Das ABC von Energiewende und Grünsprech 112 – Atypische Netznutzung

Unternehmen, die bedarfsgerecht Strom beziehen, passen nicht ins grüne System zufälliger Stromlieferungen. Sie werden nun als „atypisch“ erklärt und sollen sich flexibilisieren. Nicht die Netznutzung ist atypisch, sondern die deutsche Energiepolitik.

picture alliance/dpa | Karl-Josef Hildenbrand

Täglich werden wir mit Begriffen konfrontiert, die im Ergebnis einer als alternativlos gepriesenen Energiewende verwendet werden oder durch sie erst entstanden sind. Wir greifen auch Bezeichnungen auf, die in der allgemeinen Vergrünung in den Alltagsgebrauch überzugehen drohen – in nichtalphabetischer Reihenfolge.

A wie

Atypische Netznutzung, die

Die Bundesnetzagentur (BNA) teilte mit Schreiben vom 23. Juli den Konsultationsbeginn zu einem „Eckpunktepapier zur Fortentwicklung der Industrienetzentgelte“ mit. Die bisherigen Regelungen aus der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) seien nicht mehr zeitgemäß, sie begünstigten bezüglich der Netzentgelte Betriebe mit hohen Nutzungsstunden und bestimmten Nutzungszeiten, was den aktuellen Anforderungen des auf hohen Anteilen „erneuerbarer Stromerzeugung“ beruhenden Stromsystems nicht mehr entspreche.

Mit anderen Worten: Unternehmen, die bedarfsgerecht Strom beziehen, passen nicht mehr ins grüne System zufälliger Stromlieferungen. Sie sollen sich flexibilisieren im Sinne des Demand Site Managements (DSM), also der Regelung der Verbraucherseite. Unter den sogenannten Flexibilitätsoptionen zur Netzregelung wird diese Möglichkeit immer häufiger genannt, je weniger die Erzeugerseite flexibel ist. Wenn in Echtzeit ungeregelter Naturstrom auf wechselnden Bedarf trifft und trotzdem die Netzfrequenz in engen Grenzen gehalten werden muss, bleibt nur die Anpassung auf der Verbraucherseite.

Bedarfsgerechter oder konstanter Strombezug wird nun als „atypisch“ erklärt, das ist ein neues Niveau der Energiewendekommunikation. Wer ist schon gern atypisch, weicht von der Norm ab, ist unnormal? Der Schwarze Peter wird weitergeschoben. Nicht der verfehlte Ansatz der isoliert deutschen, also deutschnationalen Energiewendepolitik legt die Ursache, sondern ein „atypisches“ Verbraucherverhalten. Weitet man diese Zuschreibung auf die Haushaltsverbraucher aus, so handelt jeder atypisch, der nach Sonnenuntergang das Licht einschaltet. Es steht nicht im Einklag mit dem Aufkommen an PV-Strom.

Ahistorisch statt atypisch

Die Regelung der Verbraucherseite ist ein Rückschritt in mittelalterliche Verhältnisse. Generationen vor uns haben daran gearbeitet, in ihrer Energieversorgung unabhängig von den Launen der Natur zu werden. Endgültig geschafft wurde dies durch die Nutzung der Kohle und dem Einsatz von Dampfmaschinen. Die planbare und bedarfsgerechte Bereitstellung von Energie ebnete den Weg zur Industrialisierung, zu immer weiterer Arbeitsteilung, steigender Effektivität der Produktion, zu mehr Wertschöpfung pro Beschäftigtem, zu sinkenden Preisen und steigenden Löhnen. Bedingung der zunehmenden Arbeitsteilung war eine immer ausgefeiltere Logistik mit dem Ziel, dass Material wie auch Energie zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Menge am richtigen Ort sein müssen.

Genau das können Wind- und Solarstrom nicht leisten. Anstelle die Subventionierung der Naturenergie von deren sicherer Lieferung und Regelfähigkeit abhängig zu machen, fördert die Ampelregierung weiterhin grünen Zufallsstrom, egal wann und wie viel geliefert wird. Durch den nachhängenden Netzausbau nicht ableitbarer Strom wird sogar „entschädigt“; muss er im Ausland kostenpflichtig entsorgt werden, tritt volkswirtschaftlicher Schaden ein. Die „Erneuerbaren“-Betreiber stehen bei uns wie vor 25 Jahren unverändert im Streichelzoo.

Einer muss es tun

Physikalisch ist ein Netzbetrieb mit überwiegend zufälliger Stromproduktion aber nicht möglich, wenn der Verbrauch nicht angepasst wird. Kommunikative Vorfeldarbeit leistete Silvia Kotting-Uhl (Grüne) in ihrer Rede im Bundestag am 14. April 2021. Auf einen AfD-Antrag antwortete sie in bekannter Kernkraftpanik und Unkenntnis des Funktionierens eines Stromsystems, dass es künftig keine Grundlast mehr gäbe und „die Zukunft wird flexibler sein, spannender, ja, auch anspruchsvoller: nicht mehr nachfrage-, sondern angebotsorientiert …“.

Das kann man ihr persönlich nicht übelnehmen, sie war Studentin der Germanistik, Anglistik und Kunstgeschichte, arbeitete etwas als Theaterdramaturgin und entschied sich dann für ein „alternatives Leben im Kraichgau mit Selbstversorger-Tendenzen“. Beste Voraussetzungen also, um unter schwarz-roter Merkel-Mehrheit den Vorsitz des Bundestags-Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit zu übernehmen.

Überrascht war ich, dass nach dieser ihrer Aussage kein Aufschrei durch Politik und Wirtschaft ging. Möglicherweise vermuteten die opportunistischen Manager der Industrie, von permanenter Suche nach Fördermitteln abgelenkt, dass es eine leere Ankündigung sein würde, während die Politiker anderer Parteien, ausgenommen die AfD, die Anschlussfähigkeit an die Grünen erhalten wollten. Nun bleibt es nicht bei der Ankündigung und es wird spannender allemal, hoffentlich nicht spannungslos. Jedenfalls werden wir auf diese Weise künftig kein Industrieland mehr sein.

Alternativlose Entscheidungen

Am Ende müssen die Manager doch wieder an ihr Betriebsergebnis denken. Nicht nur weiter steigende Energiepreise sind einzukalkulieren, künftig auch die abnehmende Verfügbarkeit von Energie, zumindest von Elektrizität mit der Folge einer Zuteilung von Energie, anders formuliert einer Rationierung. Die Abschaltpolitik und der vergebliche Versuch, durch zufälligen Naturstrom Ersatz schaffen zu wollen, werden zu Mangel führen. Unternehmen der Grundstoffindustrie, der Chemie und Metallurgie, die überwiegend 24/7 in Betrieb sind, können die Produktion kaum variieren und nur zum Preis der Zerstörung ihrer Anlagen die Produktion unterbrechen. Einem vollflexiblen Einsatz der Arbeitnehmer würde auch das Arbeitszeitgesetz im Weg stehen.

Das Schreiben der BNA wird für Vorstände und Aufsichtsräte Anlass sein, ihre Unternehmensstrategien zu überdenken. Investiert wird mit großer Wahrscheinlichkeit künftig dort, wo Energie günstig, sicher und bedarfsgerecht zur Verfügung steht. Das wird in Deutschland nicht mehr der Fall sein.

Das Denken in Zusammenhängen bereitet Grünen wie dem Chef der BNA traditionell Probleme. Primat haben Ideologie und das Wohlergehen der „Erneuerbaren“-Branche. Nicht die Netznutzung ist atypisch, sondern die deutsche Energiepolitik.


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Kommentare ( 31 )

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31 Comments
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ramses82
4 Monate her

Sylvia Kotting -Uhl von den Grünen dozierte im April 2021 im Bundestag: „Die Zukunft der Energieversorgung wird nicht mehr nachfrage- sondern angebotsorientiert sein“. Will heißen: wenn Strom da ist, alles ok. Wenn nicht oder zu wenig, dann muss man halt mal warten. Industrieelle Fertigungsprozesse brauchen diese Energie jede Sekunde, jede noch so kurze Unterbrechung gefährdet/ zerstört den gesamten Ablauf. Aber davon haben die grünen Traumtänzer keine Ahnung. Woher auch. Ideologie frisst Hirn bzw. ist Abwesenheit von Realität. Was da propagiert wurde ist nicht weniger als ein Paradigmenwechsel in der Energiewirtschaft und ein unverhohlener Angriff auf den Industriestandort Deutschland. Reaktion seinerzeit und bis… Mehr

DDRforever
4 Monate her

Aber was haben Sie denn? Die BRD Bürger möchten das doch. Sie wählen die Blockparteien obwohl die nicht etwa lügen sondern dem Wahlvolk sehr genau sagen was sie vorhaben. In keinem anderen Land der Welt wäre so etwas möglich, in BRD Schafland schon.

Monostatos
4 Monate her

Wer die Grünen sind und was sie beabsichtigen, ist sonnenklar. Ihr abgrundtiefer Hass gegen Deutschland und die Deutschen, kann niemandem verborgen bleiben. Deswegen sah die Rand-Corporation die Grünen als prädestiniert für die gezielte Zerstörung Deutschlands an. Es zeugt von „atypischer Gehirnnutzung“, wenn man diese Partei oder andere Parteien, die mit ihr paktieren, freiwillig wählt.

pcn
4 Monate her

Alle, die noch klar bei Verstand sind, wissen, dass eine Energiewende nach Muster einer auf linksgrün-ökosozialistisch gebürsteten Sekte, kaum in der Lage sein wird, dass der Industriestandort zu halten ist.
Wer sowas wählt, und da meine ich auch eine CDU, die tatsächlich diese Linie der Selbstzerstörung zusammen mit den Grünen verfolgt, ist für eine jämmerliche Zukunft seiner Kinder und Enkel mitverantwortlich.

Last edited 4 Monate her by pcn
Peterson82
4 Monate her
Antworten an  pcn

und wie soll es Ihrer Meinung nach weitergehen? Wollen wir für immer von irgendwelchen Öl, Gas oder Kohleimporten von anderen Ländern abhängig sein? Das Thema Kernkraft war hierzulande schon vor Jahrzehnten beendet, zu einer Zeit in der weitaus konservativere Parteien an der Macht waren und zeitgleich bei einer Bevölkerung die weitaus technik-offener war als sie es jetzt ist. Die gleichen Leute die alles schlecht reden haben schon vor Jahren gesagt dass mehr als 10% regenerative Stromerzeugung das Netz nicht aushalten würde. Sie wurden eines Besseren belehrt. Ja, die Energiepolitik wurde mit Subventionen völlig falsch angegangen und auch existierende Kernkraftwerke abzuschalten… Mehr

egal1965
4 Monate her
Antworten an  Peterson82

Was ist denn der Unterschied, ob ich nun von anderen Ländern abhängig bin oder von den Launen der Natur? Wobei Deutschland selbst noch genug Kohle und auch Gas hätte, um diese „Abhängigkeit“ zu mindern. Es ist ja nicht so, als ob diese Abhängigkeit etwas Neues wäre, nur wenn ich selber weder Kohle, Gas oder Kernkraft nutzen möchte, dann kommt dieses eben als „Ergebnis“ raus und ich bin wieder von Ausland abhängig, das mir nun bei Dunkelflaute mit Strom „aushelfen“ muß. Ihr Argument ist also gelinde gesagt Blödsinn, denn mit volantiven Energieerzeugern werden sie nie „unabhängig“, denn der sogenannte Reservekraftwerkspark wird… Mehr

bfwied
4 Monate her

Nichts von Belang funktioniert noch in diesem Staat, seit er von Sozialisten und Ökofaschisten gekapert wurde. Ich kann nur nicht verstehen, dass die Leute sich das bieten lassen, dass sie so viel Angst vor diesen Nichtskönnern und Ideologen haben. Es spricht nicht für das Volk, wenn es nur Duckmäusertum spielt, und es spricht auch nicht für die Beamten, dass sie das alles brav mitmachen. Es widerte mich schon an, dass Polizisten ein paar Jugendliche durch den Stadtpark jagten zu Corona-Zeiten und dass in der windigen Stadt Aufpasser in kaum benutzten Straßen Bürger im Befehlston zwangen, diese nichtsnutzige Maske über die… Mehr

89-erlebt
4 Monate her

Was machen nur die progressiven Hamburger wenn absehbar das Dino Kraftwerk in Wedel (Bj 1961) von selbst zu Bruch geht … atypisch duschen oder doch nur windhöffig?

Christian S.
4 Monate her
Antworten an  89-erlebt

So ist es, die frieren dann auch nicht, die zittern sich nur warm… Moorburg als modernstes und effizientesten Kraftwerk gegenüber von Aurubis, wurde erfolgreich nicht an das Fernwärmenetz angeschlossen und mittlerweile genügend zerstört…

Medea
4 Monate her

Vorsicht Ironie!

Man könnte das in unseren Breiten Notwendige auch AZYKLISCH nennen. Weil der Bedarf sich verdammt nochmal nicht an die Zeiten halten will, zu denen die Sonne scheint und der Wind weht.

Oder werden die „Experten“ jetzt auf böse alte naive Quellen der „Energieerneuerung“ sinnen? Und die vielen unterbeschäftigten zugelaufenen auch energetisch Gratisversorgten freundlich in Göpel bitten oder auf Galeeren? Die Windmühlen erforderlichenfalls von denen anschieben lassen, um ihrem Hiersein einen tieferen Sinn zu verleihen?

Werner Geiselhart
4 Monate her

Es ist schon erstaunlich, wie unbehelligt von den MS-Medien, kaum wahrgenommen vom deutschen Michel, diese, ich sag’s wie’s ist, Verbrecher, Deutschland in den Abgrund treiben. Jeden Tag noch ein radikalerer Vorschlag, wie das zu bewerkstelligen ist. Obwohl Habeck offen zugibt, dass das Ganze ein Test, eine Operation am offenen Herzen ohne Blutkonserven ist, kein Aufschrei, kein Aufstand, nur dieses strunzdumme „dann ist es halt so“. Das erste Mal in meinem Leben bin ich froh, bereits ein Alter erreicht zu haben, mit dem ich das ganze nicht mehr allzu lange ertragen muss. Ich bedaure nur die Jüngeren, für die ich eine… Mehr

Karl Moritz
4 Monate her
Antworten an  Werner Geiselhart

Darüber habe ich auch schon nachgedacht , jeder möchte noch mal 20 sein , ich auch , aber nicht so , ich habe gute Zeiten erlebt und mir ist es unverständlich wie ein mehr oder weniger ( meist mehr ) funktionierender Staat mutwillig zerstört wird und wurde . Aber am meisten wundern mich meine Altersgenossen die so etwas wählen und klatschen . Die müssten es doch besser wissen .

Werner Geiselhart
4 Monate her
Antworten an  Karl Moritz

Mir geht’s genauso.
Ich beschäftige mich seit Merkels Supergau 2011 intensiv mit der Energiewende und den sogenannten Erneuerbaren.
Wie man es auch dreht und wendet, es ergibt sich kein Sinn, das Ganze ist unbezahlbar, zerstört unsere Umwelt, unsere Wirtschaft und damit unseren Wohlstand.
Und wer sich vor der Wahl das grüne Programm durchgelesen hat, für den ist die katastrophale Lage keine Überraschung.
Unsere Wirtschaftsbosse haben das anscheinend nicht getan und wundern sich jetzt, wie rasant die Talfahrt abgeht, von unseren Wählern will ich gar nicht erst anfangen.

egal1965
4 Monate her
Antworten an  Karl Moritz

Ich möchte nicht noch mal 20 sein, denn die heutigen Jugendlichen, die an Anfang ihres Berufslebens stehen, tun mir nur leid.
Vielfach ohne richtige Perspektive, ideologisch schon ab der Schule „bearbeitet“ und die persönliche und berufliche Aussicht sieht auch nicht rosig aus.
Ich bin froh, mein Leben trotz mancher gemachter Fehler „gelebt zu haben“ und verzichte dankend auf diese „neue Welt“…

Zum alten Fritz
4 Monate her

Durch Kriegs- und Embargopolitik sowie Abluftsteuern bestimmt die Politik die Energiepreise. Ein Energieintensiver Prozess wie die Herstellung von neuen Stahl aus Schrott (Kreislaufwirtschaft) kann nicht mit den zur Verfügung stehenden natürlichen Energiequellen funktionieren. Diese Betriebe müssen das ganze Jahr in Schichtbetrieb laufen. Selbiges bei Glas. Allein an diesen zwei von sehr vielen Beispielen zeigt die Ahnungslosigkeit der amtierenden Energie- „Experten“. Um es höflich zu sagen. Wobei eigentlich die Zeit der Höflichkeit abgelaufen ist. Eine Aussage wie „nicht mehr nachfrage-, sondern angebotsorientiert“ unterstreicht nur die eigene Blödheit. Ich hoffe die Frau hat mal ein med. Notfall und der Arzt sagt dann… Mehr

W aus der Diaspora
4 Monate her

Die Industrie geht einfach. Ohne große Worte, denn die würden ja doch nichts ändern, sondern nur alles etwas schwieriger machen.
Kluge Unternehmen sorgen dafür, dass sie mit ihren deutschen Firmen pleite gehen. So gibt es ein paar Monate vom Staat bezahlte Arbeitskräfte, die kleineren Zulieferer werden mit einer Quote abgefunden. So spart man das Geld zusammen um im Ausland einen Neustart zu finanzieren.