CDU, Linke, SPD und Grüne wollen potenzielle Wähler einschüchtern

Das Verfassungsgericht wird frühestens in drei Jahren über ein Verbot der AfD entscheiden. Trotzdem würde das Verfahren den Wahlkampf im kommenden Jahr verändern – spannend ist dabei die Rolle des Verfassungsschutzes.

picture alliance/dpa | Christoph Soeder
Symbolbild: Leere Sitze der AfD-Fraktion im Bundestag

Ein Filmteam dreht derzeit in der Berliner Großgörschenstraße. Hunderte Anwohner sind unmittelbar betroffen, weil Hilfskräfte des Teams Fußgängern verbieten, die Kreuzung zur Katzlerstraße zu betreten. Das dürfen sie nicht. Die Anwohner haben jedes Recht zu passieren. Doch die Hilfskräfte tragen gelbe Westen, sehen damit offiziell aus, und das genügt der vorwiegend deutsch-türkischen Nachbarschaft, sich einschüchtern zu lassen und den Anordnungen Folge zu leisten.

So in etwa funktioniert der Verbotsantrag gegen die AfD. Zumindest soll er so funktionieren, wenn es läuft, wie seine Initiatoren geplant haben. Dabei handelt es sich um eine Koalition aus Abgeordneten der CDU, Linken, Grünen und SPD. Erhält ihr Antrag im Bundestag eine einfache Mehrheit, geht er vor das Verfassungsgericht in Karlsruhe – unter Leitung von Stephan Harbarth (CDU). Das Gericht würde erfahrungsgemäß etwa vier Jahre benötigen, um zu einer Entscheidung zu kommen. Entscheidet das christdemokratisch geführte Gericht im Sinne der Antragsteller, hätten die Christdemokraten juristisch das Ziel erreicht, das sie politisch verfehlt haben: keine Partei rechts der CDU zuzulassen.

Vier Jahre würde ein Verfahren dauern. Für die Bundestagswahl im September 2025 ändert sich also nichts. Formell. Denn inhaltlich würde ein Verbotsverfahren sich durchaus auf den Wahlkampf auswirken. Klappt der Plan der Antragsteller von CDU, Linke, Grüne und SPD, dann gibt es einen Effekt, wie er aktuell in der Berliner Großgörschenstraße zu beobachten ist: Die Bürger halten sich freiwillig an das, was sie für Autorität halten – auch wenn sich dahinter nur eine Hilfskraft in einer gelben Weste verbirgt.

Journalistische Hilfskräfte in gelben Westen arbeiten für den Spiegel. Sie haben jetzt mit der Idee gedroht, AfD-Wähler um die berufliche Existenz zu bringen. Selbst schreibt der Spiegel gegen rechte Theorien an, wonach die Wahlen weder geheim noch regulär abliefen – verbreitet jetzt aber indirekt oder zumindest in der Wahrnehmung des Lesers die Erzählung, dass sich Stimme und Wähler im Nachhinein miteinander verbinden ließen, was zu entsprechenden Konsequenzen führen würde. Im „Kampf gegen Rechts“ bestärkt der Spiegel eine rechte Erzählung. Es ist wie so oft: Was gegen Rechts gerichtet sein soll, hilft den Rechten im Aufstieg.

Fraktionsübergreifender Antrag
Abgeordnete bringen Bundestagsantrag für AfD-Verbotsverfahren ein
Doch ein Verbotsverfahren könnte durchaus bestärken, was es ohnehin gibt: eine Furcht davor, die AfD zu unterstützen. Schon jetzt verlieren Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes ihre Stelle oder schließen Pfarrer Gemeindemitglieder aus, wenn die sich zu einer entsprechenden politischen Haltung bekennen. Ein Verbotsverfahren könnte die Angst bestärken. Zumal zeitgleich Vertreter der gleichen Koalition aus CDU, Linke, Grüne und SPD ein Verbot von Medien und Plattformen wie X fordern. Traut sich bald keiner mehr, die AfD zu wählen?

Möglich. Ebenso möglich ist aber der exakt gegenteilige Effekt: Das Warnen vor der AfD hat sich verbraucht. Das haben jüngst die drei Landtagswahlen im Osten gezeigt. Es gibt durchaus genug Menschen, die begreifen, dass Gruppenvergewaltigungen oder Messerattacken genauso wenig in der Verantwortung der einzigen Partei liegen, die hinter der „Brandmauer“ konsequent in der Opposition gehalten wird, wie die Schwäche der deutschen Wirtschaft, der massenhafte Verlust von Arbeitsplätzen sowie das Abwandern oder Schließen von Unternehmen.

Das Verbotsverfahren könnte sich auswirken wie das Verbot, den Alkoholschrank der Eltern zu plündern: Je lauter das Verbot beschrien wird, desto interessanter wird das Ziel. Zumal die Antragsteller ebenfalls unwillentlich eine rechte Erzählung verbreiten. Nämlich die, dass es eine Allparteienkoalition von eben mindestens CDU, Linke, Grünen und SPD gebe. Zu der gehören eigentlich noch FDP und Bündnis Sahra Wagenknecht, auch wenn die sich an dem Verbotsantrag gegen die AfD vorerst nicht beteiligen. Diese Allparteienkoalition als Bund der „Kartellparteien“ zu benennen, trauen sich selbst viele rechte Vor- und Nachdenker nicht. Wenn CDU, Linke, Grüne und SPD so offen zusammenarbeiten, um den erfolgreichen Konkurrenten loszuwerden, wird der Begriff am Ende doch noch einmal gesellschaftsfähig.

Wahl in Brandenburg
SPD vor der AfD
Die Abgeordneten der CDU, Linken, Grünen und SPD festigen das Bild: alle zusammen gegen die AfD. Dieses hat in Brandenburg die Wahl entschieden, zugunsten des Amtsinhabers Dietmar Woidke (SPD). Aber halt auch zugunsten der AfD, die mit Hilfe dieser Polarisierung stärker wurde. Das Verbotsverfahren wird daher nicht helfen, die AfD in der Bundestagswahl unter 20 Prozent zu halten – sondern es hilft der Partei, locker über diese Hürde zu kommen.

Offen ist, wem die Polarisierung auf Seiten der Allparteienkoalition nützt. Woidke hat seinen Verbleib im Amt mit einem Sieg der SPD über die AfD verknüpft. Das war möglich und erfolgreich, weil der Ministerpräsident Brandenburgs beliebt ist. Olaf Scholz (SPD) ist hingegen laut Umfragen der unbeliebteste Regierungschef aller demokratisch regierten Länder. Also ist es auch möglich, dass CDU/CSU von einer Polarisierung aller gegen die AfD profitieren. Das von christdemokratischen Abgeordneten angeschobene Verfahren könnte seinen Beitrag zu diesem Effekt leisten.

Bliebe noch ein unbeachteter oder falsch beachteter Faktor im Verbotsverfahren: der Verfassungsschutz. Seine bisherige Rolle ist offensichtlich: Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und die Länder missbrauchen den Inlands-Geheimdienst, um politische Gegner zu bekämpfen. Unter der Führung eines Christdemokraten, Thomas Haldenwang, lässt der Inlands-Geheimdienst sich auch missbrauchen. Etwa durch das Aussprechen von Warnungen. Oder durch Beobachtungen der Geldströme und Aktivitäten des politischen Gegners, deren Ergebnisse dann zufällig als Ergebnisse von Recherchen der staatlichen und staatsnahen Medien auftauchen.

Doch im Verbotsverfahren gegen die NPD hat der Verfassungsschutz eine ganz andere Rolle gespielt: 2003 scheiterte ein erster Anlauf am Verfassungsschutz. Der hatte so viele V-Leute in der Rechtsaußen-Partei, dass es kaum noch Zeugen gab, die nicht für den „Verfassungsschutz“ arbeiteten. Wäre das Verfahren nicht abgebrochen worden, hätte der Inlands-Geheimdienst all seine Mitarbeiter auffliegen lassen müssen. Damit hätte er seine Erkenntnisse über die rechte Szene verloren. Das wäre aber nur der kleinere Effekt gewesen.

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Der größere Effekt wäre ein anderer gewesen. Eine Erkenntnis hätte sich verbreitet, von der ein Bürger sich wünschen sollte, dass sie nur eine Verschwörungstheorie wäre: Die vermeintlich gefährlichste rechtsextreme Partei Deutschlands war im Wesentlichen in der Hand von Mitarbeitern des Inlands-Geheimdienstes. Die Allparteienkoalition von CDU, Linke, SPD, FDP und Grünen hat millionenschwere Programme gegen die rechte Gefahr beschlossen, die aber im Wesentlichen aus Mitarbeitern des Verfassungsschutzes bestand. 2017 scheiterte das zweite Verbotsverfahren daran, dass die NPD keine relevante Rolle mehr spielte. Ohne die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes und deren Geld implodierte die rechte Gefahr.

Dieselbe Institution soll nun die Rolle des Kronzeugen spielen, wenn es darum geht, der Allparteienkoalition aus CDU, Linken, SPD, Grünen und FDP einen unangenehmen politischen Gegner vom Hals zu schaffen. Auch damit verbreitet der Inlands-Geheimdienst wieder eine rechte Erzählung, spielt damit „den Rechten“ in die Hände und sorgt dafür, dass in der Polarisierung viele Wähler sich zugunsten der AfD entscheiden.

Das implodierte Verbotsverfahren gegen die NPD endete 2017 damit, dass diese das Geld aus der Parteienfinanzierung verlor. Da die NPD seinerzeit kaum noch gute Ergebnisse bei Wahlen erzielte, handelte es sich um überschaubare Summen. Doch im Fall der AfD – laut Umfragen zweitstärkste Kraft im Bund – ginge es um hohe Millionenbeiträge. Die Allparteienkoalition aus CDU, Linken, SPD, Grünen und FDP hat sich eine großzügige Finanzierung über den Steuerzahler geschaffen, mit dem sie ein Heer von zehntausenden „wissenschaftlichen Mitarbeitern“ – oft ohne wissenschaftlichen Abschluss – bezahlt. Da die Wahlergebnisse ein wichtiger Schlüssel zur Verteilung des Geldes sind, langt die AfD nun auch massiv in diesen Fleischtopf.

Hat das Verbotsverfahren keinen finalen Erfolg, so will die Koalition aus CDU, Linken, Grünen und SPD doch mit diesem Schritt die AfD von diesem Fleischtopf fernhalten – und den Fleischtopf so für sich allein behalten. Genauso wie es die gleiche Koalition in Thüringen und anderen Landtagen mit den Posten in den Präsidien der Parlamente hält. Der „Kampf gegen Rechts“ ist nicht nur ein Bemühen der Allparteienkoalition, einer rechten Partei keinen Einfluss zukommen zu lassen. CDU, Linke, SPD, Grüne und FDP versuchen mit dem „Kampf gegen Rechts“ auch, Konkurrenten von den eigenen Fleischtöpfen wegzuhalten. Schlimm genug, aus ihrer Sicht, dass sich nun schon das Bündnis Sahra Wagenknecht daran bedient.

Einen Durchmarsch der AfD zur absoluten Mehrheit im Bund wird es 2025 nicht geben. Selbst die Sperrminorität eines Drittels der Sitze ist ein ambitioniertes Ziel. Das Verbotsverfahren trägt gleichermaßen dazu bei, die AfD zu stärken, wie, sie unter einer relevanten Größe zu halten. Das befördern auch die Staatsmedien: ARD und ZDF werden im Wesentlichen von älteren Menschen geschaut, die Älteren waren es auch, die in Brandenburg die SPD vor der AfD gehalten haben. Bei ihnen verfängt also deren Propaganda. Die würde befeuert durch ein Verbotsverfahren auf Hochtouren laufen – das ist die sicherste aller Prognosen.

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Kommentare ( 39 )

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Ohanse
1 Stunde her

Die Älteren, die noch auf Altparteien und deren Propaganda hereinfallen, verlieren gerade den Kampf gegen die Zeit. Einer nach dem anderen, Tag für Tag. 75.000 bis 80.000 jeden Monat. Jeder kann der Nächste sein. Die nachfolgenden Älteren, die jetzt bereits AfD wählen, haben dagegen keinen Grund, damit aufzuhören.

Last edited 1 Stunde her by Ohanse
Dieter Rose
1 Stunde her

Wenn mir das jemand in meiner lang zurückliegenden Jugendzeit gesagt hätte – ich hätte ihn für verrückt erklärt.
Wie kommen Leute aus unserer Erziehungsumwelt, egal wie lange sie zurückliegt, dazu solche Gedanken zu hegen?

Cimice
2 Stunden her

„… verbreitet jetzt aber indirekt oder zumindest in der Wahrnehmung des Lesers die Erzählung, dass sich Stimme und Wähler im Nachhinein miteinander verbinden ließen“ – Bei Briefwählern ist dies tatsächlich nicht ausgeschlossen, theoretisch möglich. Deswegen sollte man nie Briefwahl machen, jedenfalls dann nicht, wenn man sich noch bewegen kann.

Dietrich
2 Stunden her

Selbst die Sperrminorität eines Drittels der Sitze ist ein ambitioniertes Ziel.
Und wenn es erreicht wird, ändert die Nationale Front die Gesetze. Geht doch alles. Niemand jammert, siehe Thüringen.

Cimice
2 Stunden her

Ich halte es für extrem wichtig, diese Parteien dazu zu bringen, dass sie bereits jetzt ihre Kritikpunkte an der AfD vortragen. Nichts ist schlechter als dieses Unterschwellige, Nebulöse. Sollen sie konkret sagen, warum ihrer Ansicht nach die AfD verfassungsfeindlich sein soll. „Gesichert rechtsextrem“ allein überzeugt nicht. Wer aber gesichert bereits Grundgesetz-Artikel ausser Kraft gesetzt hat und sich damit als wenig verfassungstreu bewiesen hat, wissen wir seit 2015, spätestens aber seit Corona.

Armin Reichert
2 Stunden her

Ich weiß nicht so genau, was es ist, aber was es nicht ist, weiß ich zu 100%: Demokratie.

Alter Schwede2222
2 Stunden her

Mich alten Mann beeindruckte weder das Schauermärchen über Potsdam, noch die inszenierten Demos gegen Rechts. Genau das Gegenteil haben sie bei mir und vielen anderen erreicht.
So wird es auch bei einem Verbotsverfahren sein.
Nur wenn ich mir die „Fieberkurve“ der AfD bei INSA anschaue, seit Mitte 2023 immer über 20 %, bis es im Februar 2024 zu bröckeln begann, Tiefstwert am 15.5.2024 15,5 %, hat der Dauerbeschuss seit Potsdam schon Wirkung gezeigt.
Wie kann es sein, dass so viele Menschen immer noch den „Bückling“ machen, wie Herr Habeck einst vor dem Emir von Katar.

Last edited 2 Stunden her by Alter Schwede2222
Peer 70
2 Stunden her

Ich hoffe, dass sich die demokratisch agierende Bürger von diesem Untergangsszenario der Merkel-Zombies und diese linken Totalstatisten nicht beeindrucken lassen. Nach solchem Verhalten der vorangegangenen Wahlen in: Sachsen, Thüringen und Brandenburg, sollte man, den Souverän im Lande daran erinnern, dass nach Artikel: 20 GG alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht und somit auch in den Wahlen und deren Abstimmungen. Die AfD-Partei, die den stärksten Zuwachs seit Jahren im Lande und auch in 14 Landtagen zu verzeichnen hat, steht somit auf dem Boden des Grundgesetzes. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, dass auch ein Bundesverfassungsgericht sich nicht dazu hergibt, solche Vorgehensweise eventuell zu… Mehr

Gert Lange
2 Stunden her

Wer sind denn diese beflissenen Bundestagsabgeordnete namentlich?

Evero
2 Stunden her

Ja,ja wir müssen uns selber schaden, weil wir die AfD verhindern müssen.
Ob CumEx-Scholz oder BlackRock-Merz. Jacke wie Hose. Es geht wirtschaftlich, gesellschaftlich, mit innerer und äußerer Sicherheit bergab mit Deutschland.
Die tragenden Säulen des deutschen Wohlstandes werden von einer Ideologiesekte unterminiert.
Warum? Weil diese Politiker und ihre Parteien das so in die Wege geleitet haben und es weiter tun. Die Alternative soll nun ausgerechnet das Problem sein?