Die SPD will erneut ihr prominentes Mitglied ausschließen. Angesichts der Verleumdungen, die von führenden Genossen auf Sarrazin herab prasseln, stellt sich allerdings die Frage: Wer gehört hier wirklich ausgeschlossen - der Buchautor oder seine Kritiker?
Sarrazin wirkt gelassen. „Ich sehe diesem Ausschlussverfahren mit einer gewissen Neugier entgegen“, hat er im NZZ-Interview zum erneuten Versuch der SPD erklärt, ihn aus der Partei auszuschließen. Tatsächlich müssten die Genossen ja etwas substantiell Neues gegen ihr ungeliebtes Mitglied vorbringen können. Etwas, das auch vor einem ordentlichen Gericht Bestand hat. Das werden sie in „Feindliche Übernahme – Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“ nicht gefunden haben. Wolkige Ausführungen über angeblich verletzte „sozialdemokratische Grundwerte“ reichen da nicht. Vermutlich weiß man das sogar im SPD-Bundesvorstand. Man habe es wenigstens versucht mit dem Ausschluss, will man wohl nachher sagen können.
Der Buchtitel war dabei gewiss provokant. Wie ein Stich ins Wespennest. Ein Buch jedoch hysterisch schon vor seinem Erscheinen in Grund und Boden zu verdammen – wie es führende Genossen taten – zeugte schon von besonderer Torheit. In der SPD schreckte man dabei auch vor Beleidigungen und Angriffen unter der Gürtellinie gegen Sarrazin nicht zurück. So bescheinigte das SPD-Präsidiumsmitglied Ralf Stegner Sarrazin laut der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, dieser sei angeblich „charakterlich gescheitert“. Und: „Das einzige Interesse Thilo Sarrazins ist Thilo Sarrazin und sein kommerzieller Erfolg.“ Als ob der frühere Staatssekretär, Berliner Finanzsenator, Bundesbanker und bereits höchst erfolgreiche Autor es noch nötig hätte, mit 73 Jahren aus finanziellen Gründen ein weiteres Buch zu schreiben, und keine inneren Überzeugungen hätte. Bei solchen unsachlichen Angriffen auf einen Parteifreund könnte man auch die Frage stellen: Müßte nicht eigentlich Ralf Stegner ausgeschlossen werden? Oder gehört die Verleumdung zum Parteibuch dazu?
Nicht nur in der SPD, auch in den meisten Medien stürzte man sich auf „Stellen“ des Buches, um Sarrazin niedermachen zu können. Dabei kann man in einem Buch von fast 500 Seiten immer Kritikwürdiges finden. Es gab nur wenige faire Rezensionen, die auch das Wertvolle in dem Werk würdigten, welches man sehr wohl mit viel Gewinn lesen kann. Eine solche faire Rezension stammte dabei übrigens ausgerechnet von dem längjährigen Akademiedirektor der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, Johannes Kandel. Dieser schrieb: „Schon nach den ersten fünfzig Seiten fehlt mir jedes Verständnis dafür, warum Random-House das Buch nicht verlegen wollte und die SPD Sarrazin wieder ausschließen will.“ Und: „Im Gegensatz zu der versammelten Macht der politischen Eliten und ihrer medialen Claqueure, die das Buch schon im Vorfeld verdammten und dann in einer Mischung aus Dummheit, Ignoranz und Schmähkritik (Süddeutsche Zeitung!) verurteilten, halte ich das Buch für hilfreich.“
Michael Leh studierte Geschichte und Politik in München und arbeitet heute als freier Journalist in Berlin.
— Gideon Böss (@GideonBoess) December 17, 2018
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Sarrazin behindert die SPD bei dem hehren Ziel der Durchbrechung der 5% Hürde und das kann man nicht zulassen.
An die SPD: Es ist einfach unfassbar, wie man bedenkenlos die Orientierung an der Aufklärung bereit ist aufzugeben (massenweise Zuwanderung zulässt, die aufgeklärtes Denken geradezu ablehnt/Jede rationale und faktenorientierete Diskussion darüber innerparteilich und politisch gesellschaftlich verhindert), natürlich ohne es auch nur ansatzweise zu bemerken, da man ja gerade sich auf der Seite der Aufklärung meint zu befinden. Intellektuell unterbelichteter geht es einfach nicht mehr, sorry.
Auf die Argumentation von insbesondere Gesine Schwan bin ich einmal gespannt. Was will sie sagen? Nein, diese Fakten passsen so gar nicht zu meinem Wunschdenken? Oder: ich bin total gegen logische Schlussfolgerungen? Oder: diese Statistik hat er aber nicht angeführt? Also dieses Ausschlussverfahren bitte live auf Youtube übertragen, liebe SPD, bin mir sicher, dass ihr danach echte Splitterpartei sein würdet. Thilo Sarrazin wäre bestimmt sofort einverstanden. Aber wahrscheinlich werdet ihr diesen Mut gar nicht aufbringen.
Es gibt ja den bösen Spruch : unter den Blinden ist der Einäugige König.
Das muß den Ehrgeiz bei den ** in der SPD Führung geweckt haben,keinen so klugen Kopf in ihrer Nähe dulden zu können.
Es könnte sonst auffallen,was für geistige Tiefflieger sich in der SPD herum treiben!!
Ich frage mich eigentlich umgekehrt, warum Sarrazin an der Mitgliedschaft in diesem niveau- und hirnlosen Haufen festhält. Man muss sie doch nur alle anschauen – von Maas über Nahles bis hin zu dem wild kreischenden Schulz und all den anderen SPDlern, sich sich hin und wieder neben ihren Nebenjobs im Bundestag die Ehre geben – damit kann sich doch ein Herr Sarrazin unmöglich identifizieren. Da schäme ja sogar ich mich fremd, obwohl ich die SPD niemals wählen würde. Oder will er auch unbedingt den Steigbügelhalter für Merkel geben? Meine Oma sagte immer „sage mir, mit wem Du umgehst und ich… Mehr
Die eigentlich wichtige Frage lautet doch wohl: was tut ein intelligenter Mensch wie Thilo Sarrazin in einer Dummy-Partei wie der SPD?
Wer die Bücher liest der erlebt einen intelektuell hochgebildeten Menschen. Der Unterschied zu den aktuellen!!! Spd Führern ist wirklich krass.
Eines muß man diesem Mann lassen, er hat die Ruhe weg und läßt sich auch als Sozialdemokrat nicht den Mund verbieten und das ist aller Ehren wert, taucht nur noch die Frage auf, ob er genauso handeln würde, wenn es um seine persönliche Existenz ginge, denn Kämpfer für die gerechte Sache gab es schon viele auf der Welt, die einen landeten auf dem Scheiterhaufen und die anderen werden in der Neuzeit durch ihren publizistischen Widerstand immer reicher und darin liegt der qualitative Unterschied.
Die Spd ist nur noch peinlich. Wenn man sich solche intelektuellen Größen wie Maas oder Nahles anschaut wird einem nur noch schlecht.
So bringt man die Partei auf Linie. Ein unwählbar-ekelhafter Haufen.
Mittlerweile möchte ich mich selbst anspucken, wenn mir beim lesen solcher Artikel einfällt, daß ich einstmals überzeugtes Mitglied dieser unsäglichen Partei war. Über lange Strecken der frühen Mitgliedschaft waren die ‚Genossen‘ – die , die nahe den Bürgern, insbesondere den Arbeitnehmern standen – soweit ich das damals einzuschätzen in der Lage war, anständige und ehrliche Häute, wie man zu sagen pflegt. Das diese Einschätzung immer häufiger Dellen bekam je länger die Mitgliedschaft dauerte und je mehr man die Genoss*innen in den oberen Etagen kennenlernte, um so intensiver wurde der Geruch nach Fäulnis und Jauche der diese Partei umstrich. Und der… Mehr