Das Bundesverfassungsgericht verpasst der Facebook-Zensur einen Dämpfer

Das Verfassungsgericht hat in einem unverdächtigen, aber exemplarischen Fall für die Meinungsfreiheit entschieden. Die Wutbürger von Maas bis Merkel müssen sich mäßigen! Einfaches Durchregieren mittels Löschung jedes missliebigen Postings, das die Einwanderungspolitik kritisiert, ist voll daneben.

© Gil C / Shutterstock.com

Ein herrlich unverdächtiger Fall: Ein Polizist nervt einen wackeren Bürger, den er womöglich schikanös immer wieder kontrolliert. Eines Abends leuchtet der Polizist mit den Scheinwerfern seines Dienstwagens in das Haus besagten Bürgers und taucht am selben Tag sogar noch ein weiteres Mal vor der Haustür des Bürgers auf, der sich flugs bei Facebook Luft machte. Er postete diesen Kommentar, in dem er den Beamten als „Spanner“ bezeichnete: „Da hat der (Name des Polizeibeamten) nichts besseres zu tun als in K. und Co in irgendwelchen Einfahrten mit Auf- und Abblendlicht zu stehen und in die gegenüberliegenden Häuser in den Hausplatz zu leuchten. Der (Vorname) Spanner (Nachname)(…)“

Die Folge: Der Polizist verklagte den aufgebrachten Bürger und die Instanzengerichte verknackten den Facebookschreiber wegen übler Nachrede. Erst das Bundesverfassungsgericht kassierte jetzt die erstaunlichen und vermeidbaren Fehlurteile, die womöglich nicht nur einem Korpsgeist oder besser Korpsungeist geschuldet waren, sondern möglicherweise auch dem allgemeinen Zensurungeist der politischen Korrektheit, dem seit einem Jahr auch das Bundesjustizministerium und das gesamte Bundeskabinett anheim gefallen ist.

Der Spruch des Bundesverfassungsgerichtes bringt im Prinzip nichts Neues. Er bestätigt eigentlich nur geltendes Recht, das allerdings zurzeit gerade von den „Zensoren“ im Bundesjustizministerium verdrängt wird. Die Instanzengerichte haben den Begriff „Spanner“ nämlich nicht als einfache Beleidigung oder schlicht als eine Reaktion oder auch Überreaktion des Bürgers auf das vielleicht unverhältnismäßige Verhalten des Polizisten bewertet, sondern sie haben den Begriff „Spanner“ schlank als herabsetzende „Tatsachenbehauptung“ eingestuft. Dies eben vollkommen losgelöst von dem Zusammenhang, was der Bürger überhaupt für jedermann erkennbar sagen wollte. Der Bürger hatte sich nämlich aufgeregt, dass ein Polizist ihm mit seinen Scheinwerfern einfach so nächtens in sein Haus leuchtet. Das Wort „Spanner“ hatte er darauf bezogen. Er hatte dem Polizisten nicht im losgelösten Raum eine schräge Neigung unterstellt.

Mit dem Wort „Spanner“ wollte der aufgebrachte Bürger, so das Bundesverfassungsgericht, erkennbar in dem Fall weder sagen, dass der Polizist irgendeine sexuelle Befriedigung beim Zuglotzen erlangen wollte, wie die Instanzengerichte den Spannerbegriff definierten, noch wollte der Bürger die Aufgabe eines Aufpassers bei einer ungesetzlichen Handlung übernehmen, was schon das Amtsgericht bei seiner Verurteilung als eine weitere Bedeutung des Wortes „Spanners“ vor sich hin doziert hatte.

Das Verfassungsgericht hat also feststellt, dass das Substantiv „Spanner“ im konkreten Gebrauch des Falles erkennbar keine Tatsachenbehauptung war, sondern ein Werturteil darstellt; so gesehen allenfalls eine Beleidigung sein könnte, bei der allerdings das Verhalten des Polizisten selber eine Rolle spielt, von dienstrechtlichen Betrachtungen des Falles ganz abgesehen. Leider befasst sich das Verfassungsgericht nur mit den angegriffenen Instanzenentscheidungen und bietet so gesehen nicht die richtige Komplettlösung an. Für die Prüfung einer Beleidigung, deren Annahme auch ziemlich abwegig wäre, wären wieder die Instanzengerichte zuständig, weshalb es eben nicht zu einer vollständigen juristischen Prüfung des an sich aufgeklärten Falles gekommen ist.

Jeder Mensch darf seinen Unmut über das Fehlverhalten eines anderen Menschen äußern

Jeder Mensch darf also seinen Unmut über das Verhalten oder Fehlverhalten eines anderen Menschen äußern. Alle Menschen dürfen Menschen sein und sich bei Fehlverhalten auch mal härter aufregen. Das Antidiskriminierungsgesetz privilegiert Niemanden als unkritisierbar, auch wenn das Antidiskriminierungsgesetz oft so mißverstanden wird. Fehlverhalten von geschützten Personen (Personengruppen) bleibt Fehlverhalten und kann und soll und muss kritisiert werden. Auch Fehlverhalten von Menschen, die als Einwanderer gerade nach Deutschland kommen, kann, muss, darf, soll faktenbasiert kritisiert werden. Niemand ist dem deutschen Verfassungsrecht enthoben, auch nicht aufgrund von Geschlecht, sexueller Orientierung, Herkunft oder sonst. Alle Menschen sind gleich, gleich kritisierbar.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Dem Verfassungsgericht ging es nicht darum, die neue Unart der Maas’schen und Kahaneschen Facebookzensur zu kritisieren. Diese neuen Unarten werden naturgemäß gar nicht erwähnt, aber de facto sind hier ganz beiläufig die rechtlichen Grenzen der übereifrigen Zensoren, die sich in ihrer wahnhaften Drangsalierung von bis dato unbescholtenen Bürgern zwecks Durchsetzung ihrer „politischen“ Ziele unglaublich zu gefallen scheinen, aufgezeigt worden.

Mit dem Wort „Spanner“ wollte der sich von dem Polizisten drangsaliert fühlende Bürger wertend zum Ausdruck bringen, dass er die Maßnahmen des Polizisten und dessen Verhalten ihm gegenüber grenzüberschreitend empfand. Wer lässt sich schon gern von einem Polizeiauto nächtens ohne, dass er einen Anlass oder Grund gesetzt hätte, in sein Haus leuchten.

Wer lässt sich schon gern, quasi hoheitlich outgesourct, von Privatunternehmen in sozialen Netzwerken zensieren, wenn er die regierungsamtliche Politik kritisiert?

Auch Regierungskritik kann die Grenzen des Rechts überschreiten, aber Kritik an den Regierenden auf jedem politischen Feld, ist nicht nur erlaubt, sondern geradezu begriffsnotwendiger Bestandteil der Demokratie, die kraft der noch immer geltenden Verfassung kein Almosen der Regierenden ist, sondern Gebot des Rechts. Die Regierung darf und muss kritisiert werden, was das Zeug hält, und die Kritiker dürfen, wie das Verfassungsgericht immer wieder feststellt, überspitzen, übertreiben und auch einmal über die Stränge schlagen. Im Zweifel für die Kritik und gegen die Mimöschen.

Die Facebookzensur ist quasi über Nacht erfunden und etabliert worden, um die vollkommen missratene Einwanderungspolitik der Bundesregierung erleichtert durchsetzen zu können. Ergo muss festgehalten werden, dass besonders die Einwanderungspolitik der Bundesregierung, die mit dem Wort „Politik“ noch sehr gut beschrieben ist, da es sich inzwischen de facto eher um eine Art hochideologisiertes Chaos handeln dürfte, auch in sozialen Netzwerken heftigst auseinander gepflückt und kritisiert wird.

Die Verfassung räumt den Regierenden gerade keine Zensurallmacht ein. Sie sagt eben nicht, das wird man doch wohl noch mal zensieren dürfen, sondern sie schreibt vor, du darfst alles sagen, was nicht verboten ist. Und: Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit dürfen eben nicht dadurch ausgehöhlt werden, dass Meinungsäußerungen fälschlich als Tatsachenbehauptungen bezeichnet und damit erleichtert aus dem Verkehr gezogen werden, wie es dem Bürger in dem hier beschriebenen Ausgangsfall zunächst passierte.

Natürlich darf man erweislich wahre negative Tatsachen gerade und erst recht diese in Bezug auf Dritte und in Bezug auf Politiker und Journalisten und all diejenigen, die die öffentliche Meinung machen oder glauben machen zu müssen, äußern. Das gehört zum politischen Geschäft, zur Demokratie, essentiell dazu. Das bedeutet natürlich nicht, dass jede Tatsachenbehauptung hemmungslos zur Vernichtung eines anderen Menschen herausgeblasen werden dürfte, nachdem Motto, Du bist das Kind einer Hure oder du hast in Deiner Jugend Pornos gedreht usw. oder Du bist behindert, du bist behindert, du bist behindert. Auch wenn alles Tatsachen sind, muss sich niemand die Benennung solcher Tatsachen einfach so gefallen lassen.
Aber natürlich muss der Grundsatz Geltung behalten, dass erweislich wahre Tatsachen offen und öffentlich benannt werden können, dürfen, müssen, sollen.

Wenn Politik nicht tatsachenbasiert ist, ist sie Mistpolitik, also muss im politischen Bereich die öffentliche Tatsachenbenennung, welchen Bockmist welcher Politiker baut, besonders frei äußerbar sein.

Meinungsfreiheit ist kein Almosen, das die Regierenden dem Volk gewähren, sondern geltendes Recht

Der Begriff der Schmähkritik, der von der Justiz erfunden wurde, spielt weder im zivilrechtlichen noch gar im strafrechtlichen Bereich rund um erlaubte oder verbotene öffentliche Kommentare eine besonders gute Rolle. Es handelt sich dabei eher um einen Richterjoker, als um ein handfestes Strafgesetz. Im Zweifel für die Meinungsfreiheit! Begriffe wie Phobien und Hass oder Hatespeech sind weitgehend ungeeignete Kategorien, um das Verfassungsverbot von Zensur aufzuweichen oder zu umgehen.

Die Justizpanne in Gestalt der Instanzenentscheidungen, konkret in Form der jetzt kassierten Urteile des Amtsgerichtes und des Oberlandesgerichtes, könnten auf ein fatales Missverständnis, das sich in der Justiz selber breitmacht, hinweisen. Natürlich hat es immer Fehlurteile gegeben. Die sind für die Betroffenen mehr als misslich, aber sie sind nicht immer systematischer Natur. Aber der Zensurungeist mit dem schnellen Finger am Löschhebel, den regelmäßig eher für diesen Job unqualifizierte Leute betätigen, die auch noch falsch geführt werden und oft genug einem eigenen Sendungsbewusstsein verfallen sind, ist bedenklich.

Die Verwechslung von öffentlichen Tatsachenbehauptungen und öffentlichen Werturteilen zu Lasten der Meinungsfreiheit insgesamt, hier durch zwei Instanzengerichte, ist nur ein Fall wie die Meinungsfreiheit gekillt werden kann. Auch der Tatbestand der Volksverhetzung, der ganz unabhängig von der Realität, ob sich überhaupt ein einziger Mensch verhetzen lässt, als abstraktes Gefährdungsdelikt mit starkem Willkür-Charakter in jüngster Zeit dauernd bemüht und überstrapaziert wird, spielt plötzlich, nachdem er jahrzehntelang einen Dornröschenschlaf hingelegt hatte, eine überragende Rolle im neu ausgerufenen Zensurzeitalter.

Die Gemengelage, die leider die Basis der neu ausgebrochenen Zensurwut bildet, ist hässlich und brisant. Nicht jeder, der vor sich hin stammtischelt, ist von Amts wegen zu zensieren und auch der unspezifische Kampfbegriff „Rechts“ ist ungeeignet, sogenannten rechten Stammtisch anders zu behandeln als linken Stammtisch.

Justitia ist nicht auf einem Auge blind, sondern sie trägt eine Augenbinde, die beide Augen verdeckt. Das heißt, sie muss gleiches Unrecht gleich sanktionieren.

Wie schallt es von der Politik von oben herab? Wir lassen uns unsere freie Lebensart, unsere Freiheit nicht von den Extremisten nehmen. So, so. Vielleicht nicht von den Extremisten, aber offenkundig zunehmend von den Zensoren. Und die Zensur, die der Staat durch outgesourcte private Dritte wahrnehmen lässt, was übrigens auch längst als verfassungswidrig erkannt wurde, ist Meinungsfreiheit-erstickend und die Selbstzensur der Bürger ist leider ansteckend. Das wussten Unrechtsstaaten schon immer zu nutzen. Sie mussten nur einmal den unguten Keim für die Selbstzensur säen.

So zeigt der kleine Fall in der Provinz, in dem sich ein Bürger und ein Polizist vor Gericht trafen, dank der Tatsache, dass er es bis zum Bundesverfassungsgericht gebracht hat, dass die moralische Schubumkehr, die bereits stattgefunden hat, dringend wieder umgekehrt werden muss und dass es auf jeden Einzelnen ankommt, sich zu wehren.

Die Oberzensoren kommen jetzt mit der alten Nummer und haben damit bereits viele Köpfe verkleistert: Seid wachsam, wo ihr Zensurbedarf melden könnt! Seid mündige Bürger, die Zensurwürdiges zur Strecke bringen. Das Grundgesetz sagt allerdings das genaue Gegenteil. Es sagt nämlich: Lebt und verteidigt die Demokratie und den Rechtsstaat! Und meldet jeden Zensurversuch! Und seid wachsam, dass ihr nicht selber von dem grassierenden Zensurvirus angesteckt werdet!

Es kommt jetzt auf jeden Einzelnen an

Das immer noch neue Medium der sozialen Netzwerke, mit denen die Menschheit noch keine allzu lange Erfahrung hat, regt offenkundig manch jemanden an, unangemessene Meinungen öffentlich kund zu tun. Der öffentliche Zensurrausch kann dadurch nicht gerechtfertigt oder entschuldigt werden.

Allein schon durch die Existenz von Schatten-Zensurbehörden privat-rechtlicher Natur steht das Verfassungssystem auf dem Kopf: Solange die Mitgliedschaft in einem sozialen Netzwerk mindestens tatsächlich gesehen der Willkür von Privatleuten unterliegt und es kein klagbares Recht auf Mitgliedschaft gibt, ist das Instrument die Mitgliedschaft in einem sozialen Netzwerk einfach mal so zu kündigen oder zu unterbrechen, verfassungsrechtlich gesehen nicht hinnehmbar. Die Teilhabe an den sozialen Netzwerken ist über Nacht essentiell für das Mitspielen der Menschen in der öffentlichen Meinungsbildung geworden und für viele sind die sozialen Netzwerke auch beruflich von essentieller Bedeutung.

Das Verfassungsgericht legt den Instanzengerichten mit dem Rechtsgut der Meinungsfreiheit auf, entsprechend umzugehen, im Konkreten: in jedem Einzelfall den genauen Kontext zu berücksichtigen und abzuwägen, weil nur so das demokratische Essential der Meinungsfreiheit geschützt bleibt. Und diesen Job sollen gemäß Bundesjustizminister Heiko Maas, eine Ex-Stasi Anetta Kahane und Julia Schramm – für diese Qualifikation unbekannt – im Dunkeln werkelnd erledigen?

Die Angst der Bürger zensiert zu werden, ist Gift für die Demokratie. Lieber ein paar Ausreißer, wenn sie nicht alle Grenzen sprengen, zumal solche Ausreißer auch von den Mitbürgern regelmäßig richtig verstanden und oft genug kritisch kommentiert werden. Wohl dem Staat, der ein funktionierendes Verfassungsgericht sein eigen nennt.

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