Christian Lindner laviert und hält an Ampel fest – vorerst

Trotz der verheerenden Niederlagen in den Landtagswahlen im Osten hält die FDP an der Ampel fest. Parteichef Christian Lindner spielt auf Zeit - und macht dubiose Versprechen.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Markus Schreiber

Der Filmklassiker „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ kennt viele spektakuläre Szenen. In einer solchen werden die beiden Titelhelden Robert Redford und Paul Newman von einer Elite aus Spurenlesern in die Berge getrieben. Sie haben keine Wahl mehr: Um ihre Freiheit zu retten, müssen sie springen. Aus 40 Metern, an Steilfelsen vorbei in einen schmalen Fluß. Sie tun es und retten sich damit erfolgreich.

Soweit Hollywood. Berlin hat Christian Lindner und der springt nicht. Obwohl seine Partei Wahlniederlagen in Serie einfährt und mittlerweile nicht mal mehr ein Prozent der Wähler hinter sich vereint, hält der FDP-Chef an der Ampel fest. Ganz egal, wie sehr die seine Partei ruiniert. Gespannt warten die Journalisten auf Lindners Worte. Doch der legt los: Die besondere Situation im Osten. Es habe immer ein „Auf und Ab“ gegeben. Die „Volatilität“ sei dort größer als im Westen. Eben noch scharf arbeitende Gehirne sind nach zwei Minuten dieses Kaugummi-Sprechs eingeklebt und dösen träge vor sich hin.

So geht es auch der ganzen Partei. „Ein Stück weit Apathie“ habe sich über die FDP gelegt, erzählt ein Mitglied aus den lokalen Veranstaltungen. Manche ließen ihre Wut an den Vertretern vor Ort raus, kotzten sich mal kräftig ab, wüssten dann aber auch nicht mehr weiter. Denn mit der Ampel geht die FDP den Bach runter. Das weiß jeder. Doch es glaubt auch keiner dran, dass sie in Neuwahlen den Trend umkehren könnte. Deswegen rebelliert keiner gegen Lindner, weil dieser an der Ampel festhalten will.

Es gibt Stimmen, die sich gegen den Verbleib in der Bundesregierung ansprechen. Wolfgang Kubicki sagt, er glaube nicht, dass es die Ampel zu Weihnachten noch gebe. Aber der Vizepräsident des Bundestags hat nun schon so oft nach rechts geblinkt, um dann links abzubiegen, dass ihn kaum noch wer ernst nimmt. Oder Martin Hagen. Der bayerische Parteichef – und Wahlverlierer – probt auf X ein bisschen Sturm im Wasserglas: „Wir müssen heute im FDP-Bundesvorstand Tacheles reden… Wenn’s nicht geht, muss man irgendwann auch bereit sein, den Stecker zu ziehen.“ Vielleicht was tun, aber ganz sicher erstmal für die Öffentlichkeit ein wenig palavern. So spricht ein Mann, der nach seinem Scheitern in der Politik Öffentlichkeit braucht, um seinen Broterwerb abzusichern. Aber Hagen spielt in der FDP eine Rolle, die noch weniger Einfluss hat, als die Kubickis.
https://x.com/_MartinHagen/status/1838095255335248011

Lindner spielt auf Zeit. Er rettet die Ampel und seine Pensionsansprüche über die Tage nach den Wahlen hinweg, in denen die Anhänger Konsequenzen aus der Niederlage fordern. Lindner erklärt: „Mut ist, eine neue Dynamik zu entfachen.“ Der FDP-Chef will also Punkte für seine Partei gewinnen, indem er härter gegen die Koalitionspartner SPD und Grüne auftritt – aber er ist noch zu weich, um dies wenigstens deutlich auszudrücken.

Der FDP-Chef setzt auf drei Punkte: die „Weiterentwicklung der Migrationspolitik“. Lindner verspricht, wie konsequent diese künftig sein soll, während die Grünen und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) vorleben, wie sich solche Ankündigungen durch faktisches Handeln aushebeln lassen. Zudem will Lindner „wirtschaftlich wieder Kurs aufnehmen“. Während in der Realität Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Stromversorgung so umstellt, dass Firmen nur noch produzieren können, wenn Wind weht oder Sonne scheint. Oder die SPD das Klima retten will, indem die Supermarkt-Kassiererin mit ihren Steuern der Frau des Supermarkt-Besitzers ein E-Auto finanziert.

Lindners dritter Punkt ist der Haushalt. Der soll mehr Investitionen ermöglichen und trotzdem den Bürger entlasten. Schön. Wäre gut. Doch in der Realität konnte sich die Ampel bisher nur auf einen Entwurf einigen, der zwölf Milliarden Euro gar nicht finanziert. Und der überhaupt nur den Schein erweckt, der Verfassung zu entsprechen, indem Lindner Ausgaben klein und Einnahmen hochgerechnet hat. Wer daran glaubt, dass ein solcher Haushalt zum Happyend für die FDP führt, der wäre als Drehbuchautor in Hollywood besser aufgehoben.

Wie wenig Lindner tatsächlich zu Änderungen bereit ist, zeigt der Umgang mit dem FDP-Landesverband Brandenburg. Der ist unbedeutender als jeder Kaninchenzuchtverein in Schwedt oder Potsdam. Doch er lohnt einer Erwähnung. Denn er zeigt die Apathie auf, die tatsächlich über der FDP liegt: Lindner betont, dass für die Niederlage in Brandenburg „ausdrücklich nicht der Spitzenkandidat“ Zyon Braun verantwortlich sei. Der macht danach eine Kampfansage an seine innerparteiliche Konkurrenten.

Lindner kündigt in seinem Kaugummi-Sprech einen „Herbst der Entscheidungen“ an. Bis Weihnachten wolle die FDP unter ihm dramatisch viel ändern. 0,83 Prozent hat die Partei in Brandenburg erreicht. Trotzdem ist die Partei so phlegmatisch, dass sie noch nicht einmal nach solch einer brutalen Niederlage Änderungen vornimmt. Wenn Lindner also vom „Herbst der Entscheidungen schwurbelt“, dann ist also klar, dass nichts besser wird – außer den Pensionsansprüchen Christian Lindners.

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Kommentare ( 86 )

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Tesla
1 Monat her

Für die FDP ist es inzwischen längst wurscht, ob sie jetzt noch aus der Ampel aussteigt, oder das letzte Jahr auch noch in ihren Regierungssesseln kleben bleibt, um das rotgrüne Zerstörungswerk weiter zu unterstützen. Gerhart Baum nannte einen Ausstieg aus der Ampel zwar „Selbstmord“, aber damit liegt er doppelt falsch. Einmal, weil der Verbleib in der Ampel bereits zum „Selbstmord“ der FPD geführt hat – und zweitens weil es jetzt keinen Unterschied mehr macht. Dafür ist es für die FDP bereits längst zu spät. Die FDP ist bereits „tot“, sie weiß es nur noch nicht. Aber wenn in einem Jahr… Mehr

jopa
1 Monat her

Linder kann nicht anders als in der Koalition zu bleiben. Verläßt er sie und es gibt Neuwahlen, sind er und seine Parteifreunde weg vom Fenster, besser von Posten mit StaatsSteuerknete. Um sich eine möglichst hohe Pension zu sichern, muß er in der Regierung bleiben, er ist in der Regierung gefangen, bis zum Ende der Legislaturperiode. Denn nachher kommt nichts mehr.

Wilhelm Roepke
1 Monat her

Was mit der FDP nach den Herren Lindner und Kubicki geschieht, dürfte beiden Herren egal sein, denn es war ja nur ein Vehikel für sie. Hoffentlich wechseln viele Wähler zur AFD.

Eberhard
1 Monat her

Es geht längst nicht mehr um den Amtseid und Deutschland. Solch gut bezahlte Unfähigkeit und persönliche Vorteilsnahme konnten sich die Väter unseres Grundgesetzes beim Regierungshandeln überhaupt nicht vorstellen. In jeder anderen Demokratie wären solche Figuren schon längst abgelöst. Politische Moral scheint heute in Deutschland zum Fremdwort geworden. Sie wissen, dass das Volk sie längst nicht mehr stützt und werden trotzdem, solange nur irgendwie möglich nicht aufgeben, bis ihre Zeit automatisch um. Es schert sie überhaupt nicht, dass am Ende mit ihrem ideologischen Handeln alles, was Vorgängergenerationen geschaffen, auf unabsehbare Zeit den Bach runter ist.

Dorn
1 Monat her

Demokratien wird es nur im 22 Jahrhundert geben, wenn das Wahlvieh….Pardon, ich wollte sagen….wenn die Wahlberechtigten ein Werkzeug erhalten um gerade solche Fälle wie Lindner und Co zu verhindern, das sie trotz völliger Überforderung bis offen zur Schau gestellter Inkompetenz, diese Personen selbst entscheiden wann Schluss ist.

Zum Beispiel ein Bürgerentscheid wo zwischen 25%-33% aller Wahlberechtigten ihr Vertrauen der aktuellen Regierung entziehen, eingeleitet durch eine Petition mit z. Bsp. 5mio Unterschriften. Wenn dies nicht geschieht wird es Demokratien im nächsten Jahrhundert auf deutschen Boden nicht geben.

DDRforever
1 Monat her

Ja schlimm ist sie schon diese FDP. Aber visualisieren Sie mal und schauen sich Herrn Merz an. Na?

F. Hoffmann
1 Monat her

Mein Gott, im September 2025 ist Herbst der Entscheidung! Da schlägt die FDP zu! Capice?

Montesquieu
1 Monat her

Dass Union und FDP überhaupt noch in „alternativen“ Medien reflektiert werden, ist Ausdruck für die Verlorenheit der deutschen politischen Kultur.

Vladimir
1 Monat her

Bei der nächsten Bundeszagswahl, werden die FDP und die GRÜNEN verschwinden, dahin wo sie hingehören. Ins Nirvana. Brandenburg Danke! Ihr habe es vorgemacht, es geht doch. Der SPD und der CDU muss natürlich auch eine schallende Ohrfeige verpaßt werden und dann müssen gravierende Gesetzesänderungen her und bei den Skandaljournalisten muss gehörig aufgeräumt werden. Und diese merkwürde Person Ganserer möchte ich nicht mehr im Bundestag sehen.

Nordwind
1 Monat her

Für die FDP ist es sowieso egal, es ist aus! Die letzte Chance, einen Abstieg in die Bedeutungslosigkeit zu vermeiden, hatte sie im Sommer 23, als es um Habecks GEG ging. Alles, was danach mitgetragen wurde, hat dazu geführt, dass die Partei sich den Sonstigen nähert. Es ist zu spät und Lindner weiß das!