen wollen/können, daß diese CDU programmatisch mehr ein Annex der Grünen ist als das, was sie aus den Vor-Merkel-Jahren damit verbinden.

Laurenz
4 Stunden her

Die Deutsche Geschichte ist wirklich mißlich. Wenn man den 17. Juni anführt, kann man auch den Polen-Feldzug im II. Weltkrieg anführen, der immerhin nach erfolglosen Verhandlungen mit der Polnischen Militärdiktatur um die Rückgabe illegal okkupierter Deutscher Territorien geführt wurde. Eine historisch Begründung ist nämlich gar keine Problem. Immerhin waren Tschechei & Polen schon immer Teil des I. Deutschen Reichs.

norbertb783
4 Stunden her

Es bewahrheitet sich wieder einmal, daß wer eine bürgerlich, konservative Politik haben möchte und die Union wählt, erhält wahweise linke und/oder grüne Politik. Unvereinbarkeitsbeschluß hin oder her. Das wird sich wohl erst ändern, wenn dafür die Mehrheiten nicht mehr reichen und bis dahin geht es mit Deutschland abwärts.

elly
4 Stunden her

Also ich habe gelesen, dass die Mehrheit der CDU Landeschefs auf eine Koalition mit den Grünen drängen.

AlNamrood
4 Stunden her

Sie satteln das Pferd falsch auf. Das BSW ist ein länger geplantes Mittel zu Bekämpfung der echten Opposition, der AfD. Die Vorgänge die wir jetzt beobachten waren schon lange vorher abgesprochen. Die CDU spurt nicht weil das BSW so wichtig ist, sie spurt weil es im Hinterzimmer so abgesprochen wurde. Man muss unserer Politik grundsätzlich Böswilligkeit und Absicht unterstellen, sonst hat man den Schuss nicht gehört.

Das wirklich traurige an der Situation ist, dass es genug Wähler gab die sich alten kommunistischen DDR-Wein in neuen Schläuchen haben andrehen lassen.

Der Ingenieur
4 Stunden her

Und damit wäre wieder einmal bewiesen, dass der visionäre Erich Honecker recht behielt, als er am 14.8.1989 im thüringischen Erfurt klar herausstellte:

Den Sozialismus in seinem Lauf, halten weder Ochs noch Esel auf!

Last edited 4 Stunden her by Der Ingenieur
Dundee
4 Stunden her

Wagenknecht ist die neue Merkel, nur hübscher anzuschauen. Dass Wagenknecht plötzlich eine solche Macht entfalten kann, zeigt das mehr hinter Wagenknecht steckt als nur eine neue Partei. Woher hat sie all die Macht? Gründet eine neue Partei und bekommt aus dem Stand genügend Stimmen um mehrere Bundesländer zu dirigieren, eher diktieren?
Als erstes wäre ich mal dafür die Wahlzettel der letzten drei Wahlen neu auszuzählen. Das alles läuft viel zu glatt. Da muß gewaltig etwas faul sein.

Klaus D
4 Stunden her

CDU und SPD buckeln vorm BSW….na ja sieht man es von der anderen seite wird sich das BSW anpassen müssen und das wird es. Das ist den grünen doch auch passiert! Man hat sich immer mehr angepasst und so seine sache verraten siehe grüne jugend und austritte. Im grunde sieht man das jetzt schon denn frau Wagenknecht greift auch die extrem üppigen und ungerechten diäten als MdB voll ab. Folge ich der logik von frau Wagenknecht müsste diese als extrem linke auf mindestens 50% dieser extrem üppigen und ungerechten diäten als MdB verzichten – tut sie aber nicht.