Die EU will auch in Südamerika mitmischen: Venezuela hat zurzeit zwei Präsidenten. Beide mit eher wackliger Legitimation. Blick auf das Chaos im sozialistisches Land - und was Brüssel und Heiko Maas so anrichten.
Präsident Maduro und der Chavismus, oder der sogenannte bolivarische Sozialismus des 21. Jahrhunderts, haben Venezuela ins Elend gewirtschaftet. Obwohl das Land auf dem grössten Ölsee der Welt sitzt, ist es bis über beide Ohren verschuldet, kann Kredite nicht mehr bedienen, hat kein Geld für Importe von Lebenswichtigem wie Nahrung oder Medikamente. Über Jahre hinweg bedienten sich Mitglieder der Führungsschicht um Maduro und in der Armee in einer Art, die selbst im korrupten Lateinamerika neue Rekorde aufstellte. Es geht um Milliarden Dollar, Multimilliarden, die in den Taschen korrupter Führer verschwanden.
Im Mai letzten Jahres wurde Maduro erneut zum Präsidenten Venezuelas gewählt. Die zerstrittene Opposition forderte zum Wahlboykott auf. Die Legitimität dieser Wahl wird vor allem dadurch in Frage gestellt, dass bei den Parlamentswahlen von 2015 Maduro die Mehrheit im Senat verlor. Statt sich in einer Kohabitation, wie sie auch schon in Frankreich praktiziert wurde, zu arrangieren, liess Maduro durch das regierungshörig gemachte Verfassungsgericht schlichtweg alle Gesetzesbeschlüsse des Parlaments für ungültig erklären.
Weil das ja auch kein Dauerzustand sein konnte, ersetzte Maduro daraufhin das Parlament durch eine «verfassungsgebende Versammlung». Per Dekret, und in offensichtlich manipulierten Wahlen besetzten Regierungsanhänger 538 Sitze von 545, die im Sozialismus üblichen 99 Prozent. Diese Versammlung entzog daraufhin dem gewählten Parlament faktisch alle Befugnisse, schmiss es aus dem Parlamentsgebäude und verlangte Unterwerfung, die nicht erfolgte.
Seit August 2017 existiert dieser absurde Zustand, während das Land weiter in den Abgrund schlitterte; unmässige Bereicherung auf der anderen Seite, Hunger, unbehandelte Krankheiten und Massenflucht auf der anderen Seite. Allerdings, und das könnte sich als sein entscheidender Fehler erweisen, löste Maduro das Parlament nie auf und jagte auch die Parlamentarier nicht zum Teufel. Offensichtlich hatte Maduro nicht erwartet, dass kurz nach seiner offiziellen Amtseinführung als Dauerpräsident im Januar dieses Jahres eine überraschende Gegenreaktion erfolgte. Offensichtlich fühlte sich Maduro zu sicher, da viele Oppositionelle im Knast sitzen, die Möglichkeiten, sich Öffentlichkeit zu verschaffen, eher gering sind, ein kubanisch trainierter Überwachungsapparat herrscht und die Opposition traditionell zerstritten ist. Zudem befördert es nicht gerade aufmüpfige Aktionen, wenn die grosse Mehrheit der Bevölkerung in langen Schlangen anstehen, zu Hause darauf warten, dass alle drei Tage mal die Wasserversorgung in Caracas eingeschaltet wird oder die erratische Stromzufuhr ausnützen muss.
Aber wie ein Phönix aus der Asche erschien da Juan Guaidó, der neu gewählte Parlamentspräsident. In einer eher kühnen Interpretation der venezolanischen Verfassung erklärte er Maduro zum illegalen Präsidenten, daher sei dieses Amt nicht besetzt, daher sehe die Verfassung für diesen Fall vor, dass der Parlamentspräsident einspringt, was er hiermit tue. Offensichtlich war diese Aktion zumindest mit den USA koordiniert; denn nur Minuten später twitterte Donald Trump bereits, dass er Guaidó als legitimen Präsidenten anerkenne. Dem folgten viele lateinamerikanische Staaten, mit der Ausnahme von Mexiko, Nikaragua, Bolivien und Kuba. Während Venezuelas wichtigste Verbündete, China und Russland, Maduro ihre Unterstützung zusagten.
Während offensichtlich innerhalb und ausserhalb Venezuelas vom jugendlichen und mutigen Auftritt Guaidós beeindruckt sind, weiss man nicht viel über seine politischen Überzeugungen oder Prinzipien. Der 35-Jährige ist Mitglied der Partei Voluntad Popular, die erst 2009 als Oppositionsbewegung zu Chávez gegründet wurde. Ihr Parteichef, Lepoldo López, sitzt seit 2016 eine 13-jährige Gefängnisstrafe ab; wegen «Anstiftung zu Gewalt und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung». Voluntad Popular ist seit 2014 Mitglied der Sozialistischen Internationale.
Alles in allem eine gefährliche Gemengelage. Inzwischen haben die USA Maduro an seinem empfindlichsten Körperteil gepackt: seinem Portemonnaie. Denn die USA – was alle Verschwörungstheorien, dass die Misere in Venezuela das Ergebnis einer imperialistischen Politik aus dem Norden sei, ins Reich der Fantasie verweist – sind der wichtigste Abnehmer für das einzige Exportprodukt Venezuelas, Erdöl. Das wollen sie auch weiterhin kaufen, aber die Bezahlung auf Sperrkonten umleiten, auf die Maduro nicht, Guaidó hingegen schon Zugriff hat. Die Frage ist, wie schnell das der Herrschaft Maduros den finanziellen Boden unter den Füssen wegzieht. Noch entscheidender ist, auf welche Seite sich das Militär schlägt. Guaidó umgarnt es geschickt mit einem umfassenden Amnestie-Angebot, Maduro zeigt sich markig an der Seite führender Militärs, die ihm ewige Treue schwören. Es ist in Lateinamerika geradezu Praxis, dass das Militär immer wieder putscht; nicht allzu selten von den USA unterstützt. Aber: Es putscht, um selber die Macht zu übernehmen. Noch niemals hat das Militär zwischen zwei Präsidenten die Fronten gewechselt.
Angesichts dieser komplizierten Situation gibt es intelligente und dumme Reaktionen, und dann gibt es die EU. Zunächst preschen einzelne Staaten vor, darunter natürlich auch Deutschland. Und verlangen von Maduro die Ankündigung von Neuwahlen, innerhalb von acht Tagen. Sonst würde Guaidó als legitimer Interims-Präsident anerkannt. Eine zumindest befremdliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates. Begründet wurde es damit, dass Maduro nicht über eine demokratische Legitimation als Präsident verfüge. Interessant, man wartet gespannt, bis die gleichen Länder ein ähnliches Ultimatum an China oder Russland stellen. Oder an Saudi-Arabien.
Aber es wäre nicht die EU, wenn sie das nicht noch schlimmer könnte. Das Europaparlament, also die Versammlung von Eunuchen, die nicht einmal Gesetze auf den Weg bringen können oder die Legislative wählen, will offensichtlich ein Zeichen setzen und anerkennt Guaidó bereits vor Ablauf des Ultimatums als Präsidenten Venezuelas. 439 Spesenritter, Pardon, Parlamentarier votierten dafür, 104 dagegen, und 88 konnten sich nicht entscheiden. Damit führt die EU mal wieder die übliche Kakophonie auf. Mehrere EU-Staaten wie Deutschland, Spanien, Frankreich stellen mal ein Ultimatum. Andere Saaten wie Griechenland, sozusagen ein gebranntes Kind, sind dagegen.
Abgesehen davon, dass Maduro nun nicht nur behaupten kann, dass Guaidó ein bezahlter Büttel im Dienst des Yanqui-Imperialismus sei, sondern dass die USA-hörige Kern-EU eilfertig den Imperialisten zur Seite eilt, hat sich die EU damit jede Chance verstolpert, allenfalls vermittelnd eingreifen zu können. Mexiko hat das viel intelligenter gemacht. Es nimmt vorläufig keine Stellung, sondern bietet seine Dienste als Vermittler an. Denn die Situation in Venezuela kann jederzeit explodieren. Den USA wäre ein Blutbad eher egal, die EU hat sich ins Abseits manövriert. Bleibt also die Frage, ob Maduro und seine Entourage das in Kauf nehmen wollen und ob das Militär zu Diensten wäre. Und was China und Russland bereit sind, zu unternehmen, um ihre Milliardenkredite an Venezuela zu schützen.
Also sind alle wichtigen Player der Welt im Spiel. Ausser der EU, die einmal mehr zeigt, dass sie nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch dysfunktional ist. Oder weniger höflich ausgedrückt: ein unfähiger Haufen, wankend und schwankend wie ihr oberster Repräsentant.
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Hallo, ich will ja nicht kleinlich sein, aber sprachliche Exaktheit ist doch auch wichtig …
Nach meiner Kenntnis gehört „entscheidend zu den „nicht steigerbaren Adjektiven“. Statt im Satz „Noch entscheidender …“ zu schreiben, sollte daher etwa „Noch wichtiger …“ o. ä. formuliert werden.
Herzlichen Gruss und „Nichts für ungut“ (- wie in meiner Heimat gesagt wird)
Rechthaberei ist schön, Recht haben ist schöner. Natürlich lässt sich «entscheidend» steigern.
https://www.verbformen.de/deklination/adjektive/entscheidend.htm
Einverstanden, dass sprachliche Exaktheit wichtig ist; der Inhalt ist aber, will man nicht kleinlich sein, auch nicht ganz unwichtig.
Ebenfalls herzlichen Gruss
Da gebe ich mich natürlich geschlagen – mit einem Beleg im Internet ;-/.
Für meine Kritikermeinung hatte ich auch im Netz Unterstützung gesucht, und fand:
„(…) Einige weitere nicht steigerbare Adjektive sind:
falsch
unnahbar
lauwarm
leer
optimal
minimal
schwanger
fertig
entscheidend“.
„Entscheidend“ scheint mir vom Sinn her mit „Noch entscheidender“ nach wie vor nicht steigerbar zu sein. Aber o.k.: Sie haben gewonnen.
Danke vielmals für diese Einschätzung und die im Text auch genannten Fakten zur Lage in Venezuela. Ich hatte gestern schon hier einen Kommentar geschrieben, der im Grunde einen ähnlichen Tenor hatte, und ganz klar geht es hier ganz wesentlich um geopolitische Interessen der Großmächte. Und vor allem geht es wieder einmal um knallharte Wirtschaftsinteressen. Einzig ihr Hinweis auf die Wahlen in Russland ist aus meiner Sicht zu kritisieren. Ich bin seit Jahren öfter da und reden Sie mit einem x-beliebigen Russen: sie werden dann nicht an der Aussagekraft der letzten Wahlen zweifeln. Die Gleichstellung der russischen Wahlen mit denen Saudi-Arabiens… Mehr
Besten Dank für Ihren Kommentar. Damit haben Sie mir die Schreibarbeit erspart.
Als ich den Beitrag las, schloß ich innerlich mit mir eine Wette ab, daß das Leserforum wieder zum Tummelplatz „deutsch-russischer“ Putin-Follower würde, erneut wurde ich nicht enttäuscht. Ich habe diese slawisierten Rückeinwanderer aus den Turk-Sowjetrepubliken nie wirklich gemocht noch verstanden, warum man ihnen damals deutsche Pässe andiente, allein wenn ich sie, selbstverständlich russischsprechend, als junge Frauen mit Kinderwagen und Tagesfreizeit in der U-Bahn erlebe, da sind selbst die dunkelgetönten Töchter ostafrikansicher Zuwanderer „deutscher“. Deutscher Nachname als Rechtfertigung für Einwanderung zählt nicht, den könnte auch Donald Trump und vor ihm schon Ike Eisenhower geltend machen. Andererseits schweife ich jetzt ab, es… Mehr
Nun, dieser langfädige Kommentar ist tatsächlich niveaulos. Lesen, verstehen, kommentieren. Ist nicht schwierig, kann aber nicht jeder. Im Artikel steht, dass Maduro die USA als Imperialisten bezeichnet. Zudem ist es sicher Ausdruck einer sehr isolationistischen Politik, dass laut US-Regierung «alle Optionen auf dem Tisch liegen», inklusive militärischer Intervention.
Herr Zeyer, ein seriöser Journalist sollte in seinem Beitrag weder mit „Eunuchen“ noch im umgangssprachlich-flapsigen Stil daherkommen. Sie mögen hier anderer Auffassung sein. Begibt man sich auf diesen Pfad, darf man über entsprechenden Reaktionen nicht empört sein. Angreifen wollte ich Sie nicht, aber meine Antipathie gegenüber Putin-Trollen sitzt tief und altlinken Antiamerikanismus erkenne ich, wenn ich ihn sehe, damit ist meine Generation aufgewachsen. Ihre Ansicht, daß Guaidò Teil einer Verschwörung sei, oder sein Auftauchen von der USA gesteuert sei (das insuiniert Ihr Text) ist nicht belegbar. In einem Land, daß schon seit Jahrzehnten keine echte Demokratie mehr kennt (die gab… Mehr
Inhaltlich haben Sie zu meinem Kommentar nix zu sagen, außer „Putin-Follower“. Damit sind Sie exakt auf dem Niveau der Linksgrünen, denen auch nur noch das Verächtlichmachen, d.h. der Angriff auf die Person, statt die Auseinandersetzung mit Argumenten, bleibt. Und übrigens bin ich kein Aussiedler, sondern ein schon immer hier Lebender, falls das von Belang für Sie ist. Was Sie allerdings über die Aussiedler hier schreiben, ist extrem bösartig und zeigt, wessen Geistes Kind Sie sind. Viele dieser Aussiedler wollten als Deutsche unter Deutschen leben und haben sich nach – zugegeben – anfänglichen Schwierigkeiten meistens bestens integriert und tragen zum Funktionieren… Mehr
Die Regime-Changes seit ´45 unter der freundlichen Leitung der Sowjetunion können sie interessanterweise ganz geschmeidig ausblenden! Ist das nur Zufall oder einfach systematische Trollerei???
„… der EU, die einmal mehr zeigt, dass sie nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch dysfunktional ist. Oder weniger höflich ausgedrückt: ein unfähiger Haufen, wankend und schwankend wie ihr oberster Repräsentant.„
DARAUF EINEN DUJARDIN !
Dujardin vom Doc verordnet? ich trinke bis zum Ischias – Prost?
Die EU und ihre Spitzenpolitiker zeigen einmal mehr, wie überflüssig sie für den Bestand und Fortgang der Weltgeschichte sind. Ihre Aktionen haben auf das Weltgeschehen die gleiche Bedeutung wie der Straßenköter, der den Mond anbellt.
Maduro ist, soweit ich das verstehe, ein Monster, das sich nicht nur hemmunglos bereichert, sondern auch seine eigene Bevölkerung mit Hilfe bewaffneter, jederzeit tötungsbereiter Milizen in Schach hält. Insofern plädiere ich dafür, dass man mit diesem Mann kein einziges Wort redet, sondern ihn mit seiner Entourage vor ein internationales Gericht bringt. Derartige Machenschaften können m.E. niemals als „innere Angelegenheit“ eines Landes angesehen werden – dass sollte wir Deutschen gelernt haben. Die Tatsache, dass sich unsere hochdemokratische Regierungselite so schnell auf die Seite von Guaidó schlägt, lässt mich allerdings dennoch Schlimmes fürchten. Die einzige mir plausible Erklärung ist, dass Maduro derart… Mehr
„ein Monster…“
Sagen Sie einfach „SOZIALIST“ – dann paßt‘s!
„der weniger höflich ausgedrückt: ein unfähiger Haufen, wankend und schwankend wie ihr oberster Repräsentant.“
Schonclod ist schon ein passendes Aushängeschild für dies „Kompetenzfestung“ EU.
Wenn es um Geld geht, dann sind die Menschen Affen geblieben. Denn es ist kaum zu fassen, wie masslos und gierig man sich die eigenen Taschen vollstopft, obwohl man nur hinter einem Boot Wasserski fahren kann. Aus dem Grunde sollte man Vermögen auf eine Million Dollar begrenzen, was für 95% der Menschheit schon schwer zu erreichen wäre. Die 5% „Erfolgreichen“ müssen dann mal etwas kürzer treten, oder sich in Therapie begeben, um ihre Sucht in den Griff zu bekommen.
und genau an der Stelle beginnt der Sozialismus!
Wenn ich Ihnen recht gebe, dann liegen wir beide falsch.
Würde man Vermögen auf eine Million Dollar begrenzen, würde ich augenblicklich jegliche weitere (und überflüssige) Arbeit einstellen. Dann guckt mal, wo ihr bleibt!
Das ist doch in Ordnung! Dann gönnst du dir ´ne Auszeit, haust mal neunhunderttausend auf den Kopf, stimmulierst die Wirtschaft, oder du arbeitest weiter, und bezahlst deine Leute ordentlich.
Die EU, bzw. der Teil den man „Deutschland-EU“ nennen sollte, mimt wieder einen auf großer Ansager und Möchtegern Ordner der Weltpolitik – natürlich ohne irgendein politisches Gewicht zu haben. Billig Imponiergehabe.
Erst einmal, ja, grob betrachtet haben Sie Recht. Aber, dass nicht alle EU-Staaten die gleiche Meinung vertreten und es dann trotzdem einen Mehrheitsbeschluss gibt nennt man eigentlich Demokratie – und das ist deshalb auch ok. Auch in der Schweiz sind nicht alle immer einer Meinung und der Mehrheitsbeschluss gilt dann. Mexico kann kein Interesse an noch mehr Flüchtlingen aus Venezuela haben, also setzt das Land auf Vermittlung. Zum Artikel selbst – das können Sie doch besser, oder? Stilistisch – 2 Sätze hintereinander, die mit Während beginnen. „Während offensichtlich innerhalb und ausserhalb Venezuelas vom jugendlichen und mutigen Auftritt Guaidós beeindruckt sind“… Mehr