Höhere Steuereinnahmen bedeuten mehr soziale Gerechtigkeit: die große Lüge der Umverteilungsideologen.
„Wer sich nicht wehrt, ist entehrt!“ Mit diesem Ruf stürmten am 25.02.1926 aufgebrachte Moselwinzer das Finanzamt Bernkastel und verwüsteten es. Missernten, Inflation und eine hohe Weinsteuer bei gleichzeitig zollfreien Weinimporten der Konkurrenz aus Spanien und Frankreich hatten die Winzer in große finanzielle Not gebracht. Die Protestaktion der Winzer gegen die damalige Steuer- und Zollpolitik hatte Erfolg: bereits am 27.03.1926 beschloß der Reichstag die Abschaffung der Weinsteuer. Die wegen der Erstürmung verurteilten Winzer wurden nach kurzer Zeit begnadigt.
Abschaffung der Weinsteuer aufgrund Bürgerprotests
Die Abschaffung einer Steuer aufgrund einer Steuerprotests der Bürger – ein historisch wohl einmaliger Vorgang. Sonst bleiben eingeführte Steuern selbst dann bestehen, wenn der eigentliche Steuerzweck weggefallen ist. Man denke nur an die 1902 zur Finanzierung der kaiserlichen Flotte eingeführte Sektsteuer, die heute ebenso noch existiert wie der zur Finanzierung des DDR-Beitrittsgebiets eingeführte Solidaritätszuschlag.
Stoische Hinnahme der Steuerverpflichtungen
Der Steuerprotest der Moselwinzer von 1926 ist längst vergessen. Geradezu stoisch nehmen die Bürger die ihnen staatlich auferlegten Steuerzahlungsverpflichtungen hin – trotz einiger Unmutsäußerungen und manch legaler oder illegaler Vermeidungsstrategie. Proteste und Demonstrationen gegen Steuern gibt es nicht. Parteien setzen eher auf Steuererhöhungen als auf Steuersenkungen – und werden dennoch oder deswegen gewählt.
Steuereinnahmen von 2005 bis 2015 um 50 % gestiegen – weitaus stärker als Gehälter, Preise, Hartz IV und Bruttoinlandsprodukt
Dabei wachsen Deutschlands Steuereinnahmen unaufhörlich von Jahr zu Jahr. Von 2005 bis 2015 sind sie nach den statistischen Angaben des Bundesfinanzministeriums von 452 Milliarden Euro auf 673 Milliarden Euro gestiegen. Das Staatseinkommen hat sich also um fast 50 % erhöht. Zum Vergleich: Das Jahres-Durchschnittsgehalt vollbeschäftigter Arbeitnehmer stieg laut Statistischem Bundesamt im selben Zeitraum von 34.812 Euro auf 43.344 Euro, eine Erhöhung von 24,5 %. Auch die Tarifverdienste der öffentlichen Bediensteten stiegen im selben Zeitraum lediglich zwischen 15,8 % im Land Berlin und 21,7% im Bund. Der Hartz IV-Regelsatz erhöhte sich von 2005 bis 2015 um 15,65 % von 345 Euro auf 399 Euro. Das entspricht ziemlich genau der Preissteigerung, die laut Statistischem Bundesamt im selben Zeitraum 15,56 % betrug. Auch das Bruttoinlandsprodukt stieg von 2005 bis 2015 lediglich von 2,3 Billionen auf 3 Billionen, also um ca. 31,5 %. Die Bevölkerung Deutschlands (sowohl Deutsche als auch Nichtdeutsche) blieb währenddessen relativ konstant bei ca. 82 Millionen.
Das Staatseinkommen ist also bei gleichbleibender Bevölkerung doppelt so hoch angestiegen wie die Durchschnittsgehälter und mehr als dreimal so hoch wie der Hartz IV-Satz und die Preissteigerung.
850 Euro vom Staat zurück an jeden Bürger – bei preisbereinigter Beibehaltung des Niveaus von 2005
Hätte der Staat ausgehend vom Niveau 2005 die Steuereinnahmen bis 2015 lediglich in Höhe der Preissteigerung von 15,56 % erhöht, so hätten diese 2015 nicht 673 Milliarden betragen, sondern nur 522 Milliarden Euro. Tatsächlich hatte der Staat 2015 also 151 Milliarden Euro mehr zur Verfügung als 2005 – und das bereits preisbereinigt.
Auch unter Berücksichtigung, dass laut Statistischem Bundesamt die Schulden der öffentlichen Haushalte 2005 um ca. 60 Milliarden Euro gestiegen sind, während sie 2015 um 21 Milliarden gesunken sind, von den 151 Milliarden Mehreinnahmen also 81 Milliarden anstelle neuer Schulden und zum Schuldenabbau eingesetzt worden sind, verbleiben – preisbereinigt – Steuermehreinnahmen von ca. 70 Milliarden Euro. Macht pro Einwohner ca. 850 Euro.
Oder anderes gesagt: Hätte sich der Staat damit begnügt, das Niveau von 2005 zu halten und nur die Preissteigerung auszugleichen (wie z. B. bei Hartz IV ohnehin nur geschehen), könnte er jedem Bürger – vom Baby bis zum Greis – ca. 850 Euro zurückzahlen unabhängig davon, wie viel jeder einzelne an Steuern eingezahlt hat. Auch jeder Hartz IV-Bezieher erhielte also nicht nur seinen heutigen Hilfesatz, sondern noch 850 Euro obendrauf.
Selbst dem linken Gerechtigkeitsideal wäre bei einer solchen gleichmäßigen Rückzahlung an alle entsprochen.
1.500 Euro vom Staat zurück an jeden Bürger – wenn man zusätzlich auch die Subventionen abschafft
Und dann gibt es da ja noch die Subventionen. Sie verzerren die Wirtschaftsstruktur zugunsten der Empfänger, verdrängen bessere Verwendungsalternativen, mindern Anreize und verursachen gesamtwirtschaftlich unproduktive Kosten einschließlich Bürokratiekosten. Sie belaufen sich laut dem aktuellsten Subventionsbericht der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 18/5940, S. 23) auf 53,5 Milliarden Euro in 2014 [für 2015 fehlt noch ein Teil-Wert, aber der Gesamt-Wert dürfte dem von 2014 entsprechen]. Macht für jeden Einwohner noch einmal ca. 650 Euro, die man bei konsequenter Abschaffung aller Subventionen zurückzahlen könnte. Nicht einige privilegierte Subventionsbezieher würden profitieren, sondern alle Bürger.
850 Euro + 650 Euro = 1.500 Euro: für jeden Einwohner jedes Jahr zurück! Kein Steuergeschenk, sondern lediglich Rückerstattung zu viel bezahlter Steuern.
Trotz Rekord-Steuereinnahmen wächst (angeblich) soziale Ungerechtigkeit: Beleg für Unfähigkeit der Politiker
Jetzt wird niemand ernstlich behaupten wollen, dass Deutschland im Jahre 2005 ein höchst unsoziales Staatswesen war und die übermäßige Steigerung der Steuereinnahmen zum Abbau sozialer Ungerechtigkeit (was auch immer das ist) dringend erforderlich gewesen wäre. Ganz im Gegenteil: von Linke über Bertelsmann-Stiftung bis zum paritätischen Wohlfahrtsverband beklagt man Sozialabbau, Kinderarmut, soziale Ungerechtigkeit und so weiter – eben die alte Leier aller Umverteilungsideologen. Trotz immer neuer Rekord-Steuereinnahmen hat sich die soziale Ungerechtigkeit also (angeblich) eher erhöht als reduziert. Das ewig linke Mantra „höhere Steuern und mehr Steuereinnahmen = mehr soziale Gerechtigkeit“ führt sich angesichts dieser Zahlen selbst ad absurdum.
Die Zahlen belegen vielmehr die Unfähigkeit der Politiker, die ihnen anvertrauten Geldmittel so einzusetzen, dass die von ihnen beklagten Probleme gelöst werden. Und nicht nur im sozialen Bereich, sondern auch im Bildungsbereich, bei der Verkehrsinfrastruktur oder der inneren Sicherheit sind die Probleme trotz massiv gestiegener Steuereinnahmen eher größer als kleiner geworden. Man muss kein Prophet sein, um zu prognostizieren, dass auch künftig höhere Steuereinnahmen weder zu mehr sozialer Gerechtigkeit noch zu besserer Bildung oder höherer Sicherheit führen werden. Und ebensowenig bedarf es prophetischer Gaben, um vorauszusagen, dass die Bürger sich auch künftig klaglos gefallen lassen, für weniger staatliche Leistungen mehr Steuern bezahlen zu müssen.
Kein absurdes Wahlversprechen: jedes Jahr 1.500 Euro für jeden Bürger bzw. 6.000 Euro für eine vierköpfige Familie
Man stelle sich einmal vor, eine deutsche Partei würde in die Wahlkämpfe ziehen und sinngemäß sagen:
„Wir bieten Euch, liebe Wähler, wenn wir an der Regierung sind, den deutschen Rund-um-Versorgungsstaat des Jahres 2005 (sogar um die Preissteigerung bereinigt) und dazu bekommt jeder von Euch (und jedes Kind und jeder ausländische Mitbürger) noch 850 Euro oder – mit Subventionsabbau – gar 1.500 Euro, und das jedes Jahr. Wir fangen zunächst mit der Rückzahlung der Bundes-Einnahmen an, da eine Bundesregierung nicht die den Bundesländern und Gemeinden zustehenden Einnahmen zurückzahlen kann. Der Bundesanteil an den Steuereinnahmen beträgt ca. 42 %, so daß dies immerhin schon mal 630 € wären (42 % von 1.500 €). Und mit jeder Landtagswahl, die wir mit diesem Wahlversprechen erfolgreich bestreiten, erhöht sich dieser Betrag auf schließlich bis zu 1.500 €.“
Ein absurdes Wahlversprechen? Vielleicht – aber nur weil es in allen Parteien viel zu viele staatsgläubige Etatisten mit ideologischen Scheuklappen gibt.
Zusätzlich: Milliarden-Einsparpotential bei überflüssigen und ideologisch bedingten Ausgaben
Und allen, die jetzt lamentieren und auf etwaige über der Preissteigerungsrate liegende unabdingbare Kostensteigerungen bei bestimmten Ausgaben verweisen, denen sei gesagt: Es gibt noch ein Milliarden-Einsparpotential bei den Ausgaben für unnötige und häufig rein ideologische bedingte Anliegen (von den Kosten für überflüssige Behörden wie dem Bundesamt für Familie und dem Deutschen Wetterdienst über Zuwendungen an Parteistiftungen bis zu den Ausgaben für Gender-“Professoren“ und Beauftrage für alles und nichts; die Beispiele ließen sich fortsetzen), womit sich etwaige unabdingbare Ausgabensteigerungen gegenfinanzieren ließen.
Steuergeld ist also genug „im System“. Woran es fehlt, ist der verantwortungsvolle Umgang damit. Daher: Gebt dem Bürger zurück, was des Bürgers ist!
Ansgar Neuhof ist Rechtsanwalt und Steuerberater mit Kanzlei in Berlin.
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