Sie sind Familienvater oder Mutter? Ihre Ehe ist leider gescheitert? Es gab einen unschönen Rosenkrieg und Sie haben nur noch das Umgangsrecht für Ihre eigenen Kinder? Dann streichen Sie um Gotteswillen das Thema Politik aus Ihrem Leben.
Sie sind Familienvater oder Mutter? Ihre Ehe ist leider gescheitert? Es gab einen unschönen Rosenkrieg und Sie haben nur noch das Umgangsrecht für Ihre eigenen Kinder? Sie freuen sich aber auf jedes zweite Wochenende, das Sie noch zusammen verbringen dürfen?
Wenn Sie wollen, dass wenigstens das in Zukunft so bleibt, meiden Sie politische Äußerungen. Gehen Sie auf keine Demonstration mehr – ganz gleich, auf welcher politischen Seite Sie stehen. Vermeiden Sie Zeitungen und Internetseiten, die einen anderen Kurs als den der aktuellen GroKo-Regierung verfolgen. Meiden Sie auf jeden Fall die sozialen Medien. Kommentieren Sie nichts, teilen Sie nichts. Lesen oder abonnieren Sie am besten überhaupt keine Zeitschriften mehr. Da Sie heute noch nicht wissen können, welche Publikation morgen unter Generalverdacht steht, ist potentiell jedes Blatt für Sie gefährlich und könnte zum Bumerang werden.
Am besten, Sie äußern sich überhaupt nicht mehr politisch, aber schon gar nicht zu Hause, wenn Ihre Kinder zu Besuch sind. Werden Sie unpolitischer Mensch – dem Umgangsrecht mit Ihren Kindern geschuldet. Denn wenn Sie Pech haben und Ihr(e) Ex-Partner(-in) Ihnen übel mitspielen will, dann könnte er/sie nunmehr ein Instrumentarium nutzen, das Sie ohne viel Fehlerlesen zu einem „fremdenfeindlich agierenden Ex-Partner“ macht.
Sie finden das nun doch zu dramatisch und meinen, wir lebten ja nicht in einer Diktatur? Dann lesen Sie, was das Magazin der Deutschen Anwaltsauskunft in einem Artikel bereits 2015 ihren Anwälten zur Neukundenaquise empfahl. Die Redaktion des Magazins hat ihn in aktuellem Zusammenhang wieder in den sozialen Medien zur Diskussion gestellt.
Anwälte-Marketing
Wer ist nun dieser Deutsche Anwaltverein? Nach Selbstauskunft „die Interessenvertretung der Deutschen Anwaltschaft. Rund 66.000 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind über die örtlichen Anwaltvereine dem DAV angeschlossen.“
Im Fokus des Online-Magazins stehen u.a. „Besorgte Bürger“. Dort empfiehlt man Eltern unter der Überschrift „Rassismus und Kindererziehung: Droht Verlust des Umgangsrechtes?“ die politische Einstellung ihrer Partner unter die Lupe zu nehmen und bei vermuteten Verstößen einen Anwalt einzuschalten – na klar: zum Wohle des Kindes.
Unter dem Kürzel „vhe“ schreibt hier die PR-Projektmanagerin des Deutschen Anwaltverein, Valerie Herberg, Folgendes:
„Die Diskussion um Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen fördert einige angenehme, aber auch schockierende Seiten der Deutschen zutage: Immer mehr Menschen äußern sich öffentlich „besorgt“ bis offen fremdenfeindlich oder demonstrieren gar gegen Flüchtlingsheime. Das kann diese Menschen nicht nur Facebook- und echte Freundschaften, sondern auch ihren Job kosten. Kann es sich auch auf das Umgangs- und Sorgerecht für ihr Kind auswirken? Das dürfte vor allem Mütter und Väter interessieren, die ihr Kind gemeinsamen mit einem fremdenfeindlich agierenden Ex-Partner erziehen – und sich sorgen, dass das Kind durch ihn oder sie in falsche Kreise gerät beziehungsweise die falschen Werte vermittelt werden.“
Was passiert hier? Werden hier gerade Jobs der Zukunft für die deutsche Anwaltschaft organisiert, indem man eine Art interfamiliäres Denunziantentum heraufbeschwört und installiert, indem man Elternteile gezielt aufeinander hetzt, sie zur gegenseitigen Denunziation unter dem Denkmantel des Kindeswohls anhält? Bei Hitler, Stalin und in der DDR waren auch alle angehalten, ihre Nachbarn, Eltern, Verwandten, Bekannten und Arbeitskollegen zu denunzieren. Was auch aus höchst selbstsüchtigen Motiven oft getan wurde.
Immerhin weiß Frau Becker zu differenzieren: Das Kindswohl wäre noch nicht tangiert, wenn man sagt, dass es einem lieber „wäre, wenn in seiner Nachbarschaft keine syrischen Flüchtlinge wohnen“, aber „(ä)ußert ein Vater oder eine Mutter (…) vor dem Kind, dass man alle Flüchtlinge am besten umbringen würde, überschreitet er damit deutlich die kritische Grenze.“
Da könnte man zwischen fragen, wer das und wo jemals gesagt hätte. Selbst in den üblen, den anonymen Schmutzräumen der sozialen Medien müsste Ottonormalverbraucher nach so einer Aussage lange suchen.
Egal, denn im Intro schrieb Valerie Herberg ja sowieso etwas anderes: es würde danach bereits den Job kosten, wenn man gegen Flüchtlingsheime demonstriert oder sich über die Flüchtlinge „öffentlich besorgt bis offen fremdenfeindlich“ äußern würde. Ja, wo ist denn nun die Schmerzgrenze überschritten?
Aber das alles ist irrelevant, weiß die PR-Projektmanagerin weiter: „Bei umgangsrechtlichen Fragen ist es auch erst einmal unerheblich, ob der Elternteil sich mit seinen Äußerungen oder Handlungen strafbar macht.“ Es gibt da wohl einen richterlichen Ermessensspielraum.
Da man nun besagten Artikel im aktuellen Meinungsstreit aus dem Vergessen gerissen hat, offenbart sich die Stoßrichtung des deutschen Anwaltvereins von alleine. Aber es gibt Hoffnung, AfD-Sympathisanten bekommen Bewährung: „Ist das Kindeswohl gefährdet, wird das Umgangsrecht meist zunächst einmal eingeschränkt. Auch ein begleiteter Umgang ist möglich.“ Da wird einem dann eine Erzieherin zur Seite gestellt, die „bei Bedarf einschreiten kann“, also dann, wenn der Vati dem dreijährigen Sohn beispielsweise erklärt: „Die AfD ist super!“ Aber selbst dann ist noch nicht alles verloren: „Möglich ist auch, bestimmte Handlungen, Äußerungen oder Treffen im Beisein des Kindes zu verbieten.“
Und dann die Frage aller Fragen, die sich alle Eltern stellen, denen der/die Ex-PartnerIn längst ein Dorn im Auge ist: „Angenommen man vermutet, dass der Ex-Partner dem Kind Werte vermittelt, die es schädigen können – wie sollte man das belegen?“ Tipp der hinzugezogenen Anwältin Becker:
„Das Internet im Allgemeinen und soziale Netzwerke im Besonderen können dabei ausgezeichnete Dienste leisten. Wer sich über die Gesinnung eines Ex-Partners Gedanken macht, könnte in seinen Kommentaren bestätigt finden, was er vermutet hat.“ Man soll dann bitte „von den entsprechenden Seiten Screenshots“ machen oder die Seiten ausdrucken. „Falls es zum Prozess komme, könnten solche Belege hilfreich sein.“
Übrigens ein weites Feld, wenn man an die Vermittlung von Werten denkt. Wenn über 40 Prozent der Alleinerziehenden bereits auf Hartz4 angewiesen sind und Armut und psychische Ausfälle hier zum Alltag gehören, dann scheint die Vermittlung – oder sogar das Vorhandensein – von Wertesystemen leider zum grundsätzlichen Problem geworden zu sein.
Anwälte-Lobbyistin: gar nicht erst zum Jugendamt, sondern gleich zum Anwalt
Aber es kommt noch „besser“: Anwältin Becker empfiehlt zwar noch, zunächst das Vier-Augen-Gespräch zwischen Vater und Mutter zu suchen, sich, wenn das misslingt, was in vielen Fällen elterlicher Streitigkeiten ums Sorgerecht durchaus zu vermuten ist, aber gar nicht erst an das Jugendamt zu wenden, „„Manchmal ist es sogar besser, das nicht zu tun.“ Wenn man mit einem Mitarbeiter des Jugendamtes schon früher Konflikte gehabt hätte, sei es wenig hilfreich, sich mit seinen Sorgen an ihn oder sie zu wenden.“ Man solle sich dann gleich anwaltlich beraten lassen. Ein Rechtsanwalt beziehungsweise eine Rechtsanwältin kann einem dann sagen, wie man sich im konkreten Fall am besten verhalten und welche Belege man dafür braucht. Also welche Screens und Ausdrucke am besten geeignet sind, den richterlichen Ermessensspielraum gegen den AfD-Sympathisanten oder gegen wen auch immer anzuwenden.
Frau Herberg vom Deutsche Anwaltsverein versendet ihre E-Mails an den Autor hier mit Hinweis auf eine Stiftung des Deutschen Anwaltvereins: „Contra Rechtsextremismus“ und dem dazugehörigen Claim: „Wir machen rechtsextremistischer Gewalt den Prozess. Mit Ihrer Hilfe.“
Der Tätigkeitsbericht der Stiftung für 2015 weist aus: „Seit ihrer Errichtung im Jahr 2001 hat die Stiftung in über 400 Fällen geholfen. Im Jahr 2015 sind neun neue Fälle an die Stiftung herangetragen worden und es wurden rund 13.500,- Euro für die Rechtsberatung und -vertretung bedürftiger Opfer politisch motivierter Gewalttaten ausgezahlt.“ Die durch Spenden und Benefizkonzerte beispielsweise im Dresdner Residenzschloss zusammengetragenen Mittel dürften damit noch lange nicht ausgeschöpft sein.
Dabei hat sich rechte Gewalt laut Aussage der Polizei in 2015 gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt. Bundesweit seien „921 einschlägige Delikte von Neonazis und anderen Rechten registriert“ worden. Wenn davon nur neun Opfer ihre Fälle an die Stiftung herangetragen haben, sind das weniger als ein Prozent. Es dürften also noch ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, nun auch den Kampf gegen elterlichen „Rechtsextremismus“ dann zu unterstützen, wenn es zum Rosenkrieg unter ideologischen Waffen um die Kinder kommt, dann, wenn ein Elternteil extremistisch und eines samt Kind(ern) Opfer dieses(-r) ExtremistIn ist. Eine anwaltliche Beratung wäre dann jedenfalls auch noch kostenfrei.
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