Nach Hausdurchsuchung bei Weimarer Richter: Demonstranten legen Blumen vor Gerichte

Um gegen die umstrittene Hausdurchsuchung bei einem Weimarer Richter zu protestieren, haben Bürger Blumen und Kerzen vor zahlreichen Gerichten niedergelegt – mit fragwürdiger Symbolik.

Screenprint: via twitter

Nach der Hausdurchsuchung bei einem Weimarer Richter machen sich augenscheinlich viele Bürger Sorgen um den Rechtsstaat. In den sozialen Medien finden sich zahlreiche Fotos von Gerichtseingängen, vor denen Menschen weiße Rosen, Kerzen und Spruchschilder abgelegt haben. Entsprechende Aktionen soll es unter anderem in Frankfurt am Main, Düsseldorf, Marburg, Weilheim und Ulm gegeben haben. Auf den Schildern steht etwa “Deutschland, quo vadis?”, “Grundgesetz, Rechtsstaat, R.I.P.” oder “Corona-Diktatur – aufwachen!”.

Ein Schild, das sich vor dem Amtsgericht Heidelberg befinden soll, besagt: “Artikel 97 Grundgesetz garantiert die richterliche Unabhängigkeit. Wenn diese Unabhängigkeit nichts mehr gilt, haben wir wieder eine politische Justiz.” Auf einem Schild vor dem Justizzentrum Erfurt steht: “Finger weg von unseren Kindern!”. Viele der Sprüche bedanken sich auch bei dem Amtsrichter aus Weimar für seinen “Mut”.

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50 Anwälte um Markus Haintz, Ralf Ludwig und Beate Bahner hatten zu einer Demo in Weimar aufgerufen und angekündigt, eine weiße Rose und eine Kerze vor dem dortigen Amtsgericht abzulegen. Mit der Hausdurchsuchung habe der Staat “eine rote Linie” überschritten, heißt es in einem Aufruf. Wenn die richterliche Unabhängigkeit nichts mehr gelte, habe man eine politische Justiz. Wer an diesem Tag nicht nach Weimar reise, solle es den drei Anwälten gleich tun und eine weiße Rose sowie Kerze vor seinem Heimatgericht ablegen, heißt es weiter. Beate Bahner sagte laut Livestream-Aufnahmen bei der Demo in Weimar: “Wir wollten die weiße Rose in Erinnerung an die Widerstandsgruppe der Weißen Rose niederlegen, weil wir sehr fürchten um den deutschen Rechtsstaat.”

Kritiker der Veranstaltungen sehen hierin Missbrauch und Instrumentalisierung der Widerstandsgruppe um Sophie Scholl gegen das Nazi-Regime. Dazu zählt auch das vereinzelte Auftauchen von Judensternen. Hier werde der Holocaust mit der Pandemiepolitik der Bundesregierung verglichen.

Die Polizei zog am Samstag offenbar alle Register, um die Demo in Weimar kleinzuhalten. Laut einer Sprecherin war das Gerichtsgebäude in einem Radius von 50 bis 70 Metern abgesperrt. Zudem habe es eine “intensive Überwachung” der Zufahrtswege gegeben, sagte sie. Laut Twitter-Mitteilungen der Polizei Thüringen begleiteten etwa Beamte einen Reisebus mit “Querdenkenden” aus der Stadt hinaus. Auch die Bundespolizei teilte auf Twitter mit, dass sie am Hauptbahnhof Anreisende kontrolliere.

Gegenüber TE äußerte sich Anwalt Haintz, er habe bislang noch nie erlebt, dass die Polizei einen Versammlungsort derart weiträumig abgesperrt habe. Manche Polizeisperre seien weit entfernt vom Gerichtsgebäude gewesen. “Der Staat hat offenbar Angst vor Blumen”, sagte er.

Die Sprecherin schätzte die Teilnehmerzahl auf mehrere Hundert. Bislang habe es zum Nachmittag keine Vorkommnisse wie etwa Festnahmen oder Verletzte gegeben, sagte sie. Bis zuletzt war wieder einmal unklar, ob die Versammlung stattfinden durfte. Am Nachmittag meldete schließlich die Polizei auf Twitter, dass das Oberverwaltungsgericht Weimar die Verbotsverfügung der Stadt bestätigt hat.
Hintergrund ist eine Hausdurchsuchung bei einem Weimarer Richter am vergangenen Montag wegen dem Verdacht der Rechtsbeugung. Der Richter hatte am 8. April entschieden, dass die Maskenpflicht, Abstandsregeln und Schnelltestauflagen nicht mehr an zwei Weimarer Schulen gelten sollten. Kritiker befürchteten daraufhin, dass das Ermittlungsverfahren weitere Richter einschüchtern könnte, Maßnahmen-kritische Urteile zu fällen. Dem Richter wird von der Staatsanwaltschaft in Weimar Rechtsbeugung vorgeworfen, weil er erkennbar unzuständig für die von ihm entschiedene Klage sei und das Verfahren bewusst  unzulässigerweise auf sich gezogen habe. Eine Entscheidung darüber steht aus.

Nachdem mittlerweile verabschiedeten Bundesinfektionsschutzgesetz sind Klagen vor Verwaltungsgerichten nicht mehr möglich; der Klageweg gegen einzelne Maßnahmen ist auf das Bundesverfassungsgericht begrenzt.


TE greift auf Bildmaterial von Demonstranten aus den sozialen Medien zurück. Von Bildagenturen gibt es dazu kein Material.

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Kommentare ( 24 )

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Karl Schmidt
2 Jahre her

Thüringen wird von der SED regiert. Sie ist zurück – und keiner soll sagen, er hätte es nicht bemerkt. Sie war eigentlich nie wirklich weg, weil ihre Organisation nie aufgelöst wurde. Ihre Funktionäre (Mielke) haben gemordet und sie haben morden lassen. Doch geschadet hat es ihnen nicht. Und so erleben wir, wie Richter schon wieder bedrängt werden, die politisch nicht auf Linie sind. Die Sozialisten treiben wieder ihr Unwesen, das in keinem Farbton dieser zutiefst antidemokratischen Ideologie erträglich ist. FDP und CDU haben das möglich gemacht und machen es weiter möglich; Grüne und SPD setzen sich politisch ohnehin nicht ab.… Mehr

Bummi
2 Jahre her

Rechtsstaat? Lange ist es her.

elly
2 Jahre her

jetzt werden die Richter diszipliniert:“01.05.2021, 11:05 Uhr
Staatsanwaltschaft prüft Anzeigen nach Weilheimer Masken-UrteilDas Urteil machte Schlagzeilen: Eine Familienrichterin in Oberbayern befreite ein Kind von der Pflicht, in seiner Schule eine Maske zu tragen. Jetzt ist diese umstrittene Entscheidung ein Fall für die Staatsanwaltschaft geworden.
„Wir haben Vorermittlungen eingeleitet, weil es mehrere Anzeigen gab“ , so eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft München II. „
https://www.br.de/nachrichten/bayern/staatsanwaltschaft-prueft-anzeigen-nach-weilheimer-masken-urteil,SW8YiAT
vom wem diese Anzeigen gegen die Richterin kamen, bleibt der Bericht schuldig.

Rebel Girl
2 Jahre her

Mit „fragwürdiger“ Symbolik? Ganz sicher nicht fragwürdig! Ganz im Gegenteil: zu dieser Blumen-Aktion passt wie die Faust aufs Auge ein Zitat von Hendryk M. Broder: „Wenn Ihr Euch irgendwann wieder mal fragt, wie es so weit kommen konnte, dann ist die Antwort: Weil sie damals so waren, wie ihr heute seid!“

Gerro Medicus
2 Jahre her

Es ist schon indikativ, wenn man diese Bekundung mit staatlicher Gewalt unterbinden will. Noch dazu mit der windigen Begründung, öffentliche Ordnung und Sicherheit sei in Gefahr. In Gefahr sind nur diese unsäglichen Kreaturen, die bei uns politische Ämter innehaben und meinen, sie könnten uns Bürger wie absolutistische Herrscher als ihre Untertanen drangsalieren. Ja, die sind in Gefahr! Nämlich in Gefahr, namentlich benannt, entlarvt und öffentlich an den Pranger gestellt zu werden! In Gefahr, ihre Macht zu verlieren, in Gefahr, für ihre kriminellen Handlungen, die sie mit der angeblichen Handlungsfreiheit der Politik begründen, zur Rechenschaft gezogen zu werden! Und diese Sorgen… Mehr

Michael Theren
2 Jahre her

Nachdem „Klimaermächtigungsurteil“ des BVerfG vom 29.4., sollte nun doch jedem klar sein, wozu die med. sinnlosen „Coronamaßnahmen“ (bei gleichzeitigem sträflichen Nichtschutz der Risikogruppen von Anbeginn) „gut“ sind….
ebenso sinnlose Klimamaßnahmen werden folgen, bzw. sind schon ohne großen Widerspruch exekutiert….
„und Sie werden und nicht los lassen unser ganzes Leben lang“
In der Diktatur muß man nur die Klappe halten und man wird in Ruhe gelassen, in einer totalitären Theokratie muß man sich tgl. proaktiv und permanent zur Totalität bekennen….mich graust es….

KAB
2 Jahre her

Was will man von einer Regierung halten, die nicht nur das Verfassungsgericht personell nach ihrem Gutdünken personell ausstattet, Kritiker an ihren „Regierungsgeschäften“ stigmatisiert und in die rechte Ecke stellt, um diese beruflich zu ruinieren? Deutschland befindet sich seit geraumer Merkel-Zeit auf dem Weg in die Diktatur…. (man darf zwar – noch – seine Meinung sagen, muss dann halt „mit
den Konsequenzen leben“)

D. Harry
2 Jahre her

Ich bin immer wieder erstaunt, wenn in den Qualitätsmedien Demoverbote in Russland als verwerflich und demokratiefeindlich dargestellt werden, und im nächsten Bericht die Demoverbote in Deutschland als notwendig erklärt werden, um unsere Demokratie zu schützen.

Sonny
2 Jahre her

Welcher Rechtsstaat?

Kassandra
2 Jahre her

Wieso sollte man in diesen Zeiten nicht an die Widerstandskämpfer der Weißen Rose erinnern dürfen?
Könne „Kritiker“ bitte konkretisieren, was sie hinsichtlich des Verweises von Demonstranten auf die Geschwister Scholl so dermaßen daneben sehen? Empfinden sie es nicht auch als merkwürdig, wenn der Zugang zu einer Stadt nicht das erste Mal von der Polizei weiträumig abgesperrt wird?
Seltsamerweise gehen solche „Kritiker“ mit der Verwendung von anderen Zuordnungen aus eben dieser Zeit ja selbst ganz und gar nicht sparsam um.

Rebel Girl
2 Jahre her
Antworten an  Kassandra

So ist es, Kassandra. Und ich stoße mich auch an dem Ausdruck „fragwürdige“ Symbolik. Für mich sicher nicht fragwürdig. Ganz im Gegenteil: zu dieser Blumen-Aktion passt wie die Faust aufs Auge ein Zitat von Hendryk M. Broder: „Wenn Ihr Euch irgendwann wieder mal fragt, wie es so weit kommen konnte, dann ist die Antwort: Weil sie damals so waren, wie ihr heute seid!“