Tichys Einblick
Zinserhöhung in den USA

Die importierte Inflation – Euro stürzt auf 5-Jahres-Tief

Mit der Zinsentscheidung der US-Notenbank Fed verliert Europa für Investoren an Attraktivität. Die Schwäche der Gemeinschaftswährung treibt die Inflation weiter voran.

Der Chef der US-Notenbank Jerome Powell verkündet Erhöhung des Leitzinses, Washington, D.C., 04.05.2022

IMAGO / Xinhua

Eine Überraschung gab es nicht, als die Führung der US-Notenbank (Fed) am Mittwoch das Ergebnis ihrer Sitzung verkündete: Der Leitzins steigt um 50 Basispunkte, also 0,5 Prozent. Nach der Zinsanhebung um 25 Basispunkte im März folgten damit zwei Schritte dicht hintereinander, mit denen die Fed versucht, die extrem gestiegene Inflation in den USA zu dämpfen. Sie hatte im März 8,5 Prozent erreicht – und wird von vielen Amerikanern mittlerweile als das innenpolitische Thema Nummer eins gesehen. 

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Mit der Zinsanhebung in den USA vergrößert sich die Kluft zwischen dem Euro- und dem Dollarraum extrem. Denn auch auf ihrer letzten Sitzung im April verkündete EZB-Chefin Christine Lagarde trotz der Rekordinflation von 7,4 Prozent, dass der Leitzins bis auf Weiteres bei Null bleibt – und der Einlagezins im Minusbereich. Die Folge der Geldpolitik in Frankfurt auf der einen und Washington auf der anderen Seite lässt sich am Euro-Kurs ablesen: Die Gemeinschaftswährung fiel schon kurz vor dem Zinsschritt der Fed auf ihren tiefsten Stand seit März 2017. Anfang 2021 gab es für einen Euro noch 1,22 Dollar. Als Fed-Chef Jerome Powell am Mittwoch verkündete, der Erhöhung um 0,5 Prozentpunkte würde nicht so schnell ein nächster Zinsschritt folgen, erholte sich der Euro minimal – von 1,05 auf 1,06 Dollar. Die Botschaft lautete: Es hätte für die Gemeinschaftswährung noch schlimmer kommen können. An dem rapiden Euro-Wertverlust seit 2021 ändert das nichts. Innerhalb eines reichlichen Jahres verlor die Gemeinschaftswährung damit gut 15 Prozent ihres Außenwerts. Allein im April ging es um 4,6 Prozent im Vergleich zum März nach unten. Zur Parität, einem Euro-Dollar-Kurs von eins zu eins, ist es nicht mehr weit. 

Nicht nur die Nullzinsen in der Eurozone bringen Investoren dazu, im großen Stil Geld von dort abzuziehen, um es in Dollar-Zinspapieren zu investieren. Auch die trüben Wirtschaftsaussichten im Euroraum führen dazu, dass Anleger mit großer Skepsis auf den Kontinent schauen – zumal niemand weiß, wie lange der Krieg in der Ukraine noch andauert, und ob er möglicherweise noch zu einer handfesten Energiekrise in der EU führt. „Wir müssen sehen, dass der Ukraine-Krieg kurz- wie auch langfristig die Eurozone stärker betreffen wird als die USA“, meint Andreas Dombret, früheres Vorstandsmitglied der Bundesbank, heute Berater und Lehrbeauftragter an der Columbia School of International and Public Affairs, im Gespräch mit TE. „Nicht nur durch geringeres Wachstum, sondern auch durch eine sich weiter verstärkende Staatsverschuldung zur Abfederung dieser Effekte“, so Dombret: „Dessen sind sich Investoren bewusst. Sie diversifizieren insofern aus der Eurozone hinaus.“

Die Analysten Shaun Osborne und Juan Manuel Herrera von der kanadischen Scotia Bank schätzen die Lage ähnlich ein. „Die drohende Rezession in der Eurozone und ein möglicher Lieferstop von russischem Erdgas hat den Euro auf ein 5-Jahres-Tief gezogen – und ein Test der psychologisch wichtigen Stufe von 1,05 Dollar ist eine reale Möglichkeit“, schreiben beide in einem aktuellen Report ihrer Bank.  

Keine Abstriche bei sozialen Vorhaben
Olaf Scholz bekennt sich als Inflationskanzler
Für die Eurozone bedeutet die Währungsschmelze: Alle Importe aus dem Dollarraum verteuern sich automatisch. Besonders schmerzhaft wird das bei der Einfuhr von US-Flüssiggas durchschlagen. Diese Importe stiegen seit März stark an, um die Abhängigkeit West- und Mitteleuropas von russischem Erdgas zu mildern. Flüssiggas, das mit Tankern herangeschafft werden muss, ist ohnehin schon teurer als Pipeline-Gas. Der schwache Euro verteuert den Brennstoff weiter. Die Euro-Zone leidet also mehr und mehr auch unter einer sogenannten importierten Inflation, unter dem Preisauftrieb für Güter aus den Wirtschaftsräumen mit stärkeren Währungen. 

Für eine Änderung des Trends spricht bisher nichts. Holger Schmieding, Chef-Volkswirt der Berenberg-Bank, rechnet mit einer Zinsanhebung durch die EZB frühestens im September 2022, wenn überhaupt. Und dann fällt die Korrektur höchstwahrscheinlich sehr zaghaft aus – die meisten Experten kalkulieren mit einer Erhöhung bis maximal 0,25 Prozent. Damit würde die EZB der Inflation hinterherlaufen, während die Fed schon den dritten Zinsschritt vorbereitet.

Die Währungswächter der Euro-Zone stecken in einer Falle, gefangen zwischen zwei Übeln: Würden sie die Zinsen ähnlich stark anheben wie die Fed, ginge die Inflationsrate zwar wieder deutlich nach unten. Aber das Ende des billigen Geldes könnte die Eurozone in eine langanhaltende Rezession stürzen, selbst bis dahin hartnäckige Investoren vertreiben und die Währung erst recht nach unten schicken. Denn unter dem Druck höherer Zinsen könnten hochverschuldete Euroländer wie Italien und Frankreich auch noch in eine schwere politische Krise rutschen.


Die mobile Version verlassen