Fast schon verzweifelt mutet der Versuch an, Täter bloß nicht dort vermuten zu lassen, wo sie zu vermuten sind. Es wird versucht, die Rolle des Islamischen Staats auszuschließen und auf „rechtspopulistische Instrumentalisierung“ umzuschalten.
So zynisch das klingen mag: Die Reaktionen auf den Anschlag von Berlin liefen und laufen nach dem klassischen Muster ab. Krokodilstränen für die Opfer, die aus ihrer vorweihnachtlichen Stimmung in den Tod oder vielleicht auch in lebenslange Behinderung geworfen wurden. Gepaart mit dem fast schon verzweifelten Versuch, die Täter bloß nicht dort vermuten zu lassen, wo sie zu vermuten sind. Und wenn sie schon dort zu vermuten sind, wo ein Großteil der Bürger sie mittlerweile fast schon zwangsläufig vermutet, dann bemüht sich beispielsweise ein sogenannter „Terrorismus-Experte“ des Öffentlich-rechtlichen Fernsehens darum, die Täterschaft der fundamental-islamischen Miliz des Islamischen Staats wenn irgend möglich auszuschließen und die Moderatoren konzentrieren sich darauf, sogenannte „rechtspopulistische Instrumentalisierung“ in den Mittelpunkt ihrer Darlegungen zu stellen.
Die Mutmaßungen des Experten
Doch der Reihe nach. Ein hochmoderner Sattelzug aus dem polnischen Stettin wird gekapert. Der polnische Fahrer findet sich nach der Tat erschossen im Fahrzeug. Offensichtlich hat der Täter keine Ahnung davon, wie ein Truck funktioniert, und muss sich die Steuerung des Lastzuges erst mühsam beibringen. Dann schafft er es bis in die Berliner Kantstraße, von wo er mit dem Lastzug nördlich der Gedächtniskirche eine Schneise der Verwüstung in den dortigen Weihnachtsmarkt zieht.
Der „Terrorismus-Experte“ in einer ersten Stellungnahme: Damit sei ein Unfallgeschehen wahrscheinlich, denn der Truck sei nicht in das Zentrum des Weihnachtsmarktes gefahren und an der Straße zum Stehen gekommen. Man mag dem Experten Elmar Theveßen zugute halten, dass er sich in Berlin nicht auskennt. Denn tatsächlich sortiert sich der Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz rechts und links in jeweils einer Gasse entlang der Kirche. Jemand, der von der Kantstraße her seinen Truck in die Buden lenken will, hat nur die Chance, dieses in Fahrtrichtung links von der Kirche in diese eine Buden-Doppelreihe hinein zu tun. Die Tatsache, dass das Fahrzeug nicht „in das Zentrum“ des Marktes gefahren ist, ist insofern eine Folge des Marktaufbaus – nicht des Nicht-Wollens des Fahrzeuglenkers.
Wenn man sich nun mit den örtlichen Gegebenheiten nicht auskennt, dann sollte man sich auch nicht äußern. Zumindest sollte man nicht so tun, als könne man dazu qualifiziert Stellung nehmen und aus dieser Stellungnahme ableiten, dass mehr für einen Unfall als für einen Terrorakt spräche.
Als dann die Erkenntnis zunehmend unvermeidbar wurde, dass es sich in Berlin vergleichbar Nizza um eine gezielte Attacke auf weihnachtliche Marktbesucher handelte und sich der Islamische Staat (IS/Da’ish) zu der Tat bekannte, war Relativierer Theveßen erneut zur Stelle. Der IS hatte von einem „Soldaten des IS“ gesprochen, folglich die Tat für sich vereinnahmt. Theveßen erklärte bedeutsam, dass es keine Hinweise auf eine unmittelbare Mitwirkung, beispielsweise in Form eines Auftrages, durch den „sogenannten Islamischen Staat“ gäbe. Vielmehr sei es wiederholt so gewesen, dass der IS Taten Einzelner ohne einen unmittelbaren Auftrag durch den IS für sich beansprucht habe, ohne jedoch die Tat tatsächlich unmittelbar veranlasst zu haben.
Die Inspiration der Einzeltäter
Richtig, Herr Theveßen! – mag man im ersten Moment zustimmen. Und dennoch völlig falsch, wenn es doch darum gehen soll, dem Bürger den Terrorakt von Berlin zu erklären. Denn es ist völlig irrelevant, ob der Täter einen konkreten Handlungsauftrag aus Syrien gehabt hat – oder lediglich der dortigen Aufforderung der islamischen Miliz gefolgt ist, weltweit „Ungläubige“ zu töten. Und insofern ist das Erzählte eben nichts anderes als Schattenboxen.
Doch das Problem, das insbesondere die öffentlich-rechtlichen Medien haben, ist: Sie wollen oder dürfen die eigentlichen Hintergründe und Ursachen dieses Terrors nicht benennen. Deshalb der ständige Versuch, Terrorakte als die Einzeltaten verwirrter Psychopathen darzustellen, die am besten keinerlei Bezug zu Nichts haben. Das Problem jedoch ist auch: Tat und Täter haben einen sehr konkreten Bezug. Dieser Bezug ist offenkundig – und er ist wissenschaftlich wie inhaltlich nachzuweisen. Dieser konkrete Bezug ist nun wiederum einer, der in der öffentlich-rechtlichen Wahrnehmung als vorgeblich pauschale und deshalb „rechtspopulistische“ Anklage an eine sogenannte Religionsgemeinschaft zu interpretieren wäre – und der genau deshalb nicht wahrgenommen werden soll und darf. Weshalb die unübersehbaren Kausalketten hinter Nebelkerzen verschwinden.
Von Islam und Islamismus, von Christentum und Christianismus
Richtig ist: Jemand, der wie die Mörder von Nizza und Berlin einen Lastkraftwagen in eine wehrlose Menschenmenge fährt, trägt erst einmal ganz allein die Verantwortung für sein Tun. Er trägt diese Verantwortung selbst dann, wenn ihn jemand konkret aufgefordert haben sollte, genau dieses zu tun – denn er hätte sich der Aufforderung jederzeit aus freiem Willen entziehen können. So weit, so juristisch eindeutig.
Die sich zwangsläufig auftuende Frage aber muss lauten: WAS ist es, das einen Menschen dazu bringt, auf solche Art und Weise ihm völlig unbekannte, wehrlose Menschen zu attackieren? Da nun kommen die Täterprofile ins Spiel. Diese offenbaren bei den Tätern vom 9/11 bis Nizza – und nun offensichtlich auch bis Berlin – eine Gemeinsamkeit: Jene, welche gewissenlos ihnen fremde, unschuldige und wehrlose Menschen töten, berufen sich dabei auf einen angeblich göttlichen Willen, den ihnen eine mythisch-historisch verortete Figur namens Mohamed als „Wahrheit“ aufgegeben haben soll.
Insofern ist eines unverkennbar und nicht leugbar: Zwischen jenem Mohamed und seinen Weisungen sowie den unmenschlichen Taten einzelner Verwirrter besteht ein Zusammenhang, der die Verwirrung nur über jene Weisungen erklärbar werden lässt. Um nun wiederum diesen unabweisbaren Zusammenhang zu verwirren, haben sich Politik und Medien den Begriff des „Islamismus“ ausgedacht.
Dieser sogenannte Islamismus soll etwas sein, das vorgeblich keinen tatsächlichen Bezug zu dem hat, was diesem Begriff seinen Namen gegeben hat: Dem Islam. Dem unbedarften Zuhörer soll der Eindruck vermittelt werden, es handele sich hierbei um die Pervertierung einer Sache, die an sich selbst gut sei. Weshalb dieser Islamismus vorgeblich eine politische Zweckentfremdung eines unpolitischen Islam sei. Denn – das ist die zwangsläufige Quintessenz dieser Begriffswahl – der Islamismus darf mit dem Islam nichts zu tun haben. So, wie es Deutschlands selbsternannter Obermuslimfunktionär Aiman Mazyek gebetsmühlenartig zu wiederholen pflegt.
Nur – einen solchen Christianismus gibt es nicht und selbst die Kirchen, in deren Verantwortung die Irrwege stehen, sind niemals auf die Idee gekommen, sich über eine derartige Hintertür aus eben dieser Verantwortung für die Verbrechen ihrer Vorgänger und Glaubensbrüder stehlen zu wollen. Wer sich heute zum Christentum bekennt, der bekennt sich auch zu den Untaten, die im Namen seines Glaubens wider die Worte Jesu über Unschuldige gebracht wurden.
Der Islam aber, der sich anmaßt, als deren Vollendung in der Tradition von Juden- und Christentum zu stehen, hat sich genau diese Hintertür eingerichtet. Der behauptete Islamismus ist das Mauseloch, durch das Muslime ihrer Verantwortung für die Taten ihrer Glaubensbrüder zu entrinnen suchen.
Wer beispielsweise einen Blick auf die aktuelle Pressemitteilung des Vereins „Zentralrat der Muslime in Deutschland“ wirft, der wird nicht den geringsten Hinweis darauf finden, dass zwischen dem Terror und den Texten jenes vorgeblich gottes-inspirierten Koran-Autors Mohamed ein Zusammenhang besteht. Nicht einmal ein Nebensatz deutet auch nur an, dass Täter wie jene von New York bis Nizza – und nun vermutlich auch Berlin – sich auf die Glaubensideologie jener Gruppe beziehen, die in solchen Fällen lautstark Mitgefühl deklariert, sich ansonsten aber darauf konzentriert, archaische Bräuche als angebliche Glaubensgebote zu installieren und kollektivem Selbstmitleid frönt. Doch der Bürger muss – und er soll – den Eindruck bekommen, dass diese Mörder im Namen Mohameds aus einem anderen Universum stammen, das mit jenem der „Muslime in Deutschland“ und anderswo nicht das Geríngste zu tun hat.
Perfides Mitleid
Besonders perfide wird die Trauer aus muslimischen Kreisen vor allem dann, wenn sie wie im aktuellen Fall ausgerechnet aus dem Arabien der Sa’ud oder der Türkei des Staatsmuslim Erdogan kommt.
Ein Sprecher des Außenministeriums in Riyad sprach Deutschland sein Beileid aus und erkannte die Notwendigkeit, „alle Arten von Kriminalität und Terrorismus“ noch intensiver zu bekämpfen. Das ist an Zynismus kaum zu überbieten. Denn die radikal-fundamentalistische, am tatsächlichen Wortlaut des Koran orientierte Richtung des Islam, die die Miliz „Islamischer Staat“ und die Anschläge von New York bis Berlin erst ermöglicht hat, beruht auf einem mittlerweile über 200 Jahre alten Deal zwischen dem Beduinenstamm, der heute die Halbinsel beherrscht, und einem mohamedanischen Fundamentalisten namens Muhamad ihn Abd al‘Wahab. Wie jener im 18. Jahrhundert berufen sich seine Anhänger vom IS über das sa’udische Königshaus bis hin zu jenen von ihm inspirierten Mörder auf die wortgetreue Umsetzung des Koran.
Und während die deutschen Leidmedien, angefangen bei CSU-Chef Horst Seehofer bis sonstwohin, überall „rechtspopulistische Instrumentalisierer“ zu erkennen meinen, instrumentalisiert die fundamental-islamische Gewaltherrschaft der Türkei den Anschlag unkritisiert von den Medien in ihrem Sinne, indem sie die mohamedanisch begründeten Anschläge gegen den christlich geprägten Westen auf die gleiche Ebene hebt wie die politisch motivierten Anschläge in der Türkei und zum „gemeinsamen Kampf gegen den Terror“ aufruft, als dessen Hauptunterstützer Erdogan jüngst noch die EU verdammte.
Wenn es eine Gemeinsamkeit zwischen dem Terror gegen den Westen und dem Terror in der Türkei gibt, dann findet die sich diese in den Köpfen jener, die den Terror zu verantworten haben – und nicht jener, die ihn konkret verbreiten.
Terror, wie er den Westen trifft, ist ein Terror, der in islamisch verblendeten, alles Freiheitliche hassenden Köpfen wie denen des türkischen Präsidenten entsteht. Der Terror, der die Türkei erschüttert, ist wiederum ein Terror, der die Antwort ist auf den Staatsterror, der aus denselben Köpfen der politisch Verantwortlichen der Türkei aus demselben Hass gegen alles Freiheitliche erwächst. Der Inhalt in den Köpfen, auf dem der Terror wächst, ist identisch – doch die Motivationen der Täter sind es nicht. Die Terroristen des Erdogan, das sind nicht islamisch psychopathisierte Mörder, sondern kurdische Freiheitskämpfer, die die Türkei mit ihrem Ethnofaschismus erst zu Terroristen gemacht hat. Die Terroristen, die den Westen attackieren, berufen sich hingegen auf denselben, religiös verbrämten Alleinherrschaftsanspruch, der im Kopf Erdogans herumspukt. Die Terroristen, die Erdogan als solche verfolgt, aber sind jene, die sich gegen genau diesen Alleinherrschaftsanspruch auflehnen.
Keine Distanzierung ohne Selbsterkenntnis
Jede Distanzierung von Vertretern der Muslime kann deshalb nur glaubwürdig sein, wenn diese sich ohne Wenn und Aber dazu bekennen, dass die widerwärtigen und unmenschlichen Ideen, welche die Mörder zu ihren Taten motivieren, eben nicht aus irgendwelchen Paralleluniversen stammen, sondern ihren sehr konkreten Anlass in jenen archaischen Schriftwerken finden, die als Koran und Hadithe das Fundament des Islam sind. Es ist müßig, an dieser Stelle die Untrennbarkeit von Islam und Islamismus ein weiteres Mal darzulegen. Tilman Nagel und andere haben dieses in der Vergangenheit wiederholt getan – ich kann in diesem Zusammenhang unter anderem auf einen meiner Texte aus dem Jahr 2014 verweisen.
Den unabweisbaren Zusammenhang zu benennen, der zwischen dem Islam und den in seinem Namen vollbrachten Mordtaten besteht, ist das unvermeidbare Fundament eines jeden ehrlich gemeinten Kampfes gegen den Terror, der im Namen Mohameds über die Menschheit gebracht wird. Nicht nur im Westen, sondern längst schon in Asien und Afrika. Und wenn wir ganz genau hinschauen, dann auch nicht erst seit vielleicht zwanzig Jahren, sondern seit dem siebten Jahrhundert.
Erst, wenn sich die Vertreter der Muslime bereit erklären, dem unzweideutig festgeschriebenen Weltherrschaftsanspruch ihres vorgeblichen Propheten abzuschwören und nicht länger so tun, als hätten diese „islamistischen“ Anschläge mit dem Islam nicht das Geringste zu tun – erst dann werden sie die Glaubwürdigkeit erlangen, die Voraussetzung für ein gemeinsames Handeln, für ein erfolgreiches Vorgehen gegen diesen psychotischen Defekt ist, der Menschen zu Massenmördern werden lässt ist.
Es soll nicht unterschlagen werden, dass es derartige Ansätze gibt. Erst am vergangenen Wochenende hatte ich im Rahmen einer Tagung ein spannendes Gespräch mit einem jungen Sunniten, der, deutscher Staatsbürger mit nahöstlichen Wurzeln, als Banker in Frankfurt arbeitet und überhaupt kein Problem damit hat, über die gewalttätigen Inhalte seines Glaubensfundaments zu sprechen. Denn er hat zutreffend erkannt hat, dass eine Überwindung der Radikalität und der unleugbaren Gewaltverherrlichung eben nur dann möglich sein wird, wenn man sich dieser Komponenten seines Glaubens entsprechend bewusst ist.
So wie Christen die Gewalt, die im Namen ihres Glaubens ausgeübt wurde, nur dann überwinden können, wenn sie sich ihr stellen und sich zu der Verantwortung ihrer Religion bekennen, ohne damit persönliche Schuld auf sich zunehmen, so muss der Muslim sich der Gewalt, die im Namen seiner Religion an Abermillionen Menschen begangen wurde und wird, stellen und sie als Bestandteil seiner Glaubensidentität begreifen. So lange dieses nicht geschieht; so lange Personen wie Mazyek die Gewaltkomponente des Islam wider die Wirklichkeit in Abrede stellen, so lange wird es keinen Frieden mit dem Islam und im Islam geben können.
Gewalt überwinden heißt Gott überwinden
Die Überwindung von Gewalt bedarf insbesondere hier, wo sie im Namen eines angeblichen Gottes vollbracht wird, der Infragestellung des vorgeblich göttlichen Auftrags, wenn dieser Gewalt und Mord bedeutet. Sie bedarf der Frage, was göttlich sein kann an einem Wesen, das angeblich den Menschen nach seinem Bilde geschafft haben soll, doch die Gewalt des Menschen gegen den Menschen nicht nur als Fehlweg zur Kenntnis nimmt, sondern als seinen göttlichen Auftrag formuliert. Wer Gewalt gutheißt, sie gegen Ungläubige sogar einfordert, der kann kein Gott sein. Der ist ein Monster. Zu einem Gott werden kann ein solches Monster erst dann, wenn seine Anhänger – und nur diese können dieses – ihm seine Monstrosität nehmen.
Die Verantwortung für Morde, die im Namen eines angeblichen Gottes begangen werden, liegt am Ende nicht einmal bei diesem Gott selbst, denn der müsste im Verständnis der Gläubigen einen neuen Propheten schicken, um die eigenen Irrtümer zu korrigieren – und genau dieses darf er im Islam nicht, weil Mohamed als Siegel der Propheten der letzte seines Berufszweiges gewesen ist. Die Verantwortung für diese Morde liegt deshalb bei all jenen, die sich zu demselben Gott bekennen, die Verantwortung der Religion für die Morde jedoch leugnen. Die Verantwortung liegt bei jenen, die in scheinbarem Mitgefühl für die Opfer vergehen, ohne dabei zu bekennen, dass es eine archaische, wortgetreue Auslegung ihres eigenen Heiligen Buches ist, die die Glaubensbrüder überhaupt erst zu Mördern macht.
Die Verantwortung für den Terrormord liegt nicht bei den Tätern allein
Genau deshalb aber liegt die Verantwortung für den Terror nicht nur bei den Relativierern aus den Reihen dieser Gemeinschaft – sie liegt in unserer Gesellschaft insbesondere auch bei denen, die die Verantwortlichen durch die Hintertür eines imaginären Islamismus entschlüpfen lassen, statt sie zu stellen und in ihre Verantwortung zu nehmen.
Niemand behauptet, dass Muslime wie Mazyek persönlich die Schuld am mit dem Islam begründeten Tod Unschuldiger haben. Wenn Menschen wie Mazjek sich aber den in ihrem religiösen Basiswerk verankerten Ursachen zu entziehen suchen, dann machen sie sich mitschuldig.
Deswegen auch ist es falsch und dient der Sache nicht, wenn unsere Medien mehrheitlich der Schimäre einer vermeintlichen Trennung von Islam und Islamismus hinterherlaufen – und ein selbsternannter Terrorismus-Experte alles daran setzt, die Bezüge zwischen Täter und Ursache zu vernebeln, statt diese klar zu benennen.
Im konkreten Fällen wie in Berlin, Nizza und anderswo ist es gänzlich irrelevant, ob „der“ IS einen konkreten Einsatzbefehl gegeben hat oder nicht. Die Mörder sind „Soldaten des Islamischen Staats“, weil sie sich von diesem inspirieren lassen. Die „Soldaten des IS“ sind sunnitische Muslime, die sich mit vollem Recht auf eine wortgetreue Auslegung des Koran berufen, weil alles, was sie tun, sich dort als Handlungsanweisung findet. Die wortgetreue Auslegung dieses Koran wiederum wird maßgeblich von ausgerechnet jenen Arabern in Riyad organisiert, die kein Problem damit haben, Kritiker an diesen irrationalen Werken zu Tode peitschen zu lassen und denen sich selbst in der Kairoer AlAzhar-Glaubensschule niemand in den Weg stellt, weil auch dort der Weltbeherrschungsanspruch des Islam jedweden Ansatz einer Überwindung des archaischen Inhalts des Schriftwerkes verhindert.
Diese Kausalketten zu erkennen und gegen sie zu wirken, ist der Weg, der einzig und allein zur Überwindung des Terrors führen wird. Sie aber zu vernebeln, wie es Medien und Politik und unmittelbar Involvierte wie die Muslime aus falsch verstandener Rücksichtnahme oder Selbsthypnose beständig tun – das legt die Verantwortung für die Opfer auch auf deren Schultern.
So, wie es nicht darum gehen kann, jeden Muslim zum Terrorverdächtigen zu stempeln, darf es nicht darum gehen, ihn von jeder Verantwortlichkeit freizusprechen. Überwindung von Gewalt liegt in der Erkenntnis ihrer Ursachen. Wer diese Erkenntnis vorsätzlich verweigert, sei es aus Dummheit oder aus falsch verstandener Rücksichtnahme, wird selbst mitschuldig an den Opfern, die die Gewalt verursacht.
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