Na also: Geht doch!

Während in Thüringen die Fetzen fliegen, bestätigt der Sächsische Landtag den AfD-Vizepräsidenten. Es ist die SPD, die drei Wahlgänge braucht, um ihren Vertreter durchzusetzen. An Spitzen gegen die AfD mangelt es aber auch in Dresden nicht.

picture alliance/dpa | Robert Michael

Man wundert sich ja mittlerweile selbst, worüber man sich mittlerweile wundert: zum Beispiel darüber, dass sich der Sächsische Landtag am Dienstag völlig geräuschlos und unter angemessener Einbindung der AfD konstituiert hat – und dass, nachdem die etablierten Parteien durch ihre Ausgrenzungspolitik gegenüber der AfD in der vergangenen Woche in Thüringen noch ein regelrechtes Konstituierungschaos mitverantwortet hatten.

Diese Vorgänge waren zwar auch in Dresden am Dienstag präsent: Vertreter von SPD und Grünen behaupteten, die AfD sei „zutiefst antidemokratisch gesinnt“ beziehungsweise habe einen „Putsch“ in Thüringen versucht. Trotzdem herrschte insgesamt ein gänzlich anderes Klima, was sich vor allem bei der Wahl des Parlamentspräsidiums zeigte.

In Thüringen hatten die etablierten Parteien der AfD zunächst den ihr als stärkster Fraktion eigentlich zustehenden Posten des Parlamentspräsidenten vorenthalten. Dann ließen sie die AfD-Kandidatin auch noch bei der Wahl zum Vizepräsidenten durchrauschen. In Sachsen bestand das Problem des Präsidentenposten von vornherein nicht, weil die CDU stärkste Kraft geworden war. Ihr Kandidat wurde dann auch umstandslos gewählt.

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Anders als in Thüringen wählte der Landtag aber auch sofort und ohne Probleme den AfD-Kandidaten André Wendt zu einem Vizepräsidenten des Parlaments. Er konnte gleich im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit von 84 der insgesamt 120 Abgeordneten hinter sich vereinen. CDU und AfD verfügen insgesamt über 81 Sitze. Wenn man annimmt, dass AfD und Christdemokraten geschlossen für Wendt gestimmt haben, muss er also noch zusätzlich Stimmen von mindestens einer anderen Fraktion erhalten haben, mutmaßlich vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).

Nach seiner Wahl kamen mehrere Abgeordnete zu Wendt und gratulierten ihm. Von Union und BSW erhielt er einen Blumenstrauß. BSW-Co-Landeschef Jörg Scheibe gab Wendt gleich noch einen schon fast freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. Vertreter von SPD, Linken und Grünen blieben indes auf ihren Plätzen sitzen.

Wendt war bereits in der vergangenen Wahlperiode Vizepräsident gewesen, 2019 allerdings erst im dritten Wahlgang mit nur 50 Stimmen gewählt worden. Im Vorfeld der konstituierenden Sitzung hatte die Leipziger Volkszeitung angemerkt, er habe sich seitdem „wenig zuschulden kommen lassen“ und die anderen Fraktionen würden bemerken, „dass Wendt gegen die AfD regelmäßig durchgriff“. Auch in anderen Landesparlamenten gab es bereits Vizepräsidenten von der AfD; in Brandenburg bis zur jüngsten Wahl. Ob auch der neue Landtag in Potsdam einen AfD-Kandidaten wählen wird, ist offen.

Bemerkenswert: Im Gegensatz zum AfD-Kandidaten zunächst nicht gewählt wurden im Sächsischen Landtag die Kandidaten von BSW und SPD. Der BSW-Kandidat brachte es erst im zweiten Wahlgang auf eine Mehrheit von 71 Stimmen. Der SPD-Vorschlag kam sogar erst im dritten Wahlgang auf die erforderliche Mehrheit, wenngleich er mit 60 Abgeordneten selbst da nicht die absolute Mehrheit des Landtages von sich überzeugen konnte. AfD-Fraktionschef Jörg Urban gratulierte auch dem SPD-Vizepräsidenten, während die Sozialdemokraten den gewählten AfD-Vize zuvor ignoriert hatten.

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Die SPD bekam den Posten überhaupt nur, weil der Landtag vorab die Geschäftsordnung geändert hatte. Die hatte nämlich ursprünglich nur drei Vizepräsidenten vorgesehen, womit nur CDU, AfD und BSW bedient gewesen wären. Dass es nun vier Vizepräsidenten brauche, begründeten die Sozialdemokraten mit der „Repräsentanz dieses Hauses“. Dieses Argument scheint für die SPD allerdings dann nicht zu gelten, wenn es darum geht, der AfD ihre Beteiligung am Parlamentsalltag vorzuenthalten.

Eingebunden worden war die AfD auch bei der Ausarbeitung der neuen Geschäftsordnung. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion erklärte, er habe „alle Fraktionen in guter parlamentarischer Tradition zum Gespräch eingeladen und alle Fraktionen sind dieser Einladung gefolgt“: „Die Diskussion war konstruktiv, vielen Dank dafür.“ Damit zeige man den Menschen, wie gute Politik funktionieren könne: „Gemeinsam auf Augenhöhe diskutieren, niemanden ausschließen und am Ende mit einer Mehrheit beschließen“.

Zwar stimmte die AfD der Geschäftsordnung am Ende nicht zu, sondern enthielt sich. Zudem wurden alle ihre Änderungsanträge von den anderen Fraktionen, auch der CDU, niedergestimmt. Allerdings erkannte auch ihr Parlamentarischer Geschäftsführer die konstruktive Atmosphäre bei der Ausarbeitung der Geschäftsordnung an: „Anders als zu Beginn der letzten Wahlperiode kann aus unserer Sicht dieses Mal tatsächlich von einer Diskussion gesprochen werden – eine Diskussion, welche diese Bezeichnung auch verdient.“

Ganz ohne Stich gegen die AfD ging es allerdings nicht vonstatten: Mit der neuen Geschäftsordnung wurde unter anderem die Notwendigkeit von Zwei-Drittel-Mehrheiten an einigen Stellen aufgehoben. So reicht künftig eine qualifizierte einfache Mehrheit, wenn Ausschussgrößen verändert werden sollen. Dazu muss man wissen, dass die AfD in Sachsen durch ihr starkes Wahlergebnis zwar nicht alleine, aber gemeinsam mit einem Einzelabgeordneten der Freien Wähler die Macht hat, Zwei-Drittel-Mehrheiten zu blockieren.

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Kommentare ( 14 )

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GefanzerterAloholiker
3 Stunden her

wie süß. Putin ließ über seinen Sprecher ausrichten, er habe keine Themen , über die er mit dem Kanzler Olaf sprechen könnte. Er ließ den Sprecher begründen, was damit gemeint ist. Er ließ den Sprecher begründen, das Deutschland die Schuld daran trägt.
Putin lässt ausrichten, dass Olaf Scholz und seine Regierungshampel eine Bande unqualifizierte Phantasten sei, die den Blinddarm der US Hegemonie mit Einsatz abbilden wollen.
Das ist so heftig. Olaf Scholz hat offensichtlich jede Selbstachtung verloren. Er ist der gelebte Skanda.
Was hier mit dem Verhältniswahlrecht gebogen wird, ist nicht weniger skandalös.
>>Na also: Geht doch!<< Komplett naiv.

Last edited 2 Stunden her by GefanzerterAloholiker
littlepaullittle
3 Stunden her

Der ganz normale Umgang unter Parteien wird inzwischen schon zur Sondermeldung.
Danke, FrauHerr MerkelScholzetc.
Mal sehen, ob die ARD&ZDF jetzt den heiligen Krieg gegen AfD ausrufen.

Cabanero
3 Stunden her

Ich denke mal, die Wahl des AfD.Kandidaten durch die CDU war ein Signal der CDU an SPD und vor allem BSW; bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen nicht übermütig zu werden. Wenn die CDU will, gibt es für sie keine Brandmauer.

Lafevre
3 Stunden her

Glückwünsche gehen raus an Sachsen.

ceterum censeo
4 Stunden her

WAS für eine gesalzene Ohrfeige an diese CDU-Dilettanten und ihre Claqueure in Thüringen!

Harry Charles
4 Stunden her

DEN MARSCH DURCH DIE INSTITUTIONEN, der bei den Linksradikalen, begonnen mit den „68-ern“, jetzt durch den Niedergang von Linksgrün gerade seinen Abschluss findet, den muss die AfD erst noch gehen. Und es sieht gut aus. Pressewirksam sind immer nur die Bereiche Bundestag und Landtage, aber wo die Presse nicht hinschaut, das sind die vielen Kreistage und Stadträte. Und hier hat die AfD schon überall eine Menge Leute – dort gibt es auch die infame „Brandmauer“ (mit der die CDU quasi gegen ihre eigenen Gene vorgeht) nicht mehr. Den Siegeszug der personell durchweg hervorragend besetzten und programmatisch untadeligen AfD wird das… Mehr

Nicolai94
3 Stunden her
Antworten an  Harry Charles

Der Punkt, an dem Die AfD wieder einfach so Verschwinden kann ist lange überschritten.

Holger Wegner
3 Stunden her
Antworten an  Harry Charles

Naja, auf Kommunalebene bin ich da nicht unbedingt sicher. Da war man oft froh, wenn sich irgendjemand aufstellen lässt, mit einer Wahl hat man oft gar nicht gerechnet. Hier lokal sind die Ideen dann oft eher nahe BSW.

Last edited 3 Stunden her by Holger Wegner
Europafriend
4 Stunden her

So, nun habt ihr den Salat, nämlich, dass nichts passiert, was die einzig wahren Demokraten uns schon seit Jahren einblasen wollen:
– keine Fackelzüge mit ausgestrecktem rechten Arm
– kein Antrag für ein Ermächtigungsgesetz
– keine Rassengesetze … und und.
Sie fürchten sich davor, dass ihre Propaganda der Lüge überführt wird.

K.Selberdenker
3 Stunden her
Antworten an  Europafriend

Es ging nie gegen die AfD sondern gegen den Bürger ,den Pöbel der meint einfach so die Feudalherren und Damen von ihren ,durch das Geburtsrecht zustehenden Futtertrogen, einfach so abwählen zu lassen.
Die Mär von den Sozis aus grauer Vorzeit sollte den Pöbel von den Straßen und unter dem Stiefel halten, wie mit der Ursünde in der Kirche.

Europafriend
2 Stunden her
Antworten an  K.Selberdenker

Die „Feudalherren“ von heute haben die Geschichte der sozialen Kämpfe der letzten 170 Jahre eingehend studiert: Alles musste von unten ertrotzt werden. Nichts wurde geschenkt – weder die Begrenzung der Arbeitszeit noch Gesundheits- und Rentensystem, und die Kinderarbeit würde esl ohne Kampf immer noch geben, und, und, und. Gibts noch ernst zu nehmende Streiks? Wäre ja noch schöner. Lieber wird gespalten und zersplittert durch Propaganda.

bkkopp
4 Stunden her

Nach allen Debatten die es zum Thema Thüringen schon gab ist es mehr als fragwürdig, dass der stärksten Fraktion ein Amt “ zusteht „. Sie hat ein prioritäres Vorschlagsrecht, der/die Vorgeschlagene muß dann aber immer noch von einer Mehrheit gewählt werden. Wenn eine solche nicht zustande kommt, dann ist der Vorschlag abgelehnt. Dies kann auch sehr viel mit der Person zu tun haben. Genau dies scheint in Thüringen der Fall zu sein. Eine große Zahl von LT-Abgeordneten scheint der Meinung zu sein, dass die von der AfD nominierte Person wegen einer Vorgeschichte überhaupt nicht im LT, oder in irgend einem… Mehr

Wilhelm Roepke
4 Stunden her

Ohne Nickligkeiten scheint es einfach nicht zu gehen. Immerhin ein winziger Fortschritt.

Mausi
4 Stunden her

hoffentlich macht sachsen schule. die brandmauer ohne rücksicht auf sachentscheidungen geht mir unendlich auf den keks. d hat wahrlich andere probleme, als mobbing von angeblichen nazis.