Wie ein PR-Ablenkungsmanöver vielleicht die US-Wahl entscheidet

Der größte Popstar unserer Tage hat unerwartet schlechte Presse – mitten in einer Welttournee. Ihre Berater verschieben nun die Aufmerksamkeit des Publikums auf einen Nebenkriegsschauplatz. Das Ganze hat nichts mit Politik zu tun. Es könnte aber im Kampf ums Weiße Haus den Ausschlag geben.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Seth Wenig

Das sogenannte Multi-Tasking ist eine Schimäre. Die modernen Neurowissenschaften zeigen, dass kein Mensch gleich viel Aufmerksamkeit auf mehrere verschiedene Objekte oder Tätigkeiten gleichzeitig verteilen kann. Immer konzentrieren wir uns auf irgendetwas am meisten – und auf alles andere eben weniger. Das rückt dann in den Hintergrund.

Nein, lieber TE-Leser, Sie sind jetzt nicht versehentlich in einem Text von „Nature“ gelandet. Der kurze Ausflug soll helfen, besser zu verstehen, was gerade in den USA passiert (wenn man die Amerikaner überhaupt verstehen kann).

Da haben die im Pop-Business sehr wichtigen „MTV Video Music Awards“ gerade wieder gezeigt, wer der derzeit größte Star des weltweiten Musikgeschäfts ist: Taylor Swift. Gleich sieben Auszeichnungen hat die 34-Jährige eingesackt. Mit jetzt insgesamt 30 Awards hat sie damit nebenbei auch noch den bisherigen Rekord eingestellt.

Bleiben Sie dran, lieber Leser, und haben Sie noch etwas Geduld. Gleich geht es um Donald Trump, versprochen.

Vor ein paar Tagen hat Taylor Swift nämlich in den laufenden US-Präsidentschaftswahlkampf eingegriffen: mit einem sogenannten „Endorsement“, also einer Unterstützungserklärung – für Kamala Harris:

„Ich stimme für Kamala Harris, weil sie für die Rechte und Anliegen kämpft, von denen ich glaube, dass sie einen Kämpfer brauchen, der sie vertritt.“

Solche „Endorsements“ haben in den USA Tradition. Sehr viele Prominente unterstützen bei Wahlen öffentlich den einen oder die andere Kandidatin. Das gehört sozusagen zur politischen Folklore. Aber wenn die momentan mit Abstand populärste und erfolgreichste Künstlerin der USA so etwas tut, dann ist das keine Nebensächlichkeit.

„Swifties“ nennen sich die Taylor-Fans. Sie sind ihrem Star treu ergeben. Eine ähnliche Unterwürfigkeitsbeziehung pflegen Deutschlands selbsternannte Leitmedien zu Kamala Harris. Deshalb kann man hierzulande auch immer nur lesen, DASS Swift sich für Harris ausspricht. Aber nirgendwo kann man lesen, WARUM sie das tut.

Denn da wird die Sache erst so richtig interessant.

Seit einiger Zeit ist Taylor Swift mit Travis Kelce liiert. Der Mann ist einer der größten Stars im US-Nationalsport American Football. Übertragen auf deutsche Verhältnisse ist das ungefähr so, als würden sich Helene Fischer und Manuel Neuer jetzt im Wochenrhythmus händchenhaltend in der Öffentlichkeit zeigen. Der Boulevard jubelt, die Klatschmedien überschlagen sich: das neue ultimative Glamour-Paar. Besser als Harry und Meghan.

Das Ganze schien zu schön, um wahr zu sein. Und sehr wahrscheinlich war es das auch nicht. Kürzlich enthüllte die britische Zeitung „Daily Mail“ mutmaßliche Geheimverträge der PR-Agentur „Full Scope“ aus Los Angeles. In den Unterlagen wird die ganze angebliche Liebelei zwischen Swift und Kelce minutiös geplant und vereinbart – inklusive detaillierten Plänen für die Inszenierung ihrer Trennung.

Pflichtschuldig dementieren Swift und Kelce und haben ihre Anwälte eingeschaltet. Allerdings werden inzwischen immer mehr Details bekannt, die die Beziehung zwischen den beiden tatsächlich eher wie eine großangelegte Show aussehen lassen.

Kelce wird vom Publizisten Jack Ketosyan vertreten. Der gab 2019 in einem australischen Podcast unumwunden zu, sogenannte „Showmances“ zu inszenieren – also Fake-Beziehungen, die möglichst viel Aufmerksamkeit generieren sollen. „Es geht darum, etwas zu verkaufen – ob ein Konzert, ein Album … Es geht nur um den Hype.“

Mindestens zwei angebliche Beziehungen zwischen Klienten hat er nach eigenen Angaben selbst inszeniert. Namen nennt er zwar nicht, aber Details von solchen Arrangements: Die Promis unterschreiben einen „Liebesvertrag“ und verpflichten sich, mindestens ein Jahr miteinander auszugehen. Dann folgt eine öffentlichkeitswirksame Trennung.

2018 hatte Ketosyan sogar einen Roman darüber geschrieben: „Guilty Pleasure“ handelt von einer PR-Beziehung.

Dass es diese Showmances gibt, ist unbestritten. Die amerikanischen B-Promis Brody Jenner und Lauren Conrad haben so eine inszenierte Liebschaft zugegeben. YouTuber Jake Paul und die Influencerin Tana Mongeau haben 2019 sogar geheiratet – und die Sache einige Zeit später selbst als Fake geoutet. Und bei zahllosen anderen angeblichen Affären zwischen Stars und Sternchen der Showbranche bestand der Verdacht, dass es sich nur um einen PR-Stunt handelte.

Doch egal, ob Taylor Swift und Travis Kelce nun tatsächlich ineinander verliebt sind oder das nur vorspielen: Die Spekulationen darüber kommen vor allem der Sängerin denkbar ungelegen. Sie ist bekannt (und gefürchtet) dafür, frühere Beziehungen in ihren Songs zu verarbeiten. Zweifel daran, dass diese Beziehungen auch tatsächlich echt waren, sind in jedem Fall schlecht fürs Geschäft.

Und da schließt sich der Kreis zum kurzen Ausflug in die Neurowissenschaften am Anfang dieses Beitrags.

Denn weil der Mensch sich nicht gleichwertig auf verschiedene Dinge gleichzeitig konzentrieren kann, ist Ablenkung eine gute Taktik: Wenn man nicht will, dass das Publikum sich intensiv mit einer Sache befasst, dann schiebt man die Aufmerksamkeit des Publikums hin zu einer anderen Sache.

Taylor Swift kann nicht wollen, dass ihre Fans sich weiter mit der Frage beschäftigen, ob die Beziehung zu Travis Kelce auch wirklich echt ist. Also sorgt ihre PR-Armee für eine klassische Ablenkung. Und was böte sich dafür besser an als der laufende US-Präsidentschaftswahlkampf?

Vielleicht findet Swift die US-Vizepräsidentin ja tatsächlich gut. Das kann sein oder auch nicht. Es spielt aber gar keine Rolle. Denn die ganze Aktion hat ein anderes Ziel, und das wurde auch erreicht: Jetzt spricht alle Welt von Taylor Swifts Unterstützung für Kamala Harris. Für die Fake-Gerüchte um die Liebelei mit Travis Kelce interessiert sich gerade niemand mehr.

So etwas nennt man PR.

Die sogenannten Sozialen Medien haben die gesellschaftliche Kommunikation ungefähr genauso verändert wie seinerzeit der Buchdruck. Man kann trefflich darüber streiten, ob uns das jetzt näher zum Himmel bringt oder dichter an die Hölle. Vielleicht beides.

Nicht sinnvoll streiten kann man über die riesige Bedeutung der Sozialen Medien. Gerade hat Fußball-Legende Cristiano Ronaldo eine wahrlich historische Marke geknackt: Als erstem überhaupt folgen dem Portugiesen auf all seinen Kanälen in den Sozialen Medien insgesamt eine Milliarde Leute. Rechnerisch erreicht der Profi-Sportler mit seinen Botschaften also jeden achten Erdenbürger, vom Säugling bis zum Greis. Ein Wahnsinn.

Immerhin 284 Millionen folgen Taylor Swift auf der Plattform Instagram. Dort hat sie ihr „Endorsement“ für Kamala Harris platziert. Die meisten „Swifties“ sind junge Menschen, darunter viele Erstwähler aus den USA. Die werden sowohl von Harris wie von Trump besonders umworben. Es ist ja ein denkbar knappes Rennen.

Wird es vom PR-Ablenkungsmanöver einer Pop-Sängerin entschieden?

Vielleicht, vielleicht auch nicht – und vielleicht ganz anders, als man vermuten würde. Denn jüngste Erhebungen legen nahe, dass sich immer mehr Leute auch im Zeitalter der Sozialen Medien von Superstars nicht mehr allzu sehr beeindrucken lassen.

Bei einer funkelniegelnagelneuen Meinungsumfrage von YouGov haben gerade mal acht (8) Prozent erklärt, dass sie wegen des „Endorsements“ von Taylor Swift nun Kamala Harris wählen würden. Etwas überraschend erklären dagegen aber 20 Prozent, dass sie Harris wegen der Wortmeldung von Swift nun eher NICHT wählen möchten. Und 41 Prozent meinen sowieso, dass sich die Sängerin nicht öffentlich über Politik äußern sollte.

Wir wissen nicht, ob die Fans von Taylor Swift auf den Rat ihres Idols in Beziehungsfragen hören. Dass sie ihre Wahlentscheidung an dem Popstar orientieren, erscheint nach den jüngsten Zahlen zumindest fraglich.

Das kann man aus vielen Gründen für eine gute Nachricht halten.

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Kommentare ( 32 )

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Raul Gutmann
2 Monate her

Angesichts dieser „Showmances“ ist wohl kein Wunder, wenn immer mehr Menschen individuell und als Kollektiv gesellschaftlich den Bezug zur Wirklichkeit verlieren.

killer
2 Monate her

Die Wahl wird wohl durch eine Kugel entschieden, es gab bereits den zweiten Anschlag auf Trump und ich bin mir zimlich sicher nicht der letzte. Die Woke Fraktion in den USA will Trump tot sehen.

Raul Gutmann
2 Monate her
Antworten an  killer

Sehr geehrter Herr „killer“, danke für Ihren zutreffenden Kommentar.
Ihrer Aussage läßt sich thematisch wie inhaltlich Trumps Sentenz hinzufügen, die er bereits in seinem 2016er Wahlkampf gebrauchte, doch aktuell gilt:
»Ihr seid es, hinter der sie her sind. Ich stehe ihnen nur im Wege.«
Daher ist es die Aufgabe der Regierungspropaganda, die „Schlafschafe“ von dieser Erkenntnis abzuschirmen.
Hochachtungsvoll

Last edited 2 Monate her by Raul Gutmann
Ahnungslos
2 Monate her

Dieses „Aufmerksamkeitsmanagement“ funktioniert auch zur Zeit ganz gut für die Demokraten. Von Biden hört man nichts mehr aber was macht der eigentlich den lieben langen Tag? So abseits der Aufmerksamkeit zu sein, ergibt die perfekte Situation zum Ende der Amtszeit noch ein paar ekelige Sachen zu verabschieden und durchzuwinken und keiner bekommt es mit. Das böse Erwachen kommt später, wenn die Verordnungen schon in Kraft getreten sind.
Wir sollten genau hinschauen!

Raul Gutmann
2 Monate her

Taylor Swift, Travis Kelce und Donald Trump – VP Kamala „Joy“ Harris nicht zu vergessen -, sind wirklich tolle Ablenkungsthemen von der nahezu täglich steigenden Gefahr eines Nuklearwaffeneinsatzes in dem Rußland-Ukraine-Nato-Konflikt.

Carl22
2 Monate her

Denn weil der Mensch sich nicht gleichwertig auf verschiedene Dinge gleichzeitig konzentrieren kann, ist Ablenkung eine gute Taktik: Wenn man nicht will, dass das Publikum sich intensiv mit einer Sache befasst, dann schiebt man die Aufmerksamkeit des Publikums hin zu einer anderen Sache“. Das weiß auch die Stadtregierung von Dresden: Den Einsturz von Carola kann man nicht verstecken, aber den größten Teil der Einsturznachricht nimmt die Ausmalung der nun drohenden Elbe – Flutkatastrophe ein. Jahrhundertflut schlägt Einknicken eines Straßenbahnbrückchens. Hat prima funktioniert.

Nibelung
2 Monate her

Nun kann man doch froh sein, daß es noch solche „Koryphäen“ als leuchtendes Beispiel für die eigene Orientierung gibt, denn was wären wir ohne dieses Glück, aber wenn der Staat selbst versagt und alle seine „Würdenträger“, einschließlich der Kirchen verfällt man gerne in die Orientierungslosigkeit und wählt dann jene in der inneren Verzweiflung aus, die völlig ungeeignet sind und macht das Problem damit eher größer als kleiner, weil es mit dem Geist einher geht und der ist bei den meisten reichlich bescheiden, denn sonst hätten wir andere Verhältnisse, wenn es durch die Erleuchtung erfolgen würde.

A.Kroemer
2 Monate her

Der größte Popstar unserer Tage … Behauptet wer? Das sogenannte Multi-Tasking ist eine Schimäre. Die modernen Neurowissenschaften zeigen, dass kein Mensch gleich viel Aufmerksamkeit auf mehrere verschiedene Objekte oder Tätigkeiten gleichzeitig verteilen kann. Das Multitasking nicht funktioniert ist schon seit 50 Jahren mehr oder minder bekannt, denn man benötigt keinen Neurowissenschaftler dafür, sondern kann das mit einem kleinen Experiment bewiesen – das kann auch jeder zu Hause machen. Man gibt jemanden die Aufgabe, zwei Dinge binnen eines Zeitraums X zu erledigen. So kann man jemanden eine Aufgabe geben, die unbedingt schriftlich erledigt werden muss und schon mal ein wenig nachdenken… Mehr

Autour
2 Monate her

Nur Menschen die KEINE eigenen Probleme haben, haben Zeit und Musse sich über die Probleme andere Gedanken zu machen! Wer in den Staaten ums überleben kämpft, weil ihn die Hypotheken finanziell erdrücken und die Inflation das Gehalt wegfrisst… der wird sich einen feuchten Kehricht für das Privatleben von Taylor interessieren…
Aber schön dass sich kaum jemand von Taylor (8%) beeinflussen lässt… auch sind ja nicht alle 200 Mio follower Amerikaner… ich würde sagen, dass allein die amerikanischen „Follower“ zahlenmässig KEINE wirkliche Rolle spielen würden…

Sonny
2 Monate her

Anscheinend ändert sich nie was.
Die Masse Mensch sucht immer nach irgendeinem Messias, dem sie hinterherlaufen können. Und natürlich werden sich Millionen Swifties am Meinungsgebot ihrer „Königin“ ausrichten. Zu deren Wohlgefallen.
Und das soll die Krone der Schöpfung sein???
Oh man.

mapla54
2 Monate her

Ich hatte im ähnlichen Zusammenhang bereits vor längerer Zeit betont , daß ich wie vermutlich grundsätzlich jeder auch nur einigermaßen gebildete Zeitgenosse den Namen Jonathan Swift zuzuordnen weiß ( sollte eigentlich selbstverständlich sein ?) ,die hier genannte Namensvetterin ist für mich von analoger Bedeutung wie der bekannte Sack Reis in China… Was zur Veranlassung haben soll , mich immer wieder mit uninteressanten Details über nicht nur für mich respektive mein Leben belanglose Mitmenschen zu langweilen , erschließt sich mir so garnicht ?