Er machte den indischen Guru Bhagwan Shree Rajneesh (später „Osho“) daheim bekannt. Sein Tagebuch aus dem indischen Ashram seines Meisters wurde zum Bestseller für Sinnsucher. Jörg Andrees Elten starb am 29. Januar 2017 kurz vor seinem 90. Geburtstag.
Er machte den indischen Guru Bhagwan Shree Rajneesh (später „Osho“) in Deutschland bekannt. Sein Tagebuch aus dem indischen Ashram seines Meisters wurde zum Bestseller für Sinnsucher. Tausende folgten ihm nach. Über Stationen in den USA landete er Jahrzehnte später wieder in Deutschland. Am 29. Januar 2017, kurz vor seinem 90. Geburtstag, ist Jörg Andrees Elten verstorben.
1956 veröffentlichte der Journalist Jörg Andrees Elten zusammen mit dem Fotografen Johann Albrecht Cropp den Reisebericht „In Allahs Hand. Eine abenteuerliche Orientreise im Auto.“ Darin finden sich Texte und Aufnahmen, wie herübergeweht aus einer anderen Zeit. Auf der Buchhülle führt ein Araber ein Kamel durchs Bild, im Hintergrund wartet ein Auto geduldig, bis beide vorbeigetrabt sind. Im Wagen sitzt wohl Elten selbst. Jedenfalls schaut da ein junger Mann vom Fahrersitz aus durch die Windschutzscheibe direkt in die Kamera. Damals war er 28 Jahre alt.
„Liebe Freunde, das Herz von Andrees / Satyananda hat am 29. Januar aufgehört zu schlagen…“ schreibt seine langjährige Partnerin Martina Kaltenbach auf der gemeinsamen Website ihres „Instituts für Kreativität und Meditation“.
Eltens Reisebegleiter wird im Juli 90 Jahre alt. Auch er blickt heute auf ein erfülltes Leben zurück. Ein Volkswagen Magazin schrieb 2004 über Cropp: „Der in jeder Hinsicht optimistische, risikobereite und überaus freiheitsliebende Johann Albrecht Cropp fotografierte bis 1995 für Volkswagen.“
Herr Cropp ist geistig topfit. Und er erinnert sich genau. „Der Andrees war immer sehr stolz auf seine Schreibe. Als wir in Pakistan mal einen Unfall hatten, der uns länger festhielt, bleib er ruhig und analysierend. Er war so ein Typ.“ Man spürt es beim Zuhören, dieses zielgerichtete Zurücktasten in die entfernte Vergangenheit. Und der Faden ist schneller aufgenommen, als es von einem fast 90-Jährigen zu erwarten wäre. Erstaunlich rasch holt er die Erinnerungen aus dem Nebel der Zeit. Die Dinge fügen sich.
„Vor eineinhalb Jahren etwa hatte sich Andrees noch einmal gemeldet“, erzählt er. „Er wollte ein Buch machen, brauchte dafür meine Unterlagen über die Reise. Ich habe ja immer alles genau notiert und abgeheftet. Das wusste er noch. Ich schickte ihm, was er wünschte in Kopie zu, aber dann passierte nichts mehr. Er hatte wohl schon wieder neue Projekte in Arbeit.“, erzählt Johann Albrecht Cropp mit so etwas, wie einem Schmunzeln in der Stimme. Besonders interessiert hätten Andrees die Aufzeichnungen zu diesen Wehrmachtspiloten, mit denen die beiden in Syrien sogar mal geflogen seien, die sie auch interviewt hätten. „Ausbilder waren das.“
Wir verabreden einen weiteren Termin, da sind ja noch so viele Dinge, die erzählt werden müssen. Das Auto auf dem Buchcover war übrigens ein Opel Admiral, erinnert er sich noch. Und es sei keineswegs sicher, dass das im Wagen Andrees gewesen ist, „wir hatten ja immer mal wieder syrische Fahrer.“
Männer auf Sinnsuche
Was waren bzw. sind das für Männer, die als risikobereit, optimistisch und freiheitsliebend beschrieben werden? Eine aussterbende Spezies? Bekannt wurde Jörg Andrees Elten in Deutschland mit „Ganz entspannt im Hier und Jetzt – Tagebuch über mein Leben mit Baghwan in Poona.“ Veröffentlicht hatte es der Autor unter dem Namen Swami Satyananda. Bhagwan selbst hatte ihn im den Namen gegeben, der übersetzt „Wahre Seeligkeit“ bedeutet.
Wir waren jung, wir gierten nach prickelnden Aha-Erlebnissen. Und wir waren ganz überzuckert vom Nachdenken über die Welt und noch viel mehr über uns in dieser Welt. Und da entdeckten wir das Tagebuch dieses damals schon 51-jährigen Journalisten der erster Klasse zu einem indischen Guru gereist war. Geplant war ein Artikel für den Stern über diesen spirituellen Ort, der so eine große Anziehungskraft für westliche Menschen hatte. Und dann blieb Elten einfach da und hängte sein bisheriges Leben mit allen materiellen Annehmlichkeiten einfach an den Nagel. Den Dienstwagen mit Stern vom Stern samt Posten, die schöne Wohnung vollgestopft mit diesem ganzen westdeutschen Wohlstandsinsignien – Markenzeichen der Eliten des Landes, zu denen er sich damals zweifellos zählen durfte.
Wir, das waren mein Bruder und ein paar Freunde, trugen dieses Buch wie eine Bibel mit uns herum. Und das, obwohl anzunehmen war, dass wir nicht einmal zur Zielgruppe des Aussteigers gehörten, der sich zu Füßen dieses indischen Meisters mit seinen 92 Rolls Royce geworfen hatten. Ein Scharlatan? Ach was. Diese 92 Luxuskarossen dienten einzig dazu, den Meister ein paar hundert Meter von seinem Steinblock, auf dem er angeblich schlief, hin zur „Großen Halle“ zu chauffieren, in der er Hof hielt vor Hundertschaften dieser von der Aura des Meisters elektrisierten Jünger.
Ein Anruf in einem der vielen Osho-Center in Köln bringt überraschend einen Kontakt zu Eltens Tochter Susanne. Sie war schon Mitte zwanzig, als der Vater ihr einen Brief aus Poona schickte: „Wenn Du Dir die größte spirituelle Kommune der Welt nicht anschaust, dann fehlt es Dir an intellektueller Neugier.“ Das hatte gesessen, erzählt sie. Und sogar ein Ticket hätte dem Brief beigelegen, „Ich bin über ihn zu Osho gekommen und das war schon das Beste, was er als Vater liefern konnte.“ Andrees Elten war dabei, als die Tochter Sannyas nahm, sich also zur spirituellen Suche bekannte, sich als äußeres Zeichen die Holz-Mala mit dem Bildnis des Meisters umhängte und den Sannyas-Namen Anand Avinasho („ewige Seeligkeit“) bekam.
Par Mail sendet Susanne Elten ein Schwarzweißfoto. Zu sehen ist darauf der Vater im modernen Tweedmantel mit Baskenmütze auf dem Kopf und dickrahmiger Brille, wie er gerade neugierig auf das Gesicht seiner Tochter schaut, welche da in einem Laken- und Tücherpaket vor Kälte geschützt liegt. Schon zwei Jahre später wird er die junge Familie verlassen. Susanne stammt aus erster Ehe.
Frauen ganz nackt
Swami Satyananda alias Jörg-Andrees Elten schrieb über seine Erlebnisse beim Guru. Er zweifelte, er hoffte, er glaubte, er haderte mit sich selbst, er meditierte und er liebte. Letzteres war natürlich für uns 15- und 16-Jährige besonders attraktiv. Die Frauen waren jung, aber erwachsen, sie trugen alle nur diese orangeroten Gewänder oder waren gleich ganz nackt. Die Hingabe dieser Mittelscheitelgeschöpfe nahmen wir persönlich. Und der Swami vom Stern, der als junger Bub noch Schüler einer nationalsozialistischenLehranstalt: Napola gewesen war, beschrieb es uns in allen warmherzigen Details:
„Irgendwann zogen sich alle aus, bildeten einen Kreis im Liegen, die Füße berührten sich in der Mitte. Atemübungen, bewusstes Zittern. Den Kopf hin und her schlagen, bis zur Erschöpfung. Der Verstand sollte Hausverbot bekommen. Später wurde das Licht ausgeschaltet. Die Nackten durften berühren, wen sie in der Dunkelheit ertasteten.“
Tausende junge Leute aus dem deutschsprachigen Raum folgten dem Tagebuchschreiber nach und ließen sich vom Meister persönlich die so genannte Mala umhängen, ein in Edelholz gefasstes Porträt Bhagwans. Uns war natürlich klar, dass unsere alleinerziehende Mutter eine solche Indienreise ins „Ich“ niemals erlauben würde.
Ausbüchsen wollten wir aber auch nicht. Also kleideten wir uns ersatzweise ebenfalls in orangerot und trugen die Holzperlenketten aus dem Braunschweiger Afghanladen dann eben ohne das Bildnis des Meisters. Ja, wir bastelten uns einen spirituellen Weg auf dem Swami-Satyananda-Pfad. So gewandet lernten wir in einer Teestube den damals 19-jährigen Herman Vieljans kennen, über den wir viel später im Stern lasen, er wäre Punker in New York und Sanyasin bei Bhagwan gewesen. Einer aus unserer Runde hatte es also doch noch geschafft.
Wir besorgten uns sogar die Musik, von der Andrees Elten in seinem Tagebuch erzählte. Musik, die er sich in seiner kargen Klause in diesem exotischen Ashram vom Tonband abgespielt hatte. Wir hörten stundenlang die Osterchöre Rachmaninovs, die ihn so tief in der Seele trafen und uns dann natürlich ebenso.
Die Saat geht auf
Irgendwann kehrten die ersten Jünger aus Poona zurück und die, die nicht an diesem Selbstfindungstrip zerbrachen, gründeten eigene Ashrams in Deutschland. Mit 18 Jahren war es dann endlich so weit, schwer verliebt fuhr ich mit einer um ein paar Jahre älteren Freundin nach Bremen in so ein Haus. Ich saß auf dem Sozius hinter dieser Mittelscheitelfrau, umklammerte ihre Motorradleder-verpackte Hüfte, während wir auf ihrer Yamaha XT 500 durch eine norddeutsche Novemberlandschaften knatterten.
Die Rotgewandten empfingen uns lachend, fast so, als hätte man schon auf uns gewartet. Wir schliefen und wir aßen dort. Früh am nächsten Morgen fand die dynamische Meditation statt, genauso, wie sie Andrees Elten beschrieben hatte. Ein Tanzen, ein Alles-heraus-schreien, ein Akt der Befreiung sollte es sein. Aber ich kniff feige, nur meine Eroberung nahm hinter den dann für mich fest verschlossenen Türen daran teil. Mit verbunden Augen und halbnackt, so erzählte sie anschließend begeistert, schlugen die Teilnehmer auf weiche Kissen ein und alles heraus, was sie bedrängte, einzwängte, was eben raus musste.
Ich war heilfroh, als wir endlich weiter an die Nordseeküste fuhren. Für nichts in der Welt, nicht einmal für den persönlichen Seelenfrieden, hätte ich diese Frau noch weiter teilen wollen mit diesen zwar ausgeflippten, aber doch so viel cooleren Bhagwan-Jüngern. Ja, es war egoistisch, ja, ich war wohl noch nicht bereit. Aber so endete mein Weg zum indischen Meister schon in Bremen.
Jörg Andrees Elten hat neben seinen wohl hunderten von Reportagen für den Stern ein paar Bücher mehr geschrieben, aber sein „Ganz entspannt im Hier und Jetzt“ wurde zum wichtigen Puzzlestück der Rezeption der Befindlichkeiten der Bundesrepublik der 1980er Jahre und gilt heute, wie der Spiegel 2012 schrieb, als Bibel der Bewegung. „22 Jahre nach dem Tod des Meisters ist die Bewegung auf allen Kontinenten recht vital (…)Die Lehren des Meisters sind weltweit präsent. Oshos Schrifttum, in 47 Sprachen übersetzt (…) Jahr für Jahr pilgern Abertausende Sannyasins in die Kathedralen der Bewegung.“
Tiefsinnig und zugleich narkotisch
Übrigens, auch der Philosoph Peter Sloterdijk war damals in Poona und erzählte über Bhagwan, man konnte ihn täglich von neun bis elf in der Großen Halle sehen und hören: „Er stieg aus seinem lautlosen Auto, setzte sich auf seinen weißen Sessel, schloss eine Minute die Augen, dann kommentierte er mit infernalischem und seraphischem Humor die spirituelle Weltliteratur durch, von den heiligen Schriften der Inder bis zu Nietzsche, ohne Pause, ohne den geringsten Versprecher und ohne irgendwas abzulesen. Uns konnte das gar nie lang genug dauern, weil sein Indo-Englisch so kurios, so melodisch, so tiefsinnig war, und zugleich so narkotisch einfach.“
Unter der Betreffzeile „Grüße aus Stellshagen“ bekam ich 2008 einmalig einen Newsletter von Jörg Andrees Elten, der so endete:
„Tatsächlich ist das Ungleichgewicht zwischen Gott und Geld das Grundübel unserer Zeit. Die Macht des Geldes durchdringt und korrumpiert unsere Institutionen in Politik, Wirtschaft und Kultur – vor allem beherrscht sie die Köpfe der Menschen. Schlägt das Pendel jetzt zurück? Wir wissen es nicht. Aber wir haben die Chance, dem Pendel einen kleinen Schubs zu geben.“
Nun ist Jörg Andrees Elten im gesegneten Alter von 89 Jahren gestorben. In den 1980er Jahren hatte er besagtem Pendel mit nur einem Buch einen ordentlichen Schubs gegeben und das Leben vieler Sinnsucher in anhaltende Schwingungen versetzt. Sloterdijk führt sogar seine Schriftstellerei direkt auf diese Erfahrungen von 1978-1980 im indischen Poona zurück. Und Elten hat den Weg dafür bereitet.
In einer seiner letzten Kolumnen für die Oshotimes heißt es 2011:
„Es schneit und schneit. Klirrender Frost. Eisiger Wind aus Nordost. (…) Ich ziehe mich warm an, klemme mir eine Flasche Nuss-Likör unter den Arm und breche zu meiner Nachbarin Hilde auf, um ihr frohe Weihnachten zu wünschen. Kaum aus dem Haus, versinke ich fast bis über zur Hüfte im Schnee. Schon von weitem sehe ich: Aus Hildes Schornstein dringt weißer Rauch. „Die hat‘s gut“, denke ich, „die hat noch Ofenheizung.“
Vielleicht ist es ja tatsächlich so, dass am Ende eines spirituellen Weges die banalen Dinge des Lebens heller strahlen. Vielleicht deshalb, weil man gelernt hat, sie zu genießen: Ein Besuch bei der Nachbarin, ein Nusslikör und ein warmer Ofen. Was für ein schöner Dreiklang zum Abschied.
„Die Abschiedsfeier findet am Samstag, 1. April, um 11 Uhr in der Kirche Damshagen statt. Satyananda wünscht sich ausdrücklich “ … keine schwarzgekleideten Menschen mit ernster Miene.“
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