Wer den Spin der Mächtigen teilt, ist ihnen nahe und bekommt Informationen. Dafür scheint Journalisten fast jedes Mittel recht. Die Leser haben das satt.
„Finde den Fehler“ – diese Aufgabe ist bei Nachrichten in der komplexen Wirklichkeit schwierig. Einfach gemacht hat es Kritikern am 12. März 2015 das ARD-„nachtmagazin“: Durch den Atom-GAU in Fukushima hätten „über 18.000 Menschen“ ihr Leben verloren. Nun sind 18.000 Menschen wegen der Flutwelle ersoffen oder irgendwie elendig umgekommen – aber nicht im Strahlenfeuer. Was falsch beginnt, geht falsch weiter: Seit der dadurch ausgelösten Energiewende sei der grüne Strom „reichlich und billig“. Kein Wort davon, dass die Rechnung für die Energiewende sich um die 1.000 Milliarden Euro belaufen wird. Sind zwei gravierende Fehler in zwei kurzen Sätzen wirklich nur „unglücklich formuliert“, wie mir ein ARD-Mitarbeiter twittert? Auch dass ein unkundiger Volontär solchen Schwachsinn der Moderatorin ins Manuskript schreibt, schließen wir einmal aus bei ARD und ZDF, die bei Gebühren von rund acht Milliarden über alles jammern dürfen, nur nicht über Knappheit.
Das Problem liegt wohl nicht an der Zahl der Köpfe, sondern an dem, was darin vorgeht: Es soll ein Weltbild transportiert und verfestigt werden, nämlich dass Atomenergie böse und grüne Energien gut sind. Nun will ich ja niemanden vom Gegenteil überzeugen (ich schwöre: Ich bin gegen Atome und Gene) – aber schwindeln gilt nicht. Auch dann nicht, wenn man das Ergebnis nicht mag oder es gar dem Willen der Bundeskanzlerin entgegensteht, liebe ARD. Dass hier die Minderheit von Journalisten ihr eigenes Weltbild zum Maßstab missbraucht, lässt sich auch an weit weniger ideologisch belasteten Themen vorführen: Was muss ich doch Tolles alle Tage lesen über den genussreichen Verzicht auf Fleisch und das Glück veganen Lebens. Statistiken geben dem Biofutter einen Marktanteil von maximal sechs Prozent. Veganismus ist kaum fassbar, so wenig Gläubige gibt es. Außerhalb von Redaktionen, sollte man hinzufügen. Solche gemeinsamen Werthaltungen färben aber die mediale Wirklichkeit. Man kann es nutzen.
Journalisten möchten gern den Mächtigen nahe sein, um Informationen zu erhalten. Nähe setzt aber Zustimmung voraus. Also teilen Journalisten den „Spin“, den Politiker ihren Sichtweisen geben. Gerade in Berlin ist diese Nähe eng geworden, weil Politiker und Journalisten tagaus, tagein aufeinander hocken. So werden „Spins“ programmiert, die sich dann immer wieder aufs Neue reproduzieren. Das fällt umso leichter, als das redaktionelle Herz vieler Regionalzeitungen längst nicht mehr vor Ort, also zum Beispiel in München, Hannover oder Düsseldorf, sondern in Berlin schlägt. Damit gleichen sich die Sichtweisen einander an, die zwischen Borchardts und Café Einstein eingekopft werden. Evelyn Roll von der Süddeutschen Zeitung spricht von „freiwilliger Gleichschaltung“. Nein, wir sind nicht alle „Lügenpresse“. Aber mal aus dem vorgegebenen Spin auszubrechen, selbst gegenzurecherchieren, das hilft. Und immer daran denken: Die Leser haben die Gleichförmigkeit satt. Schlimmer noch: Sie lachen über den Mainstream- Journalismus aus der Retorte.
Erschienen auf PRMagazin.de
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