Eine Überraschung gab es nicht, als die Führung der US-Notenbank (Fed) am Mittwoch das Ergebnis ihrer Sitzung verkündete: Der Leitzins steigt um 50 Basispunkte, also 0,5 Prozent. Nach der Zinsanhebung um 25 Basispunkte im März folgten damit zwei Schritte dicht hintereinander, mit denen die Fed versucht, die extrem gestiegene Inflation in den USA zu dämpfen. Sie hatte im März 8,5 Prozent erreicht – und wird von vielen Amerikanern mittlerweile als das innenpolitische Thema Nummer eins gesehen.
Nicht nur die Nullzinsen in der Eurozone bringen Investoren dazu, im großen Stil Geld von dort abzuziehen, um es in Dollar-Zinspapieren zu investieren. Auch die trüben Wirtschaftsaussichten im Euroraum führen dazu, dass Anleger mit großer Skepsis auf den Kontinent schauen – zumal niemand weiß, wie lange der Krieg in der Ukraine noch andauert, und ob er möglicherweise noch zu einer handfesten Energiekrise in der EU führt. „Wir müssen sehen, dass der Ukraine-Krieg kurz- wie auch langfristig die Eurozone stärker betreffen wird als die USA“, meint Andreas Dombret, früheres Vorstandsmitglied der Bundesbank, heute Berater und Lehrbeauftragter an der Columbia School of International and Public Affairs, im Gespräch mit TE. „Nicht nur durch geringeres Wachstum, sondern auch durch eine sich weiter verstärkende Staatsverschuldung zur Abfederung dieser Effekte“, so Dombret: „Dessen sind sich Investoren bewusst. Sie diversifizieren insofern aus der Eurozone hinaus.“
Die Analysten Shaun Osborne und Juan Manuel Herrera von der kanadischen Scotia Bank schätzen die Lage ähnlich ein. „Die drohende Rezession in der Eurozone und ein möglicher Lieferstop von russischem Erdgas hat den Euro auf ein 5-Jahres-Tief gezogen – und ein Test der psychologisch wichtigen Stufe von 1,05 Dollar ist eine reale Möglichkeit“, schreiben beide in einem aktuellen Report ihrer Bank.
Für eine Änderung des Trends spricht bisher nichts. Holger Schmieding, Chef-Volkswirt der Berenberg-Bank, rechnet mit einer Zinsanhebung durch die EZB frühestens im September 2022, wenn überhaupt. Und dann fällt die Korrektur höchstwahrscheinlich sehr zaghaft aus – die meisten Experten kalkulieren mit einer Erhöhung bis maximal 0,25 Prozent. Damit würde die EZB der Inflation hinterherlaufen, während die Fed schon den dritten Zinsschritt vorbereitet.
Die Währungswächter der Euro-Zone stecken in einer Falle, gefangen zwischen zwei Übeln: Würden sie die Zinsen ähnlich stark anheben wie die Fed, ginge die Inflationsrate zwar wieder deutlich nach unten. Aber das Ende des billigen Geldes könnte die Eurozone in eine langanhaltende Rezession stürzen, selbst bis dahin hartnäckige Investoren vertreiben und die Währung erst recht nach unten schicken. Denn unter dem Druck höherer Zinsen könnten hochverschuldete Euroländer wie Italien und Frankreich auch noch in eine schwere politische Krise rutschen.