Kann demnächst kein Holz mehr verarbeitet werden? Deutsche Möbelindustrie in der EU-Krise

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland macht vielen Unternehmen zu schaffen. So auch den Möbelherstellern. Der Umsatz in der Möbelbranche geht steil nach unten. Auch die Krise am Bau dürfte zum Niedergang beitragen - und die jüngsten Einfuhrregelungen wirken wie ein Holzhammerschlag.

picture alliance / Flashpic | Jens Krick

Der bekannte Möbel-Riese Hülsta, seit 1940 existent, ist insolvent. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum 1. Juni werde der Betrieb eingestellt, berichtete das Handelsblatt Ende Mai 2024. 280 Beschäftigte verlieren ihre Jobs. Als Gründe werden Umsatzrückgänge und eine schwierige Marktsituation benannt. „2022 und 2023 hatte Hülsta schon mal ein Insolvenzverfahren durchgemacht und den Neustart gewagt, Investoren stiegen ein. Doch die Hoffnung auf eine Rückkehr in die Erfolgsspur zerschlugen sich, auch die Nachfolgegesellschaften schlitterten in die Insolvenz“, so das Wirtschaftsblatt.

Dabei ist Hülsta nicht der einzige Betrieb, der seine Türen für immer schließt. In der Möbelindustrie häufen sich die Pleiten. Im Juni 2023 meldeten laut der Wirtschaftswoche die Unternehmen Wohn-Center Spilger aus der Nähe von Aschaffenburg und der ostwestfälische Küchenmöbelbauer Störmer Insolvenz an, im Juli folgte der Schlafzimmermöbelhersteller M&H aus Coburg. Im November meldete Arco Polstermöbel, dass dieser zum Jahreswechsel den Betrieb einstellt. Die ganze Branche, eine der letzten für verarbeitete Konsumgüter, in denen der Fertigungsstandort Deutschland noch eine große Rolle spielt, kämpft um ihre Existenz, heißt es.

Auch die Krise am Bau dürfte zum Niedergang beitragen. Wer baut, braucht neue Möbel – beziehungsweise Küchen. Doch genau da herrscht in Deutschland Flaute. „Der Umsatz in der Möbelbranche geht steil nach unten – im ersten Quartal 2024 erwirtschafteten die Unternehmen nur noch 4,1 Milliarden Euro, im Vergleich zum Vorjahresquartal ist das ein Rückgang von 13 Prozent“, schreibt der Merkur.

Die Situation sieht folgendermaßen aus: Konkret gab es laut dem Statistischen Bundesamt 514 Möbelhersteller im Jahr 2014, 2019 nur noch 476 und 2023 waren es 426. Somit haben in den letzten vier Jahren 50 Möbelhersteller in Deutschland aufgegeben.

Jan Kurth, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der deutschen Möbelindustrie (VDM), sagt gegenüber der Wirtschaftswoche: „Die Situation ist extrem herausfordernd für unsere Industrie.“ Laut WiWo dürfte sie noch herausfordernder werden. Im Jahr 2023 erwirtschaftete die deutsche Möbelindustrie rund 18 Milliarden Euro, 4,3 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Im ersten Quartal 2024 betrug das Umsatzminus weitere 13 Prozent. Gut die Hälfte der VDM-Mitgliedsunternehmen hat inzwischen Kurzarbeit angemeldet. Die Summe der Aufträge deutscher Möbelhersteller liegt zwölf Prozent unter dem Niveau des Vorjahreszeitraums.

Doch was sind die Gründe für den Niedergang auch in dieser Branche? Corona dürfte es nicht gewesen sein, denn die Pandemie bescherte den Möbelbauern einen Nachfrage-Boom. Kaum mehr Urlaubsreisen, kaum mehr Kultur, weniger Besuche im Restaurant – also staffiert man seine Wohnung neu aus.

Mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine waren die Holzimporte aus Russland und Belarus nicht mehr so preisgünstig zu beschaffen, da die EU Importverbote verhängte. Holz wurde auf dem heimischen Markt rasant teurer. Mithin wurden auch die Möbel teurer. Der Absatz stagnierte.

Auch die Personalkosten sind entscheidend. Es sei heutzutage kaum noch möglich, mit deutschen Löhnen kostendeckend zu arbeiten. Laut der Wirtschaftswoche komme man um eine Erkenntnis nicht herum: „Die Produktion muss raus aus Deutschland.“

Richtig heftig wurde es mit den Absatzproblemen laut den Recherchen der Wirtschaftswoche durch das sogenannte Heizungsgesetz, auch als Gebäudeenergiegesetz bekannt. Denn die Bürger bekamen den Eindruck, alsbald ihr Geld für eine Wärmepumpe aufwenden zu müssen.

Nun steht offenbar Ende 2024 eine „Anti-Entwaldungsverordnung“ der EU an. Diese Richtlinie soll offenbar gewährleisten, dass in der EU keine Produkte mehr importiert werden, für die Wälder illegal gerodet wurden. Laut WiWo eine Idee, die den Möbelbauern viel zumutet. „Sie müssen dafür sorgen, dass ihre Holzzulieferer für alle Abbauflächen Geodaten zur Verfügung stellen; mithilfe eines Abgleichs von Satellitenbildern lässt sich dann feststellen, ob auf diesen Flächen in den vergangenen Monaten illegal gerodet wurde oder nicht.“ Die Umsetzung könne nahezu unmöglich werden.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 76 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

76 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
WandererX1
2 Monate her

Halb Oberfranken lebte noch vor 70 bis 30 Jahren von der Polstermöbelindustrie – das ist nun weitgehend Geschichte. Das Problem sind aber nicht, wie hier naiv behauptet wird, die angeblich „hohen Löhne“ in den ländlichen Regionen mit Restbeständen der Holzverarbeitung in D. – das ist einfach großer Quatsch, sondern die unter den Produktionskosten liegenden Dumpingangebote aus China oder Osteuropa und der dennoch freie Marktzugang dabei: Das Möbelbau- Sterben (genauso Porzellan. Küchengeräte, Kleidung usw.) wird also ganz klar in Kauf genommen, um ANDERE, angeblich wichtigere Industrien dem Marktzugang in den Amerika oder Asien zu ermöglichen. Das heisst: man zahlt natürlich immer… Mehr

Skeptiker
2 Monate her

„Im November meldete Arco Polstermöbel, dass dieser zum Jahreswechsel den Betrieb einstellt.“
Endlich setzt sich Habecks Erkenntnis durch, dass man nicht notwendigerweise pleite gehen muss, sondern auch einfach aufhören kann zu produzieren bzw. zu verkaufen.

Der Ingenieur
2 Monate her

Für die Grünen gilt doch nur: Hauptsache Ikea geht es gut.

Denen geht es sogar prächtig, denn Dank der Grün-Roten müssen die ja auch in Deutschland keinen einzigen Cent Steuern zahlen. Ikea-Deutschland verkauft die Ware nämlich angeblich nur im Auftrag der „IKEA B.V.“ mit Sitz in den Niederlanden.

Das ganze Geld der deutschen Käufer fließt somit in dieses europäische Steuerparadies, wo Ikea nur einen lächerliche geringen Steuersatz zahlen muss.

Unsere Regierung könnte dem einen Riegel vorschieben, – tun sie aber nicht.

Buck Fiden
2 Monate her

Wozu braucht man Möbel, wenn man eh keine Wohnung mehr bekommt?

Minusmann
2 Monate her

Degrowth bedeutet auch, dass man nicht unbedingt Möbel braucht, neue schon gar nicht. Ein Strohsack statt einem Bett – wie in der guten alten Zeit. Und wer es nicht lassen kann: Möbel gibt’s im Sozialkaufhaus genug.

Querdenker73
2 Monate her

Kann so schlimm nicht sein! Laut Wirtschaftsminister Habeck bedeutet Insolvenz doch nur, dass eine gewisse Zeit nicht mehr produziert wird!

AndreasF
2 Monate her

Was allerdings den Zusammenhang zwischen Holzeinfuhren und dem Auftragsrückgang in der Küchenmöbelindustrie angeht: Für Küchenmöbel muss sicher kein Wald abgeholzt werden, da sind beschichtete Spanplatten quer durch die Unternehmen das Maß der Dinge, dort wird auch sehr viel Holz wiederverwertet und da kommt es auch nicht darauf an, dass der Borkenkäfer da irgendwann mal dran war …. Bei Herstellern von hochwertigen Wohnmöbeln wie Hülsta ist das eben was völlig anderes. Bei der Küchenmöbelindustrie liegt es klar an der rückläufigen Baukonjunktur und mehr noch an dem Wahnsinn um die „Heizungen“ in den Häusern: Wer damit rechnet, demnächst für eine neue Heizung… Mehr

Silverager
2 Monate her

Es ist unfassbar, wie unsere Regierung mit den Möbelherstellern verfährt. Die Hülsta-Pleite tut mir fast körperlich weh.
Ich bin froh, dass ich mir vor vierzig Jahren ein wunderbares Schlafzimmer von Hülsta in Mahagoni-Holz gekauft habe.
Da wäre heute unbezahlbar.

Gert Friederichs
2 Monate her
Antworten an  Silverager

Nicht nur unbezahlbar, sondern in Naturholz kaum noch zu beschaffen. Ich nehme nicht an, dass Hülsta in den letzten Jahren noch in großem Maße in Echtholz, massiv oder furniert, gefertigt hat.

drnikon
2 Monate her

Na und? Zwischen 75 und 80% der Wähler sind zufrieden. BSW zähle ich mit. Oder glaubt jemand, dass die eine entscheidend bessere Politik für die Interessen des Deutschen Volkes (gibt es quasi nicht mehr, aber tun wir mal so als ob) ausüben würden? Näää. Was? Viele Nichtwähler? LOL. Wer nicht wählt unterstützt die Etablierten. Ich behaupte auch nicht die AfD würde alles besser machen. Aber das aktuelle Wahlverhalten zeigt doch den Etablierten: weiter so. Wir sind weitgehend ungefährdet. Die Einschüchterungspolitiken von Faeser und Co wirken. Die Herde gibt eben das Gefühl der Sicherheit und die Schwarmintelligenz soll ja so überlegen… Mehr

Abraxas1609
2 Monate her

Wir sind so gut und so moralisch, dass wir uns vor lauter Gedanken, wie wir die Welt zu einem besseren Ort machen, den Ast absägen, auf dem wir sitzen: Dass tausende Menschen und ihre Familien ihre Existenz verlieren – sch…egal! Dass dadurch kein Baum weniger gerodet wird, weil das dann eben nur jemand anderes aus dem Ausland macht – auch egal! Wir sind die Guten! Und das ist doch ein gutes Gefühl, so moralisch überlegen zu sein und zu handeln! Demnächst stellen wie alle auch das Atmen ein, wegen CO2 und Klimaschutz und so. Genauso wie beim Stromerzeugen, Heizen, Autos… Mehr