Friedrich Merz in der Abtreibungs-Falle

Gerade erst ist der Oppositionsführer im Bundestag schon so aufgetreten, als sei er bereits der neue Kanzler. Jetzt führen ihm SPD und Grüne vor, dass er sich da geschnitten hat. Kurz vor der Wahl droht der Union auf einem ihrer elementaren Politikfelder eine schmerzhafte Niederlage.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Geradezu gönnerhaft hatte Friedrich Merz am Mittwoch der Rest-Ampel angeboten, bis zum Neuwahl-Termin am 23. Februar 2025 im Bundestag nur noch solche Themen auf die Tagesordnung zu setzen, auf die sich seine Union, SPD und Grüne vorab geeinigt haben.

Inhaltlich offenbarte der CDU-Chef damit ein verstörend verächtliches Verständnis vom Parlament und von der repräsentativen Demokratie. Medial wollte sich der 69-Jährige damit als der Mann inszenieren, der für die verbleibenden knapp 100 Tage dieser Legislaturperiode darüber entscheidet, wie der Hase läuft.

Doch der Hase hat andere Pläne.

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Eine Gruppe von 236 Abgeordneten aus SPD und Grünen hat jetzt einen Gesetzentwurf eingebracht, der faktisch das Abtreibungsverbot in Deutschland kippen würde: Der Abbruch soll bis zum Ende der zwölften Schwangerschaftswoche rechtmäßig sein (bisher gilt er als illegal, aber straffrei). Die dreitägige Wartefrist zwischen Beratung und Abbruch soll gestrichen werden. Und die Krankenkassen sollen künftig die Kosten für Abtreibungen übernehmen.

Der Schuss zielt direkt ins Herz von CDU und CSU: Nachdem unter Angela Merkel die Wehrpflicht abgeschafft, aus der Atomkraft ausgestiegen und die Ehe für alle eingeführt wurde, ist der Schutz des ungeborenen Lebens praktisch der letzte verbliebene konservative Markenkern der Union. Doch ohne den § 218 kann die Union da nichts mehr schützen.

Der Antrag im Bundestag stellt Merz gleich vor mehrere Probleme.

Erstens verhagelt es ihm den Plan, sich bis zur Neuwahl sozusagen schon als Kanzler im Wartestand zu präsentieren. SPD und Grüne zeigen, dass sie durchaus eigene Vorstellungen davon haben, was bis zum 23. Februar 2025 noch so alles im Parlament diskutiert und abgestimmt werden soll. Nach seinem vollmundigen Angebot zur Bildung eines politischen Kartells am Mittwoch steht Merz jetzt relativ blöd da.

Zweitens könnte der Union bei einer Abstimmung im Januar ein bisher immer recht wichtiges Wahlkampfthema verloren gehen. Geht der Gesetzentwurf mit Mehrheit durch, ist der diesbezügliche Kulturkampf für CDU und CSU verloren. Dann lassen sich mit dem Thema auch kaum noch Wähler mobilisieren.

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Das dritte Problem ist für Merz wohl das gefährlichste: Die CDU/CSU-Fraktion kann einen Erfolg des Gesetzentwurfs ganz sicher nur zusammen mit der AfD verhindern. Weite Teile der „Linken“, der Wagenknecht-Partei und der FDP werden die faktische Abschaffung des § 218 mittragen. Eine Mehrheit GEGEN den Antrag ist nur zu erreichen, wenn CDU/CSU und AfD geschlossen mit „Nein“ stimmen – und wenn sich ihnen noch ein paar Unterstützer aus anderen Fraktionen anschließen.

Dann allerdings könnten SPD und Grüne im Wahlkampf ihre Anhänger mit der Erzählung mobilisieren, die Union habe im Gleichschritt mit der AfD eine „Ausweitung von Frauenrechten“ verhindert. Oder so ähnlich. Inhaltlich ist das natürlich dramatischer Quatsch, weil es – entgegen den Behauptungen der Abtreibungslobby – gar nicht um Frauenrechte geht, sondern um Lebensschutz.

Aber das von Merz so sorgsam gepflegte Bild einer „Brandmauer“ zur AfD würde wohl trotzdem schon mehr als nur ein paar Kratzer abbekommen.

Das sieht offenbar auch Olaf Scholz so, der es sich nicht hat nehmen lassen, den Gesetzentwurf mit als Erster zu unterschreiben. Der amtierende Bundeskanzler führt den Oppositionsführer da gerade am Nasenring durch die Manege. Die wütende Reaktion von Merz („Affront“, „skandalös“) zeigt ganz gut, wie hilflos der CDU-Chef in Wahrheit ist.

Ihren Vorstoß begründen SPD und Grüne übrigens völlig unverblümt damit, dass sie nach der Neuwahl nicht mehr mit einer „progressiven Mehrheit“ im Parlament rechnen. Heißt: Die gescheiterte Ampel will jetzt noch schnell Fakten schaffen, bevor der Wählerwille sie aufhält.

Im vergangenen Jahr sind nach Angaben des Statistischen Bundesamts in Deutschland 106.218 Schwangerschaften durch eine Abtreibung abgebrochen worden. Das ist eine Großstadt mit so vielen Einwohnern wie Cottbus oder Gütersloh oder Hanau oder Hildesheim oder Kaiserslautern oder Salzgitter oder Siegen.

Manchmal wünscht man sich, die Abtreibungsfans in allen Parteien würden sich mit derselben Energie, mit der sie Schwangerschaftsabbrüche bewerben, auch dafür einsetzen, dass Frauen in Deutschland zuversichtlich Kinder bekommen können.

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Kommentare ( 144 )

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qwertz
1 Monat her

Der Merz-Verein ist für einen Bürgerlich-Konservativen nicht wählbar, wenn der geübte Abtreibungsmassenmord noch weiter verschärft wird.
Die CDU soll über ihren Schatten springen und mit den Stimmen der AfD diesen Wahnsinn verhindern. Es geht um die Sache, die Selbsterhaltung unseres Landes.

luxlimbus
1 Monat her

Der links-grün-woke Metternich („Merzenich“) wird sich treu bleiben!
Die Unions-Wähler halten mittlerweile sowieso nur das für richtig – was schön weh tut und das eigene Ich entstellt.

TinaTobel
1 Monat her

Wenn die SPD jetzt den breiten gesellschafltichen Kompromiss in der Abtreibungsfrage zerstört, erweist sie Frauen einen Bärendienst. Denn sie erhöht damit signifikant die Wahrscheinlichkeit, dass es bei anderen Mehrheiten dann genau in die andere Richtung, nämlich in Richtung eines restriktiveren § 2018 geht.
Allerdings ist sowieso fraglich, wem die SPD damit einen Dienst erweisen will. Schwangeren Frauen in einer schwierigen Lebenssituation oder doch eher sich selbst?

TinaTobel
1 Monat her

Mal abgsehen davon, dass die Verabredung zur Stillegung des Bundestags zeigt, dass die beteiligten Parteien von einer lebendigen Demokratie nicht viel halten, hat Merz debei gleich in dreifacher Hinsicht seine Inkompetenz bewiesen: Mangelndes Weltwissen – Es ist ja nichts Neues, dass man bei so manchem Linken gar nicht erst mit Anstand zu rechnen braucht. Mangelnde Menschenkenntnis – Spätens als Scholz so schäbig über seinen Gerade-noch-Koalitionspartner Lindner hergezogen ist, war offensichtlich, was für ein Charakter Scholz zueigen ist. Mangelnde Strategie-Kompetenz – Wenn stategisches Denken dem Chef nicht so liegt, warum beschäftigt er niemanden, der vor wichtigen Entscheidungen die Sache einmal von… Mehr

Chlorhahn
1 Monat her

Langjährige Erfahrung (und einschlägige Kommunikationstrainings) haben mich gelehrt, dass man in kritischen Situationen weniger auf Worte, sondern auf Mimik und Körpersprache von von Debattierenden achten soll. Ich empfehle also jedem, sich die Bundestagsdebatte vom 13.11.2025 und das Verhalten von Merz nochmals genau anzuschauen, ganz speziell bei der Rede von Weidel, Scholz und Lindner. Der Phoenix-Zensor hat nicht aufgepasst.

hansgunther
1 Monat her
Antworten an  Chlorhahn

In der Mediathek des Bundestagsfernsehens war am Tag der Rede von Frau Weidel eine Aufzeichnung abrufbar, die in vielen Passagen die Reaktion von Merz, aber auch von vielen anderen Abgeordneten, sehr deutlich aufgezeigt hat. Die Gesichter sprachen Bände! Vielleicht noch verfügbar. Bei Phoenix z. B. war davon nur wenig zu sehen.

Rasparis
1 Monat her

„Dumm, duemmer, Merz“ –
Betreibt der Verfasser damit Obstruktion, die geeignet ist, die „politische Arbeit“ von Taurus -Fritze i.S.d. Paragraphen 188 StGB zu beeintraechtigen oder veraechtlich zu machen ?
Der Inlands-Tscheka, Genosse Haldenwang, und dessen Chefin, det 1.Sekretaerin des Volkskommissariates fuer innere Angelegenheiten der B.R.D. (Bundes-MWD), Genossin Faeser, erlaube ich mir fuer den Fall eines erneuten „Aktionstages gegen Anti-Semitismus“ mitzuteilen, dass mein Wohnungsschluessel unter der Fussmatte der Haustuer deponiert ist. Ich bitte, vom Einschlagen derselben abzusehen.

Der Ingenieur
1 Monat her

Vermutlich hat die SPD Merz bereits angeboten, auf den Gesetzentwurf zum Abtreibungsparagraphen zu verzichten, wenn die CDU noch vor der Bundestagswahl der Aufhebung der Schuldenbremse zustimmt.

Kraichgau
1 Monat her

Ich gönne Merz und seiner „CDU/CSU“ diesen Tiefschlag von HERZEN!
Wer ihn am Mittwoch gesehen hat,weiss genau,das mit diesem Umfaller in diesem Staat haargenau Merkels Schrecken weiter exekutiert würde.
Er ist ein wirbelloser Egozentriker,und genau deshalb hat er diese Keule verdient.
Die AFD braucht nur abwarten,das Kartell entlarvt sich immer schöner

Sonos - das Palindrom
1 Monat her

Nebenan in der Welt schreibt Robin Alexander auch zu 218.
U.a. „ verzichtet klug auf Strafe und setzte stattdessen auf eine Beratung. „

Aus meiner Sicht kann bei der klugen und praxisgerechten Lösung bleiben. Dann müssen eigentlich beide Seite auf die Emoschiene verzichten.
Ja, Merz hat sich da verschätzt. Was er schon oft genug hat und wohl vermutlich noch sehr, sehr oft tun wird. Leider.

Martin Mueller
1 Monat her

Merz und die CDU sitzen in der Brandmauerfalle.

Mit SPD und \ oder Grünen ist keine politische Wende zum Wohle der einheimischen Bevölkerung möglich.
In der 80%-Gesinnungsdemokratie ist das Gewicht der Linksgrünen natürlich maßgeblich.

Nur mit der AfD kann es eine politische Wende geben!..

Last edited 1 Monat her by Martin Mueller
hansgunther
1 Monat her
Antworten an  Martin Mueller

Männer ohne Eier bleiben lieber bei Mutti wohnen! Die weiß schon, wo es langgeht!