Arbeitnehmer haben weniger Geld, obwohl Löhne raufgehen

Obwohl die Löhne im vergangenen Jahr gestiegen sind, haben deutsche Arbeitnehmer weitere Einkommensverluste hinnehmen müssen. Die Arbeitskosten steigen indes weiter – ohne produktives Ergebnis.

picture alliance/dpa | Karl-Josef Hildenbrand

Die Hans-Böckler-Stiftung steht dem Gewerkschaftsbund DGB nahe. Für den wiederum arbeiten viele Funktionäre, die von SPD und Grünen kommen – oder dorthin noch wechseln wollen und werden. Wenn die Stiftung also einen Report vorstellt, den das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) für sie „zu den Arbeits- und Lohnstückkosten“ angefertigt hat, dann versucht die Böckler-Stiftung die Ampel so gut wie möglich aussehen zu lassen. Das ist in diesen Tagen allerdings ein saures Brot.

2022 haben laut Report deutsche Arbeitnehmer einen massiven Einkommensverlust hinnehmen müssen. 2023 ist ein weiterer hinzugekommen – obwohl die Löhne stark gestiegen sind. Was macht die gewerkschaftsnahe Stiftung aus diesem verheerenden Ergebnis? „Diese (Einkommensverluste) fielen aber geringer aus als im Vorjahr.“ Die Gewerkschaften feiern, dass die deutschen Arbeitnehmer nicht mehr so stark verlieren konnten, nachdem sie bereits vorher stark verloren haben. Für manche ist das Glas halbvoll, für andere halbleer. Für die Hans-Böckler-Stiftung ist die Pfütze am Boden ein ausreichender Trunk, wenn nur die Ampel das Glas serviert hat.

Im vergangenen Jahr sind die deutschen Arbeitskosten laut IMK im Schnitt um 5,0 Prozent gestiegen. 2022 waren es demnach 6,5 Prozent. Innerhalb der EU stiegen die Arbeitskosten im vergangenen Jahr mit 5,6 Prozent noch deutlicher. Vor allem Länder mit ursprünglich niedrigen Kosten wie Polen, Rumänien oder Ungarn verstärken diesen Aufwuchs. Sie erwirtschafteten Raten von 15 bis 20 Prozent. Das senkt die Hoffnung, international agierende Unternehmer könnten Teile des EU-Raums entdecken, um dort unter günstigen Löhnen arbeiten zu lassen.

41,90 Euro kostete in der deutschen Privatwirtschaft die Arbeitsstunde im Schnitt. Damit liegt Deutschland gleichauf mit den Niederlanden und in etwa auf Höhe mit Schweden. Teurer sind nur Luxemburg, Dänemark, Belgien und Frankreich. Am billigsten ist Arbeit in den einst kommunistischen Ländern Rumänien und Bulgarien – hier liegen die Kosten bei rund 10 Euro die Stunde. Wobei Länder des alten Westens wie Portugal mit 16,10 Euro pro Stunde dem alten Osten mittlerweile näher kommen.

Das Beispiel Portugal zeigt, dass niedrige Arbeitskosten nicht unbedingt gut sind. Stehen hohen Kosten eine hohe Gewinnschöpfung entgegen, ist andersrum ein wirtschaftliches Gleichgewicht durchaus gegeben. Die gewerkschaftsnahe Böckler-Stiftung will dieses Gleichgewicht herbeireden. Deswegen betont die Stiftung den deutschen Leistungsbilanzüberschuss, der mit 284 Milliarden Euro in der Tat vergleichsweise hoch war. Der Überschuss beruht aber auf „Stückgewinnen“, die in einzelnen Branchen außerordentlich hoch waren. Vor allem in der Baubranche.

Hier verkauft die gewerkschaftsnahe Stiftung also Sondereffekte als positiv, die auf negativen Entwicklungen beruhen. Im Fall der Baubranche sogar auf katastrophalen Entwicklungen, wie TE wiederholt berichtet hat. Vereinfacht ausgedrückt: Aufgrund struktureller Probleme kann die Baubranche gar nicht alle Projekte umsetzen, die in Deutschland eigentlich nötig wären. Also suchen sich die Unternehmer die Projekte raus, mit denen sie besonders hohe Gewinne machen. Für sie ist das lukrativ und nachvollziehbar, für die Volkswirtschaft fatal. Die Fachwelt kennt für diesen Effekt den Begriff „Gewinninflation“.

Insgesamt sind die Lohnstückkosten in Deutschland – trotz der beschriebenen Sondereffekte – gestiegen. Und zwar um 6,6 Prozent innerhalb eines Jahres. Im Euroraum waren es nur 6,1 Prozent. Als einen wesentlichen Grund räumt sogar die gewerkschaftsnahe Böckler-Stiftung „die schwache Produktivitätsentwicklung infolge der schleppenden Konjunktur“ ein. Weil die Unternehmer sich in Deutschland keine Gewinne mehr versprechen, investieren sie also auch nicht in die künftige Produktivität. Macht Sinn. Ein Faktor, der Deutschland in den kommenden Jahren weiteren Boden verlieren lassen wird.

Der direkte Vergleich mit den Niederlanden zeigt ebenfalls auf, wie wenig sich Deutschland an der Zukunft orientiert. Die Arbeitskosten sind in beiden Ländern identisch. Doch in Deutschland sind sie vor allem wegen Steuern und Abgaben so hoch. In den Niederlanden fließt ein bedeutender Teil der Arbeitskosten in die berufliche Weiterbildung. Von jungen wie von älteren Mitarbeitern. Deutschland leistet sich also hohe Arbeitskosten für konsumtive Ausgaben – vor allem für das Bürgergeld. Die Niederlande investiert in die Zukunft.

Während Deutschland vier Millionen Erwerbsfähige damit umwirbt, dass Langzeitarbeitslosigkeit in Form von Bürgergeld den Lebensunterhalt bequem finanzieren kann, macht die Niederlande seine Erwerbsfähigen fit für den künftigen Arbeitsmarkt. Es erschließt sich von alleine, was eine Sackgase und was ein Weg in die Zukunft ist. Doch soweit braucht noch nicht einmal wer nach vorne zu schauen.

Schon die gegenwärtigen Zahlen sprechen gegen Deutschland: Neben 4 Millionen erwerbsfähigen Empfängern von Bürgergeld leistet sich Deutschland noch zusätzlich 2,7 Millionen Arbeitslose, was einer Quote von 5,7 Prozent entspricht. In den Niederlanden betrug diese Quote laut Statista im vergangenen Jahr 3,5 Prozent. Und während in Deutschland die Wirtschaft stagniert und teilweise sogar schrumpft, wächst sie in den Niederlanden: um 4,5 Prozent im Jahr 2022, wie die europäische Statistikbehörde Eures mitteilt. Im vergangenen Jahr hat sich das Wachstum zwischen Kerkrade und Amsterdam zwar abgeschwächt. Doch liegt es im Schnitt eben immer noch um 1,5 Prozentpunkte höher als im schrumpfenden Deutschland.

Die totalen Zahlen werfen schon ein schlechtes Licht auf die Lage der deutschen Wirtschaft. Die ausgewerteten Zahlen machen es nicht besser. Im Gegenteil. Die EU erstellt jährlich den Index „DESI“. Dieser ermittelt, wie Faktoren wie etwa Offenheit für Technologie oder die Ausbildung der Menschen die Leistungsstärke ihrer jeweiligen Volkswirtschaft verbessern. Auf Platz eins dieses Vergleichs lag im Jahr 2022 Finnland, die Niederlande kamen auf Rang drei – Deutschland folgte erst auf Platz 13 von 27. Slowenien ist schon an uns vorbeigezogen, Litauen hängt uns im Nacken.

Es ist vor allem der Aspekt „Einbindung digitaler Technologie“, der uns im Vergleich zu unserem Nachbarn so abstinken lässt. Da erreichen die Niederlande einen um ein Drittel besseren Wert als Deutschland. Fast genauso hoch ist die Differenz im Bereich „Human-Kapital“. Es wirkt sich halt aus, wenn das eine Land seinen Bürgern Wissen zukommen lässt, wie sie eine komplizierter werdende digitale Welt meistern können – und das andere Land damit wirbt, einfacher ans Geld fürs Nichtstun zu kommen.

Einen entscheidenden Anteil am niederländischen Erfolg hat das „Gesetz zur Erwachsenen und Berufsbildung“ aus dem Jahr 1996. Es siedelt die Erwachsenenbildung in den Betrieben an. In Deutschland kommen solche Angebote nur Arbeitslosen zugute. Bezahlt vom Staat, organisiert von einer Subbranche, die mitunter höchst zweifelhaft agiert. Deutsche Arbeitslose besuchen Kurse zum Bewerbungstraining oder zum Fahren mit dem Gabelstapler. In den Niederlanden besuchen Arbeitnehmer regelmäßig Kurse, in denen sie erfahren, was es in ihrem Beruf an technischen Neuheiten gibt.

41,90 Euro kostet die Arbeitsstunde in Deutschland und in den Niederlanden. Doch während in den Niederlanden eine Belegschaft entsteht, die mit den Umbrüchen der Arbeitswelt klarkommen kann, wächst in Deutschland eine Mannschaft aus Arbeitnehmern zusammen, die nicht mehr in der Lage ist, die hohen Arbeitskosten wieder reinzuholen. Zumindest nicht außerhalb der Schwarzarbeit. Die Bundesregierung verschlimmert diese Situation noch, indem sie die Kosten für Sozialabgaben dramatisch steigen lässt und die Arbeitskosten mit einem politisch festgelegten, noch höheren Mindestlohn explodieren lassen will.

41,90 Euro sind relativ. Einer technologieoffenen Fachkraft wird es leichtfallen, diese in einer Stunde zu erwirtschaften. Für einen Analphabeten, dem seine Regierung einen leichten Zugang zu 563 Euro im Monat und gratis Wohnung fürs Nichtstun versprochen hat, bedeuten 41,90 Euro eine Summe, die er niemals regulär erwirtschaften können wird. Die Niederlande machen manches richtig, Deutschland dramatisch vieles falsch.

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Kommentare ( 15 )

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A.Kroemer
3 Monate her

2022 haben laut Report deutsche Arbeitnehmer einen massiven Einkommensverlust hinnehmen müssen. 2023 ist ein weiterer hinzugekommen – obwohl die Löhne stark gestiegen sind. Wo sind denn die Löhne s t a r k gestiegen? Habe ich etwas verpasst? Die Reallöhne in Deutschland sind in der Zeit von 1991 bis 1/2023 um gerade einmal 6,5 % gestiegen; die Produktivitätsrate hingegen um 45 %. Wer also ernsthaft behauptet, dass die Löhne stark gestiegen sind, sollte wirklich erst einmal seine Hausaufgaben machen! Um das ganze zu vereinfachen, kann man sich auch das Buch »Das Ende des Wirtschaftswachstums« von Prof. Dr. Christian Kreiss beschaffen… Mehr

Turnvater
3 Monate her

Damit ist eine »Verhandlung« mit dem Finanzamt über die Höhe und den Zeitpunkt der Zahlung eigentlich nicht möglich.“

Bei Wörtern wie „eigentlich“ werde ich immer hellhörig.

Fatmah
3 Monate her

Bei uns gab es 3% aber nur für Kollegen die weniger als der Durchschnitt verdienen. Ich habe nichts bekommen und die 30% Inflation gehen voll vom Lebensstandard ab. Danke liebe Linksgrün Wähler !

J.Thielemann
3 Monate her

https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/deutschland-in-der-teilzeit-falle-fast-jede-dritte-person-arbeitet-nicht-vollzeit-11576846.html
Es ist nicht nur die Schwarzarbeit. Siehe oben: Dann mehr Zeit, um zu Hause „do it yourself “ – alles fit zu machen.
Ohne Sozialabgaben, die ein Handwerker ja auch in Rechnung stellen muss. Mehrwertsteuer fürs Material- und gut. Wer Glück hat, geht nicht „kürzer“ pro Tag, sondern „ganze Tage“ weniger. Fahrzeit gespart, Sprit gespart, Mikrowelle statt Kantine- und da die Lohnsteuer progressiv ist, ist der Verlust beim Netto für viele erstaunlich weniger gering als angenommen.
https://www.bild.de/bild-plus/politik/inland/politik-inland/netto-bleibt-nur-ein-hunni-uebrig-es-ist-fast-egal-ob-ich-3000-oder-5000-euro-ve-86991554.bild.html.
Leistung lohnt sich nicht mehr. Was bei zu viel Steuerlast rauskommt, wusste man schon vor hunderten Jahren.
https://www.bibleserver.com/de/verse/Spr%C3%BCche29%2C4

Michael Palusch
3 Monate her

2022 haben laut Report deutsche Arbeitnehmer einen massiven Einkommensverlust hinnehmen müssen. 2023 ist ein weiterer hinzugekommen – obwohl die Löhne stark gestiegen sind.

Nein! – Doch! – Ohh!Kann sich hier irgendwer erklären, woran das wohl liegen könnte?

A.Kroemer
3 Monate her
Antworten an  Michael Palusch

Die Löhne sind nicht gestiegen, das ist Unsinn. Man muss dann auch immer die Reallöhne nehmen, damit sich ein richtiges Bild abzeichnet. In der Zeit von 1991 bis zum 1. Quartal 2023 ist der Reallohn um gerade einmal 6,5 % gestiegen. Das sind jährlich 0,203125 % realer Lohnzuwachs!

Peter Pascht
3 Monate her

„wie Faktoren wie etwa Offenheit für Technologie oder die Ausbildung der Menschen die Leistungsstärke ihrer jeweiligen Volkswirtschaft verbessern“ ?
Brauchen wir doch nicht 😉 Wir wissen doch in deutscher Manier alles besser.
Sorry 😉 wir importieren doch schon nach Leibeskräften seit Jahren „Fachkräfte“ die nun sogar steuerbevorteilt werden gegenüber einheimischen „Nichtskönnern“.
So kafkaesk kann schizophrener Menschen Unverstand sein,
bei dem Lüge und Selbtbelügung die Wahrheit der Fakten ersetzt haben.

Teiresias
3 Monate her

Man hat nicht nur weniger Geld, das Geld selbst hat immer weniger Wert.
Dazu irrwitzige Steuern-und Abgabenlast, weil der Migrationswahnsinn zu weiten Teilen auf die Arbeitskosten aufgeschlagen wird – verteilt auf so viele Kostenstellen wie möglich, um die Gesamtkosten maximal zu verschleiern.
Im Ergebnis bricht die Kaufkraft ein.
Mit der Kaufkraft bricht die Binnenwirtschaft ein.
Nicht mehr lange und Deutschland findet sich wieder auf dem Stand von Rumänien 1980.

Peter Pascht
3 Monate her

Nicht nur Arbeitnehmer sondern alle haben weniger Geld, weil die Stuerung dieses Staates in mafiöse Hände von kriminellen Gruppen und Netzwerken geraten ist, schon deswegen weil dieser Staat ein „failde state“ ist. Im Zuge ihrer „Finanzhoheit“ im Grundgesetz (Art.104-108), darf die Exekutive(Regierung Bund, Land Gemeinden), ohne jedwelche Zweckbindung, Einnahmen von seinen Bürgern einkassieren, zur(sic) Erledigung ihrer Aufgaben(sic). Allerdings auch diese Aufgaben darf die Exekutive selber festlegen. So geht „alle Macht geht vom Volke aus“ 😉 in Deutschland. (Spott und Hohn) Was viele nicht wissen: Rechtgrundsatz: Für gezahlte Steuern darf der Bürger keine Gegenleistung erwarten oder fordern. Die Exekutive ist zu… Mehr

Last edited 3 Monate her by Peter Pascht
BK
3 Monate her

Das Problem der Nettolohnstagnation liegt auch in der Progression der Lohnsteuer. Wer auf dem Weg zum Steuersatz von 42 % ist, wird ganz leicht feststellen, dass die Lohnsteuer doppelt so schnell steigt, wie das Nettoeinkommen. Da sind jahrelange Nullrunden vorprogrammiert, in denen das Einkommen stagniert. Ehrgeiz und Leistungswille der Beschäftigten werden bestraft, während der Staat immer mehr aus der Lohntüte abzweigt.

Haba Orwell
3 Monate her

> Deutschland leistet sich also hohe Arbeitskosten für konsumtive Ausgaben – vor allem für das Bürgergeld. Die Niederlande investiert in die Zukunft.

Das Kalkül ist womöglich: Sobald Buntschland die Milliarde Einwohner packt und die meisten arbeitslos sind, melden die sich bei der Bunteswehr, die schon irgendwo weltweit die Kohle reinholt?