Sozialdemokraten haben ein Erkenntnisproblem

Die Analysen der SPD-Verantwortlichen sind von sozialer und intellektueller Überforderung geprägt. Die Sozialdemokraten sehen die Ursachen für ihre Niederlagen nicht – weil sie sich weigern, hinzuschauen.

picture alliance / Flashpic | Jens Krick

Es gibt keine Arbeiter mehr. Keine fünf Sätze dauert es, dann wird jeder mit dieser Aussage konfrontiert, der versucht, mit Sozialdemokraten über deren Kurs zu sprechen. Über ihren grundsätzlichen Fehler, unbedingt die zweite grün-woke Partei sein zu wollen. Als ob das Original nicht mehr als genug wäre. Es gibt keine Arbeiter mehr. Also sei es alternativlos, sich um die vegane Laktoseintolerante als Zielgruppe zu bemühen. Jene Frau, die als Fahrradbeauftragte arbeitet oder gleich ihre volle Zeit als Kapitalismuskritikerin verbringt, die sich wiederum den Lebensunterhalt vom Erbe ihrer Unternehmer-Vorfahren finanziert.

Sozialdemokraten haben ein Erkenntnisproblem. Wenn Saskia Esken nach Solingen behauptet, aus diesem Terror lasse sich nichts lernen, oder nach den Wahlniederlagen das stupide Mantra wiederholt, die Sozialdemokraten müssten ihre Politik künftig einfach nur „besser erklären“, dann wirkt das wie billige politische Propaganda. Es ist aber vielmehr Ausdruck einer intellektuellen wie sozialen Überforderung.

“Die Menschen vertrauen uns nicht”
Das große Fingerzeigen in der SPD
Sozialdemokratische Funktionäre stammen dieser Tage fast alle aus der Generation Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal. Sie kennen in ihrem Umfeld auch keinen mehr, der nicht aus dieser Blase kommt. Bevor sie an Festtagen zu ihrer Familie fahren, lesen sie im Spiegel oder in der Süddeutschen Ratgebertexte zu der Frage, wie sie mit verstörenden Meinungen umgehen sollen. Verstörend meint in dem Fall schlicht: anders.

Sozialdemokratische Funktionäre bewegen sich vornehmlich in Kreisen, in denen alle dasselbe äußern. Alle sagen das Gleiche und weil alle das Gleiche sagen, so schließen die Beteiligten daraus, dass das die Wahrheit sein muss. Sozialdemokraten glauben, ihre Blase sei die Welt und sie könnten sich mit offenen Augen allein die Welt erklären. Dabei sitzen sie in einer Höhle und sehen von der Welt bestenfalls die Schatten.

Die Höhle ließe sich leicht verlassen. Angebote für Aussteiger gibt es genug. Zum Beispiel die Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Die besagen, dass etwa ein Viertel der deutschen Erwerbstätigen schwere körperliche Arbeit erledigen muss – auch im hohen Alter. Etwa zehneinhalb Millionen Menschen arbeiten in Deutschland folglich schwer. Aber die Sozialdemokraten sagen: Es gibt keine Arbeiter mehr.

Um die Zahl einzuordnen: Die SPD brauchte 2021 keine zwölf Millionen Wähler, um zu der Partei zu werden, die den Kanzler stellt. Die Grünen sind die Partei, die das Leben in Deutschland maßgeblich beeinflussen. Auf sie geht der Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft zurück. In Folge ihres Wirkens hat die Ampel das Aussprechen biologischer Wahrheiten unter Strafe gestellt, politische Gegner aufgrund unhaltbarer Anklagen in U-Haft schicken lassen und Medien übers Vereinsrecht verboten. Keine 6,9 Millionen Menschen haben die Grünen 2021 gewählt. Und das war ihr historisch bestes Ergebnis. Mit Abstand.

SPD und Scholz auf dem Seziertisch
Hans-Peter Bartels (SPD) zerlegt die eigene Partei
6,9 Millionen Wähler der Grünen versus 10,5 Millionen Menschen, die körperlich schwer arbeiten. Trotzdem orientieren sich die Sozialdemokraten in ihren Analysen weiterhin am grünen Milieu als Zielgruppe. Weil die anderen Politiker und weil die Medienleute – also alle Menschen, die sie außerhalb der buckligen Verwandtschaft kennen – es auch so sehen. Die Sozialdemokraten wollen analysieren, warum sie die Wahl draußen in der Welt verloren haben. Doch sie weigern sich beharrlich, ihre Höhle zu verlassen. Also deuten sie weiterhin die Schatten.

Die AfD war in Thüringen bei den Arbeitern die mit Abstand stärkste Partei. Sie holte fünfmal so viele Stimmen wie die SPD. Und die Grünen. Und die Linken. Zusammen. Alleine für sich reichen die Stimmen der körperlich schwer arbeitenden Menschen nicht. Aber selbst bei einer Wahlbeteiligung von 100 Prozent ließe sich mit ihnen im Bund 15 Prozent der Stimmen erreichen. Bei einer entsprechend niedrigeren Wahlbeteiligung wären es schnell 20 Prozent. Deutlich mehr als die Grünen selbst bei ihrem Rekordergebnis gewählt haben.

Unter den schwer arbeitenden Menschen sind die Mitarbeiter der Banken- und Versicherungsbranche ausdrücklich nicht enthalten. Sie arbeiten halt körperlich nicht schwer. Trotzdem teilen sie mit den körperlich Arbeitenden Interessen sowie Gedankengut. Wer verstehen will, warum die AfD im Osten stark ist, muss nur wissen, dass sich die Alternative für Deutschland um Arbeiter und Arbeitnehmer bemüht. Während sich die Sozialdemokraten damit begnügen, zu behaupten, es gebe keine Arbeiter mehr. Ohne einen Blick auf die Zahlen zu werfen. Einfach nur, weil das in der Blase alle so sagen.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 55 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

55 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
GermanMichel
2 Monate her

Es, läuft doch alles nach Plan. Die Frage ist doch nicht, wie es einer Partei, oder einer etablierten Parteienlandschaft geht, sondern ob die „gelenkte Demokratie“ im Westen, also im US Imperium, die einzelnen Vasallen Staaten gemäß der globalen Agenda in die richtige Richtung entwickelt. Dabei bekommt zwar jedes Land seine eigene angepasste Version der Agenda und eigene Geschwindigkeit, aber das spielt keine Rolle, wenn die Strippenzieher strategisch in längeren Zeiträumen denken. Und die Agenda wird leicht angepasst, je nachdem ob das Linke oder Rechte Spektrum der Parteien Landschaft dran ist, aber am großen plan und der vorgegebenen Richtung ändert sich… Mehr

Hans Nase
2 Monate her

Der Satz muss lauten „Es gibt keine Arbeiter mehr – in der SPD“. Das ist die Hauptursache für den Niedergang dieser Partei.
Kern des Übels ist, daß die SPD sich aus einer Jogendorganisation speist, welche sich „Junge Sozialisten“ nennt. Die Jusos unterscheiden sich in Nichts außer dem Namen von Solid oder den Grünen Jugend. Angehende Arbeiter findet man in diesem Biotop nicht. Daher verwundert es nicht, wenn die Mutterpartei keine Arbeiterpartei mehr ist und sich inhaltlich auch nicht unterscheidet. Der einzige Grund, warum die SPD überhaupt noch existiert, sind die (zwangsläufig) realpolitisch agierenden Kommunalpolitiker der SPD.

Andreas Bitz
2 Monate her

Mal andersherum: Bis auf einige Traditionswähler sind Arbeiter für die SPD eh verloren, sie wählen AfD oder BSW. Also konzentriert sich die SPD-Führungsclique auf die von SPD-Pöstchen Abhängigen, und das sind nicht zuwenige: im aufgeblähten und ständig ausgeweiteten Verwaltungsapparat, bei all den NearGOs, den Bürgergeldempfängern, den Profiteuren der SPD-Lobbypolitik usw. Da hat sich die SPD ein neues Wählerreservoir erschlossen = erkauft.

Raul Gutmann
2 Monate her

Toller Artikel, Herr Thurnes. Inhaltlich wie sprachlich.

Die AfD war in Thüringen bei den Arbeitern die mit Abstand stärkste Partei. Sie holte fünfmal so viele Stimmen wie die SPD. Und die Grünen. Und die Linken. Zusammen.

Sehr stark. Chapeau!

Nibelung
2 Monate her

Diese beiden auf dem Bild machen ja auch nicht gerade den Eindruck, die geeigneten Vertreter der Arbeiterklasse zu sein und die haben es ja mittleweile bemerkt wie sich von den roten Genossen in Gewerkschaften und Politik verschauckelt werden und haben sich bei der AFD eine neue Heimat gesucht, während die rot-grüne Ampel gerade dabei ist, ihnen den Boden unter den Füssen abzugraben, was noch ganz besonders erschwerend hinzu kommt. Im Moment müssen sie aus der Zwanghaftigkeit der anstehenden Wahlen in Brandenburg noch den Deckel der internen Streitigkeiten drauf halten, aber danach ist alles möglich, denn mit ihrem Erinnerungslosen ist genauso… Mehr

Aegnor
2 Monate her

Hm. Wenn die 6,5Mio Wähler der Grünen bei der letzten BTW, also ihr Rekordergebnis, im Grunde das gesamte Wählerpotential der Woken (aka links-grün) ausmachen und es sich daher für die SPD gar nicht rechnet, den Woken hinterher zu laufen und die 10,5Mio Arbeiter (mittlerweile) mehrheitlich AfD wählen -> Wer sind dann die 12 Mio SPD-Wähler von der letzten Wahl? Ein paar verirrte, blinde Arbeiterschäfchen (vermutlich Gewerkschaftler die per AV dazu gezwungen sind SPD zu wählen), SPD-nah-Beschäftigte und gutversorgte Rentner (ja auch das gibts, wenn noch die große Betriebsrente dazu kommt, für die die aktuell Beschäftigten, die selbst keine mehr bekommen,… Mehr

GermanMichel
2 Monate her
Antworten an  Aegnor

Wer AFD wählt bekommt dann CDU statt SPD, und merkt dann nach der Wahl dass der große Verrat genauso weitergeht wie vorher, nur dass die CDU auch noch Hure der Industrie ist und Arbeitnehmerrechte und Rentenansprüche schleift.

Manchmal ist es echt besser die schlimmste als die beste Option zu wählen, wenn man dadurch die CDU vermeidet, die den Boomern die Rente wegnehmen wird als letzten Akt des großen Verrats.

Evero
2 Monate her

Diese elitäre Clique ist geradezu gefährlich für die Demokratie. Sie ist abgehoben realitätsfern und gehtvüber Leichen, um ihre Agenda durchzusetzen.
Das, was sie der AfD dauernd vorwerfen, sind sie selbst schin lange. Extremisten, zu totalitären Schritten neigend, das Volk als Untertanen behandelnd.

Fieselsteinchen
2 Monate her

Obwohl nie SPD-Anhänger, nach der DDR hege ich eine tiefe Abneigung gegen alles, was irgendwie mit “Sozial” beginnt. Allerdings könnte man tatsächlich spüren, so man pietätloserweise auf den Gräbern von Helmut Schmidt, Egon Bahr, Regine Hildebrandt, Willy Brandt oder Kurt Schumacher stehen würde, wie die dadrin rotieren, wenn sie die zwei Pfeifen, dem abgebrochenen Studenten und der erfolgsbefreiten Antifantin-Esken als SPDler zusehen und -hören müssten. Die SPD ist zu einer Freakshow verkümmert!

Axel Fachtan
2 Monate her

Deutschland braucht eine bessere Politik.
Eine bessere Erklärung braucht es nicht.
Auch nicht von einem Friedrich Merz,der den dämlichen Ossis nach 35 Jahren endlich mal erklären will, wie westliche Demokratie funktioniert.
Ihr produziert dämlichen Dreck auf Kosten des eigenen Volkes.
Wenn ihr daraus keine Schlüsse zieht, dann ist demnächst Schluss.

bfwied
2 Monate her

Kurz: Dekadenz und strunzdumm! So erlebte ich vor vielen Jahren in der SPD die Anfänge und stieg aus. Wer so lernunfähig ist wie diese Leute – dazu gehören auch die Grünen -, kann und darf deshalb ein Land nicht führen, sie erlassen Gesetze, die noch unter der das alles eingeleitet habenden Merkel undenkbar waren. Alle paar Jahrzehnte verfällt D. offensichtlich in einen Wahn, der auch die abstruseste Ideologie als göttliche Verheißung sieht. Und was nimmt man, um den Wahn zu verbreiten? Man nimmt Überzeugungstäter aus Dummheit, unausgebildete Schreihälse, die immerfort „Wir müssen alles anders machen“ schreien, was nichts anderes als… Mehr