Das Bürgergeld pulverisiert den Entwurf für den Haushalt der Ampel

Finanzminister Christian Lindner hat Ausgaben niedrig und Einnahmen hoch gerechnet. Diesen Vorwurf hat TE schon häufiger publiziert. Nun gibt es dafür offenbar Belege aus dem Arbeitsministerium von Hubertus Heil.

IMAGO / Bernd Elmenthaler

Christian Lindner (FDP) hat am Montag der Ampel Bedingungen gestellt. Zum Beispiel müsse sie einen seriösen Haushalt beschließen, der Investitionen ermögliche und die Bürger entlaste. Sonst passiere etwas. Was das genau sei, hat Lindner offengelassen. Der Finanzminister benutzte das Wort „Mut“, um sich um eine klare Aussage rumzudrücken. Jedenfalls stehe nun ein „Herbst der Entscheidungen“ bevor, in denen SPD und Grüne Lindners Erwartungen erfüllen müssten. Etwa einen seriösen Haushalt ermöglichen. Doch den wird es nicht geben. Der „Herbst der Entscheidungen“ ist schon beendet – Kinder, wie die Zeit vergeht.

Schuld ist das Bürgergeld. Dessen Kosten veranschlagen Lindner und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) mit 36 Milliarden Euro für das nächste Jahr. Das kann nicht stimmen, monierten Medien wie TE und mehrere Experten. Darunter die des Bundesrechnungshofes. Sie hatten Recht, wie nun ein Papier zeigt, das aus dem Arbeitsministerium heraus der Bild zugespielt wurde. Demnach rechnen Heil und seine Mitarbeiter intern mit 46 Milliarden Euro Ausgaben. Sie unterschlagen also mehr als zehn Milliarden Euro erwarteter Kosten.

Lindner ist damit von einem seriösen Haushalt so weit entfernt wie die FDP Brandenburg von der Fünf-Prozent-Hürde: Seinen Entwurf für 2025 soll der Bundestag im November beschließen. Er beruht schon jetzt auf rund 50 Milliarden Euro neuer Schulden, so viel wie die Verfassung geradeso zulässt. Auf „globale Minderausgaben“ von 12 Milliarden Euro. Geld, das die Ampel also einsparen muss, ohne zu wissen, wie. 6 Milliarden erwartet Lindner aus den Folgen einer „Wachstumsinitiative“, zu der bisher noch kaum ein belastbarer Entwurf vorliegt. Die Entwürfe, die es gibt, sehen indes Gesetze vor, die erst 2028 in Kraft treten, aber sich schon 2025 auswirken sollen. Dazu kommen „Kredite“ an die Bahn von rund 4 Milliarden Euro, die diese voraussichtlich nie zurückzahlen wird – die folglich Zuschüsse sind.

Nun noch die 10 Milliarden Euro aus dem Bürgergeld. Lindners Haushalt ist damit um fast 20 Prozent unterfinanziert. Würde der Finanzminister ernst nehmen, was er sagt, müsste er an diesem Dienstag den „Herbst der Entscheidungen“ ebenso beenden wie die Ampel. Eine seriöse Haushaltspolitik ist mit SPD und Grünen nicht zu machen. Zumal selbst Heils interne Rechnung von 46 Milliarden Euro von gleichbleibenden Zahlen im Bürgergeld ausgeht. Doch die Zahl der Bezieher ist zuletzt gestiegen. Da zeitgleich die Zahl der Arbeitslosen hochgeht, die Zahl der freien Arbeitsplätze zurück und die Wirtschaft schrumpft, ist es eher wahrscheinlich, dass die Zahl der Empfänger von Bürgergeld weiter steigt – statt sinkt.

Soweit der praktische Aspekt. Doch ausgerechnet die Ampel, die sich selbst gerne als „seriöse Demokraten“ von der Opposition abgrenzt, zeigt hier eine erstaunliche Moralvorstellung: Die 46 Milliarden Euro Ausgaben fürs Bürgergeld wären verfassungswidrig? Dann behaupten wir einfach, es seien nur 36 Milliarden Euro. Würde ein privater Unternehmer so handeln, würde er mit einem Bein im Knast stehen – wegen Insolvenzverschleppung. Eine Bundesregierung, die der Opposition gerne vorwirft, sie verbreite die Erzählungen von Putins Russland, liefert hier selbst eine Erzählung frei Haus, die sich nicht mal der russische Diktator besser ausdenken könnte.

Auffällig ist, dass das Papier aus dem Arbeitsministerium der Bild zugespielt wurde. Entweder kommt es von einem frustrierten Mitarbeiter, was eine plausible Möglichkeit ist. Es gibt aber noch eine andere: Das Finanzministerium ist ein Spiegelministerium. Das heißt: Es beschäftigt sich auch mit den Inhalten anderer Ministerien. Diese müssen daher Unterlagen, die für den Haushalt relevant sind, Lindners Haus zur Verfügung stellen.

Es ist also auch möglich, dass dieses Papier aus Lindners Umfeld der Bild zugespielt wurde. So könnte er dokumentieren, dass sein Haushalt zwar unseriös ist, aber dies die Schuld der SPD-Minister sei. Diese Theorie hört sich unplausibel an, weil ein solches Vorgehen wirr und kaum Erfolg versprechend wäre? Jein. Ja, stimmt. Aber, dass es wirr und kaum Erfolg versprechend ist, heißt noch lange nicht, dass Christian Lindner es nicht tun würde. Die 0,83 Prozent in Brandenburg kommen schließlich nicht aus dem Nichts.

Die Bild war zuletzt der letzte Verbündete der FDP. Das Flaggschiff aus dem Verlag von Mathias Döpfner hat immer wieder versucht, die trudelnde Partei publizistisch zu stützen. Am liebsten kurz vor Wahlen. Entweder ist Bild von Lindner abgesprungen und macht deutlich, wie wenig von dessen „Herbst der Entscheidungen“ zu erwarten ist. Oder sie folgt ihm auf seinen wirren und wenig Erfolg versprechenden Pfaden. Wer sich die Auflagenzahlen der Bild in den letzten Jahren anschaut, kann auch das nicht mehr gänzlich ausschließen.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 41 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

41 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Alf
48 Minuten her

Bilder sagen mehr als Worte.
Bilder baruchen wir nicht
Und die FDP ist mir wurscht.
Geht endlich.
Es ist eine Schande.

S.Hartmann
54 Minuten her

Hans-Dietrich Genscher und Guido Westerwelle drehen wahrscheinschlich 360- Grad- Rollen in ihren Gräbern. Herr Lindner wird diese „Deutschland-Vernichtungs-Koalition“ nicht vorzeitig beenden. Die „Kohle“ aus Abgeordneten- und Ministergehältern und die Pensionsansprüche müssen mitgenommen werden! Denn, nach dieser Legislaturperiode wird sich die FDP unter „sonstige Parteien“ in den Umfragen wiederfinden – 0,4% oder so. Da braucht es ein fettes finanzielles Polster. Diese ReGIERung ist die gefährlichste Regierung seit 1945, denn sie hat kein Interesse dem Wohl des Volkes zu dienen, sie hat die Macht und das Ziel dieses Land in den Krieg zu treiben und wirtschaftlich zu ruinieren. Das ist meine Meinung!

GMNW
54 Minuten her

Die FDP kommt mir inzwischen so vor wie die Bordkapelle der Titanic; Kapellmeister Lindner schwenkt als letzter noch den Taktstock; dann kommt der Untergang!

bfwied
1 Stunde her

Lindner führt nur das fort – besser kann er’s nicht -, was Merkel eingebrockt hat. Die irrte sich nicht, die tat das sehr bewusst! Lindner, Merz etc., die von sich behaupten, sie wären vernünftig, sie tun so, wenn die Leute zuhören, aber ein Lindner, der immer nur mosert, dann jedem Mist der Grünen zustimmt, Merz, zwischen dem und Merkel, wie er sagte, kein Blatt passe, der soll vernünftig für Deutschl. handeln?! Er redet so, sogar gut, aber er handelt anders, und so liebäugelt er immer noch mit einer Koalition mit den Grünen!! Diese etablierten Parteien gehören wie die alten in… Mehr

abel
1 Stunde her

Und was passiert mit diesen Helden der Trickserei. NICHTS, denn die halten durch (der eigenen Kohle wegen) bis Ende September_2025 und dann fließen wahrscheinlich noch Ausgleichsgelder als DankeSchön.

Ohanse
1 Stunde her

Lindner sitzt im falschen Ministerium. Finanzen, der Umgang mit Geld, das ist nicht sein Ding. War es ja nachweislich auch nie. Lindner ist der lebende Beweis dafür, daß Professor Peter mit seinem Prinzip richtig liegt. Lindner hat seine ultimative Stufe der Überforderung erreicht. Wieder kein verfassungskonformer Haushalt. Wieder keine Perspektive. Für Lindner müsste man ein neues Ministerium erfinden. Eins, das seinen Fähigkeiten entspricht.

Brauer
1 Stunde her

Der charakterlose Lindner…der Trog ist ihm wichtiger wie die Bürger.

abel
1 Stunde her
Antworten an  Brauer

Wenn nicht noch der ÖRR in naher Zukunft in der jetzigen Form gekippt wird werden Hr. Lindner und Co hinterher sich den Po bei den Talkshows breit sitzen und wegen Ihrer Heldentaten (der Zerstörung Deutschlands) medial gefeiert werden.

Mikmi
43 Minuten her
Antworten an  abel

Ich musste gerade an Jens Spahn denken, der tut auch so, als wäre er nie Gesundheitsminister gewesen. Viel Geld versenkt, uns belogen und jetzt einen auf Fachmann machen.

Waldschrat
2 Stunden her

Lindner wird niemals die Ampel aufkündigen, er weiß, dass er dann ohne Kleider und Haus dasteht. Selbst, wenn das Wasser schon über der Halskrause steht, das eine Jahr fette Diäten müssen schon wenigstens noch drin sein und die erworbene Pension. Ob so oder so, die FDP ist nicht mehr zu retten, der Haushalt vermutlich auch nicht. Also, warum sollte Lindner die Ampel aufkündigen? Eher friert die Hölle zu.

abel
1 Stunde her
Antworten an  Waldschrat

Ist wie bei angehenden Rentnern. Da versuchen auch die meisten noch das beste an zusätzlichem Geld herauszuholen.

Zimmerlinde
2 Stunden her

Wie seriös bzw. unseriös Herr Lindner und die gesamte Ampel agieren zeigt sich in der Meldung der Welt vom 19.07.2024. Da hieß es „Ampel will Milliarden Euro bei Bürgergeld und Rente einsparen“. „Durch die geplanten Reformen würden, so Lindner, „viele tausend“ Bürgergeldempfänger zusätzlich in Jobs kommen.
Das ist alles so lächerlich, was dieser Komödienstadel so von sich gibt. Aber wie die Wahlen zuletzt in BB gezeigt haben. Der Großteil der Bürger glaubt diesen Unfug, den die Volksvertreter verbreiten.
Wer die Meldung vom Juli 2024 lesen will:
https://www.welt.de/politik/deutschland/article252553508/Haushalt-2025-Ampel-will-Milliarden-Euro-bei-Buergergeld-und-Rente-einsparen.html

Last edited 2 Stunden her by Zimmerlinde
abel
1 Stunde her
Antworten an  Zimmerlinde

Seriös schließt sich schon seit Jahren in der Politik aus. Da könnte allenfalls die AfD neue Maßstäbe setzen. Nicht daß die AfD vor menschlichen Schwächen gefeit ist aber vielleicht dadurch das endlich Korruptionsgesetze verabschiedet werden welche den Politikern empfindliche Strafen (bis hin zu Gefängnisstrafen) bei Verfehlungen auferlegt.

Wilhelm Roepke
2 Stunden her

Gähn, wen interessiert noch die hundertste Haushaltstrickserei der Ampel? Mein Rat: Abwarten, der FDP beim atomisieren zusehen und durchhalten bis 2025. Dann AFD 30 % plus und fertig, 2029 AFD 43 % plus.. Unmöglich? Abwarten, der Deutsche ist träge, aber mit einem Messer an der Kehle, mit Entlassungspapieren im Briefkasten und der Inflation an der Ladenkasse lernen auch Dummköpfe politisch umzudenken. Und die Dilettanten der Kartellparteien lernen in den nächsten Jahren auf die harte Tour wie in Brandenburg oder Thüringen, was es heißt, Wahlniederlage nach Wahlniederlage zu kassieren, denn die Folgen schlechter Politik setzen immer mit jahrelanger Zeitverzögerung ein, ähnlich… Mehr

Last edited 2 Stunden her by Wilhelm Roepke
Apfelmann
2 Stunden her
Antworten an  Wilhelm Roepke

„…..mit Entlassungspapieren im Briefkasten und der Inflation an der Kasse…“ Faktencheck: Arbeitslosenquote: 5,8%, Inflationsrate: 1,9% ! Uns muss es ja richtig schlecht gehen bei diesen Zahlen ;-)))))

bfwied
1 Stunde her
Antworten an  Apfelmann

ERuieren Sie, wie sich die offizielle Inflationsrate errechnet, dann rechnen Sie selbst. Und recherschieren Sie die Arbeitslosenzahlen, wie die zustandekommen!