Mietpreis an Einkommen koppeln: Die sozialistischen Ideen der Berliner CDU

Wohnchaos in Berlin: Es fehlen 200.000 Wohnungen. Im Wahlkampf trat die Berliner CDU noch mit den konservativsten Vorhaben an, kippte nach dem Wahltag aber schneller nach links um als man 1, 2, 3 sagen konnte. Der neueste Vorstoß klingt wie aus dem Setzkasten des Sozialismus: Den Mietpreis kommunaler Wohnungsgesellschaften einfach an das Einkommen koppeln.

picture alliance/dpa | Paul Zinken
Christian Gräff (CDU) spricht bei der Plenarsitzung im Berliner Abgeordnetenhaus.

In Berlin mit seinen 3,8 Millionen Einwohnern fehlen geschätzt rund 200.000 Wohnungen, also Wohnungen für mindestens 400.000 bis 800.000 Menschen. Nun schlägt der Berliner CDU-Politiker Christian Gräff vor, die Mieten kommunaler Wohnungsgesellschaften an das Einkommen der Bewohner zu koppeln. Gräff ist Sprecher für Bauen und Stadtentwicklung der (zusammen mit der SPD regierenden) CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Gräff konkret: Die landeseigenen Gesellschaften müssten die Möglichkeit haben, die Mieten bei denjenigen Bewohnern anzupassen, die sich das wirtschaftlich leisten könnten. Dies sei nach seiner Einschätzung gerechter und könne dazu beitragen, die wirtschaftliche Situation der Wohnungsgesellschaften etwa für Neubauten zu verbessern. Das von der amtierenden Schwarz-Rot-Koalition vom rot-grün-roten Vorgängersenat übernommene Bauziel von 20.000 neuen Wohnungen pro Jahr sei sonst gefährdet.

Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) erwartet bei seinen Mitgliedsunternehmen im laufenden Jahr jedenfalls nur den Baubeginn von 3.951 Wohnungen. Für 2024 sollen es laut BBU 4.486 fertiggestellte Wohnungen sein. Das ist ein Drittel weniger als 2023 und der niedrigste Stand seit 2018. Denn die Investitionen sanken im vergangenen Jahr real um 18 Prozent (minus 252 Millionen Euro). Mit der Summe, die man 2019 für den Bau von 100 Wohnungen benötigte, kann man derzeit nur noch 71 Wohnungen hochziehen.

Naja, Planwirtschaft war noch nie erfolgreich, und marktwidrige sozialistische Gerechtigkeitsvorstellungen waren es noch weniger. Aber die Berliner CDU ist ja in manchen Bereichen eine Partei, die offenbar Erich Honeckers Spruch vom 14. August 1989, also wenige Wochen vor dem Ende der DDR, beweisen möchte: „Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf.“

Berlins falsche Prioritäten

Bleiben wir bei den Finanzen: Berlin hatte am 31. März 2024 insgesamt 67,153 Milliarden Euro „öffentliche“ Schulden. Ende 2023 waren es „noch“ 62,591 Milliarden. Das ist binnen eines Quartals ein Schuldenzuwachs von 6,8 Prozent. Mit Stand 31. März 2024 betrug die Berliner-Pro-Kopf-Verschuldung 17.809 Euro. Das ist ein bundesweiter Spitzenwert, der nur von Bremen (33.516), dort aber massiv, übertroffen wird.

Dabei muss man berücksichtigen, dass Berlin der größte Empfänger beim Länderfinanzausgleich ist. Hier sind jährlich gut 18 Milliarden im Umlauf. Berlin schöpft hier mit 3,8 Mrd. den größten Brocken ab; Bayern zahlt 9,1 Mrd. ein.

Berlin muss sich jedenfalls fragen, ob es in Sachen Wohnungen nicht falsche Prioritäten hat. Beispiele:

  • Berlin unterhält 117 Standorte mit Unterkünften des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten Berlin (LAF). (Stand Januar 2024).
  • Insgesamt werden 2024 rund 2.300 Plätze in fünf MUF-Neubauten und Wohnungen bezugsfertig (MUF = Modulare Unterkünfte für Flüchtlinge): MUF Quedlinburger Straße in Charlottenburg-Wilmersdorf) mit 570 Plätzen, Bezug ab April. MUF Askanierring in Spandau mit 566 Plätzen, Bezug ab Juli. MUF Kirchstraße in Pankow mit 320 Plätzen, Bezug ab Juli. MUF Rudower Straße in Neukölln mit 320 Plätzen, Bezug ab September. 1. Bauabschnitt Buckower Felder in Neukölln, 105 Plätze in Wohnungen ab September. MUF Bohnsdorfer Weg in Treptow-Köpenick mit 300 Plätzen, Bezug ab Jahresende.
  • Sieben Wohnhäuser mit 61 Ein- bis Fünf-Zimmerwohnungen für Flüchtlinge entstehen in der Kirchstraße (Pankow). Mit weiteren 400 Plätzen soll noch dieses Jahr in der Kavalierstraße begonnen werden.
  • Ende September 2024 schließt das „City Hotel Berlin East“ an der Landsberger Allee. Es war im Juni 2024 vom Senat angemietet worden, um in Kürze dort 1.200 Geflüchtete in 473 Zimmern unterzubringen. Die Kosten für die kommenden zehn Jahre werden auf 143 Mio. Euro taxiert.

Und dann noch ein Berliner Spezialprojekt der besonders „woken“ Qualität: Seit Mai 2023 entstehen in der Nähe des Berliner Alexanderplatzes 72 Mietwohnungen samt Kulturzentrum und Kiez-Café für lesbische Frauen.

Wie sagte einst ein „Regierender Bürgermeister“ namens Klaus Wowereit (SPD)? Er war „Regierender“ von 2001 bis 2014. Vor gut zwanzig Jahren, im November 2003, ist er in den Kalauerschatz mit dem Spruch eingegangen: „Berlin ist arm, aber sexy.“ 15 Jahre später, im Mai 2018, wollte er diesen Spruch noch einmal verewigen bzw. beweisen, dass unter seiner Ägide alles besser geworden sei. Der Titel des Buches: „Sexy, aber nicht mehr so arm: mein Berlin.“

Nun, sexy ist Berlin vielleicht für eine bestimmte Klientel junger Leute, für die Berlin einfach „hip“ und „woke“ ist. Arm ist Berlin aber nach wie vor, und – wenn man sich die Ergebnisse der Schüler in Berlin bei Leistungstests anschaut – auch noch ziemlich doof. Das scheint aber nicht nur für den Bildungssektor zu gelten. Will CDU-Mann Gräff davon ablenken?

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Kommentare ( 75 )

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Rosalinde
3 Monate her

Besser wäre es wenn die überaus großzügigen eigenständigen Diäten Erhöhungen der Politiker sich künftig am Einkommenszuwachs der arbeitenden Menschen orientieren müssten.

Robert Tiel
3 Monate her

Es fehlen keine 200.000 Wohnungen für 400.000 Menschen.
Es leben mindestens 400.000 Menschen zuviel in Berlin.
Kommt als nächstes wieder „Volk ohne Raum“…?!!

joly
3 Monate her

Diese Idee des CDUlers ist geradezu genial und ausbaufähig. Das Einkommen aller Politiker sollte an den Realisierungsgrad ihrer Versprechungen vor der Wahl angekoppelt werden! Das wärs doch. Von Merkel sämtliches Geld zurück plus Bürgergeld statt Pension – und das mit den HAmplern ebenso.

Rob Roy
3 Monate her

Hintergedanke ist wohl auch, dass die Jobcenter dann den Bürgergeldempfängern und Wohngeldbeziehern dann weniger Geld für die Miete zahlen bräuchten.
Allerdings würden die Vermieter solche Mieter hasse , weil sie weniger Geld einbringen, und versuchen, diese loszuwerden.
Eine weitere Spaltung der Gesellschaft, von der Politik mit Absicht gewollt.

Fatmah
3 Monate her
Antworten an  Rob Roy

Zumal Arbeitslose die den ganzen Tag mit Kippe und Bierpulle zu Hause herumhängen eine Wohnung deutlich mehr verschleissen als Malte und Mette, die nach dem Arbeitstag im Umweltministerium noch zum Pilates Kurs Lastenradeln oder mit dem Car-Sharing Auto fahren (U Bahn ist zu gefährlich).

AndreasH
3 Monate her
Antworten an  Rob Roy

Es geht um Wohnungen im Besitz der Stadt Berlin. Gewerbliche Vermieter können zu so einem Kappes ohnehin nicht gezwungen werden.

Bosmer
3 Monate her

Tja, das ist wieder so ein Berliner Witz. Wohnungsmieten nach Einkommen. Das wäre das nächste Bürokratiemonster. So etwas gab es nicht mal in der DDR und auch in keinem anderen Land des sozialistischen Lagers, wenn ich mich recht erinnere. Und da die CDU solch einen Mist von sich gibt, sollten sich die Wahlbürger es fest einprägen. Mit der CDU wird es nicht besser. Sie schwimmt auf der Linie der linksgrünen Vorschreiberpartei. Nur eines möchte ich von der CDU wissen. Wenn die Wohnungsmieten nach Einkommen gestaffelt wären, an welcher Stelle entstehen dann neue Wohnungen? Um den Wohnungsmarkt anzukurbeln, müssen die Verantwortlichen… Mehr

Ben Clirsek
3 Monate her

Diesmal kann ich ihre Meinung nicht teilen Herr Kraus. Hier ein kleines (älteres) Beispiel von Bekannten: Ehepaar mit 2 Kindern, er noch im Studium, sie ohne Arbeit bekommen in München eine Sozialwohnung. Nach Abschluss des Studiums erhält er einen hochbezahlten Posten bei BMW. Trotzdem blockieren die 4 weitere 15 Jahre die billige Sozialwohnung, während wirklich Bedürftige ins Ofenrohr schauen. Und nach den 15 Jahren kauft man sich von der ersparten Miete sein Haus. Die einen würden sagen schlau gemacht, ich sage das ist asozial.

Reinhard Schroeter
3 Monate her

Ein Osteuropäer, sagen wir mal ein Ungar, würde niemals 50 Jahre lang Miete zahlen um am Ende mit nichts dazustehen, was er seinen Kindern vererben könnte. Der nimmt , wenn er jung ist einen Kredit auf, kauft sich eine Wohnung, zahlt den 30 Jahre lang ab und kann dann an seine Kinder Immobilieneigentum weitergeben. Eine Disskussion um Miete kennt man in Ungarn und auch anderswo im Osten von Európa nicht. Es gibt eine Eigentumsquote von über 85 % . Keiner erwartet vom Staat , das dieser für sein Dach über dem Kopf zu sorgen hätte. Für das Angebot sorgen freie… Mehr

rbayer
3 Monate her
Antworten an  Reinhard Schroeter

möglicherweise liegt das aber auch daran – ohne nun ungarn in den himmel loben zu wollen -, dass der ungar davon ausgehen kann, a) das häusle auch wirklich über 30 jahre abbezahlen zu können, z. b. weil er 30 jahre einen anständigen job bei anständigen steuern und sozialabgaben hat, b) der wert des häusles nach 30 jahren noch hinreichend ist, c) keine nachträgliche unbezahlbare dämmung gefordert wird, d) das häusle auch nach einem defekt der aktuellen heizung noch weiter bewohnt werden kann, ohne unsummen dafür investieren zu müssen, e) im alter noch ohne berücksichtigung der qm-zahl bzw. ohne strafzahlung dazu… Mehr

Bosmer
3 Monate her
Antworten an  Reinhard Schroeter

Also ich kann meinen Nachkommen ein für kleine Leute recht anständiges Erbe hinterlassen und nicht als Immobilie. In unserer ganzen Familie und auch in unserem Freundeskreis hat niemand das Interesse an einer Immobilie. Wir mit unserer Genossenschaftswohnung leben gut damit. Man muss sich um nichts kümmern, was vor allem im Alter recht wohltuend ist. Es geht außerdem überhaupt nicht darum, ob Eigentum oder nicht, sondern um die wirtschaftlichen und ideologischen Rahmenbedingungen, die zur heutigen Wohnsituation geführt haben. Auch mit einer Eigentumswohnung müsste man mit steigenden Ausgaben rechnen, da die Dienstleistungen rund um den Wohnbereich weiter und weiter steigen. Das betrifft… Mehr

Fatmah
3 Monate her
Antworten an  Bosmer

Naja, bei euch Mietern steigen die Kosten für Dienstleistungen aber genau so.

Bosmer
3 Monate her
Antworten an  Fatmah

Bei allen, so wie ich es geschrieben habe!

Robert Tiel
3 Monate her
Antworten an  Bosmer

Im Ruhrgebiet ist gerade genossenschaftlicher Wohnungsbestand an eine kommunale Wohnungsgesellschaft verkauft worden.
Vor 5 Jahren wurde den Genossen lapidar mitgeteilt, dass sie umziehen müssten. Als diese sich wehrten und dabei zum Teil gewannen, weil die Häuser dann nicht einfach abgerissen werden durften, hat der oberste Genosse die fraglichen Häuser verkauft. Inzwischen wohnen dort aber nur noch ca 10%, die anderen haben aufgegeben.
Nichts ist mehr sicher, nichts mehr planbar.
Aber wieder das Kreuz bei den Schwarzen, Roten, Gelben und vor allem – Grünen setzen…

cernunnos
3 Monate her
Antworten an  Reinhard Schroeter

 Eigentumsquote von über 85 %“

Das hängt aber auch damit zusammen, dass den Leuten ihre Wohnungen etc nach der Wende als Eigentum überschrieben wurden.

Fatmah
3 Monate her
Antworten an  Reinhard Schroeter

Hier nicht möglich weil selbst bei schuldfreien Eigentum die Nebenkosten enorm hoch sind. Wir zahlen für 80QM Eigentum monatlich 650€ Nebenkosten, sprich Hausgeld. Dafür konnte man vor 20 Jahren mal ein Haus mieten.

Michaelis
3 Monate her

Die Kosten für Miete (inklusive Immobilieneigentum) schießen durch die Decke, bei vielen gefolgt von den Kosten für die „Gesundheitsvorsorge“. Von Bekannten höre ich immer wieder „seltsame“ Erzählungen, z.B. die von dem Sohn der nie gearbeitet hat und trotzdem in einer luxuriösen Altbauwohnung mit seiner Freundin lebt, sich daneben noch ausgiebige Reisen jedes Jahr leisten kann. Oder die von einem ehemaligen Manager mit einst gutem Verdienst, der trotz jahrelanger Suche keine etwas größere Wohnung als seine aktuelle 45-qm-Behausung findet. Seltsame Realitäten eines dekadenten „Sozialstaats“.

Haba Orwell
3 Monate her

Man sollte vielleicht erwähnen – in den USA verkündete eine Frau Harris, dass sie sich staatliche Kontrollen der Lebensmittelpreise und Wohnungsmieten vorstellen könne:

https://uncutnews.ch/die-entwicklung-der-notstandsgebiete-fuer-preiskontrollen/

Es scheint, ab Corona und der US-Version der Wummmse bekommen die Amis eigene Wirtschaft und Finanzen nicht mehr in den Griff. Heftige Nebenwirkungen, um ein paar unnütze Impfungen anzudrehen.

johnsmith
3 Monate her

Berlin ist dysfunktional. Man will zwar eigentlich neu bauen, weil Hunderttausende neuer Migranten in Berlin bezahlt vom Steuerzahler leben wollen.
Gleichzeitig will man aber auch nicht bauen, da das ja umweltschädlich ist und Boden versiegelt wird. Das Tempelhofer Feld darf man nicht bebauen, weil die schon in Berlin lebenden Berliner das nicht wollen.
Baugenehmigungen dauern gerne mal in Berlin 10-20 Jahre, Berliner Tempo halt, und werden dann nur mit unattraktiven Auflagen wie Bau von Sozialwohnungen erteilt.
Neubaufläche wird von der Stadt Berlin kaum ausgewiesen (wegen Flächenversiegelung und weil die Erschließung für Berlin teuer wäre).