Faesers Farce

Faesers „Migrationswende“ könnte man so zusammenfassen: Die Ministerin will beschleunigte Asylverfahren durchführen, in Zentren, die noch zu bauen sind, mit Personal, das nicht existiert, und auf Basis eines Vorschlags, der schon jetzt in der Koalition zerrupft wird. „Farce“ als Beschreibung dafür ist noch harmlos.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Kurz bevor Nancy Faeser am Donnerstag ihre Rede im Bundestag beendete, wandte sie sich an die Union. Die Innenministerin wollte Friedrich Merz noch eins mitgeben: Bei den gemeinsamen, am Dienstag gescheiterten Gesprächen zur Migrationspolitik zwischen Ampel- und Unionsvertretern habe doch eigentlich eine gute Atmosphäre geherrscht, sagt sie: Aber die habe offensichtlich „nicht das widergespiegelt, was im Drehbuch gestanden hat“.

Faesers Vorwurf: Die Union habe ihre Gesprächsbereitschaft nur inszeniert und von Anfang an geplant, die gemeinsame Runde mit einem großen Knall zu sprengen. Womöglich will die Ministerin mit dieser Unterstellung davon ablenken, dass sie selbst seit Tagen nach einem ziemlich verlogenen Drehbuch der Täuschung agiert.

Kurze Rückschau: Die Woche begann am Montag mit einem politischen Paukenschlag. Im Innenministerium verkündete Faeser die Einführung von Grenzkontrollen an allen deutschen Grenzen. Zugleich teilte sie mit, der Union ein Modell für eine „massive Ausweitung der Zurückweisungen“ an den Grenzen vorstellen zu wollen.

Manöver statt Politik
Der dreifache Bluff beim Migrationsgipfel
Hintergrund: CDU und CSU hatten im Vorfeld des für den vergangenen Dienstag ins Auge gefassten zweiten Migrationsgesprächs erklärt, daran nur teilzunehmen, wenn die Bundesregierung zusagt, künftig Asylbewerber an der Grenze umfassend zurückzuweisen. Faesers Anordnung von Grenzkontrollen und das Pressestatement am Montag dienten offensichtlich dazu, die Christdemokraten entsprechend einzulullen.

Die stiegen natürlich darauf ein und fanden sich zu den Gesprächen ein. Spätestens da wurde deutlich, dass Faeser sie getäuscht hatte. Denn die Innenministerin stellte der Union im Ministerium ein Modell vor, das im Wesentlichen nur angeblich beschleunigte Asylverfahren direkt an der Grenze vorsieht. Zurückweisungen sucht man darin hingegen vergeblich.

Das entsprechende Versprechen vom Vortag war ein großer Bluff gewesen. Trotzdem behauptet Faeser seitdem steif und fest, bei den von ihr vorgeschlagenen Verfahren handle es sich „formal“ um Zurückweisungen. Also quasi Zurückweisungen, zu denen es kommt, nachdem ein Migrant zunächst mehrere Wochen im Land untergebracht wird. Ein schlechter Witz.

Doch damit nicht genug der Täuschung: Faeser hatte am Montag vor der Vorstellung der Einzelheiten auch erklärt, es handle sich um ein Modell, das man „gemeinsam entwickelt“ habe: „Ich stelle Ihnen hier nichts vor, was Nancy Faeser mit dem Kanzler bespricht und ich spreche immer für die Koalition.“

Mittlerweile ist klar: Selbst Faesers schwaches Modell droht bereits im Schredder der Grünen vernichtet zu werden. Denn deren Parteivorsitzende Ricarda Lang erklärte am Donnerstag in der ZDF-Talkshow Maybrit Illner, Faeser (also nicht die Regierung!) habe einen Vorschlag gemacht, „und den werden wir natürlich auch in der Regierung diskutieren“.

Erben der Enterprise in der Migrationsgalaxie
Bei Illner: Faeser auf Betäubung
Sogleich meldete sie eine Reihe von Bedenken an: Die Bundesländer im Grenzgebiet könnten überfordert werden, meinte sie. Und: „Wir müssen schauen: Wie verhindern wir, dass dort große Haftlager entstehen.“ Faeser, selbst Gast in der Sendung, saß düpiert daneben. Von der angeblichen gemeinsamen Abstimmung über das Modell war nicht mehr viel zu spüren.

Lang steht unter dem Druck der eigenen Partei. Derzeit kursiert ein offener Brief von zahlreichen Parteimitgliedern, in dem diese sich implizit über einen Rechtsruck der Grünen in der Migrationspolitik beschweren. In dem Papier wird schon die bereits vollzogene Abschiebung von 28 afghanischen Straftätern nach Afghanistan als „Dammbruch“ bezeichnet.

Vor diesem Hintergrund könnte selbst das bereits in den Bundestag eingebrachte „Sicherheitspaket“, das nur an den Symptomen des Migrationsdesasters herumdoktert, von den Grünen noch einmal aufgeschnürt werden: Es seien „noch wichtige Fragen offen“, erklärte die grüne Innenpolitikerin Irene Mihalic am Donnerstag im Bundestag.

Den aktuellen Stand der Faeser’schen „Migrationswende“ könnte man entsprechend so zusammenfassen: Die Ministerin will beschleunigte Asylverfahren durchführen, in Zentren, die noch zu bauen sind, mit Personal, das noch nicht existiert, und auf Basis eines Vorschlags, der schon jetzt in der Koalition wieder zerrupft wird. Mit dem Wort „Farce“ ist das noch harmlos umschrieben.

Nur noch grotesk ist auch das Agieren der FDP: Während Justizminister Marco Buschmann den Faeser-Vorschlag verteidigt und am Dienstag sogar mit vorstellte, erklärte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai am Mittwoch im Bundestag, es dürfe jetzt niemand „einer Wende in der Migrationspolitik im Wege stehen“. Und weiter: „Es gibt keine Ampel in der Migrationspolitik.“ Das konnte man als Aufkündigung der Koalition verstehen.

Druck aus eigenen Reihen:
Die grüne Revolution bekommt Appetit auf ihre Kinder
Und die CDU? Die ist selbst Teil des aufgescheuchten Hühnerhaufens. Parteichef Merz schwankt nach wie vor zwischen seiner wiederentdeckten Courage und einer tiefen Angst vor dem eigenen Rückgrat: Schon vor dem ersten Treffen mit der Ampel am Dienstag vergangener Woche hatte er gesagt, wenn es keine Entscheidung für Zurückweisungen an diesem Tag gebe, werde seine Partei kein zweites Treffen abhalten.

Eine entsprechende Zusage gab es bekanntermaßen nicht, trotzdem ging die Union in ein zweites Treffen – nachdem Faeser sie mit ihrem Versprechen von angeblichen „Zurückweisungen“ über den Tisch gezogen hatte. Als der Union Letzteres klar wurde, brach sie die Verhandlungen dann ab – scheinbar.

Denn am Donnerstag bot Merz plötzlich an, doch noch eine weitere Runde zu drehen, jetzt mit einem neuen Vorschlag: Gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe brachte er die Idee vor, „dass wir diese Zurückweisungen ab dem 1. Oktober zunächst für drei Monate lang vornehmen“. Danach könne man Bilanz ziehen. Merz wäre bereit, darüber mit den Ampel-Spitzen zu reden – obwohl sich mittlerweile zu Genüge gezeigt hat, dass mit dieser Regierung eine Wende nicht zu machen ist.

Wenn man dem Christdemokraten wohlgesonnen ist, könnte man seine neue Aktion so interpretieren: Merz versucht, die Ampel weiter vor sich herzutreiben. Die zahlreichen Umfaller des CDU-Chefs in der Vergangenheit lassen aber anderes befürchten: Merz erträgt es nicht, dass ihm in den vergangenen Tagen vorgeworfen wurde, zu fundamentaloppositionell zu agieren. Nun will er allen beweisen, dass er doch staatstragend ist, dass er doch nicht so böse ist, wie ihn viele Medien darstellen. Er will doch weiter dazugehören.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 42 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

42 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Deutscher
2 Monate her

Sie hat bei Illner tatsächlich „meine Polizei“ gesagt. Sogar zweimal. Die Polizei gehört also nicht mehr dem Volk, sondern Nancy Faeser.
Ist das nicht krank? Ist das nicht der Geist der Diktatur, wenn die Regierung den Staat als ihr Eigentum sieht – wenn Politiker denken, der Staat diene nicht dem Volk, sondern ihrer Person?

Wo stehen wir eigentlich?

Last edited 2 Monate her by Deutscher
Warte nicht auf bessre zeiten
2 Monate her

Mit Union und Ampel wird es niemals eine echte Kurskorrektur geben. Was wäre sie denn anderes als das Eingeständnis des kollosalen Scheiterns der von ihnen allen betrieben Politik? Wenn jemals aus diesen Parteien ein wirklich anderer Kurs kommen sollte, dann nur nach einer Palastrevolution in ihnen. Und diese kann, wenn überhaupt, nur durch eine starke AFD ausgelöst werden.

Capfinistere
2 Monate her

Das ganze Theater kommt mir sehr bekannt vor. War 89 in Berlin genau so. Da hat man schnell mal den E.H. abgesetzt und mit E. Krenz an der Spitze haben die alten, verborhten Mitglieder des ZK der soz. Einheitspartei ( und ich schreibe das bewußt aus ) versucht noch irgendwas für das Volk zurecht zu basteln, damit es Ruhe gibt. Hat alles nichts mehr genutzt.
Weshalb begreifen die Schauspieler in Berlin das nicht, daß sie den gleichen Weg gehen werden. Absolut lernresistent.

Waehler 21
2 Monate her

Warum stampft Frau Faeser nicht ihr neues Staatsangehörigkeitsrecht ein? Varianten des Aufenthaltsrechtes, bei denen man seine Identität nicht belegen muss oder uns sonst wie anlügen (Ukrainer, die in Wirklichkeit zu Hause leben). Die CDU verliert ebenfalls kein Wort über Leute, die uns anlügen und ausnutzen. Stattdessen! Ta da! Zurückweisungen an der Grenze. Selbst Frau Wagenknecht macht da bessere Vorschläge, o.k., Beweislastumkehr ist ein Ding von Despoten. Aber rechtsstaatlich vollkommen sauber kann man von den Menschen, die zu uns kommen, verlangen, sich vollständig zu erklären. Passiert bei Sozialhilfe und Steuer. Wer sich nicht erklärt, der bekommt auch nichts. Ende. Es würde… Mehr

Last edited 2 Monate her by Waehler 21
Fieselschweif
2 Monate her

„In dem Papier wird schon die bereits vollzogene Abschiebung von 28 afghanischen Straftätern nach Afghanistan als „Dammbruch“ bezeichnet…. [und es] seien „noch wichtige Fragen offen“, erklärte die grüne Innenpolitikerin Irene Mihalic…“ Wie man auch hier wieder sehr schön beobachten kann, sind die Grünen nichts anderes als ein Haufen von realitätsfernen Betonschädeln, die entweder das Leben nicht begreifen und/oder sich nicht im mindesten um Stimmung im Land kümmern, geschweige denn um die Interessen der Bürger. Die ziehen trotz der vielen migrantischen Gewalttaten einfach ihr tagträumerisches Universalimus-Ding durch, koste es auch anderen das Leben. Egal. Es geht um die Rettung der „Notleidenden“… Mehr

Last edited 2 Monate her by Fieselschweif
eschenbach
2 Monate her

Theaterdonner nach Solingen und vor der Brandenburgwahl. Passieren wird nichts, ausser dass demnächst die Gaspreise steigen.

Peter Pascht
2 Monate her

Das Problem der heutigen Welt sind die vielen Geistegestörten die sich pathologisch irrtümmlich, stur und unbelehrbar, im Recht glauben.
Das kommt vom gestiegenen Zugang zu Informationsangeboten in der heutigen Welt, das unverstanden gelesen wird, mit dem irrtümlichen Glauben es verstanden zu haben.
So glauben auch viele wenn sie Lesch’s Gefasel im TV gehört haben, sie hätten die Relativitätstheorie verstanden.
Heutzutage ist jeder Experte für alles. Dann darf sie Politiker*in werden 😉

Fragen hilft
2 Monate her
Antworten an  Peter Pascht

„So glauben auch viele wenn sie Lesch’s Gefasel im TV gehört haben, sie hätten die Relativitätstheorie verstanden.“
Herrlich ! Und ganz im Anfang habe ich ihn gern gehört. Und dann ereilte ihn die Verwandlung.

elly
2 Monate her

natürlich ist es wieder nur eine von Faeser/Scholzens vielen Beruhigungspillen fürs Volk. Allerdings so sichtbar wie ihre Grenzkontrollen, so sichtbar ist auch die Einwanderung.

Nibelung
2 Monate her

Eine einzige Blendgranate in Bezug auf das was bereits bei uns ist, noch täglich weiter rein kommt und in minimalistischer Form mit Entgeld hinaus getragen wird und so kann man es auch machen, man muß nur noch genug Dumme haben, die daran glauben um im hellen Glanz zu erscheinen, was ihnen aber auf Dauer trotzdem nicht bekommen wird.

Ähnliche Betrügereien finden auch in der Ukraine statt, bis wir überrascht werden, weil nicht jeder bereit ist aufgrund der eigenen Gefahrenlage sich verschauckeln zu lassen und dann haben wir den Salat.

Fatmah
2 Monate her

Nichts ändert sich, der Bürgergeld Magnet bleibt bestehen, Neubauwohnungen werden bevorzugt an „Schutz Suchende“ vergeben. Ganze Clans werden auf unsere Kosten nachgeholt. Schwerverbrecher die unseren Staat auslachen, bleiben weiter auf freien Fuß und bekommen Taschengeld usw.
Wer diese Parteien in Brandenburg wieder wählt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren !