Viktor Orbán warnt vor drohender „Eskalation“ im Ukraine-Krieg

Ungarns Premierminister Viktor Orbán hat ein Memo veröffentlicht, das er für die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union verfasst hat und in dem er vor einer drohenden Eskalation des Ukraine-Krieges warnt.

IMAGO

In dem Memo, das ursprünglich an den scheidenden EU-Ratschef Charles Michel gerichtet war, schildert er seine Eindrücke von den jüngsten Treffen mit Staats- und Regierungschefs wie Wolodymyr Zelenski, Wladimir Putin, Xi Jinping, Recep Tayyip Erdogan und Donald Trump. „Es ist eine allgemeine Beobachtung, dass die Intensität des militärischen Konflikts in naher Zukunft radikal eskalieren wird“, schrieb Orbán. Weder Russland noch die Ukraine hätten die Absicht, bald Friedensgespräche zu führen, betonte er.

„Ich habe persönlich erlebt, dass die Kriegsparteien entschlossen sind, sich tiefer in den Konflikt zu verstricken, und keine von ihnen möchte Initiativen für einen Waffenstillstand oder Friedensverhandlungen ergreifen“, so Orbán. Er veröffentlichte auch ein Video auf X, in dem er behauptete, es sei „unmöglich, eine Lösung auf dem Schlachtfeld zu finden“, und warnte, dass ohne einen Waffenstillstand weiter Tausende unschuldiger Menschen sterben würden.

Die EU, die Vereinigten Staaten und China können ihren Einfluss nutzen, um auf Friedensgespräche zu drängen, sagt Orbán. Die Türkei, ein wichtiger regionaler Akteur, war seit Beginn des Krieges der einzige erfolgreiche Vermittler zwischen der Ukraine und Russland und sollte ebenfalls in Betracht gezogen werden, sagt er.

China befürwortet einen Waffenstillstand und Friedensgespräche, wird aber vorerst keine aktive Rolle spielen, da die Erfolgsaussichten gering sind. In den USA ist die ganze Aufmerksamkeit der Nation auf die Wahlen im November gerichtet, sagt Orbán. Im Falle eines Trump-Sieges würden die USA sofort auf Frieden drängen, und Donald Trump, der derzeit in den Umfragen führt, habe „detaillierte und fundierte Pläne dafür“.

Ein Wahlsieg von Donald Trump im November würde bedeuten, „dass sich das Verhältnis der finanziellen Belastung zwischen den USA und der EU bei der finanziellen Unterstützung der Ukraine deutlich zu Ungunsten der EU verändern wird“, so Orbán.

Die EU habe sich der „Pro-Kriegs-Politik“ der USA während der Biden-Regierung angeschlossen und verfüge über keine „souveräne und unabhängige europäische Strategie oder einen politischen Aktionsplan“, warnt Orbán. Die EU sollte „ein neues Kapitel aufschlagen“ und „sich bemühen, die Spannungen zu verringern und/oder die Voraussetzungen für einen vorübergehenden Waffenstillstand zu schaffen und/oder Friedensverhandlungen aufzunehmen“.

Der ungarische Premierminister schlägt außerdem vor, Gespräche mit China über eine neue Friedenskonferenz aufzunehmen und die direkten diplomatischen Beziehungen zu Russland wieder zu öffnen. Darüber hinaus schlägt er vor, dass die EU eine koordinierte politische Offensive gegenüber dem globalen Süden starten sollte, da die transatlantische Gemeinschaft heute weltweit isoliert sei.

Die Teilnehmer des vierten Gipfeltreffens der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG), das am 18. Juli auf Schloss Blenheim in der Nähe von Oxford im Vereinigten Königreich stattfindet, haben auch die Schaffung einer autonomeren europäischen Politik erörtert.

Der 2022 vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron gegründete EPC ist ein zwischenstaatliches Forum zur Förderung des strategischen Dialogs über die Zukunft Europas. „Die Essenz unseres Konzepts, das sich von dem offiziellen Konzept unterscheidet, ist, dass die Europäische Union nicht die Außenpolitik der amerikanischen Demokraten kopieren sollte, sondern einen eigenen europäischen Ansatz im Geiste der strategischen Autonomie haben sollte – und dafür treten wir hier ständig ein“, sagte Orbán am 18. Juli.

Orbán ging nicht auf die öffentliche Schelte ein, die die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, in ihrer Rede vor dem EU-Parlament über seine selbsternannte Friedensmission aussprach.

Von der Leyen bezeichnete Orbán in ihrer Rede vor den EU-Abgeordneten als „Beschwichtiger“. Orbán behauptete jedoch, er mache Fortschritte. „Es ist nicht einfach, wenn es Gegenwind gibt, aber bis jetzt haben wir alle Schritte wie geplant unternommen“, sagte er.

Als die Nachricht von Orbáns Reise die Runde machte, betonten die EU-Staats- und Regierungschefs schnell, dass der ungarische Premierminister kein rechtliches Mandat habe, im Namen der EU mit Russland zu verhandeln. Die EU stehe voll und ganz auf der Seite der Ukraine, bekräftigten die Staats- und Regierungschefs der EU. Später beschlossen die Europäische Kommission und einige Mitgliedstaaten, den Rest der sechsmonatigen ungarischen EU-Ratspräsidentschaft zu boykottieren.

Der ukrainische Präsident Volodmyr Zelensky sagte bei der EPC, dass „Europa durch gemeinsames Handeln geeint ist, was bedeutet, dass Putin seine primären Ziele verfehlt hat … Das ist unser Vorteil, aber es bleibt nur ein Vorteil, solange wir geeint sind.“ Er warnte davor, dass Putin versuchen könnte, an einzelne Mitgliedsstaaten heranzutreten, „um Sie zu verführen oder unter Druck zu setzen, um Sie zu erpressen, damit einer von Ihnen die anderen verrät“.

„Wenn jemand in Europa versucht, Probleme hinter unserem Rücken oder sogar auf Kosten anderer zu lösen, wenn jemand in die Hauptstadt des Krieges reisen will, um zu reden – und vielleicht etwas gegen unsere gemeinsamen Interessen oder auf Kosten der Ukraine oder anderer Länder verspricht – warum sollten wir eine solche Person in Betracht ziehen?“

„Die EU kann alle ihre Probleme auch ohne diese eine Person lösen.“ Zelensky sagte, Frieden könne erreicht werden, wenn auch durch kollektive Stärke und das Besiegen des Aggressors. Er verwies auf die Friedensgipfel, von denen der erste im Juni von der Schweiz organisiert wurde, und sagte, er bereite einen zweiten vor.

Bei diesen Gipfeltreffen drängte die Ukraine auf eine Friedensformel, die vorsieht, „den Ökozid in der Ukraine zu verhindern, die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen zu bestrafen, alle russischen Truppen aus dem ukrainischen Hoheitsgebiet abzuziehen, die territoriale Integrität der Ukraine wiederherzustellen und alle Kriegsgefangenen und Deportierten freizulassen. Die Vorschläge fordern auch die Gewährleistung der Energie- und Ernährungssicherheit sowie der nuklearen Sicherheit.


Dieser Beitrag ist zuerst bei Brussels Signal erschienen.

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Kommentare ( 65 )

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Baron Fred
3 Monate her

So sehr ich Orban ob seiner klaren Denkweise schätze. Da denkt er wohl an seine ungarischen Landsleute in der Ukraine. Was zu einer Fehleinschätzung führen könnte. Aber mit welchen der Lügner, Betrüger und Kriegstreiber von Minsk 1 und 2 sollte Moskau verhandeln? Da fehlt jedes Quäntchen Glaubwürdigkeit auf Seiten der NATO.
Der Krieg wird nur durch eine bedingungslose Kapitulation der Ukraine enden. Alles andere wäre höchstens eine Kriegspause um später noch mehr Opfer zu fordern.

DDRforever
3 Monate her

Immer wieder urkomisch. Die sowjetische Teilrepublik spielt Großmacht.

Kassandra
3 Monate her
Antworten an  DDRforever

Ja. Und der Westen spielt mit. Was der show um den noch im Oval Office sitzenden ähnelt, an dem sich auch die eu-Granden beteiligen. Wie sie dereinst auf Juncker und heute auf die Nachfolgerin nichts kommen lassen wollen und deren Machenschaften stützen und vor der Öffentlichkeit verbergen. Normal ist so was nicht! https://www.youtube.com/watch?v=1wPj9bbySDo
Und schauen Sie gut, wer alles mitmacht. Zumal man jetzt erneut u.a. vdL auch das Beinchen zu heben bereit ist, wiewohl beileibe nicht alles mit rechten Dingen zugeht.

gmccar
3 Monate her

Habe gerade gelesen, das der gestoppte Öltransport von der Ukraine nach Ungarn Siemens UK zuzuschreiben ist. Die verweigern die Zertifizierung der Leitung. Nach dem Motto , Ihr Fahrzeug hat keine Mängel aber wir stellen ihnen keine TÜV-Plakette aus.
Siemens UK hat doch bereits 2022 die Auslieferungen der reparierten Gaskompressoren nach RU sabotiert.
Das ist auf dem Mist der EU-Kommission, sprich Uschi gewachsen.
Dre…es Pack.

Last edited 3 Monate her by gmccar
Logiker
3 Monate her
Antworten an  gmccar

so ähnlich war’s doch mit der Siemens-Turbine für die NS-Pipeline, die in Kanada gewartet wurde und wegen der Sanktionen nicht ausgeführt werden durfte – angeblich.

Hinterfotzigkeit und Niederträchtigkeit in Europa hat einen Namen: vdL.

Mit Frauen in der Politik wird die Welt friedlicher.

Wer hat’s gesagt?
Eine berühmt-berüchtigte Frau.

Last edited 3 Monate her by Logiker
Ben Clirsek
3 Monate her

Danke Herr Orban, bleiben sie standhaft und lassen sie sich nicht von korrumpierten Politikerinnen in die Ecke drängen. Vielleicht wäre ein Beitritt zu den BRICS Staaten die wirtschaftlich langfristig bessere Lösung, als eine EU im Niedergang.

Memphrite
3 Monate her

Der NATO-RUS Krieg, allgemeinsprachlich als „Ukrainekrieg“ bezeichnet, wird genau jetzt militärisch entschieden. Die russische Armee rückt an allen Frontabschnitten vor. Zwar langsam und methodisch aber das ist nun mal das Charakteristikum dieses Kriegs. Den unter all der weltraum-, luft- und bodengestützte Aufklärung und den ganzen damit verbundenen Drohnen und Raketen(Artillerie)waffen ist ein schnelles Vorrücken wie im WW2 schlicht unmöglich. Werden irgendwo Truppen zusammengezogen, stellen diese ein Ziel das und werden eliminiert. Und die Russen versuchen Ihre Soldaten so gut wie möglich zu schützen. Russland hat außerdem die totale Lufthoheit und bombardiert die ukr. Truppen unter anderen mit der gefürchteten 3.000… Mehr

Tacitus
3 Monate her

Wieso ist ein demokratisch gewähltes Oberhaupt eines Landes der EU, der sich um Frieden bemüht und auf Verhandlungen setzt, quasi ein Sonderling oder sogar ein Gegner?
Ich verstehe die Welt nicht mehr!
Aber ich habe ja keine Ahnung! Ich habe nur: alle Kontinente besucht, habe ein tolles weltweites Netzwerk, liebe die kulturelle Vielfalt, habe eine sehr gute Ausbildung, habe ein paar wertvolle Kinder großgezogen und bin maximal inklusiv aufgewachsen.
Aber ich habe ja keine Ahnung! Oder?

Michaelis
3 Monate her
Antworten an  Tacitus

Die anständigen und gebildeten Menschen sollen durch Dreckspropaganda verunsichert werden. Da darf man sich nicht weichkochen lassen!!!

M.Friedland
3 Monate her

„Es ist eine allgemeine Beobachtung, dass die Intensität des militärischen Konflikts in naher Zukunft radikal eskalieren wird“ – ich hoffe, daß Herr Orban dies nicht so gesagt hat.
Es ist nicht möglich, die Zukunft zu beobachten – weder hierbei noch beim „Klima“. Um beobachtet werden zu können, muß die Zukunft zur Gegenwart geworden sein.

Kassandra
3 Monate her
Antworten an  M.Friedland

Ja. Hört sich so gar nicht nach Viktor Orbán an. Ist es nicht schlimm, dass man inzwischen wirklich alles, was man liest, infrage stellen und, will man es wirklich wissen, das Original selbst finden muss? https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/orbans-geheimer-bericht-vom-putin-besuch-an-charles-michel/ Dort lautet es so: „Des weiteren heißt es in dem angeblichen Brief, Russland sei „bereit zu einem Meinungsaustausch” über den gemeinsam von China und Brasilien vorgelegten Friedensvorschlag, in dem zwar von Friedensverhandlungen die Rede ist, nicht aber von einer territorialen Integrität der Ukraine. Nach dieser inhaltlichen Zusammenfassung des Gesprächs fügt Orbán eine Analyse der Lage an und drängt auf eine möglichst baldige europäische Friedensinitiative.… Mehr

hoho
3 Monate her

Hätte man nur ein Referendum über Staatszugehörigkeit am Ende der SU gemacht, das ganze konnte man komplett vermeiden. Oder auch nicht. Wenn die Nachrichten stimmen, dann ist eine nächste Farbenrevolution in Georgien und in Armenien fast da. Alles im Sinne der Demokratie und Menschenrechte, das versteht sich von selbst, nicht wahr?

Haba Orwell
3 Monate her
Antworten an  hoho

> Wenn die Nachrichten stimmen, dann ist eine nächste Farbenrevolution in Georgien und in Armenien fast da.

Könnte wer Trump und Vance rechtzeitig fragen, was die über diese drohende Farbrevolutionen meinen? Nach dem Ausstieg aus dem Ukrostan-Debakel können die noch keine weitere (ganz ähnliche) wünschen?

bkkopp
3 Monate her

Richtig ist, dass der Ukraine Krieg nicht simpel “ auf dem Schlachtfeld “ entschieden wird. Es wird keinen totalen Sieg/Niederlage der einen oder der anderen Seite geben. Auf dem Schlachtfeld wird aber entschieden, wann beide Parteien einen bedingungslosen Waffenstilland erklären, und Gespräche beginnen. Russland wird so lange Krieg führen, solange sie dazugewinnen können. Sobald sie ausreichend in militärischer Bedrängnis wären um zu fürchten, dass sie auch nur in Teilen verlieren was sie schon haben. Die Ukrainer werden kämpfen solange sie personell und materiell können. Es ist völlig unglaubwürdig, dass Trump einen “ detaillierten und fundierten “ Plan hätte. Dies schließt… Mehr

pcn
3 Monate her
Antworten an  bkkopp

Zunächst mal festhalten: Geschwätz von Orban war sein Bericht der Friedensmission nicht. Orban hat das nachgeholt, was diese irrsinnig an der Wirklichkeit scheiternde EU versäumt hat. Denn, die Wirklichkeit ist die, dass Russland den Krieg notfalls Jahre weiterführen wird, solange, bis die EU, hier Deutschland, nicht nur pleite ist, sondern bankrott und kaum mehr regierungsfähig ist. Zum anderen steht nicht nur für Orban fest, dass der Krieg außer Kontrolle gerät, wenn er noch auf unabsehbare Zeit andauert und sich über ganz Europa mit unabsehbaren Folgen ausbreitet. Zum anderen wird eine Kamala Harris, die wahrscheinlich Biden ersetzt, kaum die USA für… Mehr

Haba Orwell
3 Monate her
Antworten an  pcn

> Denn, die Wirklichkeit ist die, dass Russland den Krieg notfalls Jahre weiterführen wird, solange, bis die EU, hier Deutschland, nicht nur pleite ist, sondern bankrott und kaum mehr regierungsfähig ist. Im Schnitt etwa 2000 Ukros pro Tag macht etwa 700 Tsd. jährlich – bei derzeit etwa nur noch (stark schwankende Schätzungen) 15-25 Millionen Einwohnern im Ukrostan kann das nicht viele Jahre gehen. Darauf werden blökende Michels getrieben, um den Russen Kampfdrohnen zu verbrauchen? Kürzlich las ich auf UncutNews einen Artikel, laut dem die Chinesen automatisierte Fabriken haben, die 1000 Mittelstrecken-Raketen pro Tag (!) herstellen können – die mussten die… Mehr

Last edited 3 Monate her by Haba Orwell
Cubus
3 Monate her

Kant ist back! Überhaupt, lest doch mal „Vom Ewigen Frieden“, lest die UN-Charta, die ist nämlich davon abgeleitet. Aber das weiß eine Anna-Lena, eine Ricarda, ein Habeck gar nicht, für sie gilt die „Regalbasierte Weltordnung“, eingeführt nach dem völkerrechtswidrigen Angriff auf Belgrad. Wir sind nicht die Guten! Lest euern Kant! Orban hat‘s gemacht. Die Falken, die Neocons, die Bellizisten, wir müssen sie in die Schranken weisen. Jeder ist gefragt, Du must es machen, sag Nein, geh auf die Straße, informiere andere .. sei nicht dumm, feige und faul (Kant).