Ausgerechnet in dem Land, das selbst kein Kernkraftwerk besitzt, wird ein neuartige Reaktor mit Superlativen entwickelt: Copenhagen Atomics hat im renommierten Schweizer Paul Scherrer Institut einen Projektpartner für den Bau gefunden. Von Wolfgang Kempkens
In der Schweiz wird ein neuer Reaktor gebaut. Entwickelt worden ist er vom Unternehmen Copenhagen Atomics (Video). Dass ausgerechnet Dänemark, das kein einziges Kernkraftwerk besitzt, das Konzept für eine Anlage vorlegt, die inhärent sicher ist, also nicht „durchgehen“ oder gar explodieren kann, die zudem noch Atommüll entschärft und ihren eigenen Brennstoff durch einen Prozess namens Brüten produziert, könnte angesichts der Superlative misstrauisch machen.
Doch das verhindert der Partner, den die Dänen für die Realisierung des Projekts gewonnen haben: das renommierte Schweizer Paul Scherrer Institut (PSI) in Villigen und Würenlingen im Schweizer Kanton Aargau. Dort soll die Anlage auch errichtet werden und bereits 2026 in Betrieb gehen. Die Kooperation vereinbarten die Partner am 1. Juli dieses Jahres.
„Ich persönlich bin sehr froh, dass sich Copenhagen Atomics für das PSI als Kooperationspartner entschieden hat, um die Machbarkeit seiner Vision hier an unserem Institut zu beweisen“, sagt Marco Streit, Leiter des PSI Hot Laboratory, des einzigen Schweizer Labors, das mit radioaktiven Materialien arbeiten darf und am Bau des Reaktors, der vorerst lediglich dazu dienen soll, die Machbarkeit zu beweisen, maßgeblich beteiligt ist.
Anders als bei allen bisher realisierten Reaktoren zur Kernspaltung hat der sogenannte Schmelzsalz-oder Flüssigsalzreaktor keinen Kern, in dem sich der Brennstoff Uran und/oder Plutonium dauerhaft befindet. Das Spaltmaterial ist fein verteilt in geschmolzenem Salz, das im Kreislauf durch den Reaktor gepumpt wird. Wenn er das Innere erreicht, beginnt der Spaltungsprozess, in diesem Fall von Uran 235 – die Zahl 235 gibt die Zahl der Neutronen und Protonen im Kern des Atoms an (Animation Kraftwerk mit mehreren Flüssigsalzreaktoren).
Dabei entsteht Wärme, die für industrielle Prozesse oder zur Stromerzeugung genutzt werden kann wie im indonesischen Bontang. Dort soll eine große Fabrik zur Herstellung von grünem Ammoniak gebaut werden, die ihre Energie aus mehreren Reaktoren von Copenhagen Atomics beziehen soll. Die Stromgestehungskosten sollen bei unschlagbaren zwei Cent pro Kilowattstunde liegen, so das PSE.
Als Brennstoff dient ein Gemisch aus Salzen mit den Metallen Lithium, Thorium und leicht angereichertem Uran. Im Herzen des Reaktors, durch das die Salzschmelze gepumpt wird, befindet sich schweres Wasser, das als Moderator fungiert. Dieser hat die Aufgabe, die bei der Spaltung der Uran-Atome frei werdenden Neutronen abzubremsen. Nur dann können sie weitere Atome spalten, in der Schmelze enthaltenen radioaktiven Müll entschärfen und nicht zuletzt Thorium in spaltbares Uran (Uran 233) umwandeln. Damit erzeugt der Reaktor seinen eigenen Brennstoff. Thorium ist weltweit in großen Mengen vorhanden, im Gegensatz zu Uran.
Der radioaktive Müll wird in jedem Umlauf aus der Salzschmelze entfernt und identifiziert. Langlebige, also jahrtausendelang gefährliche Abfälle, werden wieder eingespeist, um durch Neutroneneinfang entschärft zu werden. Übrig bleibt letztlich Müll, der nur ein paar 100 Jahre lang strahlt statt viele 1000.
Bei der Uranspaltung wird Wärme frei, die das Salz erhitzt. Eine Temperatur von bis zu 1400 Grad ist möglich, ohne dass das Salz geschädigt wird, so die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) in Köln. Aufgrund der hohen Temperatur lässt sich Dampf mit Eigenschaften erzeugen, die denen in modernen fossilen Wärmekraftwerken entsprechen. Das bedeutet, dass für die Stromerzeugung Turbogeneratoren vom Fließband genutzt werden können, extrem teure Sonderanfertigungen also nicht nötig sind. Zudem kann die Wärme auch für industrielle Prozesse genutzt werden, etwa zur Herstellung von Zement und Glas oder zur Spaltung von Wasser, um grünen Wasserstoff zugewinnen.
Im Normalfall stellt der Reaktor der Dänen bei einer Modulleistung von 100 Megawatt thermisch eine Temperatur von 560 Grad Celsius zur Verfügung. Jede Anlage findet in einem Normcontainer Platz. Sie wird in einer Fabrik komplett zusammengebaut und per Bahn, Schiff, Lkw oder gar Flugzeug zum Bestimmungsort gebracht. Reicht die Größe eines Moduls nicht aus können mehrere davon nebeneinander aufgestellt werden, wie es beispielsweise für Indonesien geplant ist.
Wolfgang Kempkens studierte an der Technischen Hochschule Aachen Elektrotechnik. Nach Stationen bei der „Aachener Volkszeitung“ und der „Wirtschaftswoche“ arbeitet er heute als freier Journalist. Seine Schwerpunkte sind Energie und Umwelt.
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Kein Land kann es sich auf Dauer leisten, 5.000 Tonnen Beton, Stahl und Kupfer für ein einziges Windrad zu verpulvern, für das man auch noch 4 Hektar Wald roden oder Ackerfläche opfern muss. Gerade in Europa, wo es fast keine Rohstoffe gibt.
Hatte mich gerade gefreut, dass mal wieder ein neues Konzept in der Energieversorgung ausprobiert wird. Bin jetzt doch enttäuscht, dass es sich letzten Endes um einen Forschungsreaktor handelt … also vorerst viel Lärm um nichts. Schade.
An alle Skeptiker hier, die schreiben dass das unausgegoren ist und nur zur Probe laufen wird. Es gibt bereits mindestens drei neuartige Reaktoren in Betrieb in China und Russland. Es kann sein dass diese Reaktoren nicht identisch sind mit dem in diesem Artikel beschriebenen, aber sie gehören zur neuen Reaktoren-Generation. Veröffentlicht 2019 und 2021 in diesen Meldungen:
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/neue-wege/china-kernreaktor-thorium/
https://www.achgut.com/artikel/bericht_aus_beloyarsk_energie_ohne_ende_und_ohne_uns_2
https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/energie/russland-belaedt-erstes-schwimmendes-atomkraftwerk/
Sie scheinen nicht zu begreifen dass Flüssigsalz eine ganz andere Nummer ist.
BN800 – hatten wir schon vor 40 Jahren, hieß hier SNR 300.
Der schwimmende – eine Bonsaiausgabe von DWR.
Verehrter HPs, es geht nicht ums begreifen. Ich bin ein Nichtfachmann und kann mich nur äußern nach Dem was ich lese. Sie als offenbarer Fachmann glauben doch hoffentlich nicht, dass geschätzt 95 Prozent der Leser hier mit “ BN800, SNR 300, DWR “ etwas anfangen können.
Das ist der Grund warum die alle, allen Ernstes glauben die neuen Wunderreaktoren stünden direkt vor der Tür.
Mehr als EPR2, AP1000 etc. Wird für lange Zeit nicht drin sein. In D eher nicht.
Tolles Konzept, wenn die Umsetzung funktioniert.
Meines Wissens liegt das Problem darin, dass noch Materialien gefunden/getestet werden müssen, die diese Salzschmelze über einen längeren Zeitraum aushalten, ohne dass das Material ermüdet.
An Molten Salt Reaktoren wird schon seit den 50er Jahren geforscht. In Oak Ridge, wo die Atombombe mitentwickelt wurde, gab es einen von Alvin Weinberg entwickelten MSR der ohne Probleme monatelang störungsfrei lief. Die Entscheidung für Leichtwasserreaktoren und gegen den MSR, fiel aufgrund der Tatsache, dass ein MSR kein Plutonium produzieren konnten, welches man damals zwingend für das Atomwaffenarsenal benötigt hatte. Später wurde das Konzept der Leichtwasserreakoren auch für AKW´s übernommen.
Der Artikel suggeriert, als ob hier in 2 Jahren etwas stehen würde, was die Welt verändert. Dem ist aber nicht so. Weder halte ich den Inbetriebnahme Zeitpunkt für realistisch, noch wird sich ab 2026 grundlegend etwas an der Stromerzeugung der westlichen Welt ändern. Weder wird so ein Reaktor in der Realität Strom für 2Cent abliefern noch wird er so harmlos und probemlos betreibbar sein wie er verspricht. Dafür wird an der Konstruktion schon seit Jahrzehnten geforscht ohne das dies nennenswerte Fortschritte macht. Wenn wir jetzt alle mal unsere Deutsche Brille absetzen wo alles was mit Kernenergie zu tun hat abgrundtief… Mehr
So ein Skandal! Die nach Kanada ausgewanderten Deutschen mit ihrem neuen Atomkraftwerkkonzept testen ja wenigstens in Afrika ihren neuesten Brüter. Das klingt zwar sehr rassistisch, aber mit den Medikamenten hat man schon lange vor Corona dieses Prinzip genutzt.
Und jetzt setzt man uns so ein Testding genau in die Mitte des wohlstandverseuchten Europas. Noch dazu uns Deutschen direkt vor die Haustüre. Aber weit weg von Dänemark. Das ist per Definition nicht rassistisch.
Dass die Schweiz ihren Nuklearmüll direkt an unsere grenze platziert; wer regt sich da noch auf.
Am meisten freut mich, dass er direkt an der deutschen Grenze gebaut wird. Wie das Schweizer Endlager sogar fast auf deutschem Boden ein paar Kilometer entfernt. Hat doch was.
EIn ähnliches Konzept – nur noch etwas fortschrittlicher ist der sog. Dual-Fluid-Reaktor, entwickelt vom Institut für Festkörper-Kernphysik IFK mbH in Berlin. Da in Ddeutschland damit kein Staat gemacht werden kann, und auch das linke Kanada nach ersten Zusagen keine Option war ist man nun nach … Ruanda!!! D.h. der fortschrittlichste Reaktor der Welt wird nicht in Schland gebaut, sondern in einem sog. „Dritte-Welt-Land“ in Afrika. Die Zeiten ändern sich.
Das ist nicht ganz richtig. „Dual-Fluid“ wurde sogar in eine vollständig Kanadische Firma umgewandelt, in Ruanda entsteht nur ein „Demonstrationsreaktor“.
Ruanda hat fortschrittliche Politik, wir haben keine. So aendert sich die Welt, erst ganz langsam und dann ganz schnell.
Noch eine Wahlperiode mit dem Alten, und wir sind unwiederuflich in der 2 Welt (EU geht mit)
Man gehe mal zu Wiki und schaue sich die Indexwerte dieses Landes an. Unter fortschrittlich verstehe ich etwas anderes. Präsidenten die seit 2000 an der Macht sind…. Mir hat Merkel schon seit 2010 gereicht.
Diese Reaktoren sind ja alle „kalter“ Kaffee und könnte überall hochgezogen werden. (Russland betreibt auch schon seit einiger Zeit einen.)
Man hat diese Technik ja nur aus einem EINZIGEN Grund NICHT wirklich verfolgt, und dass ist die, dass man mit diesen Reaktoren KEIN waffenfähiges Plutonium gewinnen kann…
Aber gut, dass jetzt die ersten auch in Europa entstehen, dann wird man in Zukunft leichter an Firmen kommen, die so ein Ding hinstellen können… als Ersatz für all den Grünen Stromwahnsinn der Momentan in Absurdistan ensteht.
Es würde mich eigentlich interessieren, warum ausgerechnet Dänemark als einziges Nordwesteuropäisches germanisch protestantisches Land eine Politik betreiben kann, die zumindest teilweise von der aller anderen Länder in derselben Region abweicht.
Das klingt ähnlich, wie der „Dual-Fluid-Reaktor“, der von deutschen Wissenschaftlern entwickelt wurde. Wegen fehlender Förderung in Deutschland haben diese Wissenschaftler eine Firma gegründet und sind nach Kanada ausgewandert, wo sie sowohl Sponsorengelder, als auch staatliche Förderung erhalten. Zur Zeit wird ein Prototyp in Ruanda gebaut. In deutschen Medien wird darüber so gut wie nichts berichtet. https://dual-fluid.com/de/