Merkels zerknirschter Starrsinn

Nach den Wahlniederlagen in Berlin und Mecklenburg Vorpommern ist Merkel angefressen. In ihrer Selbstverteidigungsrede am 19. September auf der Nachwahl-Pressekonferenz hat sie viel geredet, aber nichts geliefert. Sie bleibt die stichhaltige Begründung ihrer Einwanderungspolitik schuldig. Sie liefert Propaganda in eigener Sache, aber keine Fakten.

© Sean Gallup/Getty Images

Was haben Europa und die Bundesrepublik davon, wenn Merkel eigene Fehler einräumt, die sie sogleich herunter minimiert, um den übrig bleibenden Rest ihrer eingeräumten Fehler noch in derselben Rede (vom 19.9.2016 zur Berliner Wahl) vor der Hauptstadtpresse im Konrad-Adenauer-Haus rückstandsfrei wieder einzukassieren.

Merkel hat definitiv nichts gesagt, keine harten Fakten benannt, sondern ausschließlich zerknirscht starrsinnige Selbstkritik zur Schau gestellt und ein bisschen Publikumsveralberung abgeliefert. So ausgehungert sind die Medien in der Hauptstadt offenbar, dass sie sich auch noch auf das letzte Geschwurbel einer Versagerkanzlerin eilfertig und ein bisschen anbiedernd werfen.

Die Kanzlerin hat ihre Mundwinkel für ein paar Sekunden tiefer gezogen und sich bemüht, ihre Gegner, wenn auch in untauglicher Weise, vorzuführen. 82% der Deutschen, so Merkel in ihrer Rede, wären laut einer Studie mit ihrer Einwanderungspolitik unzufrieden. Aber die 82 % hätten ihr leider nicht qualifiziert gesagt, was genau sie kritisieren würden und was genau sie als Kanzlerin denn jetzt ändern sollte, also wüsste sie gar nicht, was sie in ihrer Einwanderungspolitik anders machen sollte und nähme sich das Recht, die Kritik der 82 % einfach beiseite zu wischen.

Merkels Propaganda in eigener Sache – und um nichts anderes handelt es sich bei ihrem Speech – offenbart ein problematisches Rechtsverständnis der Kanzlerin und ein problematisches Verhältnis zur Logik. Wer als Bundeskanzler ganz faktisch agiert, hat die Darlegungs- und Beweislast. Er oder sie hat permanent zu erläutern, auf welcher tatsächlichen Basis welche politische Maßnahme durchgeführt werden soll und durchgeführt wird.

Hat Merkel je, über Nebelkerzen und populistische Ablenkungsformeln hinaus, dargelegt, welche konkrete Einwanderungspolitik mit welchen Folgen und welchem Ziel sie ins Werk setzt und warum ihre Politik alternativlos wäre? Hat Merkel jemals die moralisch-politische Begründung für ihre Einwanderungspolitik, konsequent und konsistent zu Ende gedacht, vorgelegt? Nein, das hat sie nicht und sie hat jede Faktizität im Zusammenhang mit ihrer politischen Einwanderungsarbeit durch wortreiches, aber durchaus unterschwellig aggressives Geschwalle ersetzt.

Politischer Opportunismus ist das Gegenteil von politischen Überzeugungen

Merkel ist spätestens am Tag des Tsunami in Fukushima unter die Spaßmacher gegangen: sie hat wegen einer Flutwelle bedingt durch ein Erdbeben vor Japans Küste ihre Energiepolitik um 180 Grad verkehrt und dies als ihre Überzeugung verkauft. Ohne den zu erwartenden grün-roten Protest auf der Straße wäre Merkel, die ja schon einige politische Wendehälsereien hingelegt hatte, wohl kaum zu ihrer Energiewende gekommen. Politischer Opportunismus ist allerdings das Gegenteil von politischen Überzeugungen.

Merkel, die im Jahr 2010 Multikulti für grandios gescheitert erklärt hat und einer antimultikulturellen Politik das Wort redet, will jetzt eine multikulturelle Überzeugung als Grundlage ihrer sogenannten Einwanderungspolitik besitzen? Oder macht sie nur einen auf grün-rote Zuwanderungspolitik? Merkel hat, wie gesagt, die Darlegungs- und Beweislast und diesen Lasten genügt sie in keinster Weise, auch nicht mit ihrer aggressiven Rede vom 19.9.2016, mit der sie zeigt, wie sehr sie an der Macht klammert.

Merkel adaptiert nicht nur grün-rote politische „Ziele“, sie adaptiert auch zunehmend die grün-rote Kampftechnik. So streut sie in ihrer Rede einen kleinen Gag ein: Wir lebten nach einer neueren Meinung in einer „postfaktischen“ Zeit, sagt Merkel, selber die prototypische Protagonistin einer von ihr selbst zurecht geschusterten Faktizität, die realitätsunabhängig funktioniert oder eben nicht funktioniert.

Siehe auch den Schweizer Physiker und Philosophen Eduart Kaeser, der ein Riesending über das „postfaktische Zeitalter“ ablässt, darüber was heute in Sachen Faktenerkenntnis alles viel schlechter läuft als früher in den guten alten Zeiten, wenn auch alles nur, um sein faktenfreies Trumpbashing zu platzieren.

Listig, beinahe hinterlistig oder überlistig erzeugt Merkel den Eindruck, als würden die Gegner ihrer Politik, die Pegida-Demonstranten, die AfD-Wähler oder auch Teile der Union, der SPD und der Grünen sowie auch viele konservative Intellektuelle, die nicht in die vorgenannten Schemata passen, sie faktenfrei, also ausschließlich emotional, kritisieren, so dass sie jetzt auch mal nur rein „emotional“ zurückschlagen wollte. Schon einigermaßen bedenklich, wie Merkel ihre Kritiker kunterbunt durcheinander in einen Topf wirft. Klar, könne sie die tatsächliche Basis ihrer Politik jederzeit aus dem ff herunterbeten, aber das wolle sie jetzt einfach nicht. Allein, sie liefert keine Fakten und in der Tat, sie hat ihre Einwanderungspolitik noch nie dargelegt und begründet. Prima facie ist Merkels Politik reine Bauchpolitik der Anbiederung an Grün-Rot.

Metaethics 11
Taten statt Erklärungen
Jetzt verkriecht sie sich hinter der Vokabel „postfaktische Zeit“ oder sie zieht sich, wie gesagt, an ihrem Vorwurf an die 82 % ihres Volkes, die mit ihrer Einwanderungspolitik unzufrieden sind, hoch, in dem sie sagt, dass die 82 %, die allerdings in der zitierten Umfrage auf klare Ja/Nein-Fragen geantwortet hatten, keine einlassungsfähige, differenzierte, sprich keine konkrete Kritik geliefert hätten, über die sie, Merkel nachzudenken hätte. In jedem Fall liefert sie höchstpersönlich Null Fakten. Wörter und Sätze wie „humanitär“ oder „wir sind ein wohlhabendes Land“ oder, „wer wenn nicht wir“ oder „ich möchte die Zeit um viele Jahre zurückdrehen“ oder “ wir kommen gestärkt aus der Krise“ haben mit Tatsachen nichts, aber auch gar nichts zu tun. Und das ist auch nicht postfaktisch, das ist einfach nur heiße Luft.

Merkels „Gedankengut“

Merkel verdreht alle Spieße in ihr Gegenteil und das ist ihre Adaption grün-roter, einst von den Kommunisten entwickelter, Kampftechnik. Einfach gegen alle Tatsachen irgendwelche Fakten behaupten und dann auf der Basis der selbst erfundenen Fiktionen „herum zu argumentieren“, das kennt man von all jenen politischen Köpfen und Gruppierungen, die herrschenden ideologischen Vorgaben folgen und die sind nun einmal seit 60 Jahren rot und seit vierzig Jahren grün-rot.
Dass Merkel alle Kritiker von rechts bis konservativ, offenbar ohne den Unterschied verstanden zu haben, in einen Topf wirft, zeigt wie sehr Merkel argumentativ schwimmt und Fakten und Argumente scheut wie der Teufel das Weihwasser.

Merkel distanziert sich wortreich und ziemlich kindisch von ihrem Satz, wir schaffen das, der für sie Ziel und Haltung ist und bleibt und kassiert auch diese Distanzierung gleich wieder selbst, in dem sie ironiefrei und ohne jede Distanz wenig später in den Raum schreit: Wer, wenn nicht wir! (schaffen das?)

Merkel dröhnt und tönt noch lauter. Sie behauptet, „wir“, wer immer „wir“ sein soll, werden aus der durch ihre Einwanderungspolitik geschaffenen Krise stärker hervorgehen, als wir hineingegangen sind. Was diese aus jedem Zusammenhang herausgerissene Behauptung oder soll man sagen, Merkelsche Analyse oder Prophezeiung, angeht, fehlt nun wirklich jeder Anlass und jeder Grund sich mit diesem Merkelschen „Gedankengut“ auseinanderzusetzen. Merkel sagt – man ist ihr dankbar, ob dieser Selbsterkenntnis – dass sie auf ihre Kritiker auch mal mit einem Gefühl reagieren wollte. Nun ist Gefühl aber kein Synonym für Unsinn.

Merkel merkt Weltkrisen erst mit jahrelanger Verzögerung

Merkels Regierung verbreitet aktuell gerade eine Studie, die man nach den gängigen Definitionen durchaus als rassistisch bezeichnen darf: Die ostdeutschen Menschen werden pauschal unter Generalverdacht gestellt, Rassisten zu sein und den gesellschaftlichen Frieden mit ihrer Ablehnung der Merkelschen Einwanderungspolitik zu gefährden. So etwas ist die Geschäftsgrundlage von Merkels dünnhäutiger Reaktion auf die Wahlniederlagen ihrer Partei in Berlin und Mecklenburg: Beschimpfung ihrer Gegner. Das ist zu wenig, das ist nichts.

Merkel in ihrer Person ist das Problem der verfehlten Einwanderungspolitik der Groko und insofern ist der erste Schritt der Lösung einfach: Merkel muss weg, sofort und selbstredend muss der demokratische Wechsel im Bundeskanzleramt jetzt nach demnächst 12 Jahren erfolgen. Jahrzehntelang ein und derselbe Regierungschef ist ein Verfassungsfehler. So etwas schließen andere Verfassungen wie die amerikanische glücklicherweise von vornherein aus. Merkel hat auf diejenigen explizit reagiert, die wie es auch die Autorin im Oktober vergangenen Jahres geschrieben hat, sagten: Merkel muss weg.

Eine Kanzlerin, die heute ernsthaft behauptet, sie hätte die von ihr sogenannte Krise der Massenwanderungsbewegung bis vor einem Jahr nicht vorhergesehen und sei dann von einer humanitären Notlage an einem Grenzübergang überrascht worden, ist der ihr übertragenen Aufgabe nicht gewachsen.

Auch wenn das öffentliche Gedächtnis ziemlich löchrig und kurz ist, weiß doch jeder halbwegs politisch interessierte Mitbürger, dass die Masseneinwanderung lange vor Merkels humanitär verkleisterter Grenzöffnungs- und Selfie-Politik innerhalb aller zuständigen Stellen im Bund und in den Ländern bereits krisengeschüttelt war. Und dass die Einwanderung bereits seit 2013 anschwoll, bereits lange vor 2015 administrativ in ganz Europa und speziell auch in Deutschland ein einziges Katastrophenchaos war.

Noch heute kann die Merkel-Regierung keine Zahlen liefern, nicht einmal über die Anzahl der eingewanderten Menschen und auch nicht über die relevanten Eckdaten. Vor einem halben Jahr hieß es in den Medien, es seien im Jahr 2015 zwei Millionen Menschen eingewandert. Heute haben sich alle Politiker in ihren Reden auf eine Million Menschen geeinigt, die 2015 nach Deutschland eingewandert ist, eine Zahl die auch Frank Walter Steinmeier gerade wieder in einem internationalen Forum zum Thema nannte. Es fehlen alle seriösen, ideologisch ungefärbten Statistiken, die Migrations-und Integrationsrelevanz haben.

Die einzige Nummer, die der Bundesregierung und allen politischen Subkulturen einfallen, sind der Kampf gegen Rechts bis weit in die Mitte hinein. Allerdings: Dieser Kampf gegen Rechts und eine grenzenlose Idealisierung der Einwanderer sind kein Politikersatz.

Wenn Merkel das Problem ist, dann ist die kurze Formel „Merkel muss weg“ die Problemlösung, wenn auch nur der erste Schritt. Merkels krass widersprüchliche Äußerungen der jüngsten Zeit, die schwanken zwischen, Deutschland wird bleiben, wie wir es kennen und lieben, und, selbstverständlich würde sich Deutschland massiv verändern, sind einfach nur öde und abnervend.

Das schwache intellektuelle Niveau in Merkels Verteidigungsrede ist man in ihren elf Kanzlerjahren gewöhnt. Noch erschütternder allerdings ist die Mehrheitsreaktion der Presse, die ganz glückselig ist, dass Merkel nun endlich, endlich doch einmal auch eigene Fehler benannt hätte und jetzt postwendend Seehofer in die Pflicht nimmt, Merkel nun wieder brav hinterher zu laufen.

Eine Bundeskanzlerin, deren politisches Niveau in dieser Brandrede exemplarisch sichtbar wird, merkt eben politische Weltkrisen, um die es sich bei den in Gang gesetzten Völkerwanderungen in Wahrheit handelt, selbst nach eigener Einschätzung erst mit jahrelanger, wenn nicht jahrzehntelanger Verspätung.

Es gibt eine große Diskrepanz zwischen der Parteiführerin und der Kanzlerin. Merkel hat sich als in diesem Sinne gute politische Kampfmaschine innerhalb der CDU, vergleichsweise wenig nach außen sichtbar, eine singuläre Machtstellung gegen die Diadochen Helmut Kohls wie Schäuble oder Rühe erkämpft. Das ist eine nicht zu unterschätzende Leistung als Parteibüttel. Ihre Kanzlerfähigkeiten sind, was die eigentliche sprich die Hauptsache angeht, nämlich die Gestaltung der Bundespolitik, ziemlich beschränkt.

Es gibt eine große Diskrepanz zwischen Parteiführerin und Kanzlerin. Ihre Partei, die Union, ist eben die letzte verbliebene Volkspartei, wenn auch gerade mit großen Blessuren versehen. (Kanzlermalus) Und so verleiht eben der CDU-Vorsitz angesichts des Parteienproporzes der CDU-Vorsitzenden zur Zeit quasi automatisch auch die Kanzlermacht und das ist keineswegs gut so.

Dass Merkel sich befleißigt fühlt zu behaupten, dass Deutschland durch ihre Einwanderungspolitik im Verfassungskern unerschütterlich dastünde, so der Sinn ihrer blumigen Ausführungen, und Deutschland in den „Grundfesten“ nicht erschüttert werden würde, macht es offenbar: Merkel ist angefressen.

Es mag sein, dass Rechte und Linke „Merkel muss weg“ schreien, erstere wahrscheinlich eher laut, letztere als krasse CDU-Hasser eher untereinander, die politische Vernunft – und die schreit nicht – sagt: Merkel muss weg! Und dieser Vernunft kann Merkel durch ihr Wort, „die schreien ‚Merkel muss weg'“ naturgemäß nicht begegnen. Eine zutreffende politische Analyse bleibt zutreffend, auch wenn ungebetene Dritte zufällig etwas gleich klingendes schreien.

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