Venezuela, jahrelang das Sehnsuchtsland vieler Linker, wird zur Diktatur. Die Bevölkerung verelendet. Es droht ein Bürgerkrieg.
In Venezuela hat es am Sonntag ziemlich sicher einen massiven Wahlbetrug gegeben, mit dem der sozialistische Präsident Nicolás Maduro das Land einen weiteren Schritt in Richtung Diktatur führt. Angeblich – laut Regierungsangaben – gingen bei der von Maduro angeordneten Wahl zu einer Verfassungsversammlung mehr als acht Millionen Bürger an die Urnen, das wäre eine Wahlbeteiligung von 41 Prozent. Aber Fotos zeigen leere Wahllokale – obwohl Arbeiter der Staatsbetriebe vor der Wahl von der Regierung noch durch Textnachrichten auf ihre Mobiltelefone sowie Drohungen zur Stimmabgabe gedrängt worden waren.
Die Opposition, die zum Boykott aufgerufen hatte, spricht von nur 12 Prozent Wahlbeteiligung. Das deckt sich mit unabhängigen Meinungsumfragen vor der Wahl, nach denen drei Viertel der Venezolaner die vom Sozialisten-Präsidenten erdachte Verfassungsversammlung ablehnen. Parlamentspräsident Julio Borges sprach am Montag vom „größten Wahlbetrug in unserer Geschichte“. Die nun „gewählte“ Verfassungsversammlung von 545 Leuten, überwiegend stramme Anhänger der regierenden Sozialisten, darunter auch Maduros Ehefrau, soll eine neue Verfassung erarbeiten – und während dieser Zeit werden alle anderen Wahlen ausgesetzt.
Befürchtet wird, dass diese Versammlung das demokratisch gewählte Parlament ersetzen soll, in dem die Opposition eine große Mehrheit hat, und dass damit die Gewaltenteilung in Venezuela endgültig zur Farce wird. Die USA, die EU und die meisten lateinamerikanischen Länder von Peru, Kolumbien, Brasilien über Chile bis Mexiko haben erklärt, Maduros „Verfassungsversammlung“ nicht anzuerkennen. Nur noch das kommunistische Kuba und das linksregierte Bolivien stehen fest zu Maduro, der seit dem Tod der Sozialisten-Ikone Hugo Chávez 2013 die Regierung übernommen hat. Es ist sonnenklar, dass der zunehmend unbeliebte Präsident, der sich mit aller Gewalt an die Macht klammert, der demokratischen Opposition den Boden entziehen will.
Kurz nach der Abstimmung wurden zwei führende Oppositionelle festgenommen. Agenten des Inlandsgeheimdienstes hätten Leopoldo López und Antonio Ledezma, den gewählten Bürgermeister von Caracas, abgeführt, teilten deren Familien am Dienstagmorgen mit. Die beiden Oppositionsführer standen unter Hausarrest, López war erst vor drei Wochen aus einem Militärgefängnis entlassen worden.
In Caracas und anderen Städten herrscht zunehmend Anarchie, wenn Polizisten und marodierende paramilitärische Gruppen, die sogenannten Colectivos, auf ihren Motorrädern durch die Straßen brausen und Jagd auf demonstrierende Bürger machen. Die Milizen wurden schon unter Chávez bewaffnet und sollen „zur Verteidigung der bolivarischen Revolution“ dienen. Maduro hat angekündigt, nochmals hunderttausende Handfeuerwaffen an die Gruppen zu verteilen, deren Grenzen zum organisierten Verbrechen und zu Drogenbanden oft fließend sind. Auch bis in die Spitze des Staates reichen die Verbindungen der Drogenkartelle.
Die Verzweiflung und die Wut großer Teile der Bevölkerung haben verschiedene Gründe. Einmal der wirtschaftliche Verfall, dann die Unterdrückung bürgerlich-demokratischer Freiheiten, dann die extreme Unsicherheit in dem Land, das mit mehr als 21.000 Morden im Jahr einen traurigen Weltrekord in Sachen Gewaltkriminalität hält.
Von der Miss- zur Mangelwirtschaft
Der wirtschaftliche Verfall Venezuelas, das wegen seiner enormen Erdölvorkommen (den größten der Welt) eigentlich reich sein könnte, ist atemberaubend. Zur Jahrtausendwende, als die Sozialisten gerade an die Macht gekommen waren, zählte es noch zu der wohlhabendsten Ländern Südamerikas, nun ist auf einen der hintersten Plätze abgerutscht. Seit 2013, als Maduro nach Chávez’ Tod an die Staatsspitze nachrückte, ist das Bruttoinlandsprodukt schon um mehr 30 Prozent geschrumpft. Die Regierung rationiert alle Güter, für Dinge des täglichen Bedarfs müssen die Bürger stundenlang vor Supermärkten in der Schlange warten.
Millionen von Venezolanern haben nicht genug zu essen. Laut einer Studie von Forschern dreier venezolanischer Universitäten haben drei Viertel der Bürger wegen der Lebensmittelknappheit im Durchschnitt fast zehn Kilo abgenommen. Lehrer berichten, wie Kinder in der Schule vor Hunger und Schwäche ohnmächtig umfallen. Der Direktor der SOS-Kinderdörfer des Landes José Luis Benavides berichtet vergangene Woche, dass zunehmend Eltern versuchen, ihre Kinder bei der Hilfsorganisation abzugeben, damit diese etwas zu essen bekommen.
Die Regierung hat die großen Einnahmeausfälle seit dem Ölpreisverfall durch Gelddrucken auszugleichen versucht. Das hat zu einer extremen Inflation geführt. Die Inflationsrate hat wohl schon die Marke von 1.000 Prozent überschritten – ein Weltrekord – und könnte nach IWF-Einschätzung in diesem Jahr sogar auf 1.600 Prozent steigen.
Vordergründig hat der Ölpreisverfall vor drei Jahren der Wirtschaft des Landes das Genick gebrochen. Der Ölpreis hat sich seitdem von mehr als 100 Dollar auf weniger als 50 Dollar je Barrel halbiert. Aber bei genauerer Betrachtung sieht man, dass die ökonomischen Probleme des sozialistischen Landes strukturell sind und schon früher anfingen.
Tausende von Unternehmen in anderen Branchen wurden verstaatlicht. Angesichts der Enteignungen mieden Investoren das Land. Die Folge war, dass die Produktivität sank. All das wurde nur durch den jahreslangen Ölboom überdeckt. Als die Petrodollars dann nicht mehr üppig sprudelten, rutschte das Regime in die Krise. Das Staatsdefizit ist gewaltig, die Devisenreserven schwinden schnell, aus Dollarmangel wurden scharfe Importrestriktionen eingeführt. Viele Güter sind heute nur noch zu horrenden Preisen auf dem Schwarzmarkt zu haben. Die Kaufkraft des staatlich garantierten Mindestlohns beträgt inzwischen umgerechnet weniger als 40 Euro.
Dennoch war Chávez’ Venezuela noch bis vor kurzem ein Sehnsuchtsland vieler Linker und hatte viele Freunde auch in den westlichen Industrieländern: Der Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn pries Chávez’ angebliche Erfolge, in Frankreich waren viele Linke ergriffen vom Gegenmodell zum „neoliberalen Kapitalismus“. In Deutschland ist die Partei Die Linke weiterhin pro-Maduro. Als die Bürgerproteste im April aufflammten und die Repression schon die ersten Dutzenden Toten forderte, ermahnte die Vizevorsitzende der Links-Fraktion im Bundestag nicht etwa Maduro, sondern die Opposition, sie solle sich an den Rechtsstaat halten – eine pure Täter-Opfer-Umkehr und Verhöhnung der Opfer.
Das Traumland der Linken, das die Sozialisten in den Bankrott geführt haben, steht am Abgrund. Noch ist nicht abzusehen, ob es hinunterfällt. Wieder einmal zeigt sich aber, dass Sozialismus nicht nur wirtschaftlichen Ruin, sondern auch Verlust der Freiheit bringt.
Marcela Vélez-Plickert hat anderthalb Jahrzehnte als Redakteurin für verschiedene lateinamerikanische Zeitungen und einen TV-Sender gearbeitet. Seit fünf Jahren lebt sie in Frankfurt und schreibt als freie Korrespondentin.
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Warum fragen Sie so wegsehend, was schon beantwortet war? Der Kapitalismus hatte in Venezuela die Chance, ein anderes Gesicht zu zeigen und damit den Leuten keine Lust auf Sozialismus zu machen. Das eine ist die Folge des anderen.
nennen Sie doch Ross und Reiter und hören Sie auf haltlos herumzuspekulieren weil Ihnen dies so gefällt. Putin ist gewählter Präsident. Die für Rußland nachteiligen psa Gesetze sind Fakt.
erst durch die Aufhebung der psa Gesetze durch Putin konnte Rußland wieder gesunden. So „vorteilhaft“ waren die für Rußland. Mit Besoffski Jelzin konnte man eben alles machen was man mit Putin nicht mehr machen konnte. Anderen Ahnungslosigkeit in Wirtschaft vorzuwerfen und selbst damit zu glänzen ist nur überheblich.
in einer ökosozialen marktwirtschaft (siehe österreich) werden die lasten geteilt – die arbeitgeber können sich dort nämlich ausrechnen, daß sie bei der nächsten lohnrunde bei den sozialpartnerverhandlungen an die wand rennen wenn sie diese kosten zu 100% auf die produktpreise aufrechnen, bzw. es massive umsatzeinbrüche gibt (naja – das absiedeln ist auch nicht so einfach – in ö kann die finanz 30 jahre nachfordern). also redet man miteinander – und auch die arbeitnehmer wissen wo die grenzen liegen. nach etwas theaterdonner gehn dann alle zum heurigen und akzeptieren den kompromiss. mit den corporates meinen sie wohl die kartelle bzw. kleptokratischen… Mehr
Nein, das hat damit nichts zu tun, siehe Hungerkatastrophen und GULAGS in Russland, Wohnungszustände a la 19 Jahrhundert, Mauertote und ungesetzliche Hinrichtung von Sysgtemgegnern im DDR-Sozialismus.
Kapitalismus ist lediglich ein Wirtschafts- nicht ein Regierungssystem.
Cuba hat sich erfolgreich gegen die jahrelangen Sanktionen amerikanischer Prägung gewehrt. Dass die Amerikaner in ihrem „Hinterhof“ nichts anbrennen lassen kann man sehr gut nachlesen im Buch „The economic hit man“ von John Perkins. Ein Mann der jahrelang selbst im Dienste der CIA mitverantwortlich für die amerikanischen Wirtschaftsverbrechen war. Dass wir solche Zeitgenossen „unsere Freunde“ nennen müssen kommt nicht von ungefähr, zeigt aber nur, wer bei uns das Sagen hat.
Das Land ist ein mahnendes Besipiel für uns. Und man glaube nicht, daß dies fern sei.
Erstens wird es so eine Volksbefragung nie geben.
Zweiten hat die Mehrheit längst resigniert und schweigt.
Die BW 2017 wird es wieder zeigen.
hier eine Anregung https://www.youtube.com/watch?v=r8w7CKp1FM0
Und: Wer ist denn nun der verantwortlich zeichnende Herr „Gastautor“?
„“Das Problem vom Sozialismus ist, dass ihm irgendwann das Geld anderer Menschen ausgeht.““ , weil es zum größen Teil auf die Auslandskonten der Machthaber und ihrer Seilschaften verteilt wurde, oder wie kommt ansonsten ein gelernt Busfahrer u. Staatsangestellter (besagter Herr Maduro) an Auslandskonten in den USA, die dort jetzt als Sanktionsmaßnahme einegefroren werden? Dafür fehlen dein „einfachen Leuten“ inzwischen die Grundlebensmittel u. Versorgungsgüter bis hin zum Toilettenpapier.